Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<255.>>

Heinrich schenkt dem Reichsministerialen Eberhard und seiner Gemahlin Adelheid einen zum Königshof Wiesbaden gehörigen Wald.

Speyer, 1123 März 25.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original (ca. 43,5/44,5 b : 56,5/57 h) im Staatsarchiv zu Würzburg (A); Rückvermerk des 13. Jh.: De silva Wisebaden; 14. Jh.: Hec littera habetur in XIII. folio senior. privilegial.; 15. Jh.: Ad Wederauwiam .s.

Faks.: Kaiserurk. in Abb. Lief. 4 Taf. 30.

Drucke aus A: Joannis, Spicilegium 443 no 3. – Gudenus, Sylloge 564 no 3 = Ders., CD Mogunt. 4,864 no 1 = Kremer, Orig. Nass. 2,155 no 99. – Mon. Boica 29.1,244 no 447.

Reg.: Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,518 no 3. – Goerz, Mittelrhein. Reg. 2,615 no 2216. – Grupp, Oettingische Reg. 1,3. – Pappenheim, Pappenheimer Reg. 17 no 361. – Meyer-Marthaler u. Perret, Bündner UB 1,205 no 275. – Keunecke, Die Münzenberger 112 no 11. – Böhmer Reg. 2080. – Stumpf Reg. 3190.

Verfasst und geschrieben von Notar Heinrich, vgl. Bresslau in Textband zu KUiA 88, Hirsch in MIÖG Erg.-Bd. 7,533f. und in MÖIG 41,84 sowie Hausmann, Reichskanzlei 74 no 20. – Für die Arenga benützte der Notar zwei ältere Diplome Heinrichs V., die er beide in seinen Formularbehelf aufgenommen hatte, das von Notar Adalbert A verfasste D.145 von 1115 Okt./Nov. (vgl. dortige Vorbemerkung und Hausmann in MIÖG 58,77 Formel 18a = VL.I) und das von ihm selbst verfasste D.238 von 1122 Juni 2 (= VL.II). Das D.255 selbst fand seinerseits Eingang in den Formularbehelf, vgl. Hausmann a.a.O. 78 Formel 18c; zur Verwendung auch seiner Korroboratio und Sanktio in dem DKo.III.22 von 1139 Mai 28 vgl. Hirsch in MÖIG 41,84 (ebenda 83 zur Arenga).

Wie Bresslau a.a.O. (ebenso Meyer von Knonau, Jahrb. 7,244 Anm. 22, Bresslau, Handb. 22.1,218 Anm. 2 und Keunecke a.a.O.) feststellte, beziehen sich die zahlreichen Zeugen nicht auf die schon lange zurückliegende Rechtshandlung während der expedicio Wes[t]falię, womit der große Feldzug gegen EB. Friedrich von Köln und seine Bundesgenossen im Spätherbst 1114 (s. Meyer von Knonau a.a.O. 6,305ff.) gemeint ist, auf dem sich Eberhard ausgezeichnet haben dürfte, sondern es handelt sich um Beurkundungszeugen, wofür Bresslau außer auf die erst seit 1122 amtierenden Bischöfe von Würzburg und Chur vor allem auf Abt Udalrich von Fulda verweist, der nach vorangegangener regulärer Wahl nach dem Tode Abt Erlulfs († 1122 Okt. 11) erst während des Bamberger Reichstages vom 11. November 1122 die Investitur in die Regalien erhalten hatte.

Mit Wehlt, Reichsabtei 298f. ist übrigens zu Recht anzunehmen, dass Abt Udalrich bei seinem Speyerer Besuch des Hofes sich auf dem Wege nach Rom zum Empfang der Weihe befand; während Wehlt (a.a.O. und 366) das chronikalisch überlieferte Datum des 8. April 1123 für Udalrichs Weihe durch P. Calixt II. unbeanstandet übernimmt, hat Franke in AfD 33,184ff., der die Richtigkeit des Datums von D.255 anerkennt (a.a.O. 192f.), im Hinblick auf die zu kurze Frist zwischen dem 25. März und dem 8. April für die Zurücklegung der rund 1300 km von Speyer nach Rom dieses Weihedatum verworfen und denkt an einen Termin im Mai oder der zweiten Aprilhälfte; Sandmann in Die Klostergemeinschaft von Fulda 1,201 hatte sich auf die bloße Jahresangabe 1123 beschränkt. – Die Plazierung des Abtes mitten unter Laien ist schließlich sicher ein Versehen des Notars, der ja anscheinend auch für die Gesamtkonzeption seiner Zeugenliste einen Neuansatz benötigte (s. Anm. s).

Die Folio-Angabe des Rückvermerks des 14. Jh., für den Keunecke a.a.O. 47 vergeblich eine Verifizierung in den “Münzenberg-Falkensteinschen Nachfolgearchiven” versuchte, bezieht sich auf den “Primus liber registri litterarum ecclesie Magunt.” des 13. [-14.] Jh. (Staatsarchiv Würzburg, Mainzer Bücher versch. Inhalts no 17; zur Handschrift vgl. Acht in ZBLG 33,69ff., zur Foliierung ebenda 71), wo D.255 auf f. 25r–26r (neu) steht; die alte Foliierung mit römischen Ziffern, die jeweils die beiden aufgeschlagenen Seiten als Folium zusammenfasst, steht immer auf der linken verso-Seite, in unserem Fall die XIII auf f. 24v; entsprechend nennt der sonst völlig gleichlautende Rückvermerk des unmittelbar anschließend auf f. 26r–v eingetragenen D.266 über die Schenkung des halben castrum Eppstein an das Erzstift Mainz die auf f. 25v stehende Folio-Zahl XIIII; D.266 weist außerdem den gleichlautenden Wetterau-Rückvermerk wie D.255 auf.

Der geschenkte Wald lag nach Keunecke a.a.O. 46 und Renkhoff, Wiesbaden 10 und 16f., wie auch der von Keunecke zitierte obige Rückvermerk besagt, in der Wetterau, zu der auch Wiesbaden selbst rechnete (s. Keunecke a.a.O. Anm. 58), näherhin in dem später zur Eppsteinischen Herrschaft (s. weiter unten) zählenden, östlich und nordöstlich von Wiesbaden gelegenen Teil des Taunus, weshalb einer der Rückvermerke schlicht von der silva Wisebaden sprechen konnte.

Bosl, Reichsministerialität 1,106 hingegen hatte die Lage des Waldes fälschlich in dem südlich des Mains zwischen Frankfurt und Darmstadt gelegenen Reichsforst der Dreieich gesucht, und zwar angeblich in naher Nachbarschaft zu dem dortigen (in regio foresto nostro Driech nuncupato, folgen nähere Angaben), zuvor lehenbaren Grundbesitz von 7 Hufen, den mit DLo.III.14 von 1128 Dez. 27 (B.-Petke Reg. 178) der Reichsministeriale Cvonradus de Hagen zu freiem Erbbesitz erhalten hatte. – Dieser nach der in der Dreieich gelegenen Burg Dreieichenhain (Stadt Dreieich) benannte Konrad von Hagen (auch zubenannt de Frankenvort = DKo.III.47 und de Arnesborch = DKo.III.84) war nach Ausweis einer Urkunde seiner Großmutter Mathilde, Tochter Eberhards von Bilstein und Witwe Kunos von Arnsburg, von 1093 (Reg. Keunecke a.a.O. 112 no 9) ein Sohn aus der Ehe von Mathildes damals schon verstorbener Erbtochter Gertrud mit Eberhard von Hagen, dem Stammvater des Geschlechts Hagen-Arnsburg-Münzenberg (nach Münzenberg wurde um die Mitte des 12. Jh. der Hauptsitz von Arnsburg verlegt); zur Genealogie vgl. u.a. Bosl a.a.O. 68ff. und 106 sowie Keunecke a.a.O. 41ff. mit Stammtafel S. 385.

Zu der falschen Lokalisierung des Waldes von D.255 war Bosl dadurch verleitet worden, dass er in Eberhard einen Bruder Konrads von Hagen (also Sohn des seit 1076 belegten älteren Eberhard von Hagen) vermutete, a.a.O. 106 Anm. 3 sogar behauptete, in einer Urkunde von 1138 (mit falscher Beleg-Angabe “Stumpf 3177” = verschrieben für 3377 = DKo.III.9) werde Eberhard “als Bruder Konrads von Hagen erwähnt” (dort stehen jedoch Cunradus et Eberhardus de Hagen ohne Verwandtschaftsangabe nebeneinander, anders als bei den unmittelbar anschließenden Theodericus et frater eius Rudgerus de Diura; vgl. dazu Keunecke a.a.O. 43). – Ob Eberhard dieser Familie zuzurechnen ist und gar ein Bruder Konrads von Hagen war, hält Keunecke a.a.O. 43, 45f. und 47 für möglich, aber eher für unwahrscheinlich, während Renkhoff a.a.O. 16 die Wahrscheinlichkeit für gegeben sieht und ihn demnach auch mit dem in D.†234 von 1122 April 25 im Gefolge Heinrichs V. nach dem Truchsessen Volkmar genannten Euerardus de Haga für identisch hält (zu einer Nennung Eberhards v. Hagen schon im Jahre 1120 vgl. Keunecke a.a.O. 41 Anm. 41 und Renkhoff a.a.O. 16 Anm. 71).

In dieser unentschiedenen Frage ist der Hinweis Renkhoffs a.a.O. 16 auf die auch durch alle Rückvermerke erwiesene Provenienz des Originals von D.255 aus dem Kurmainzer Archiv von Belang, da er vermutet, dass Eberhard ohne Söhne starb und daher der Wald nach seinem Tode an das Mainzer Erzstift gelangte, das ihn an die Herren von Hainhausen-Eppstein (s. oben) zu Lehen gegeben haben dürfte; dass der Wald nicht an die Familie Hagen-Arnsburg-Münzenberg fiel, könnte deshalb als Argument gegen die Zugehörigkeit Eberhards zu ihr gewertet werden.

Neumeister in Jahrb. f. Gesch. des Feudalismus 11,69 und Zotz in Die Salier u. das Reich 3,19 führen die frühe Verwendung des Terminus ministerialis (statt des üblichen serviens u.ä., s. Bosl a.a.O. 106) für Eberhard in dem von Notar Heinrich verfassten D.255, unter fälschlicher Berufung auf Hausmann, der (Reichskanzlei 78) eine Herkunft des Notars aus Bamberg ausdrücklich zurückweist, auf angebliche “Bamberger Einflüsse” zurück.

Der unseres Erachtens für den Grundsatz der Unveräußerlichkeit von Reichsgut (vgl. Hoc autem sine diminutione regni fecimus; Bosl a.a.O. 106 sieht in dieser Formulierung fälschlich eine “ausdrückliche Beschränkung” der Schenkung) einerseits und für dessen Umsetzung in der Praxis andererseits höchst bedeutsame Text wurde bisher nicht adäquat interpretiert, was insbesondere für den entscheidenden Passus quia parem eum [scil. Eberhard] eiusdem predii esse cognovimus gilt:

Waitz, Dt. Verf.-Gesch. 25,464 Anm. 2 (ebenso Meyer von Knonau, Jahrb. 7,244 Anm. 22) gibt mit seiner Interpretation (“d.h. nicht, weil er zu dem Gut gehörte, sondern dasselbe ohne Verschlechterung der Stellung zum Reich, also wohl als Lehngut besitzen sollte”) dem Terminus par eine nicht gegebene ständische Qualität. Dies gilt in gewisser Weise auch für die im übrigen aber in die richtige Richtung zielende Interpretation bei Bosl a.a.O. 106f.: Der König betone mit dem Passus ausdrücklich, “daß der Rechtsstand des Ministerialen als eines unfreien, wenn auch gehobenen Dieners sich von der Rechtsqualität des Besitzes in keiner Weise unterscheide und damit eine Schenkung an einen Königsdienstmann keine Minderung des Reichsgutes bedeute, da ja beide im festen Besitz der Krone bleiben und dem König somit auch die Verfügung über das Eigen der Königsministerialen zustehe …” (in Anlehnung an Bosls Terminologie “übersetzt” Keunecke a.a.O. Reg. no 11 S. 113 den Passus: “da er [scil. der König] weiß, daß der Empfänger dem geschenkten Gut in der Rechtsqualität entspricht”). Bosls Bemerkung über die weitere Verfügung des Königs über das Eigen steht in direktem Widerspruch zum Wortlaut des Textes selbst, wonach der Wald aus dem ius imperii nostrę proprietatis an Eberhard und seine Erben in proprium überging; erst recht ist die Feststellung Renkhoffs a.a.O. 16 Anm. 68 verfehlt, dass “der Wald selbst im Eigentum des Reiches verbleibt”. – Der Passus besagt nach unserer Auffassung schlicht und einfach und ohne terminologische Implikationen: Der Ministeriale, d.h. sein Ministerialendienst, wiegt in seinem Nutzen für das Reich den materiellen Wert des ihm geschenkten Gutes voll auf (par), ja diese Vergabe des Reichsgutes ist, wie die auffällige, über die Vorlagen hinausgehende Erweiterung der Arenga es ausdrückt, letztlich die effektivste Form, honor atque utilitas regni zu erzielen – damit das genaue Gegenteil einer diminutio regni!. – Die zutreffende Bemerkung Bosls (s. oben), dass überdies auch der beschenkte Ministeriale selbst im Besitz der Krone bleibe, findet ihre Bestätigung darin, dass statt der sonst üblichen Teilung der Pön zwischen Empfänger des Diploms und Fiskus diese hier zur Gänze den scrinia imperatoris zufallen soll.

Zu den die Zeugenliste abschließenden Reichsministerialen vgl. – abgesehen von dem auf den Truchsessen Volkmar (von Kesselberg) folgenden, sonst nicht belegten Eberardus, der aber sicher nicht mit dem Empfänger des D.255 identisch ist – Bosl a.a.O. 105ff. In den drei dem Pfälzer Heinrich von Neukastel (Gem. Leinsweiler, w. Landau i. d. Pfalz) vorangehenden Zeugen Conradus, Heinricus und Wernherus vermutet Bosl gleichfalls pfälzische Reichsdienstmannen und möchte die zwei letzten mit Heinrich von Trifels (zu diesem vgl. D.112) und Werner I. von Bolanden identifizieren; bei dem Heinricus dürfte es sich, wegen seiner späten Plazierung, jedenfalls nicht um den in D.257 neben dem Truchsessen Volkmar als einziger Ministeriale genannten Marschall Heinrich Haupt handeln, welcher Meinung offenbar Pappenheim ist, der D.255 sowohl als Beleg für diesen wertet als auch den vorangehenden Conradus mit dem älteren Marschall Konrad identifizieren möchte.

(C.) In nomine sanctae et individuę trinitatis. Heinricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Si fidelium nostrorum dignis peticionibus benigne acquieverimus, si beneficiis et prediis eos sublimaverimus, antecessorum nostrorum regum sive imperatorum exempla tenemus et eorum successores nobis benivolentiores et devotiores habebimus idque ad honorem atque utilitatem nostri regnique provenire non dubitamus. Omnium igitur tam presentium quam futurorum Christi fidelium sollers noverit industria, qualiter nos fideli nostro et ministeriali Eberaddo eiusque contectali Adelheidi illorumque successoribus quoddam iure imperii nostrę proprietatis predium, silvam scilicet quandam ad regiam nostram curtim Wisibad vocatam libere et absolute pertinentem, benigno donavimus animo. Et ut plenius nostrę benivolentię piam ac devotam cognosceret affectionem, idem allodium cum omni utilitate, quę vel in presenti vel in futuro inde provenire potest, agris videlicet, terris cultis et incultis, pratis, pascuis sive compascuis, aquis aquarumve decursibus, piscationibus, molis, molendinis, viis et inviis, exitibus et reditibus, quesitis et inquirendis, in proprium eidem Ebehardo in expedicione Wesfalię concessimus. Hoc autem sine diminutione regni fecimus, quia parem eum eiusdem predii esse cognovimus. Ut autem huius nostre concessionis auctoritas stabilis et inconvulsa permaneat, hanc inde cartham manu propria corroboratam scribi et sigilli nostri impressione iussimus insigniri. Si quis autem, quod absit, hoc preceptum nostrum temere neglexerit, auri purissimi C libras persolvat scriniis imperatoris. Huic concessioni presentes affuerunt: Bruno Spirensis episcopus, Cuonradus Curiensis episcopus, Gebehardus Herbibolensis episcopus, Heinricus dux Bauuariorum, Godefridus palatinus comes; abbas Wldensis Ǒdalricus; Bertolfus comes de Lindenfels, eius nepos Conradus, Ǒdalricus de Hurningen, Cuono, Conradus de Walrestein, Robertus de Vrsin, Codefridus de Norinberch, Hartmannus comes de Tilingen, Humbertus de Linceburch; alii quoque fideles nostri: Folcmarus, Eberardus, Burchardus, Conradus, Heinricus, W[e]rnherus, Heinricus de Nichastel, Egeno camerarius.

Signum Heinrici qu[a]rti Romanorum imperatoris (M.9.) invictissimi. (SI.4.)

Philippus cancellarius recognovi vice Adelberti Mogontini archicancellarii.

Data Spirę anno dominicę incarnationis MCXXIII, indictione XIIIma, VIII. kl. aprilis.