Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<245.>>

Heinrich versichert den Konvent von Cluny und seinen Abt Petrus der kaiserlichen Zuwendung und bittet sie um ihr Gebet.

(wohl Ende 1122).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Abschrift des 12. Jh. in ms. CXIX f. 143vb der Kapitelsbibliothek zu Vercelli (B).

Faks. von B: Zerbi, Tra Milano e Cluny tav. IV nach S. 367.

Druck aus B: Wilmart in Revue Bénéd. 44,353 no II. – Stumpf Reg. –.

Zur vermutlichen Provenienz der Handschrift vgl. Wilmart a.a.O. 352, der Herkunft aus einem der zwei in der Diözese Vercelli gelegenen, im 11. Jh. gegründeten Cluniazenser-Priorate, S. Pietro di Castelletto Monastero/Castelletto Cervo (prov. Vercelli; s.a. D.*309) und S. Valeriano di Robbio (Prov. Pavia, ca. 14 km sö. Vercelli; zu beiden vgl. Cattana in Italia Benedettina 1,87ff., zu Robbio vgl. Andenna in Benedictina 18,246ff.), in Betracht zieht; wegen dessen späteren Besitzgeschichte gibt Andenna a.a.O. 249f. Robbio den Vorzug.

Die mit f. 143 endende Handschrift des 11. Jh. enthält den Isaias-Kommentar des Haimo von Auxerre, der in der oberen Hälfte von f. 143va endet; unmittelbar anschließend folgen von Hand des 12. Jh. in der unteren Spaltenhälfte die nur teilweise lesbaren ersten 16 Zeilen eines 21-zeiligen Briefes des Abtes Pontius an den Konvent von Cluny, dessen Fortsetzung in den ersten 5 Zeilen der rechten Spalte von anderer Hand stammt (vgl. Zerbi a.a.O. 356 in Anm. 49), die in einem Zug damit den Heinrich-Brief eintrug, der den Rest der oberen Hälfte von f. 143vb füllt (in der unteren Spaltenhälfte stehen Federproben des 12./13. Jh.).

Die kompletteste Fassung des verstümmelten Pontius-Briefes, von dem Wilmart (a.a.O. 352 no I) und mit einigen Verbesserungen Zerbi (a.a.O. 355) erste Drucke geboten hatten, findet sich jetzt bei Zerbi in Società, istituzioni, spiritualità, Studi in onore di Cinzio Violante 2,1084f. (vgl. Wollasch in Francia 23/1,43 Anm. 95; s.a. Schilling, Guido von Vienne 573 Anm. 159), dem mit modernen Hilfsmitteln vor allem im Bereich der Zeilen 9–17 weitergehende Entzifferungen gelangen, darunter in Z. 9f. eines Zitats aus Hebr. 13,17.

Für die Niederschrift beider Briefe rechnet Wilmart mit zeitlicher Nähe zu den angesprochenen Vorgängen (a.a.O. 352: “peu de temps après l’événement”), was jedoch einigen Spielraum für deren Entstehung lässt. – Während er für den Pontius-Brief keinen Datierungsvorschlag macht, vermutet er hinsichtlich der Expedition des Heinrich-Briefes die Zeit unmittelbar nach der Wahl des Petrus Venerabilis (1122 Aug. 23; vgl. Cowdrey in Studi Gregoriani 11,233 mit Anm. 18).

Für die grundsätzliche Richtigkeit dieser Einschätzung spricht zunächst wohl die Tatsache, dass in der Inskriptio des D.245 der Konvent vor dem Abt angesprochen ist. Die übertrieben wirkende Formulierung dilectissimi patris nostri domini pape dilectione legt sodann die Annahme nahe, dass das vermutlich durch eine “Wahlanzeige” aus Cluny ausgelöste Schreiben erst nach das Wormser Konkordat vom 22. September gehört, weshalb es auch Zerbi den auf dieses folgenden Wochen zuweisen möchte (Tra Milano 345: “le settimane subito seguenti”; s.a. 351). Letztlich aber hatte der Konvent seine “Wahlanzeige” vermutlich erst erstattet, nachdem er von P. Calixt II. mit Littera von 1122 Oktober 21 die Bestätigung der Wahl des Petrus erhalten hatte (JL 6992; Robert, Bullaire 2,72 no 319; vom selben Tag das Bestätigungsschreiben für Petrus selbst, a.a.O. 71 no 318, JL 6991).

Im Schreiben an den Konvent hatte der Papst, der eingangs die pastorum vestrorum defectio … hoc tempore beklagte, im Anschluss an die Wahlbestätigung verfügt, ne quis fratrum vestrorum aut ulla omnino persona occasione Pontii, olim abbatis, in vestra audeat congregatione scandalum suscitare, mit der Begründung, dass Pontius auf die Leitung des ihm zuvor vom Hl. Stuhl anvertrauten Klosters durch Übergabe des (Abt-)Stabes endgültig verzichtet hatte (… in manu nostra per quandam virgam beato Petro et Romane ecclesie absque ulla recuperationis spe in perpetuum refutavit), und mit der anschließenden Androhung der päpstlichen indignatio für jeden, der hoc in vestra … congregatione scandalum commovere presumpserit.

Eine letzte Entscheidung der Datierung des Heinrich-Briefes hängt jedoch von der – von Wilmart offengelassenen – des Pontius-Briefes ab: Wir sind der Ansicht, dass beide zeitlich engstens zusammengehören, ja dass der Pontius-Brief am Hofe vorgelegt worden war, um von Heinrich die Anerkennung des Petrus – in einer offenbar mit Rücksicht auf den dem Kaiser bisher so eng verbundenen Pontius äußerst zurückhaltenden Form, mit vager Vertröstung auf spätere Anerkennung des honor Clunys erst oportuno tempore – zu erreichen, der Brief also von Pontius entweder schon nach der auf päpstliche Anweisung erfolgten Wahl seines unmittelbaren Nachfolgers, des Abtes Hugo II., spätestens aber nach der Wahl des Petrus geschrieben worden war. Es ist vorstellbar, dass Abt Petrus selbst für die gemeinsame Verbreitung beider Briefe sorgte; die Art und Weise der Kopierung in der Vercelleser Handschrift legt jedenfalls den Schluss nahe, dass sie für die Kopisten ein “ensemble” bildeten.

Für den von uns vermuteten Zusammenhang spricht einerseits, dass die Begriffe scandalum im Papstbrief von 1122 und scismata im Pontius-Brief (s. Anm. 1) dieselbe Sache meinen, das “Schisma Pontianum” also schon im Jahre 1122 gleich nach des Pontius Resignation drohte. Insbesondere aber sprechen dafür zwei, gerade bei der lakonischen Kürze des D.245 gewichtig erscheinende Anklänge an den Pontius-Brief: Man kann zwar noch fragen, ob in dem scissuris mentium eine Anspielung auf die zweifellos von den Abgesandten Clunys dargelegte Schisma-Gefahr enthalten ist; der Schlusswunsch lässt aber u.E. keinen Zweifel daran zu, dass für dessen Formulierung der Pontius-Brief dem Verfasser des D.245 vorgelegen hat (s. Anm. 3).

Tellenbach in QFiAB 42/43,23f. (ihm folgend Zerbi, Tra Milano 354ff. und Ders. in Società 1088f.; s.a. Schilling a.a.O.) sieht demgegenüber einen Zusammenhang des Pontius-Briefes mit einem Brief P. Honorius’ II. an den Konvent von Cluny von 1125 April 2 (JL 7194; Migne, PL 166,1227 no 7), in dem er die auf seine und des Abtes Petrus Bitte hin erfolgte “Restitution” dreier Klöster, darunter San Benedetto Po, an Cluny mitteilt und am Schluss den Verkehr von Cluniacensermönchen mit Pontius verbietet (Præcipimus autem, ut nullus Cluniacensis professionis monachus ad Pontium olim abbatem sine prædicti filii nostri Petri abbatis consensu ire præsumat.

Offenbar sahen Tellenbach und Zerbi in diesem Verbot einen Reflex auf die Bitte des Pontius-Briefes, ihn besuchende Mönche aus Cluny nicht als fugitivi zu betrachten und von ihm kommende nuncii nicht festzusetzen (Z. 11f.: … ne fratres, qui ad nos venerint ca[usa …] et solatii, ut fugitivos eos habeatis …; Z. 15–17: si quos autem nuncios pro nec[essitate …] miserimus, rogamus, ne eos capiatis, set etiam ad utilitatem vestram sustentetis), weshalb sie den Brief in die Zeit nach Pontius’ Rückkehr aus Jerusalem (vgl. unten) und “vielleicht” in die (ersten) Monate des Jahres 1125 datieren möchten.

Noch Bredero, Cluny et Cîteaux 68 in Anm. 114 und 72 Anm. 147 lässt in eingehender Abwägung des Für und Wider die Entscheidung der Datierung zwischen 1122 und 1125 offen. – Die Datierung in das Jahr 1125 scheitert jedoch u.E. allein schon an dem – dem Zitat von Anm. 1 vorangehenden – Anfang des Briefes, der diesen zwingend in die Zeit unmittelbar nach der erfolgten Wahl seines Nachfolgers, Hugos II. bzw. (eher) des Petrus Venerabilis, verweist (Z. 2–6: Quoniam placuit vos [Wilmart: vobis] propter indignitatem et inutilitatem nostram[!] repudium nobis mittere, gratum [das g von ga des fast unglaublichen gratum scheint aus r verbessert zu sein!] habemus. Nos quoque per manum apostolici alterius vobis abbatis regimen concessimus[!]; zu entsprechender Frühdatierung bei Wollasch (allerdings zu früh) vgl. weiter unten.

Das größte Erschwernis für eine sichere Antwort auf die Frage nach dem Zeitpunkt, aber auch dem Enstehungsort des Pontius-Briefes liegt darin, dass die Berichte über des Pontius Geschick nach seinem auch für die Zeitgenossen nicht recht erklärlichen Amtsverzicht, über den vor allem Ordericus Vitalis, Historia ecclesiastica lib. 12 c. 30 (ed. Chibnall 6,310ff.) und Petrus Venerabilis, De miraculis lib. 2 c. 12 u. 13 (ed. Bouthillier 117ff.) unterrichten, sehr karg sind und sich nicht in allen Punkten decken. Dies gilt zunächst für des Pontius Pilgerfahrt ins Hl. Land: Darüber berichtet Ordericus, dass Pontius, dem er bei seiner Resignation unbedachtes Handeln (inconsulte) unterstellte, sie ohne Erlaubnis des Papstes antrat (a.a.O. 312: Papa Poncio sine licentia et benedictione sua imprudenter abeunte ira incaluit et Cluniacensibus, ut idoneum sibi rectorem eligerent, precepit …). – Nach Petrus Venerabilis soll Pontius die Pilgerfahrt jedoch mit Erlaubnis des sich zunächst gegen die Annahme der Resignation sträubenden Papstes angetreten haben (a.a.O. 118: … Absolutus inde eiusdem pape permissione Apuliam petiit indeque mare transmisso Ierosolimam semper, ut proposuerat, ibidem mansurus pervenit. – Und das emotionsgeladene (echte?) Privileg P. Honorius’ II. für Abt Petrus von 1126 Oktober 20 (JL 7268; Migne, PL 166,1265 no 48; s. Bernard-Bruel, Chartes de Cluny 5,346 no 3994) schließlich spricht eingangs seines langen Vorberichts sogar von einem entsprechenden Gelübde des Pontius (Übereinstimmungen mit JL 6992 in Petit): Pontius …, qui Cluniacensem abbatiam in manu prædecessori[s] nostri felicis memoriæ papæ Calixti sine spe recuperationis refutaverat et se perpetuo Ierosolymis victurum voto astrinxerat.

Höchst ungewiss ist auch die Dauer des Pontius-Aufenthaltes im Hl. Land. Für die Behauptung etwa von Cowdrey (a.a.O. 234) und von Torrell-Bouthillier, Pierre le Vénérable 22, sie habe rund anderthalb Jahre gewährt, gibt es keine konkreten Belege. Ordericus und Petrus schweigen darüber, Ordericus erwähnt lediglich, dass Pontius neben anderen loca sacra auch Jerusalem und den Berg Tabor aufgesucht habe. Die einzige konkrete Nachricht liefert Anselm von Gembloux zum Jahre 1123 (MGH SS 6,379), wonach in der nach der Gefangennahme Kg. Balduins II. (1123 April 18) stattgefundenen, für die Christen siegreichen Schlacht von Ascalon abbas olim Cluniacensis Pontius dem Heer die Hl. Lanze vorangetragen habe (vgl. Tellenbach a.a.O. 22; zu den Vorgängen vgl. u.a. Baldwin, A History of the Crusades [ed. Setton] 1,419f.).

Größte Unklarheit beteht aber insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts und der Umstände von Pontius’ Rückkehr. Von vorneherein abwegig ist die noch von Zerbi (a.a.O. 350) vertretene These, diese lasse sich mit Sicherheit “verso la fine del 1123” fixieren; dies basiert offenbar auf der irrigen Behauptung bei Meyer von Knonau, Jahrb. 7,258 Anm. 43, Pontius habe in D. † 262 von 1123 November 16 (Stumpf Reg. 3195) als Intervenient fungiert, was bereits von Tellenbach (a.a.O. 22 mit Anm. 29) durch die Feststellung ausgeräumt worden war, dass Meyer von Knonau eine Verwechslung mit D.148 von 1115 Dez. 20 (Stumpf Reg. 3122) unterlaufen sein muss.

Durch die unten anzuführenden Urkunden von 1124 Juni 17 u. 21 ist gesichert, dass Pontius spätestens vor der Mitte des Jahres 1124 wieder von seiner Pilgerfahrt zurück war. Tellenbach, dem diese Urkunden entgangen waren, hatte noch (a.a.O. 23f. mit Anm. 30) die beiden DDH.V.267 und 268 von 1124 Juli 25 bzw. August 5 als die frühesten Belege angesehen (ebenso noch Cowdrey a.a.O. 234 mit Anm. 24 u. 25 und zuletzt Torrell-Bouthillier a.a.O. 22); vgl. dazu noch Vorbemerkung zu D.268. – Ordericus und Petrus schweigen sich wiederum zum Zeitpunkt aus und machen im übrigen widersprüchliche Angaben: Nach Ordericus (S. 312) wäre Pontius unmittelbar nach Frankreich/Cluny gezogen. Nach Petrus (S. 119) jedoch hätte Pontius in Oberitalien eine Zwischenstation eingelegt und sich dort sogar als Klostergründer betätigt (Pontius transmarine habitationis pertesus rediens ab oriente … Qui ut Italiam attigit, divertere Romam nolens, in Rauennatium partibus, hoc est in episcopatu Taruisiano, sibi sedem constituit; ibi monasteriolo constructo parvoque in eo tempore demoratus Gallias repetiit …).

Für diese Pontius-Gründung wusste Tellenbach (a.a.O. 23 mit Anm. 32) nur den Namen “in Campo Syon” mitzuteilen, wofür er sich allein auf eine Nachricht in der 1614 bei Marrier-Du Chesne, Bibliotheca Cluniacensis 1622f. gedruckten Chronologia abbatum Cluniacensium stützte, und behauptete unverständlicherweise, von dem Kloster habe sich “sonst keine Kunde erhalten”. – Über die Gründung durch Pontius und die weitere Entwicklung des Klosters existieren jedoch seit langem gedruckte Urkunden, deren wichtigsten Kehr in It. pont. 7.1,209f. referierte. Nach ihm handelt es sich um das in der Diözese Padua, jedoch in der Grafschaft Vicenza gelegene Kloster S. Crucis de Campo Sion in dem zur com. Bassano del Grappa gehörigen und ca. 4,5 km nnw. von diesem gelegenen Campese; vgl. zuletzt Fornasari in Italia Benedettina 8,99ff. (dort S. 99 auch das Zitat der Petrus-Stelle).

Einen Teil der im Archiv von San Benedetto Po überlieferten Urkunden für Campese druckte Verci, Storia degli Ecelini 13 (CD Ezeliniano),22ff. no 11ff. Aus diesen ergibt sich, dass im Sommer 1124 eine Gruppe von Laien, als deren wichtigster ein Tiso qui dicitur Brenta anzusehen ist, unter maßgeblicher Beteiligung B. Sinibalds von Padua, die materielle Grundlage schuf: In der offenbar überhaupt ältesten Urkunde von 1124 Juni 17 (Verci 22 no 11 zu Juni 18; Gloria, CD Padovano 2.1,123 no 152; vgl. Zerbi a.a.O. 350 Anm. 43, Fornasari a.a.O. 100), die den Erwerb von 5 Hufen durch Tiso im Tausch mit B. Sinibald festhält, lautet die ungeschickt formulierte Zielsetzung: ad honorem dei et abbatis nomine Puncio atque ecclesie et monasterii, quod construere idem abbas volebat in Campese in comitatu Vicentino; in der wenige Tage jüngeren Urkunde von 1124 Juni 21 (Verci 23 no 12 zu Juni 22; Gloria 124 no 153; Torelli, Reg. Mantov. 1,135 no 190; vgl. Fornasari 100f.) über den Erwerb einer weiteren Hufe durch Tiso Brenta im Tausch mit dem Abt von S. Floriano lautet die Gewährschaftsleistung B. Sinibalds nur noch Poncio abati suisque successoribus. Ein knappes Jahr später, in zwei Schenkungs-Urkunden von 1125 April 12 (Verci 24 no 13) und 1125 Mai 18 (Verci 25 no 14; Torelli 136 no 192), werden dann als Empfänger neben Abt Pontius und dem venerabilis locus sancte Crucis de Campo Sion schon ceteri fratres illuc deo servientes genannt.

Mit Urkunde von 1127 Juli 4 (Verci 26 no 15 zu Juli 3; Gloria 142 no 177; Torelli 141 no 199; vgl. Fornasari 101 mit Anm. 61) haben dann die offertores et donatores praefati monasterii (neben Tyso noch eine Reihe anderer Laien) die Dotationsgüter und das monasterium de Campo Syon selbst (eingangs ist die Rede von monasterio ordinando in honorem dei, crucis Christi et eiusdem piissime genitricis) dem Kloster San Benedetto Po und dessen Abt Heinrich übertragen; in der Grenzbeschreibung ist bemerkenswerter Weise die Rede von … sicut Brenta fluit usque ad pontem, quem domnus Pontius beate memorie abbas [= Verci; Gloria nur: bonae memoriae] fieri ordinavit [das Folgende fehlt bei Verci] super flumen Brentam iuxta Valixonem … – Infolge der Vernachlässigung der Urkunden aus den Jahren 1124 und 1125 hatten übrigens Cowdrey (a.a.O. 234 Anm. 26) und Piva in Italia Benedettina 1,317f. die Urkunde von 1127 über die Tradition an San Benedetto Po fälschlich als “Gründungsurkunde” von Campese angesehen (Piva bezeichnet sogar unter Berufung auf Torelli Abt Heinrich als “Gründer”), was Fornasari (a.a.O. 101 Anm. 61) zurückwies. – Als Besitz von San Benedetto Po erscheint dann, als eines von zwei Klöstern in episcopatu Paduano, das monasterium sancte Crucis de Campo Syon in allen Papstprivilegien seit dem Privileg P. Innocenz’ II. von 1132 Juni 25 (Gloria 183 no 234; JL 7574; It. pont. 7.1,335 no 25, vgl. noch no 43, 44, 46, 47, 62, 69, 101), ebenso in den DDLo.III.46 (als Erweiterung seiner VU., des DH.V. † 262) und 50 sowie dem DF.I.424.

Angesichts der auf das Kloster in Campese nicht passenden Angabe in episcopatu Taruisiano bei Petrus Venerabilis (s. oben) äußerte Zerbi (a.a.O. 350 Anm. 43) die zweifellos richtige, in der seitherigen Literatur unbeachtet gebliebene Vermutung, dass Petrus Venerabilis bei seiner Bistumsangabe eine Verwechslung unterlaufen war, dass er nämlich das mit Urkunde von 1122 Sept. 7 (Bernard-Bruel a.a.O. 320 no 3960; Nachdruck bei Sant’ Ambrogio in Nuovo Arch. Veneto N.S. 13.2,141; erwähnt bei Tellenbach a.a.O. 23 Anm. 31) von genannten Laien an Cluny tradierte monasterium sancte Lucie, quod est situm in comitatu Tarvisiensi, non longe a fluvio Brenta, gemeint hatte.

Sant’ Ambrogio (a.a.O. 139) hatte dieses Kloster mit dem cisterziensischen(!) Santa Lucia di Piave (prov. Treviso, ca. 20 km n. von diesem) identifizieren wollen, was mit der angegebenen Lage an der Brenta unvereinbar ist; ihm hatte sich noch Fornasari (a.a.O. 92ff.) angeschlossen, hatte aber in einem Postscriptum (S. 103) eingestanden, daß “S. Lucia del Piave” und “S. Lucia del Brenta” [zu dieser Bezeichnung vgl. die Zehntverzeichnisse der Diözese Vicenza von 1297 sowie von 1303 in Studi e Testi 96,231 no 2791 bzw. 275 no 3034: Monasterium S. Lucie de Brenta] voneinander zu unterscheiden seien. – Zerbi hatte es dann richtig mit dem bei Kehr a.a.O. 152 als “in territorio Patavino” gelegen, jedoch zur Diözese Vicenza gehörig verzeichneten “Monasterium s. Mariae et s. Luciae de Fontaniva” (= com. Fontaniva prov. Padua, ca. 15 km nö. Vicenza, ca. 3 km sw. Cittadella; heute: Santa Lucia com. Cittadella) identifiziert. Kehr zitiert als einzigen Beleg das Testament eines auch in Fontaniva begüterten Mannes von 1127 Juni 15 (Gloria 141 no 176), in dem eingangs das Kloster mit einer massaricia in Baxano (Bassano del Grappa) bedacht wird (in honore sancte dei genitricis Marie et sancte Lucie virginis dedit in eorum monasterio). Falsch ist Kehrs Behauptung, es handle sich um ein benediktinisches Frauenkloster; denn eine Urkunde von 1149 April 10 (Gloria 377 no 516) nennt einen Richilis als Abt des monasterium sancte Lucie de loco et fundo Fontaniva, und auch das Zehntverzeichnis von 1297 nennt den abbas als Zehntpflichtigen.

Aus der Geschichte dieser beiden Klöster ergibt sich nun nach unserem Dafürhalten ein ganz anderer zeitlicher und örtlicher Hintergrund für Entstehung und Datierung des Pontius-Briefes: Zunächst scheint es uns gar nicht ausgemacht, dass Pontius nach seiner Resignation im Frühjahr 1122 unmittelbar von Rom aus ins Hl. Land gezogen ist. Dafür könnte zwar der von Petrus Venerabilis (s. oben) behauptete Antritt der Seereise von Apulien aus sprechen. Man kann auch einen von Rom aus (zunächst) nach Süden (bzw. Südosten) gerichteten Reiseweg aus der Nachricht der Chronik von Monte Cassino lib. 4 c. 75 (SS 34,541) herauslesen, dass Pontius von Rom aus, in Begleitung von 12 Mönchen aus Cluny, das Kloster Monte Cassino aufsuchte und von dort aus Ierusalem petiit (vgl. dazu u.a. Tellenbach a.a.O. 25f., Cowdrey a.a.O. 230f., Bredero a.a.O. 67f. in Anm. 114, Wollasch a.a.O. 43f.); es ist jedoch ganz abwegig, wenn Wollasch den Pontius-Brief in unmittelbare zeitliche zum Aufenthalt in Monte Cassino rückt und in ihm die von Pontius geschaffene Voraussetzung für die Wahl Abt Hugos II. sieht (“der Brief … führte … zur Wahl des Abtes Hugo II. …”), vgl. noch weiter unten.

Angesichts der zwiespältigen eigenen Einstellung des Pontius zur Frage der Endgültigkeit seines Amtsverzichtes drängt sich vielmehr die Vermutung auf, dass er nicht gleich das Feld räumte, sondern sich zunächst nach Oberitalien zurückzog, wo er zumindest in San Benedetto Po auf Rückhalt rechnen konnte; davon geht, ohne konkrete Belege, auch Piva (a.a.O. 491f.) aus, der einerseits vermutet, dass San Benedetto “uno dei centri sostentori di Ponzio” war, und andererseits annimmt, dass Pontius wahrscheinlich auf dem Hinweg nach Rom, evtl. aber auch auf dem Rückweg (“oppure già di ritorno di Roma?”) in San Benedetto Station machte.

War Pontius tatsächlich nach Oberitalien gegangen, dann liegt die Annahme nahe, dass er es war, der die mit Urkunde von 1122 September 7 beurkundete Tradierung des Klosters S. Lucia zu Fontaniva an Cluny betrieben hatte; er (nicht Hugo II. oder Petrus Venerabilis) wäre dann auch der Abt gewesen, in dessen Vertretung (in vice domini abbatis; zitiert bei Tellenbach a.a.O. 23 Anm. 31) die beiden in der Urkunde genannten Mönche die Auflassung entgegengenommen hatten.

Wenn nun Pontius in Fontaniva, in dem auch die in seiner Begleitung befindlichen Mönche Aufnahme finden konnten, seine zumindest vorübergehende Bleibe gesehen hat, und wenn er von hier aus, spätestens nach Kenntnisnahme von der am 23. August 1122 erfolgten Wahl des Petrus Venerabilis, seinen Resignationsbrief an den Konvent von Cluny abschickte, erklärt sich recht einfach seine darin enthaltene Bitte um ungehinderten und undiskriminierten Verkehr mit Konventualen aus Cluny; einen Sinn ergab die Bitte ja nur, wenn es für diesen Verkehr eine feste Anlaufstelle gab, und daran scheitert auch Wollaschs Annahme der Absendung des Briefes aus Monte Cassino oder im Anschluss an den dortigen Aufenthalt (von wo aus?). – Wohl wenig später hätte er dann tatsächlich seine Pilgerreise angetreten, und zwar jetzt vermutlich von Venedig aus, womöglich im Schutz der großen venezianischen Flotte, die auf einen Hilferuf Kg. Balduins II. hin im Spätherbst des Jahres 1122 in See stach (vgl. Baldwin a.a.O. 421).

War Fontaniva sein Aufenthaltsort des Jahres 1122 gewesen, dann bot sich dieses ganz von selbst für einen erneuten Aufenthalt an, als Pontius nach seiner Rückkehr im Frühsommer 1124 den Bau des neuen Klosters in dem knapp 20 km weiter nördlich gelegenen, also nur eine halbe Tagesreise entfernten Campese in Angriff nahm. – Piva nimmt übrigens an, dass Campese (genausogut könnte man Fontaniva nennen) das “centro di raccolte dei fuggitivi da Cluny e dei dissidenti” gewesen sei, und dass Pontius (später) von hier aus seinen “attacco” gegen Cluny führte. – Schließlich wäre sogar die Petrus-Angabe in episcopatu Taruisiano zu retten, wenn man auf dieses nur das sibi sedem constituit bezieht, nicht aber auf das evtl. nur ungefähre ibi in dem anschließenden ibi monasteriolo constructo.

Es kann nach allem kaum daran gezweifelt werden, dass der Pontius-Brief in den Herbst des Jahres 1122, vor den – verzögerten – Antritt der Pilgerfahrt gehört. Und nachdem man den Brief zusammen mit der “Wahlanzeige” des Abtes Petrus dem Kaiser vorgelegt hatte, ergibt sich daraus, dass auch D.245 spätestens dem Ende des Jahres 1122 zuzurechnen ist; angesichts der aus DD.267 und 268 vom Jahresende 1124 zu entnehmenden Tatsache, dass damals Heinrich in Pontius den rechtmäßigen Abt sah, scheidet eine spätere Entstehung von D.245 auf jeden Fall aus.

He(nricus) dei gracia Romanorum imperator augustus vener(abili) conventui Cluniacensi et eius abbati Petro graciam et omne bonum. Pro nimia religione et caritate, que largiente domino in vobis hactenus efficatiter fuit, reges et ubique terrarum principes vos dilexerunt, fovere et honorarunt. Idipsum prestante deo nostra imperialis celsitudo deinceps facere exoptat. Verum quia in scissuris mentium deus non inhabitat, caritatem vestram valde ortamur, quatenus sinceros in caritate et obedi[entia] sitis et sermo dei in vobis sit vivus et efficax. Per hoc enim vestri monasterii religio gloriose annunciabitur et nos dilectissimi patris nostri domini pape dilectione iamdictum abbatem vestrum et vos imperiali munificencia oportuno tempore honorare curabimus. Vestris nos sanctissimis orationibus plurimum commendamus.