Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<238.>>

Heinrich bestätigt den Einwohnern von Utrecht und Muiden und des Umlandes unter der Voraussetzung ihrer beständigen Treue zur Krone und gegen das eidliche Versprechen der Verteidigung der Reichstreue des Bistums Utrecht ihre alten und ihnen von Bischof Godebald (von Utrecht) beurkundeten Rechte und Gewohnheiten und gewährt allen zur Beteiligung an der Stadtbefestigung verpflichteten Leuten für ihren Handelsverkehr mit der Stadt Zollbefreiung.

Utrecht, 1122 Juni 2.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original (ca. 46,5/48,5 b : 65,5/66,5 h) im Stadtarchiv zu Utrecht (A). – Abschrift des 13. Jh. in Diplomform in Collectie Booth no 41 ebenda (B).

Faks.: Struick in Jaarb. oud Utrecht 1972,12 (stark verkleinert). – van Vliet in Jaarb. Oud-Utrecht 1995,5 (verkleinert) u. 35 Abb.11. – Teilfaks.: Hausmann, Reichskanzlei Taf. 4.

Drucke aus A: Water, Placaatb. van Utrecht 2,322 no 4. – Drakenborch, Aanhangsel op de kerk. oudh. van Nederland 1,293 no 4. – Mieris, Charterb. van Holland en Zeeland 1,86. – Asch van Wyck, Handelsverkeer der stad Utrecht 4,222 Beil. 10 nach Transsumpt von 1651 August 30. – Bergh, OB van Holland en Zeeland I.1,72 no 111. – Muller-Bouman, OB sticht Utrecht 1,282 no 308. – Obreen, OB van Holland en Zeeland 58 no 114. – Van de Kieft in Elenchus font. hist. urb. 1,429 no 18 unvollständig – van Vliet a.a.O. 34 Bijlage 1 mit mittelniederländ. Übers. von 1395.

Reg.: Erhard, Reg. Westf. 1,230 no 1471. – CD Neerland. 1,4 no 6. – Höhlbaum, Hansisches UB 1,5 no 7. – VERMEULEN, Inventaris der prov. Utrecht 1,4 no 13. – Philippi, Osnabrücker UB 1,202 no 240. – Muller, Catalogus van het archief 1,6 no 37. – Ders., Reg. stad Utrecht 1 no 3. – Brom, Reg. sticht Utrecht 1,62 no 302. – Böhmer Reg. 2074. – Stumpf Reg. 3178.

Das Pergament ist sehr fleckig und stellenweise, jedoch ohne Textverlust (vgl. z.B. Anm. q), durch Moderlöcher beschädigt.

Verfasst und geschrieben von Notar Heinrich, vgl. Hausmann a.a.O. 73 no 11 (s. auch Oppermann, Untersuchungen 2,165); für die Arenga verwendete er Versatzstücke aus zwei in seine Formularsammlung aufgenommenen Heinrich-Diplomen, vgl. Hausmann in MIÖG 58,77 Formel 18a (= D.145) und 18b (= D.229), wobei sich die größere Nähe zu D.229 von 1121 März 25 daraus erklärt, dass dieses von Heinrich selbst verfasst war.

Höchstwahrscheinlich gleichfalls durch einen Rückgriff auf das über ein Jahr ältere D.229 ist nun auch die hiesige, um 2 Einheiten zu niedrige Angabe der Indiktion XIII (s. Anm. 2) zu erklären, welche falsche Zahl ab unserem D.238 als ein regelrechtes Diktatmerkmal des Notars anzusehen ist: Nachdem er seit Beginn des Jahres 1122 (D.232) die richtige Indiktion XV verwendet hatte, die bis zu den – wie D.238 in Utrecht ausgestellten – DD.236 und 237 beibehalten worden war, hat der Notar seit D.238, von wenigen zwischenzeitlichen Stücken mit richtiger Indiktionsangabe abgesehen (s. DD.246, 250 und *254 mit der 1. Ind.; D.239 mit richtiger 15. Ind. ist Empfängerausfertigung), an dieser falschen Zahl XIII, über zwei Jahreswechsel hinweg, bis zu DD.264/265 von 1124 April 25 konsequent festgehalten (abgesehen von dem von D.238 abhängigen D.†301 vgl. noch DD.†241, 242, 247 [nur in Fassung A; die Fassung B hat die richtige I], 248, 252, 253, 255, 257, 259, 261, † 262 und 264; dann nochmals D.269), was sich wohl nur so erklären lässt, dass dem Notar die Indiktionsangabe letztlich unbeachtlich erschienen sein mag, so dass man sich fragen könnte, warum er nicht überhaupt ganz auf sie verzichtete.

Mit dem D.266 von 1124 Mai 30 begegnet dann plötzlich die richtige Indiktion II, die er sogar schon in den beiden gleichzeitigen DD.264/265 ursprünglich geschrieben, aber wieder durch XIII ersetzt hatte(!), und für die Folge ist die Indiktionsrechnung des Notars bis zum Ende seiner Tätigkeit ausnahmslos stimmig. Zur langwährenden Verwendung der 13. Indiktion als “geradezu typisch” vgl. schon die Liste bei Petry in AfD 18,242f., der allerdings nur DD.238 … 261 (ohne DD.242, *251 und 259; zu der für D.247 bei ihm verzeichneten 1. Ind. vgl. oben) berücksichtigt.

Auffällig ist die Formulierung der Datierung insgesamt. Die dem Notar Heinrich fremde Angabe auch der Königs- und Kaiserjahre lässt sich nur durch den einmaligen Einfluss der Datierungen des Abtes Berengoz von St. Maximin in den knapp eine Woche älteren und in Utrecht ausgestellten DD.236 und 237 erklären; von diesem Einfluss machte sich Heinrich jedoch, über die Änderung der Indiktionszahl hinaus, weitgehend unabhängig: Er verzichtet seinem bisherigen Usus entsprechend auf die Unterscheidung von Data und actum, zieht demgemäß die Ortsangabe nach vorne hinter das Data, lässt überdies eine Apprekatio weg; verwunderlich ist die Position der nach seinem Usus an den Schluss gehörigen Tagesangabe zwischen Indiktion und Königsjahr, was vielleicht den Schluss erlaubt, dass sich Heinrich erst nachträglich zur Aufnahme von Königs- und Kaiserjahr entschlossen hatte.

Der Kontext bis zum Schluss der Zeugenliste (s. Anm. t) und das ganze Eschatokoll sind mit einheitlicher Tinte und in einem Zug geschrieben. Auch der mit anderer Tinte und Feder nachgetragene Textzusatz nach der Zeugenliste (s. Anm. u) ist nicht etwa eine spätere, die Schrift des Notars nachahmende Zufügung von Empfängerseite, sondern stammt ebenfalls eindeutig von der Hand des Notars, was insbesondere das mit der Schreibung des Wortes in Z. ■ und ■ völlig gleiche Bild des Traiectensem zeigt, auch wenn hier die sonst regelmäßig anzutreffende Zackenlinie um die r-Unterlänge fehlt (s. Anm. v) und für esse im Wortinnern (doppelt) rundes s verwendet ist (s. Anm. w), das bei dem Notar sonst so gut wie ausschließlich (zu Ausnahmen vgl. z.B. possessiones in D.240) nur am Wortende oder vereinzelt auch am Wortanfang (so bei der Kürzung sēi von Z. ■) erscheint.

Während Opll, Stadt und Reich 166 mit Anm. 11, unter Berufung auf A. Gawlik, nun meint, die Texterweiterung sei noch vor der Besiegelung erfolgt, spricht der äußere Befund jedoch dafür, dass das Siegel schon vorhanden war: Das innerhalb des ca. 15 cm hohen Freiraums zwischen Zeugenliste und Datumzeile ohnedies zu hoch beim Textblock plazierte Siegel (s. Anm. t) wäre bei Vorhandensein des Nachtrags sicher tiefer nach unten gerückt worden; und auch der Zeilenwechsel innerhalb des Nachtrags (s. Anm. y) bezweckte nicht eine Aussparung für das erst anzubringende Siegel, sondern die etwa ab Zeilenmitte abnehmende Größe der Wortfugen, verbunden mit einer geringfügig engeren Buchstabenreihung, erweckt den Eindruck, dass der Platz durch das bereits vorhandene Siegel beengt war. Andererseits könnte aus der Gestaltung des Eschatokolls, mit dem engen Zeilenabstand zwischen Signum- und Rekognitionszeile (letztere auch weniger hoch; vgl. Anm. b’), geschlossen werden, dass schon während der Vollendung der Niederschrift womöglich an eine – allerdings nur einzeilige – Ergänzung gedacht war, da der Abstand der Unterfertigungszeilen zur 1. Nachtragszeile einerseits (ca. 31–33 mm) und zur Datumzeile andererseits (ca. 30–32 mm) ungefähr gleich groß ist, während ohne den Nachtrag zwischen Kontext und Signumzeile ein Abstand von ca. 60–65 mm klaffte; diese Intention würde auch erklären, warum die Signumzeile so tief gesetzt wurde (s. Anm. b’), die andernfalls wohl in Kopfhöhe des Monogramms eingetragen worden wäre; erst der falsch kalkulierte Umfang des zweifellos im Konzept noch fehlenden Zusatzes hätte dann mit seiner Inanspruchnahme einer Doppelzeile einen optisch befriedigenden Eindruck des Eschatokolls vereitelt. Doch macht es die uneinheitliche Art des Notars, sein Eschatokoll zu gestalten, unmöglich, hier über Vermutungen hinauszugelangen.

Auch nach dem Versuch Struicks, anläßlich der 850. Wiederkehr des Ausstellungsjahres unseres D. den präzisen Umfang des damit verliehenen “stadsrecht” zu ermitteln, bleibt der Inhalt des ohne Referat bestätigten privilegium B. Godebalds (1113–1127) unbekannt. Aus dem Schluss-Zusatz war jedoch schon in CD Neerland. 1,4 Anm. 1 sicher zu Recht geschlossen worden, dass die Bischofsurkunde eine Zollbefreiung enthalten hatte. – Der Zusatz könnte sogar überhaupt die einzige konkrete und direkte Übernahme aus dem privilegium darstellen, da die dort angesprochenen außerstädtischen Leute, in denen Struick a.a.O. 24f. die u.a. zu Spanndiensten verpflichteten hörigen Bauern des städtischen Vorlandes sieht, höchstwahrscheinlich identisch sind mit den im Kontext mit besonderer Hervorhebung (non solum … sed etiam) genannten Bewohner des ambitus.

Dafür, dass es auch bei der (primären) Privilegierung der Bevölkerung der beiden Städte selbst in erster Linie um Zollangelegenheiten gegangen sein wird, spricht, dass Empfänger des Diploms – und wohl auch schon des bischöflichen Privilegs – neben Utrecht eben auch das ca. 27 km n. Utrecht an der Mündung der Vecht in das Ijsselmeer gelegene Muiden ist, das seit dem DO.I.164 von 953 und dem DO.II.106 von 975, zusammen mit dem Land beiderseits der Vecht sowie dem auf halbem Wege zwischen Utrecht und Muiden liegenden Loenen (Lona), dem Hochstift Utrecht gehörte (vgl. Rotthoff, Reichsgut 99f. und 112; zu Muiden s. noch DO.II.107); es ging also wohl um zollfreien Handelsverkehr auf diesem anscheinend zur Gänze unter bischöflicher Hoheit stehenden, nach Norden verlaufenden Wasserweg.

Ein weitergehender Inhalt des “Privilegs” lässt sich nur vermuten; dass dort auch Fragen des Marktrechts behandelt waren, könnte man aus der Urkunde B. Godebalds von 1127 (Bergh a.a.O. 73 no 113; Muller-Bouman a.a.O. 294 no 322) folgern, in der der Standort der vier jährlichen Utrechter Märkte (IIII principalia mercata) geregelt wird, bei der es sich aber nach Oppermann, Untersuchungen 2,64ff. und 98ff. um eine mit D.†301 gleichzeitige Fälschung handelt. – Schließlich dürfte in der Urkunde auch die Genehmigung zu der nach Aussage des Nachtrags erst im Bau befindlichen Umwallung der Stadt enthalten gewesen sein (vgl. Gerlach, Stadtbefestigungen 49 und Struick a.a.O. 26f.). – Zu einer inhaltlichen Parallele zur Schlussbestimmung vgl. D.*280 für Hösel.

So unklar wie der Rechtsinhalt bleibt auch die ständische Schichtung der Begünstigten; Opll a.a.O. 165f. und 168 folgert aus der Zeugenliste, dass als Adressaten neben der Bürgerschaft und “kaufmännischen Kreisen” auch die bischöflichen Ministerialen anzusehen sind, die noch an dem nur 19 Tage zurückliegenden Aufruhr am Pfingstfest beteiligt gewesen waren (s. D.236) und deren bedeutendster Vertreter der Schultheiß Galo war.

Während die bisherige Literatur einer Erklärung des Ierosolimitani aus dem Wege geht, bezeichnet Opll a.a.O. 165 sie als “jüdische Händler”; von den Namen selbst her steht dieser Deutung nichts im Wege, da neben dem häufig genannten Gottschalk (Übers. von Obadja/Abdias) auch die meisten anderen zumindest vereinzelt als jüdische Namen zu belegen sind (vgl. u.a. Zunz, Namen der Juden 16, 50, 59, 63, 105, 123 für Gottschalk und Petrus; Bresslau in Hebr. Bibliographie 9. Jahrg. no 49 u. 55ff. für Gottschalk und Tekanus [= Tanco?]; Aronius, Reg. z. Gesch. d. Juden, Register, für Gottschalk, Gerhard und Ascher [= Vscherus?]; Germ. Judaica I/II für Gottschalk, Ascher, Petrus, Techanus/Techan und Robert); für Algerus fand sich kein passender Beleg, und es erscheint unwahrscheinlich, dass es sich dabei um eine Verballhornung etwa von Halewi handelt (vgl. Germ. Jud. mit Ascher b. Isaak ha-Levi und Ascher b. Jakob ha-Levi). – Da die Bezeichnung von Juden als Ierosolimitani jedoch singulär wäre, erscheint denkbar, dass sich unter den sieben Leuten auch Nichtjuden befanden und es sich insgesamt um “Jerusalemfahrer” im Sinne von “Fernhändler” handelte.

Dass sich das anonyme omnes mortales in erster Linie gegen den am Pfingstfest noch vom Kaiser inhaftierten Bischof richtete, kann angesichts der ausdrücklichen (nominatim) Verpflichtung der Empfänger auf die Sicherung des episcopatus wohl nicht bezweifelt werden (vgl. z.B. Van de Kieft in Diestelkamp, Beitr. z. hochmal. Städtewesen 161), während Opll a.a.O. 166 dies in Frage stellt. Auch die Nennung B. Godebalds als Spitzenzeuge hatte zweifellos das Ziel seiner, eventuell sogar die Bedingung für seine rasche Haftentlassung darstellenden Verpflichtung auf die Einhaltung seines eigenen privilegium, das die kaisertreue Einwohnerschaft im Blick auf die zuletzt wechselnde politische Haltung des Bischofs gefährdet sehen konnte. – Zur hier erstmals begegnenden Verwendung von corona als Inbegriff des Reiches und Gegenstand der Treuepflicht vgl. Classen in Festschr. Schramm 1,95f. und Koch, Sacrum imperium 144f.

(C.) In nomine sanctae et individuę trinitatis. Heinricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Dum fidelium nostrorum utilitati benigne consulimus digneque eorum peticioni acquiescimus, antecessorum nostrorum regum sive imperatorum morem exsequimur et tanto maiorem futurorum nobis nostrisque successoribus benivolentiam spe remunerationis captamus. Notum sit igitur omnibus tam futuris quam presentibus, quod non solum Traiectensibus ac Mudensibus, sed etiam omnibus, qui in illorum ambitu continentur, ius et consuetudinem ac privilegium ab episcopo Godebaldo concessum cognoscimus et sub huius condicionis titulo confirmamus, ut unanimes nostrę insistant fidelitati nostręque dignitati ac coronę detrahentes et adversantes pro possibilitate opprimere studeant, infideles humiliando, sed fideles corroborando. Nolumus autem fideles nostros sacramentum latere, quod in huius cartę donatione nobis inviolabiliter se conservare Traiectenses ac Mutenses coniuraverunt. Est vero hic modus sacramenti, scilicet ut nominatim Traiectensem episcopatum omni exclusa occasione contra omnes mortales in nostra fidelitate nobis retineant. Ut autem huius nostrę condic[i]onis sive confirmationis auctoritas stabilis et inconvulsa permaneat, hanc inde cartam propria manu corroboratam scribi et sigilli nostri i[n]pressione iussimus insigniri. Huic nostrę conf[i]rmationi idoneos adhibuimus testes: Godebaldum Traiectensem episcopum, Conradum Osnabrugensem episcopum, Mengozum sancti Martini prepositum, Herimannum prepositum, Fridericum comitem de Arensberch, Arnoldum comitem de Cleue, Arnoldum de Rod et fratrem eius Ruchervm, Giselbertum, Galonem scultetum; Mutenses quoque: Giselbertus, eodem tempore villicus factus, Waldo, Sigebaldus, Herimannus, Wiltetus; Ierosolimitani: Godesalcvs, Vscherus, Algerus, Petrus, Tanco, Gerardus, Robertus.

Omnes etiam, qui Traiectensem ci[vi]tatem munire debent vallo, ab omnimodo theloneo liberos esse concedimus, quandocumque eandem civitatem causa mercandi adierint.

Signum Heinrici quati Romanorum imperatoris (M.9.) invictissimi. (SI.4.)

Bruno cancellarius recognovi vice archican cellarii.

Data apud Inferius Traiectum, anno dominicę incarnationis MCXXII, indictione XIII, IIII. non. iunii, anno domni Heinrici quarti regni eius XXIII, imperii vero XII.