Original (ca. 31/32 b : 40 h) im Staatsarchiv zu Marburg (A);
Rückvermerk des 15. Jh.:
Littera super Koufungirwalt, Helginrade et Vmbach; Excopiata.
Drucke aus A: Stumpf, Acta imperii 104 no
93. – Bresslau, Diplomata centum 55 no
40. – Posse, CD Sax. reg. 1.2,56 no
67 Auszug. – v. Roques, Kaufunger UB 1,27 no
22.
Reg.: Böhmer-Will, Mainzer Reg. 1,269 no
127. – Dobenecker, Reg. Thur. 1,247 no
1174. – Janicke, UB d. Hochst. Hildesheim 1,162 no
182. – Knipping, Kölner Reg. 2,31 no
207. – Ruperti
in Jahrb. f. lothr. Gesch. 22,74 no
11. – Pappenheim, Pappenheimer Reg. 17f. no
362 u. 376. – Heidingsfelder, Eichstätter Reg. 102 no
313. – Diestelkamp-Rotter, Urk.-Regesten 1,133 no
188. – Stumpf
Reg. 3191.
Das verschmutzte und stellenweise fleckige Pergament weist starke
Schäden durch Mäusefraß auf; die dadurch verursachten Textverluste,
die nach Ausweis einer Abschrift des 18. Jh. schon damals bestanden,
lassen sich nur teilweise beheben. Das heute verlorene Siegel, dessen
Fehlen schon für das Jahr 1900 (v. Roques) konstatiert ist, war 1889 anscheinend noch vorhanden, da es bei Posse
identifiziert ist (“S. = Bresslau
V.3”; bezieht sich auf Bresslaus Siegelverzeichnis in NA 6,577: Heinrich V.3 [= S.4.]).
Verfasst und geschrieben von Notar Heinrich, vgl. Hausmann, Reichskanzlei 74 no
21. Wohl nur durch ein Versehen blieb die Zeichnung seines Monogramms
unvollständig (s. Anm. w). – Die selbständig erweiterte Arenga entnahm
der Notar dem in seinen Formularbehelf aufgenommenen und daraus in den
Codex Udalrici (Eccard
no
70) gelangten DH.II.196 für Bamberg von 1009 Juni 1 (= VL.), vgl. Hausmann
in MIÖG 58,73 Formel 3a; insofern hat D.257 als unmittelbarer Beleg
für allgemeine Berufung auf die Bibel in der Kanzlei Heinrichs V. (so Koch, Sacrum imperium 60 Anm. 237) auszuscheiden.
Die Zweifel Stumpfs (Reg. 3191) an der Richtigkeit des eindeutig lesbaren Tagesdatums
(s. Anm. a’) und die damit verbundene Annahme einer Verschreibung für
8 idus martii (= März 8), womit D.257 in die Nähe des gleichfalls in Neuhausen
ausgestellten D.252 von 1123 März 5 gerückt würde, erscheinen
unbegründet: Es spricht einerseits nichts dagegen, dass Heinrich im
Frühjahr 1123 seine damalige “Quasiresidenz” Speyer (vgl. Vorbemerkung
zu D.253) öfter verließ und dabei das ca. 35 km entfernte und etwa 1,5
km nw. der Stadtmauern von Worms gelegene Neuhausen (heute Stadt
Worms) in der Tat zweimal aufsuchte, zumal er dort eine neue Burg
errichtet hatte; vgl. dazu Classen
in Deutsche Königspfalzen 1,82ff.
Andererseits aber ist insbesondere ein zeitlicher Ansatz in den Anfang
des Monats März als zu früh auszuschließen, wenn die Anwesenheit u.a.
mehrerer Mainzer Suffragane – von diesen ist B. Berthold I. von
Hildesheim (1119–1130) überhaupt nur hier und war B. Heinrich von
Paderborn (1084–1127) zuvor nur in den Jahren 1112 und 1114 (DD.103
und 135) am Hofe nachweisbar – nach der wohl zutreffenden Vermutung Goettings (Hildesheimer Bischöfe 334f.) dadurch veranlasst war, dass EB.
Adalbert von Mainz gemeinsam mit diesen die nachträgliche Zustimmung
Heinrichs zu der ohne seine Mitwirkung erfolgten Wahl, Weihe und
Investitur Ottos von Schkeuditz zum neuen Bischof von Halberstadt
einholen wollte; vgl. dazu auch Bogumil, Bistum Halberstadt 210ff. Diese Vorgänge nach dem erst kurz zuvor
erfolgten Tod von Ottos Vorgänger, B. Reinhard (die bei SCHMIDT, UB
Hochst. Halberstadt 1,128 no
155 mitgeteilten Nekrologeinträge schwanken zwischen Februar 27 [so Goetting
a.a.O. 334] und März 2 [so Bogumil
a.a.O. 56]), können sich leicht über die Monate März/April hingezogen
haben, ehe die Sache vor Heinrich gelangte.
Der Hintergrund der uns überlieferten “Restitutions-Urkunde” bleibt
recht unklar: Zunächst irritiert, dass die gewaltsamen Entfremder (in
schonender Weise?) anonym gelassen werden (quorundam violentia). Sodann scheint die ganze Wahl der Verben (restituamus in der gegenüber der VL. erweiterten Arenga,
remisimus im ersten Satz der Dispositio,
concedimus … im anschließenden
Nominatim-Satz) sowie die zusammenfassende Charakterisierung des ganzen
Rechtsgeschäfts in der Korroboratio als
nostra concessio den Verdacht zu rechtfertigen, dass Heinrich selbst, zumindest
indirekt, der eigentliche Entfremder gewesen war; diese Vermutung wird
durch den in eigenartiger Weise zur “Zeugenliste” überleitenden
Schluss der Dispositio mit
Hoc autem … rationabiliter fecimus fast zur Gewißheit, der doch wohl besagt, dass Heinrich
iudicio principum zu seiner Handlung genötigt wurde.
Bei den
quidam handelte es sich womöglich um Gefolgsleute Heinrichs, die er mit den
(von ihm oder auf seine Veranlaßung hin von diesen) entfremdeten
Gütern belehnt hatte, so dass der Vorwurf der
violentia sie nur mit Einschränkung träfe. – Die Identifizierung der
quidam versuchte Eckhardt
in Zeitschr. f. hess. Gesch. 71,153 mit Hilfe einer Analyse der
“Zeugenliste”, die angesichts der zweimaligen Aufeinanderfolge von
Geistlichen und Laien eine deutliche Zweiteilung verrät, die sich
vielleicht auch schon in dem einleitenden
iusto rogatu und
recto iudicio ausdrückt: Bei der mit Mainzer Prälaten eröffneten zweiten
Personengruppe (ab
Duto) handelt es sich am ehesten um bloße Zeugen; aber auch die erste
Gruppe umfasste nicht ausschließlich die
principes, die das
rectum iudicium fällten, sondern endete rangmäßig spätestens mit den beiden
Ludowingern, dem Grafen Ludwig (I.) und seinem Bruder Heinrich (Raspe
I.), von denen Ludwig nach Eckhardts Annahme seine Nennung der Tatsache verdanke, dass er als Nachfolger
des Grafen Werner (s. unten) Inhaber der hessischen Grafschaft war.
In den an der Nahtstelle zwischen beiden Gruppen stehenden Personen
vermutet Eckhardt
mit einiger Berechtigung die Prozessparteien, in dem Klostervogt
Adalbert (von Schaumburg; wüste Burg bei Hoof wsw. Kassel; als
Klostervogt in der Nachfolge des Grafen Werner bis 1132 belegt, vgl. v. Roques
a.a.O. 30 no
24) den Kläger und in dem folgenden Gozmar (von Reichenbach; sö.
Hess. Lichtenau) und seinen Brüdern “logischerweise” die Beklagten;
für diese Deutung spricht, dass Gozmar und seine ungenannt bleibenden
Brüder offenbar kollektiv erwähnt werden. Zu anderen
Identifikationsmöglichkeiten für die
quidam vgl. Heinemeyer, Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel 187 Anm. 307; der von ihm in
Betracht gezogene Graf Werner scheidet u.E. jedoch sicher aus.
Unabhängig von der Identifizierungsfrage wird man nämlich in Erwägung
ziehen müssen, dass uns D.257 einen konkreten Beleg liefert für die
tatsächliche Beachtung der im Wormser Konkordat (s. D.240)
eingegangenen umfassenden Verpflichtung, die im “Investiturstreit” (in werra ista) entfremdeten Besitzungen
consilio principum[!] vel iusticia zurückzugeben. Hatte Heinrich mit den Kaufunger Besitzungen
Belehnungen vorgenommen, waren ja auch diese in seine
Restitutionsverpflichtungen einbezogen (quę non habeo, ut reddantur fideliter iuvabo).
Ein Grund, der Heinrich zu seinem bzw. seiner Parteigänger vermuteten
Eingriff in den Besitz des von seinen Urgroßeltern gestifteten (s.
unten) Klosters bewogen hätte, ist nicht erkennbar. Man wird daher in
Betracht ziehen können, dass er damit mittelbar B. Bruno von Speyer
hatte treffen wollen, weil dieser etliche Jahre zuvor, noch vor oder
während Heinrichs 2. Italienzug, zur antikaiserlichen Partei seines
Bruders, EB. Adalberts von Mainz, gewechselt war (vgl. dazu Krey, Bischöfl. Herrschaft 36ff.).
Noch auffälliger ist die Tatsache, dass als einzige Petentin die
Äbtissin Gisela genannt wird, nicht jedoch der anwesende und lediglich
die Bischofsliste eröffnende B. Bruno von Speyer, obwohl knapp 40
Jahre zuvor das Kloster Kaufungen von Heinrich IV. durch dessen D.384
von 1086 Jan. 12 der bischöflichen Kirche von Speyer geschenkt worden
war. Dazu passt der Befund, dass in der nur 3 Jahre jüngeren Urkunde
EB. Adalberts von Mainz von 1126 Juni 3 (v. Roques
a.a.O. 28 no
23; Stimming, Mainzer UB 1,447 no
540), mit der dieser der Äbtissin Gisela, der Impetrantin unseres D.,
die Neubruchzehnten im Kaufunger Wald (circumiacentis silve) überließ, mit keinem Wort von der Zugehörigkeit Kaufungens zu Speyer
die Rede ist.
Das Verschweigen der Speyrer Rechte an Kaufungen in Adalberts Urkunde
wie auch schon in unserem D. bringt Krey
a.a.O. 43ff. sicher zu Recht mit der Territorialpolitik Adalberts in
Zusammenhang, der bei seinem (erfolgreichen) Versuch der Entfremdung
Kaufungens von Speyer vielleicht sogar das Einverständnis des dortigen
Bischofs, seines leiblichen Bruders Bruno, besessen und nach dessen
bald nach Ausstellung des D.257 eingetretenen Tod († 1123 Okt. 19)
“die Rechte des Speyerer Bischofs an dem Kloster Kaufungen
beansprucht” habe (a.a.O. 45).
Krey
(a.a.O. mit Anm. 193 u. 195) vermutet zudem, dass Adalberts
Bemühungen um den Besitz Kaufungens durch den Klostervogt, den 1121
gestorbenen Grafen Werner IV. von Gröningen (zugleich Wormser
Hochstiftsvogt, Vogt des Mainzer Stifts Fritzlar und der zu Speyer
gehörigen Abtei Limburg; zu ihm vgl. DD.*331 u. *335), seit Adalberts
Haftentlassung im November 1115 einer seiner entschiedensten Anhänger,
gefördert worden sein könnten, demnach schon einige Zeit vor 1121
eingesetzt hätten.
Zur Geschichte des in der zweiten Jahreshälfte 1017 von Heinrichs II.
Gemahlin Kunigunde gegründeten und von Heinrich II. selbst in den
Jahren 1017–1019 und 1023 reich dotierten (vgl. DDH.II.375, 376, 394,
406, 407, 409, 411, 412, 420, 487, s.a. D. †521) Klosters vgl. u.a. Eckhardt
in Beitr. z. Gesch. d. Werralandschaft 12,21ff. – Es ist übrigens
anzunehmen, dass die Restitution des D.257 auch die in der Urkunde EB.
Adalberts von 1126 über Heiligenrode und Umbach hinaus genannten
beiden Orte, Bettenhausen (w. Heiligenrode und nw. Kaufungen;
interpoliert) und Eschenstruth (s. Kaufungen), eingeschlossen hatte;
keiner dieser vier Orte begegnet in den Diplomen Heinrichs II., so
dass es sich um spätere Erwerbungen bzw. Ausbauorte innerhalb des Kaufunger Forstes
handeln dürfte, für den selbst ebenfalls ein Erwerbstitel fehlt und
erst durch die Interpolation von
cum toto nemore in dem, auf der Grundlage des echten DH.II.406a von 1019 Mai 4 über
die Schenkung von Ober- und Niederkaufungen, zu Ende des 11. Jh.
gefälschten D. †406b geschaffen wurde.
Zum Namen und zur früheren Ausdehnung des “Kaufunger Waldes” vgl. Heinemeyer
a.a.O. 124ff.
Während nach ihm (140f.) der südlich der Losse und damit südlich des
Klosters gelegene Kaufunger “Stiftswald” ein Teil des Königsforstes
mit dem Namen Kaufunger Wald war, möchte neuestens Eckhardt
in Veröffl. d. Hist. Komm. f. Hessen 61,52ff. dies in Zweifel ziehen.
Bei dem
Bertoldus comes, den Posse
(Register S. 419) fälschlich mit dem nie in Heinrichs Umgebung
genannten Grafen Berthold von Andechs identifiziert, handelt es sich
sicher um den in D.255 genannten Grafen Berthold von Lindenfels, und
bei dem hier folgenden
Conradus um dessen dort genannten
nepos Konrad (v. Bickenbach). – Der Truchsess Volkmar (zu ihm s. D.24) und
der Marschall Heinrich (Haupt; zu ihm s. D.135) begegnen gemeinsam,
ohne Titel und in umgekehrter Reihenfolge, auch in D.276 von 1125
(letzterer:
Henricus Houvth).