Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<246.>>

Heinrich bestätigt dem Kloster St. Blasien nach dem Vorbild der Kaiser Otto und Heinrich (IV.) den Besitz und die Immunität innerhalb genannter Grenzen und gewährt ihm das Recht der freien Wahl des Vogtes, der den Bann vom König empfangen soll.

Speyer, 1122 Dezember 28.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original (ca. 60/60,5 b : 77/77,5 h) im Generallandesarchiv zu Karlsruhe (A); Rückvermerk des 12. Jh.: Privilegium Heinrici quarti imperatoris [darüber von anderer Hand: Vti regis] pro terminis adiacentibus et advocatu[!] eligendo; 14. Jh.: Decima in libro, 16./17. Jh.: folio 4; zu den Dorsualnotizen vgl. Wibel in NA 30,157 Anm. 1 und allg. Ott in Schau-ins-Land 90,24ff.

Drucke: Wohl aus A: Herrgott, Genealogia Habsburg. 2,136 no 197 “Ex archivo abbatiœ S. Blasii”. – Aus Reichskammergerichtsakt des 16. Jh.: Wiegand, Wetzlar’sche Beiträge 2,96 no 2. – Aus A: Wirtemb. UB 1,356 no 280, alle zu 1123. – Wibel a.a.O. 157ff. Anm. 2, Auszug in Paralleldruck mit DH.IV.154 und DO.II. † 297.

Reg.: Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,520 no 24. – Dümgé, Reg. Badensia 1,33, beide zu 1123. – Stälin, Wirtemberg. Gesch. 2,488. – Schneider in Württ. Vierteljahrshefte N.F. 1,67 no 11. – Fester, Reg. Baden 1,6 no 49. – Ruperti in Jahrb. f. lothr. Gesch. 22,74 no 10. – Duvernoy, Ducs de Lorraine 218 no 53bis. – Heidingsfelder, Eichstätter Reg. 101 no 312. – Ehlers, Metropolis 281 no 50. – Jakobs in Alemann Jahrb. 1995/96 S. 15. – Parlow. Die Zähringer 160 Reg. 234 (s.a. Reg. 210). – Böhmer Reg. 2077. – Stumpf Reg. 3185.

Das von unbekanntem Empfängerschreiber mundierte D.246 ist in seinem ersten Teil eine – lediglich um eine Petentenliste erweiterte – Wiederholung des im Text erwähnten DH.IV.154 von 1065 Juni 8 (= VU.I); neben diesem als der eigentlichen Vorlage wurde aber auch, wie vor allem die Ortsnamenschreibungen zeigen (vgl. bes. Anm. g, w–y, c’), zusätzlich das gleichfalls im Text erwähnte, erstmals von Wibel a.a.O. 152ff. eingehend untersuchte DO.II. † 297 von 983 Juni 5 (B.-Mikoletzky Reg. 898 = VU.II) herangezogen, obwohl dieses vom Text seiner echten Vorlage nur Invokatio und Intitulatio (s. Anm. a und b) sowie das Eschatokoll (Unterfertigungszeilen und Datierung) bewahrt, hingegen den gesamten, somit unbekannt bleibenden Kontext einschließlich der Korroboratio (s. Anm. v’) durch denjenigen der VU.I ersetzt hatte (s. Anm. c).

Zu VUU. I und II vgl. zuletzt ausführlicher, mit einem umfassenden Literaturbericht, Ott in ZGO 112,413ff., der vor allem die Echtheit des DH.IV.154 verteidigte, die zuvor von Wollasch in DA 17,420ff., bes. 442ff. erstmals in Frage gestellt worden war, indem er in DH.IV.154 lediglich die Nachzeichnung einer echten Urkunde Heinrichs IV. sehen wollte und als Konsequenz eine Entstehung nach der Otto-Fälschung annahm (a.a.O. 443 u. 444), sodann nochmals, in Bestätigung der Verteidigung Otts das DH.IV.154 als einwandfreies Original von Heinrichs IV. Kanzlisten Sigehard C bezeichnend, Jakobs, Der Adel in der Klosterreform von St. Blasien 27ff. (s.a. 13 u. 23), vgl. auch DDH.IV. S.772.

Das DO.II. † 297, das der Herausgeber Sickel noch als von Ottos II. Notar HD verfasstes und geschriebenes Original angesehen hatte, ist, wie das von Wibel a.a.O. nach S. 152 gebotene Teilfaksimile zeigt, lediglich eine, nach ihm (a.a.O. 163) wohl um die Wende vom 11. zum 12. Jh. entstandene (so auch Wollasch a.a.O. 442, Jakobs a.a.O. 31 spricht vom “frühen 12. Jh.”; Meyer von Knonau, Jahrb. 7,221 Anm. 39 zitiert Wibel fälschlich mit der Angabe “um das Jahr 1106”), die Schrift des HD sorgfältig nachahmende Verfälschung eines verlorenen Originals, dessen Datum durch die am selben Tage, 983 Juni 5, und gleichfalls in Verona ausgestellten DDO.II.293–296 (alle für St. Emmeram zu Regensburg; davon D.293 gleichfalls von Notar HD mundiert) bestätigt wird (vgl. Jakobs a.a.O. 31ff.).

Empfänger des verlorenen Originals Ottos II. kann übrigens nach Jakobs nicht St. Blasien gewesen sein sein, das als Zelle des Kl. Rheinau im 10. Jh. noch kein selbständiges Kloster war, sondern vermutlich Rheinau (Wibel a.a.O. 163 dachte noch an St. Blasien oder Rheinau, s.a. Ott a.a.O. 416f.). – Im Original des Falsum ist durch nachträgliche Änderung der Zahlen in der Datierung aus einem Diplom Ottos II. ein solches Ottos I. von angeblich 963 gemacht (s. Vorbem. zu DO.II. † 297 mit Anm. d sowie Wibel a.a.O. 153 Anm. 1 und Jakobs a.a.O. 34f.); diese Änderung, die Wollasch a.a.O. 424 ohne Begründung (diese liefert Jakobs in Allem. Jahrb. S. 27) auf “zwischen 1120 u. 1122” datiert, muss jedenfalls vor 1125 erfolgt sein, da nach D.274 die libertas St. Blasiens a primo Ottone herrührte (s. Wibel a.a.O. 156f. und Jakobs a.a.O. 35f.). – Den aus VU.I (u. VU.II) geschöpften ersten Teil hatte der Empfängerdiktator noch mit einer bedeutsamen Erweiterung versehen, indem er, im Anschluss an deren Sanktio, den aus dem DH.IV.280 für Hirsau von 1075 Okt. 9 (= VU.III) entlehnten Vogteipassus anfügte, vgl. Hirsch in MIÖG Erg.-Bd. 7,544.

Diesem wohl an den Hof mitgebrachten Empfängerentwurf, der wegen der Einfügung der Petentenliste erst dort mundiert worden sein kann, hat der Kanzleinotar Heinrich nur das Eschatokoll unter Einschluss der Datumzeile hinzugefügt (s. Anm. d”), vgl. Hirsch a.a.O. und Hausmann, Reichskanzlei 74 no 14. – Erst danach griff der Textschreiber wieder zur Feder und trug im Anschluss an die Korroboratio mit anderer Tinte einen kurzen Satz über die königliche Bannleihe an den Vogt ein (s. Anm. y’). Jakobs a.a.O. 13 u. 20 hält diesen Anhang für anscheinend “unecht”; diese unzutreffende Bewertung könnte ihre Stütze allenfalls in der auffälligen Tatsache finden, dass der Satz in denjenigen der gleich zu nennenden Nachurkunden, in denen man ihn eigentlich erwarten würde (bes. NUU. I u. IV), fehlt. Ob der Nachtrag vor der Besiegelung erfolgte und damit die Anerkennung der Kanzlei fand, lässt sich aufgrund des äußeren Befundes nicht entscheiden, aber auch nicht ausschließen; die Handgleichheit spricht jedenfalls dagegen, dass der Satz irgendwann in späterer Zeit eingetragen wurde. Und gegen verfälschende Absicht spricht einerseits, dass dieser Nachtrag ja gleichfalls aus VU.III geschöpft ist (vielleicht hatte der Schreiber, auf den schließlich die Erweiterung der VU.I durch VU.III zurückgeht, ursprünglich diese Fortsetzung seines ersten Exzerpts [s. Anm. n’] nur versehentlich vergessen), andererseits der Umstand, dass in D.274 die königliche Bannleihe ganz selbstverständlich vorausgesetzt und praktiziert wird.

D.246 fand, außer in Heinrichs D.274 (für die Vogteibestimmung sowie u.a. in Arenga und Korroboratio, vgl. dortigen Petitdruck), in unterschiedlichem Umfang in die jüngeren Herrscherurkunden für St. Blasien Eingang: DLo.III.6 von 1126 Jan. 2 (B.-Petke Reg. 111 = NU.I) übernahm den ganzen Schluss ab Preterea (Z. ■) unter Einschluss der Korroboratio; das zwischen 1141 und 1152 gefälschte DLo.III. † 125 mit demselben Datum (B.-Petke Reg. † 112 = NU.II) beschränkte sich auf die Übernahme der Sanktio (nullus dux … presumat) und kurzer Stellen aus dem Vogteipassus; DKo.III.10 von 1138 (= NU.III) übernahm die Grenzbeschreibung zusammen mit der anschließenden Sanktio bis presumat; das unvollzogene DF.I.72 von (1154–1164) (= NU.IV) bildet in seinem ersten Teil eine vollständige Wiederholung des ganzen Kontextes ab der Arenga bis eligere (Z. ■) und übernahm überdies wörtlich die hiesige Korroboratio.

Speziell die Vogteibestimmungen des D.246 fanden sodann, unter ausdrücklicher Berufung auf dieses (vgl. Anm. 1), auch Eingang in das nach Jakobs (a.a.O. 18 u. 20) in seiner echten Fassung in das Jahr 1123 oder 1124 gehörige, nach ihm (a.a.O. 15ff.) zwischen den Jahren 1140 und 1173 verfälschte und dabei auf 1120 März 19 datierte Privileg P. Calixts II. (JL † 6834; Germ. pont. 2.1,170 no † 7 [dort fälschlich D.274/St. 3204 als Bezug angegeben]; Migne, PL 163,1336 no 282; Robert, Bullaire 1,231 no 158), danach nochmals in das Privileg P. Honorius’ II. von 1126 März 28 (JL 7251; Germ.pont. 2.1,172 no 9). Auf diesem Wege gelangten die Vogteibestimmungen des Hirsauer Formulars schließlich zur Kenntnis der päpstlichen Kanzlei, die sie seit 1125 in mehreren Privilegien für andere Empfänger verwendete, zuerst in zwei Privilegien von 1125 Nov. 27, JL 7217 (Germ. pont. 2.1,111 no 1) für Kl. Ahausen und ausführlicher in JL 7218 (Germ. pont. 2.1,189 no 1) für Kl. St. Märgen, vgl. dazu Hirsch a.a.O. 545f. (mit Paralleldruck der Stellen) und Jakobs a.a.O. 16f. – Die beiden Privilegien von 1125 Nov. 27 bieten den Text nun nicht in der Formulierung des Calixt-Privilegs, sondern des Honorius-Privilegs von 1126 März 28, dessen Varianten wir in Anm. 1 notiert haben (vgl. auch dortige Schlussbemerkung); will man nicht annehmen, dass die Verfälschung des Calixt-Privilegs dessen ursprünglichen Wortlaut an dieser Stelle verändert hatte (daran denkt möglicherweise Jakobs a.a.O. 17), lassen sich die Übereinstimmungen mit dem Sanblasianer Honorius-Privileg vielleicht dadurch erklären, dass dessen Impetration durch St. Blasien schon im Spätherbst des Jahres 1125 erfolgt war und die Kurie sich auf den dafür vorgelegten Entwurf stützen konnte.

Nach der seit DD. † 241 u. 242 konstanten Wiederaufnahme der Angabe vice archicancellarii in der Rekognition erfolgt in D.246 erstmals wieder auch die namentliche Nennung Adalberts mit Zufügung des Mainzer Erzbischoftitels, vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 7,221 Anm. 39 und Stüllein, Itinerar 100 (s.a. 96). – Während Notar Heinrich seit D.238 und bis D.264 über zwei Jahreswechsel hinweg regelmäßig die falsche 13. Indiktion verzeichnete (vgl. Vorbemerkung zu D.238), bietet er hier zwischenzeitlich die richtige 1. Indiktion, die nochmals in D.250 begegnet, was wohl nichts damit zu tun hat, dass dieses wie unser D. in Speyer ausgestellt wurde. – Zur Nennung des Kardinalbischofs Lambert von Ostia, des späteren Papstes Honorius II., vgl. Vorbemerkung zu D.248. – Aus einer Papsturkunde entlehnt ist wohl die dreimalige Ladungsfrist admonitus semel … (wiederholt in D.274), vgl. Helleiner in MÖIG 44,28f. – Zur römischrechtlichen Sanktion reus maiestatis erit vgl. Koch, Sacrum imperium 122 Anm. 134. – Stumpf Reg. 3185a bezieht sich auf eine Urkunde B. Dietrichs von Naumburg († 1123 Sept. 27) von 1122 o.T. über die Errichtung der Pfarrei Plauen (Rosenfeld, UB d. Hochst. Naumburg 1,107 no 124; Dobenecker, Reg. Thur. 1,245 no 1170; erwähnt bei Meyer von Knonau a.a.O. 7,221 Anm. 39; zur Urkunde vgl. Neumeister in Neues Archiv f. sächs. Gesch. 68,3ff.) mit der Datierung: Acta sunt hec anno domini MoCoXXoIIo, indictione Ia, regnante et hec fieri inperante Heinrico V., anno imperii eius XIIo, presente domino Alberto Moguntine sedis archiepiscopo …; wegen der Angabe des 12. Kaiserjahres fiel die Ausstellung nach 1122 April 13 (s. Dobenecker a.a.O. Anm. 1), wogegen Böhmer-Will, Mainzer Reg. 1,269 no 126 die im Original erhaltene Urkunde eigenartiger Weise mit “1123? vor April 13” datieren. Ob dem hec fieri inperante ein tatsächlicher Sachverhalt entspricht, scheint äußerst fraglich.

(C.) In nomine sanctę et individuę trinitatis. Heinricus divina favente clementia imperator augustus. Ad perpetuam nobis in Christo felicitatem proficere speramus, si ęcclesias ab antecessoribus nostris deo constructas defendere, perpetua pace stabilire non neglegimus. Unde omnibus Christi nostrique fidelibus tam futuris quam presentibus notum esse volumus, qualiter nos cellam in silva Svvarzvvalt a sancto Reginberto constructam, ab Ottone autem imperatore et item a beatę memorię patre nostro Heinrico imperatore deo et sancto Blasio cum locis circumiacentibus et terminatione eorum improprium traditam, concessam, confirmatam, deo et predicto sancto pro remedio animę nostrę, instinctu quoque ac petitione fidelium nostrorum, videlicet Lamberti Hostiensis episcopi atque cardinalis, Brvnonis Spirensis episcopi, Hartwici Radisbonensis episcopi, Stephani Metensis episcopi, Heinrici Werdonensis episcopi, Ǒdalrici Eichstetensis episcopi, Godefridi palatini comitis, Symonis ducis, Cǒnradi ducis, Heremani marchionis, Berengeri de Sulzbach comitis, Cǒnradi de Wirdeneberch, Friderici comitis, Hartmanni comitis, Ottonis comitis, tradidimus, concessimus, confirmavimus, ab omnium iure separavimus, ea videlicet ratione, ut in eadem terminatione, – hoc est a fonte Chienbach usque ad villam Heibensvvanda et inde usque ad locum Vverenbrehtestǒilla et ita per declivum montis; usque quo Svvendenbach influit Albam, indeque usque ad ortum Steinaha indeque usque ad montem Veltberch ad ortum Albę et inde usque ad locum, ubi Swarzaha exit de lacu Slǒchse, et iuxta decursum predicti fluvii usque ad locum, ubi Chienbach influit Swarzaha, et ita usque ad fontem Chienbach – nullus dux aut comes vel aliqua alia persona maior vel minor aliquid iuris habeat, aliquam potestatem exerceat vel ullam inquietudinem monachis in eadem cella manentibus inferre presumat; quod si presumpserit, reus maiestatis erit. Preterea regia auctoritate statuimus, ut in electione advocati abbas habeat liberam potestatem cum consilio fratrum suorum talem eligere, quem ad defendendam monasterii libertatem et iustitiam bonum et utilem atque idoneum cognoscat, qui non pro terreno commodo, sed pro remissione peccatorum suorum et pro ęterna mercede ipsam advocatiam habere et bene tractare velit. Si autem, quod absit, non ut advocatus, sed potius calumniator et pervasor monasterii fuerit et admonitus semel, iterum ac tercio non emendaverit, omnino potestatem habeat abbas cum consilio fratrum et nostro nostrorumque successorum patrocinio hunc reprobare et alium sibi utiliorem undecumque eligere. Et ut hęc nostra regalis confirmatio atque constitutio stabilis et inconvulsa omni tempore permaneat, hanc cartam conscribi manuque propria corroborantes sigilli nostri impressione iussimus insigniri. Volumus etiam, ut advocatus petitione abbatis legitimum bannum a nobis vel successoribus nostris accipiat.

Signum Heinrici quarti Romanorum imperatoris (M.9.) invictissimi. (SI.D.)

Philippus cancenlarius (!) recognovi vice archicancellarii Adelberti Mogontini archiepiscopi.

Data Spirę anno dominicę incarnationis MCXXIII, indictione I, V. kl. ianvarii.