Original (ca. 46,5/48,5 b : 65,5/66,5 h) im Stadtarchiv zu Utrecht
(A). – Abschrift des 13. Jh. in Diplomform in Collectie Booth no
41 ebenda (B).
Faks.: Struick
in Jaarb. oud Utrecht 1972,12 (stark verkleinert). – van Vliet
in Jaarb. Oud-Utrecht 1995,5 (verkleinert) u. 35 Abb.11. – Teilfaks.: Hausmann, Reichskanzlei Taf. 4.
Drucke aus A: Water, Placaatb. van Utrecht 2,322 no
4. – Drakenborch, Aanhangsel op de kerk. oudh. van Nederland 1,293 no
4. – Mieris, Charterb. van Holland en Zeeland 1,86. – Asch van Wyck, Handelsverkeer der stad Utrecht 4,222 Beil. 10 nach Transsumpt von
1651 August 30. – Bergh, OB van Holland en Zeeland I.1,72 no
111. – Muller-Bouman, OB sticht Utrecht 1,282 no
308. – Obreen, OB van Holland en Zeeland 58 no
114. – Van de Kieft
in Elenchus font. hist. urb. 1,429 no
18 unvollständig – van Vliet
a.a.O. 34 Bijlage 1 mit mittelniederländ. Übers. von 1395.
Reg.: Erhard, Reg. Westf. 1,230 no
1471. – CD Neerland. 1,4 no
6. – Höhlbaum, Hansisches UB 1,5 no
7. – VERMEULEN, Inventaris der prov. Utrecht 1,4 no
13. – Philippi, Osnabrücker UB 1,202 no
240. – Muller, Catalogus van het archief 1,6 no
37. – Ders., Reg. stad Utrecht 1 no
3. – Brom, Reg. sticht Utrecht 1,62 no
302. – Böhmer
Reg. 2074. – Stumpf
Reg. 3178.
Das Pergament ist sehr fleckig und stellenweise, jedoch ohne
Textverlust (vgl. z.B. Anm. q), durch Moderlöcher beschädigt.
Verfasst und geschrieben von Notar Heinrich, vgl. Hausmann
a.a.O. 73 no
11 (s. auch Oppermann, Untersuchungen 2,165); für die Arenga verwendete er Versatzstücke
aus zwei in seine Formularsammlung aufgenommenen Heinrich-Diplomen,
vgl. Hausmann
in MIÖG 58,77 Formel 18a (= D.145) und 18b (= D.229), wobei sich die
größere Nähe zu D.229 von 1121 März 25 daraus erklärt, dass dieses von
Heinrich selbst verfasst war.
Höchstwahrscheinlich gleichfalls durch einen Rückgriff auf das über
ein Jahr ältere D.229 ist nun auch die hiesige, um 2 Einheiten zu
niedrige Angabe der Indiktion
XIII (s. Anm. 2) zu erklären, welche falsche Zahl ab unserem D.238 als ein
regelrechtes Diktatmerkmal des Notars anzusehen ist: Nachdem er seit
Beginn des Jahres 1122 (D.232) die richtige Indiktion
XV verwendet hatte, die bis zu den – wie D.238 in Utrecht ausgestellten –
DD.236 und 237 beibehalten worden war, hat der Notar seit D.238, von
wenigen zwischenzeitlichen Stücken mit richtiger Indiktionsangabe
abgesehen (s. DD.246, 250 und *254 mit der 1. Ind.; D.239 mit
richtiger 15. Ind. ist Empfängerausfertigung), an dieser falschen Zahl
XIII, über zwei Jahreswechsel hinweg, bis zu DD.264/265 von 1124 April 25
konsequent festgehalten (abgesehen von dem von D.238 abhängigen D.†301
vgl. noch DD.†241, 242, 247 [nur in Fassung A; die Fassung B hat die
richtige
I], 248, 252, 253, 255, 257, 259, 261, † 262 und 264; dann nochmals
D.269), was sich wohl nur so erklären lässt, dass dem Notar die
Indiktionsangabe letztlich unbeachtlich erschienen sein mag, so dass
man sich fragen könnte, warum er nicht überhaupt ganz auf sie
verzichtete.
Mit dem D.266 von 1124 Mai 30 begegnet dann plötzlich die richtige
Indiktion
II, die er sogar schon in den beiden gleichzeitigen DD.264/265
ursprünglich geschrieben, aber wieder durch
XIII ersetzt hatte(!), und für die Folge ist die Indiktionsrechnung des
Notars bis zum Ende seiner Tätigkeit ausnahmslos stimmig. Zur
langwährenden Verwendung der 13. Indiktion als “geradezu typisch” vgl.
schon die Liste bei Petry
in AfD 18,242f., der allerdings nur DD.238 … 261 (ohne DD.242, *251
und 259; zu der für D.247 bei ihm verzeichneten 1. Ind. vgl. oben)
berücksichtigt.
Auffällig ist die Formulierung der Datierung insgesamt. Die dem Notar
Heinrich fremde Angabe auch der Königs- und Kaiserjahre lässt sich nur
durch den einmaligen Einfluss der Datierungen des Abtes Berengoz von
St. Maximin in den knapp eine Woche älteren und in Utrecht
ausgestellten DD.236 und 237 erklären; von diesem Einfluss machte sich
Heinrich jedoch, über die Änderung der Indiktionszahl hinaus,
weitgehend unabhängig: Er verzichtet seinem bisherigen Usus entsprechend auf die
Unterscheidung von
Data und
actum, zieht demgemäß die Ortsangabe nach vorne hinter das
Data, lässt überdies eine Apprekatio weg; verwunderlich ist die Position
der nach seinem Usus an den Schluss gehörigen Tagesangabe zwischen
Indiktion und Königsjahr, was vielleicht den Schluss erlaubt, dass
sich Heinrich erst nachträglich zur Aufnahme von Königs- und
Kaiserjahr entschlossen hatte.
Der Kontext bis zum Schluss der Zeugenliste (s. Anm. t) und das ganze
Eschatokoll sind mit einheitlicher Tinte und in einem Zug geschrieben.
Auch der mit anderer Tinte und Feder nachgetragene Textzusatz nach der
Zeugenliste (s. Anm. u) ist nicht etwa eine spätere, die Schrift des
Notars nachahmende Zufügung von Empfängerseite, sondern stammt
ebenfalls eindeutig von der Hand des Notars, was insbesondere das mit
der Schreibung des Wortes in Z. ■ und ■ völlig gleiche Bild des
Traiectensem zeigt, auch wenn hier die sonst regelmäßig anzutreffende Zackenlinie
um die
r-Unterlänge fehlt (s. Anm. v) und für
esse im Wortinnern (doppelt) rundes
s verwendet ist (s. Anm. w), das bei dem Notar sonst so gut wie
ausschließlich (zu Ausnahmen vgl. z.B.
possessiones in D.240) nur am Wortende oder vereinzelt auch am Wortanfang (so bei
der Kürzung
sēi von Z. ■) erscheint.
Während Opll, Stadt und Reich 166 mit Anm. 11, unter Berufung auf A. Gawlik, nun
meint, die Texterweiterung sei noch vor der Besiegelung erfolgt,
spricht der äußere Befund jedoch dafür, dass das Siegel schon
vorhanden war: Das innerhalb des ca. 15 cm hohen Freiraums zwischen
Zeugenliste und Datumzeile ohnedies zu hoch beim Textblock plazierte
Siegel (s. Anm. t) wäre bei Vorhandensein des Nachtrags sicher tiefer
nach unten gerückt worden; und auch der Zeilenwechsel innerhalb des
Nachtrags (s. Anm. y) bezweckte nicht eine Aussparung für das erst
anzubringende Siegel, sondern die etwa ab Zeilenmitte abnehmende Größe
der Wortfugen, verbunden mit einer geringfügig engeren
Buchstabenreihung, erweckt den Eindruck, dass der Platz durch das
bereits vorhandene Siegel beengt war. Andererseits könnte aus der
Gestaltung des Eschatokolls, mit dem engen Zeilenabstand zwischen
Signum- und Rekognitionszeile (letztere auch weniger hoch; vgl. Anm.
b’), geschlossen werden, dass schon während der Vollendung der
Niederschrift womöglich an eine – allerdings nur einzeilige –
Ergänzung gedacht war, da der Abstand der Unterfertigungszeilen zur 1.
Nachtragszeile einerseits (ca. 31–33 mm) und zur Datumzeile
andererseits (ca. 30–32 mm) ungefähr gleich groß ist, während ohne den
Nachtrag zwischen Kontext und Signumzeile ein Abstand von ca. 60–65 mm
klaffte; diese Intention würde auch erklären, warum die Signumzeile so
tief gesetzt wurde (s. Anm. b’), die andernfalls wohl in Kopfhöhe des
Monogramms eingetragen worden wäre; erst der falsch kalkulierte Umfang
des zweifellos im Konzept noch fehlenden Zusatzes hätte dann mit
seiner Inanspruchnahme einer Doppelzeile einen optisch befriedigenden
Eindruck des Eschatokolls vereitelt. Doch macht es die uneinheitliche
Art des Notars, sein Eschatokoll zu gestalten, unmöglich, hier über
Vermutungen hinauszugelangen.
Auch nach dem Versuch Struicks, anläßlich der 850. Wiederkehr des Ausstellungsjahres unseres D. den
präzisen Umfang des damit verliehenen “stadsrecht” zu ermitteln,
bleibt der Inhalt des ohne Referat bestätigten
privilegium B. Godebalds (1113–1127) unbekannt. Aus dem Schluss-Zusatz war jedoch
schon in CD Neerland. 1,4 Anm. 1 sicher zu Recht geschlossen worden,
dass die Bischofsurkunde eine Zollbefreiung enthalten hatte. – Der
Zusatz könnte sogar überhaupt die einzige konkrete und direkte
Übernahme aus dem
privilegium darstellen, da die dort angesprochenen außerstädtischen Leute, in
denen Struick
a.a.O. 24f. die u.a. zu Spanndiensten verpflichteten hörigen Bauern
des städtischen Vorlandes sieht, höchstwahrscheinlich identisch sind
mit den im Kontext mit besonderer Hervorhebung (non solum … sed etiam) genannten Bewohner des
ambitus.
Dafür, dass es auch bei der (primären) Privilegierung der Bevölkerung
der beiden Städte selbst in erster Linie um Zollangelegenheiten
gegangen sein wird, spricht, dass Empfänger des Diploms – und wohl
auch schon des bischöflichen Privilegs – neben Utrecht eben auch das
ca. 27 km n. Utrecht an der Mündung der Vecht in das Ijsselmeer
gelegene Muiden ist, das seit dem DO.I.164 von 953 und dem DO.II.106
von 975, zusammen mit dem Land beiderseits der Vecht sowie dem auf
halbem Wege zwischen Utrecht und Muiden liegenden Loenen (Lona), dem Hochstift Utrecht gehörte (vgl. Rotthoff, Reichsgut 99f. und 112; zu Muiden s. noch DO.II.107); es ging also
wohl um zollfreien Handelsverkehr auf diesem anscheinend zur Gänze
unter bischöflicher Hoheit stehenden, nach Norden verlaufenden
Wasserweg.
Ein weitergehender Inhalt des “Privilegs” lässt sich nur vermuten;
dass dort auch Fragen des Marktrechts behandelt waren, könnte man aus
der Urkunde B. Godebalds von 1127 (Bergh
a.a.O. 73 no
113; Muller-Bouman
a.a.O. 294 no
322) folgern, in der der Standort der vier jährlichen Utrechter
Märkte (IIII principalia mercata) geregelt wird, bei der es sich aber nach Oppermann, Untersuchungen 2,64ff. und 98ff. um eine mit D.†301 gleichzeitige
Fälschung handelt. – Schließlich dürfte in der Urkunde auch die
Genehmigung zu der nach Aussage des Nachtrags erst im Bau befindlichen
Umwallung der Stadt enthalten gewesen sein (vgl. Gerlach, Stadtbefestigungen 49 und Struick
a.a.O. 26f.). – Zu einer inhaltlichen Parallele zur Schlussbestimmung
vgl. D.*280 für Hösel.
So unklar wie der Rechtsinhalt bleibt auch die ständische Schichtung
der Begünstigten; Opll
a.a.O. 165f. und 168 folgert aus der Zeugenliste, dass als Adressaten
neben der Bürgerschaft und “kaufmännischen Kreisen” auch die
bischöflichen Ministerialen anzusehen sind, die noch an dem nur 19
Tage zurückliegenden Aufruhr am Pfingstfest beteiligt gewesen waren
(s. D.236) und deren bedeutendster Vertreter der Schultheiß Galo war.
Während die bisherige Literatur einer Erklärung des
Ierosolimitani aus dem Wege geht, bezeichnet Opll
a.a.O. 165 sie als “jüdische Händler”; von den Namen selbst her steht
dieser Deutung nichts im Wege, da neben dem häufig genannten
Gottschalk (Übers. von Obadja/Abdias) auch die meisten anderen
zumindest vereinzelt als jüdische Namen zu belegen sind (vgl. u.a. Zunz, Namen der Juden 16, 50, 59, 63, 105, 123 für Gottschalk und Petrus; Bresslau
in Hebr. Bibliographie 9. Jahrg. no
49 u. 55ff. für Gottschalk und
Tekanus [= Tanco?]; Aronius, Reg. z. Gesch. d. Juden, Register, für Gottschalk, Gerhard und
Ascher [= Vscherus?]; Germ. Judaica I/II für Gottschalk, Ascher, Petrus,
Techanus/Techan und Robert); für
Algerus fand sich kein passender Beleg, und es erscheint unwahrscheinlich,
dass es sich dabei um eine Verballhornung etwa von
Halewi handelt (vgl. Germ. Jud. mit Ascher b. Isaak ha-Levi und Ascher b.
Jakob ha-Levi). – Da die Bezeichnung von Juden als
Ierosolimitani jedoch singulär wäre, erscheint denkbar, dass sich unter den sieben
Leuten auch Nichtjuden befanden und es sich insgesamt um
“Jerusalemfahrer” im Sinne von “Fernhändler” handelte.
Dass sich das anonyme
omnes mortales in erster Linie gegen den am Pfingstfest noch vom Kaiser inhaftierten
Bischof richtete, kann angesichts der ausdrücklichen (nominatim) Verpflichtung der Empfänger auf die Sicherung des
episcopatus wohl nicht bezweifelt werden (vgl. z.B. Van de Kieft
in Diestelkamp, Beitr. z. hochmal. Städtewesen 161), während Opll
a.a.O. 166 dies in Frage stellt. Auch die Nennung B. Godebalds als
Spitzenzeuge hatte zweifellos das Ziel seiner, eventuell sogar die
Bedingung für seine rasche Haftentlassung darstellenden Verpflichtung
auf die Einhaltung seines eigenen
privilegium, das die kaisertreue Einwohnerschaft im Blick auf die zuletzt
wechselnde politische Haltung des Bischofs gefährdet sehen konnte. –
Zur hier erstmals begegnenden Verwendung von
corona als Inbegriff des Reiches und Gegenstand der Treuepflicht vgl. Classen
in Festschr. Schramm
1,95f. und Koch, Sacrum imperium 144f.