Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<239.>>

Heinrich gewährt den Dienstmannen des Straßburger Domkapitels, entsprechend dem Recht der bischöflichen Dienstmannen, die Exemtion vom öffentlichen Stadtrecht und von allen fiskalischen Abgaben.

Straßburg, 1122 (Juli).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Einzelabschrift des frühen 18. Jh. in sér. G no 2891 im Départementalarchiv zu Straßburg (B).

Drucke: Würdtwein, Nova subsidia 7,50 no 20 “Ex libro salico capituli maioris Argentinensis fol. 15” (w) = Grandidier, Hist. eccl. d’Alsace 2,242 no 587 “Ex libro salico summi capituli Argentinensis fol. 15” (g) = Wiegand, UB d. Stadt Strassburg 1, 60 no 75 = Keutgen, Urk. z. städt. Verf.-Gesch. 1.2 6 no 12 Auszug.

Reg.: Stumpf Reg. 3180 zu “(Jul. .. Strasburg)”.

Zu der von Würdtwein und Grandidier verwendeten Abschrift in dem verlorenen Chartular des Straßburger Domkapitels von 1347 vgl. Vorbemerkung zu D.219; auch das ebenda erwähnte Archivinventar des Straßburger Domkapitels von 1787 kannte für seine Inhaltsangabe auf f. 14r nicht mehr das Original, sondern aufgrund des Randvermerkes fol. XV ebenfalls nur diese Abschrift; wegen Anm. 1 scheint B auf eine andere Vorlage zurückzugehen. Unser Text stützt sich auf alle drei Überlieferungen Bwg.

D.239 ist ohne erkennbare Beteiligung der Kanzlei von Empfängerseite verfasst, wobei die ganze Korroboratio sowie der Schluss der Zeugenliste wörtlich sowie Teile der Datierung aus D.219 (= VU.) übernommen sind. Außer diesen, durch Petitsatz gekennzeichneten, Partien bietet D.219 mit seiner umfangreicheren Zeugenliste überdies, mit Ausnahme des Sigebreht comes (zu diesem vgl. unten) und des am Schluss stehenden Harger, alle Namen der hiesigen Zeugenliste (zu den lokalen Zeugen ab Sigefrit vgl. dortige Anm. 6–9 u. 14). Auf dieses Vorbild dürfte auch zurückzuführen sein, dass der Kanzler Bruno trotz seines Prälatenranges auch hier nach den weltlichen Fürsten eingereiht ist. Der privaturkundlichen Praxis des Empfängerschreibers entspricht ferner die falsche Devotionsformel dei gracia (s. Anm. b). Gegen Kanzleibeteiligung spricht schließlich auch die richtige 15. Indiktion, während in gleichzeitigen anderen Diplomen für den Notar Heinrich die Angabe der falschen 13. Indiktion kennzeichnend ist (vgl. Vorbemerkung zu D.238). – Sicher den Kopisten ist das Fehlen der Unterfertigungszeilen anzulasten, ohne die das verlorene Original zweifellos nicht die Beglaubigung durch die Kanzlei erfahren hätte (die Nennung des Kanzlers Bruno in der Zeugenliste konnte keinen Ersatz für eine Rekognitionszeile darstellen). Dass ein vollgültiges besiegeltes Original existierte, ergibt sich zwingend daraus, dass fast der vollständige Kontext unseres D. (s. Anm. c), unter Berufung auf dieses (S. 224 Z. 24ff.: … approbatione privilegii dilectissimi proavi nostri Heinrici quarti dive memorie gloriosissimi Romanorum imperatoris …), in dem DF.I.133 von 1156 Jan. 25 (= NU.1) und, unter Berufung auf beide Vorgänger (… approbatione privilegii dilectissimi patris nostri Friderici sancte recordationis serenissimi Romanorum imperatoris ac proavi eius Heinrici quinti …), in dessen Bestätigung durch das D. Heinrichs VI. von 1196 Juni 25 (Or. im Dép.-A. Straßburg no G 34; Wiegand a.a.O. 109 no 134, mit Verweis für cura bis absoluti [s. Anm. c] auf seine no 75; B.-Baaken Reg. 525 = NU.II) wörtlich wiederholt ist. – Von dem im Original erhaltenen D. Heinrichs VI. haben die Herausgeber des Barbarossa-Diploms keine Kenntnis genommen und stützen sich stattdessen für den Text der in Anm. d erwähnten Überlieferungslücke auf Grandidiers Druck (nicht: Abschrift) von D.239!

Für Straßburg als Ort der Handlung sprechen die ab Kanzler Bruno alle nach Straßburg gehörigen Zeugen. Da diese sonst alle auch in D.219 genannt sind, wäre zu überlegen, ob es sich bei dem abschließenden, in D.219 fehlenden Harger wirklich um einen selbständigen Namen oder nicht eher um einen Beinamen des vorangehenden Wolfram handelt. – Dafür könnte sprechen, dass in der wenig älteren Urkunde des Dompropstes und Kanzlers Bruno von 1118 (Or. im Dép.-A. Straßburg G 2708/3; Dr.: Wiegand a.a.O. 57 no 72: Bruno maior Argent. ęcclesię prepositus et imperatoris Heinrici cancellarius) wie hier Uvolfram und Hergger nebeneinander stehen; irritierend ist jedoch deren Schreibweise im Original: Während im ganzen Text ausnahmslos alle Vornamen mit Majuskeln, Titel u. dgl. jedoch mit Minuskeln geschrieben sind (vorangehend … SIGEFRIT advocatus, DIEPOLT vicedominus, HVG exactor), erscheinen die beiden Namen, durch Punkt getrennt(!), in folgender Weise: Uvolfram. HERGGER; der Wechsel zwischen Majuskel- und Minuskel-Schreibung könnte auch hier dem vorangehenden Schema entsprechen, nur hätte der Schreiber ihre Verwendung für Vornamen und “Beinamen” vertauscht.

Eine weitere Stütze für die Deutung des Harger/Hergger als Beiname (Patronym?) Wolframs könnte bilden, dass beide Namen so gut wie nie gemeinsam in einer Urkunde begegnen, mit einer Ausnahme: In DLo.III.15 von 1129 Jan. 20 (= B.-Petke Reg. 179) stehen beide Namen in der die umfangreiche Zeugenliste abschließenden Ministerialenliste durch zwei andere Namen getrennt (S. 19 Z. 19): … Wolframus, Hadebertus, Iohannes, Herckerus/Herikerus …; da es sich hier bei Wolframus und Herckerus eindeutig um zwei verschiedene Personen handelt, müsste dies auch, die bei dem geringen Zeitabstand zu D.239 naheliegende, jedoch nicht absolut sichere Identität zwischen Harger und Herckerus vorausgesetzt, für die beiden Schlusnamen von D.239 gelten.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die fraglichen Namen nur relativ selten in Straßburg begegnen: Wiegand a.a.O. Register S. 518 s.v. Harteger bezieht auf den Harger/Hergger noch die Belege für ähnlich klingende Namen, in no 61 von 1096 den Schlusszeugen Harteger, in no 70 von 1116 Hartgerus, ferner (a.a.O. 70 no 90) die zweimalige Nennung (a.a.O. 70 Z. 35 und 71 Z. 11) eines Harggerus in den Zeugenlisten einiger von B. Burchard im Jahre 1143 bestätigten Schenkungen aus der Zeit B. Kunos (1100–23), die Wiegand a.a.O. 71 Anm. 1 auf 1105–1116 datiert, die aber wegen des Kaisertitels Heinrichs und wegen der Nennung u.a. des Burchardus cantor und des advocatus Anshelmus (zu beiden vgl. D.219 Anm. 4) in die Zeit 1111–1115 gehören; ein Wolfram/Wolframmus begegnet, außer der oben für Harteger erwähnten no 61 von 1096 (mitten in der Zeugenreihe), überhaupt nur noch in no 79 von 1129. Eine sichere Entscheidung der Frage ist wohl nicht möglich; der Beinamen-Charakter des Harger in unserem D. scheint uns jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen.

Nachdem Heinrich mit D.238 am 2. Juni noch in Utrecht geurkundet hatte, kann er frühestens gegen Ende des Monats Juni nach Straßburg gelangt sein; andererseits bestimmt den Terminus ante quem die Nennung Herzog Friedrichs II. von Schwaben sowohl an der Spitze der Zeugenliste als auch in besonders auffälliger Weise in der Datierung, was wegen dessen Gegensatzes zu Heinrich in der Frage der Neubesetzung des Würzburger Bischofsstuhles nach dem Monat Juli nicht mehr denkbar war (vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 7,195ff. mit Anm. 7 u. 8; Stüllein, Itinerar 94 mit Anm. 12). Diese Frage erklärt auch, warum der in keinem anderen D. Heinrichs genannte Graf Sigbert (II. von Saarbrücken), der Bruder EB. Adalberts von Mainz und B. Brunos von Speyer, im Jahre 1122, als Unterhändler Adalberts, am Hof weilte (vgl. dazu Meyer von Knonau a.a.O. 188ff. und Hausmann, Reichskanzlei 10).

D.239 ist der letzte Beleg für Bruno von Zollern als Kanzler und Straßburger Dompropst, nachdem er in D.238 letztmals rekognosziert hatte (s. Hausmann a.a.O. 48). – Bei Zotz in Die Salier u. das Reich 3,35 ist das ius suum ab antecessoribus suis sibi relictum (Z. ■; vgl. auch Z. ■: antecessorum suorum consuetudinibus contenti) fälschlich mit “ihr Recht, das sie von seinen [= Heinrichs!] Vorgängern erhalten hätten”, wiedergegeben.

In nomine sancte et individue trinitatis. Heinricus dei gracia quartus Romanorum imperator augustus. Quamvis imperialium cura negociorum multociens impediamur, ut ad ea, que debitum nostrum deposcit, inclinemur, divine tamen respectu iusticie inferioribus pro posse condescendere debito cogimur. Quidam enim fratrum Argentinensium maioris monasterii servientes nos necessitate compulsi adierunt, ius suum ab antecessoribus suis sibi relictum ex quorundam presumptione rectorum sibi non bene cupiencium depravatum esse lacrimabiliter conquesti sunt, qui eos ad diversa publica servicia non debita compellerent, que sufferre nequirent. Quorum querimonie condolentes statuimus, statuendo precepimus, precipiendo communi fidelium nostrorum consilio firmavimus, ut antecessorum suorum consuetudinibus contenti suis dominis serviendo satisfaciant, de publico autem civitatis iure omnino alieni existant, sed sicut episcopi servientes ita isti solis dominorum suorum utilitatibus insistentes ab omni iure fiscali deinceps nostre auctoritatis instituto sint absoluti. Quod ut firmum et inconvulsum omni permancat evo, hanc cartam inde conscribi testesque subscribi et sigilli nostri impressione iussimus insigniri. Hii sunt testes prescripte rei: Friderich dux Allemannie, Godefrit comes, Sigebreht comes, Brun cancellarius et prepositus prenominate Argentinensis ecclesie, Sigefrit, Humbrect, Hug, Friderich, Wolfram, Harger, ceterique nobiles et ignobiles, quos enumerare perlongum est.

Acta sunt hec anno incarnacionis dominice MCXXII, indictione XV, regnante Heinrico quarto imperatore augusto, Friderico duce Allemannie.