Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<†237.>>

Unecht.

Heinrich restituiert dem Kloster Werden ein ihm von Kaiser Heinrich (III.) geschenktes, von dem Grafen Rutbert und seiner Frau Ermentrud entfremdetes Allod bei Eiteren.

Utrecht, 1122 Mai 27.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Angebliches Original (ca. 47/48 b : 32,5/33 h) von ca. 1123–1126 im Staatsarchiv zu Düsseldorf (A). – Rückvermerk des 12. Jh.: Tradicio Henrici IIIIti [von späterer Hand durchgestrichen und über der Zeile durch V ersetzt] imperatoris Romanorum super villa Eithera, quę sita est inter Renum et Leckam.

Drucke: Bucelinus, Germania topo-chrono-stemmatographica 2,315 (nur Eschatokoll mit Monogramm [s. Anm. 1], offensichtlich nach den Annalen Overhams von 1646). – van Spaen, Inleiding tot de hist. van Gelderland 2,39 no 19 (ex apographo Werdinensis abbatiae). – Aus A: Lacomblet, Niederrhein. UB 1.1,193 no 295 = Geer, Bijdragen tot en geschiedenis … der provincie Utrecht 354 no 2 = Sloet, OB Gelre en Zutfen 235 no 241. – Bendel, Urk. Werden 70 no 20 = Muller-Bouman, OB sticht Utrecht 1,281 no 307. – Obreen, OB van Holland en Zeeland 57 no 113.

Reg.: Erhard, Reg. Westf. 1,230 no 1470. – Brom, Reg. sticht Utrecht 1,61 no 301. – Diestelkamp-Rotter, Urk.-Regesten 1,132 no 186. – Stumpf Reg. 3177.

Das Diktat der wohl von einem Werdener Schreiber mundierten (vgl. Kölzer, Studien 219 Anm. 329, der die von Wibel in AfU 3,87 Anm. 3 und Oppermann, Rhein. Urk.-Studien 1,130 vorgenommene Identifizierung mit der Hand einer Werdener Privaturkunde von 1126/33, gedr. Crecelius in Zs. des Bergischen Gesch.-vereins 7,24f. no 129, bestätigt) und mit gefälschtem Siegel (vgl. Bendel a.a.O. 71; Wibel a.a.O. 87 Anm. 3, wörtlich übernommen bei Posse, Kaisersiegel 5,117) versehenen Urkunde stammt von Abt Berengoz von St. Maximin (vgl. zu dessen Fälschungen Vorbemerkung zu D. † 16). Daraus erklären sich auch die Übereinstimmungen der Datierung mit der des echten D.236 und des Eschatokolls mit D.150, die wohl letztlich den Grund für die ältere Einschätzung des Stückes als Nachzeichnung bzw. Fälschung nach echter Vorlage darstellten (vgl. Bendel a.a.O. 72; Oppermann a.a.O. 101f., Hausmann, Reichskanzlei 73; Bresslau, Jahrb. Ko.II. 2,470 spricht noch von einem “unzweifelhaften Original”): Die Datierung ist in ihrer Zusammensetzung und in den Zahlenfehlern (Verwendung der Ordinationsjahre anstelle der Königsjahre) charakteristisches Diktat des Berengoz, der im Mai 1122 in Utrecht am Hof geweilt und dabei die Gestalt der Datierungen von DD.236, 238, †301 und DMa.5 beeinflusst haben dürfte.

Nachdem schon Oppermann a.a.O. 95 und 101ff. die engen Diktatbeziehungen zwischen D. †237 und den Maximiner Fälschungen gezeigt hatte, die er auf von ihm postulierte, einander ähnelnde Vorlagen von 1122 für das Werdener und die Trierer Stücke zurückführte, hat Kölzer auf die vollständige Abhängigkeit des Diktats des D†237 von den Berengoz-Fälschungen hingewiesen; auch das Diktat des Eschatokolls und die Gestalt des nicht kanzleiüblichen Monogramms findet in ihnen eine Parallele (D.150). Gegen Kölzers Annahme jedoch, man habe in Werden durch Berengoz, der (wohl seit 1119) auch Abt von Werden war, lediglich Kenntnis der von ihm angefertigten Fälschungen bekommen und daraufhin D. †237 ohne dessen direkte Beteiligung hergestellt, spricht die Art und Weise, in der diese Texte benutzt wurden: In dem für Berengoz charakteristischen, in extremer Weise in D.186 für St. Maximin praktizierten Mosaikverfahren ist der relativ kurze Text des D. †237 zur Gänze aus unterschiedlich langen Passagen, teilweise auch nur einzelnen Formulierungen komponiert, die aus mindestens acht verschiedenen Urkunden geschöpft sind: Abgesehen von dem nur geringfügig herangezogenen echten, gleichfalls eine Restitution betreffenden DH.IV.369 für St. Maximin (= VL.VIII) sind es ausnahmslos Texte, die von Berengoz oder unter seiner Beteiligung hergestellt waren, neben dem DO.II. †160 für Kl. Rasdorf (= VL.V) noch die DDH.V. †17 (= VL.I), † 18 (= VL.VI), †88 (= VL.III), †113 (= VL.II), 150 (= VL.VII.) und 186 (= VL.IV), wovon VLL.I und II nur für die Arenga herangezogen wurden, VL.VII neben entscheidenden Formulierungen innerhalb der Dispositio insbesondere das Eschatokoll lieferte.

Diese souveräne Kenntnis und Verwendung eines großen Teiles des von Berengoz stammenden Vorlagenmaterials wäre von einem anderen als ihm selbst kaum zu erwarten gewesen. Ja, es ist sogar fraglich, ob Berengoz überhaupt wagen konnte, anderen Personen auch nur Abschriften der von ihm gefälschten Heinriciana zur Benutzung zu überlassen. Immerhin handelte es sich um Fälschungen auf den Namen des lebenden Herrschers, bei deren Aufdeckung er mit den härtesten Konsequenzen rechnen musste. Nur Berengoz selbst kommt deshalb als Verfasser von D. †237 in Frage.

In der vorliegenden Fassung stammt D. †237 jedoch nicht von der Hand des Berengoz (s.o.; zur Kennzeichnung seiner Schrift vgl. Vorbemerkung zu D.186). Zumindest in der vorliegenden Fassung dürfte D. †237 deshalb nicht eine auf Berengoz’ Initiative zurückgehende Fälschung darstellen, da Berengoz Mitwisser fürchten musste und deshalb seine übrigen Fälschungen stets selbst geschrieben hat. Allenfalls könnte es sich bei dem heute vorliegenden Stück um die – nach Ausweis der Schrift und wegen ihres Eintrags bereits im Werdener Kopialbuch aus der Mitte des 12. Jahrhunderts – kurz nach der Vorlage entstandene Nachzeichnung einer (verlorenen) Berengoz-Fälschung handeln, die dann aber auf einen anderen Besitztitel gelautet haben müsste, da sonst kaum verständlich wäre, zu welchem Zweck die Nachzeichnung angefertigt und mit einem gefälschten Siegel versehen wurde. Ebensogut könnte aber auch ein von Berengoz erwirktes (verlorenes) Original für diese – den Beurkundungsgegenstand austauschende – Nachzeichnung die Vorlage gewesen sein (vgl. die analoge Annahme Bendels a.a.O. 54 für die Entstehung des gefälschten DKo.II. †232).

Gegen die Annahme einer zeitlich früh anzusetzenden (s.o.) Fälschung zu Besitzungen in Eiteren spricht aber, dass die äußeren Bedingungen für ihr Unentdecktbleiben besonders ungünstig waren. Bei dem Utrechter Aufenthalt des Hofes Ende Mai 1122 wurde nämlich tatsächlich über strittige Besitzungen in demselben Raum verhandelt, in dem auch das von Werden beanspruchte Eiteren liegt: Mit dem nur einen Tag älteren D.236 werden den Utrechter Klöstern S. Martin und S. Marien entfremdete Besitzungen in pago … Isla et Lake restituiert (zur Lokalisierung von Eiteren nahe dem heutigen Ijsselstein sw. Utrecht vgl. Geer a.a.O. 7, 13 und Kartenanhang). Auf absehbare Zeit werden sich also damals bei Hofe anwesende Personen aus der Region daran erinnert haben, ob und mit welchem Ergebnis über Werdener Ansprüche verhandelt wurde. Kölzers Annahme, a.a.O. 206 Anm. 258, dass die Maximiner Fälschung auf den Namen Heinrichs V. nur direkt gegen lokale Widersacher und nicht bei Hofe verwendet werden sollten – wegen des auch dabei bestehenden Risikos etwa bei einer Appellation an den König ohnehin problematisch – sticht deshalb gerade im Falle Werden nicht. Eine Fälschung wäre also lange Zeit nur unter hohem Aufdeckungsrisiko einsetzbar gewesen und wird damit sehr unwahrscheinlich.

Kölzer a.a.O. 222 formuliert die Vermutung, D. †237 sei ursprünglich nicht als Fälschung intendiert gewesen, sondern als (von einem Werdener Begleiter des Berengoz nach dessen Konzept in Utrecht hergestellte) Empfängerausfertigung vorbereitet, aber von der Kanzlei nicht akzeptiert und später in Werden mit einem gefälschten Siegel versehen worden. Hintergrund für die Ablehnung des Werdener Besitzanspruches durch Hof und Kanzlei trotz des Einflusses, über den Berengoz zweifellos verfügte, könnte die ganz unsichere Beweislage sein, auf die sich Werden stützen konnte: Ein Diplom Heinrichs III., auf den der Text den Besitz zurückführt, ist nicht überliefert (und eine Verwechslung mit der von Bendel a.a.O. 54 vermuteten echten Vorlage für D.Ko.II. †232 unwahrscheinlich; vgl. aber Bresslaus Vorbemerkung zur Einschätzung des DKo.II. †232 als “ungeachtet seiner fälschlich den Schein der Originalität erweckenden Ueberlieferung durchaus echt”); außerdem fehlen in D. †237 Angaben darüber, gegen wen sich der Restitutionsanspruch richtet, wer also 1122 in der Nachfolge des Rutbert und der Ermentrud, die in der älteren niederländischen genealogischen Forschung als Zeitgenossen Heinrichs III. und Angehörige des Zutphener Grafenhauses identifiziert werden (vgl. zuerst van Spaen a.a.O. 1,161ff., 192, dann ihm folgend Kremer, Graven in Hameland 79, Bresslau, Jahrb. Ko.II.2, 470 und Meyer von Knonau Jahrb. 7,194 Anm. 6; anders Geer a.a.O. 96, 105, der Rutbert für einen Grafen von Utrecht hält. (evtl. neuere genealog. Arbeiten in der Mappe zu Heinrich und Otto von Zutphen?), die (unrechtmäßigen) Besitzer von Eiteren waren; selbst der Zeitpunkt der Entfremdung ist mit iam diu iniustę constat ablatum denkbar unpräzise angegeben. Das Fehlen von beweiskräftigen Unterlagen könnte auch der Grund für die Herstellung einer Königsurkunde – merkwürdigerweise aber nicht auf den Namen Heinrichs III., sondern auf den Konrads II. – über Besitz in Eiteren “Mitte des 12. Jh.” (Bresslau in Vorbemerkung zu DKo.II. †232; Bendel a.a.O. 54f.) gewesen sein. (Bresslau nimmt zwei verschiedene Besitzungen in Eiteren an). Auch die Werdener Urbare bieten keine weiteren Informationen zur Aufhellung der Besitzgeschichte, obwohl sich zwischen den Urbareintragungen aus dem 10./11. (in Haltnon et in AIteron XXX d.) und dem späten 11 Jahrhundert (in Eiteron V siclos I plenum mansum XIIII hofstedi) ein Anwachsen des Besitzes in Eiteren ablesen lässt, das mit einer Schenkung unter Konrad II. oder Heinrich III. erklärt würde (vgl. Kötzschke, Werdener Urbare 87 und 119 mit Anm. 1).

--Keine Nennung der am iudicium beteiligten Personen, auch keine Zeugen = Indiz für Vorausfertigung in Kölzers Sinn? --

In nomine sancte et individue trinitatis. Heinricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Iusticiam cuique facere cum omnium sit generaliter, nostri solummodo est principaliter, quoniam ad hoc imperiali celsitudine ceteris videmur preminere mortalibus, ut iudicium et iusticiam faciamus omnibus iniuriam patientibus. Unde fidelium nostrorum tam presentium quam futurorum nolumus latere dilectionem, qualiter fidelis noster Berengozvs Werthinensis ecclesię abbas nostram imperialem adivit celsitudinem postulans videlicet, quatinus allodium, quod ab avo nostro Heinrico pie memorię augusto pro remedio animę suę parentumque suorum in villa, quę dicitur Eitera, sanctę Marię fuerat contraditum, sed per violentiam comitis Růtberti et uxoris suę Ermenthrudis iam diu iniustę constat ablatum, eidem monasterio per iusticiam restitueremus et restitutum nostra imperiali auctoritate confirmaremus. Cuius rationabili ac iustę peticioni pro divino respectu parentumque nostrorum ac nostri remedio assensum prebentes prefatum allodium, quod respicit ad villam, quę dicitur Eitera, quod situm est inter hos fluvios Renum et Leccam, Leccam et Islam, cum agris, pascuis, silvis, aquis aquarumque decursibus, quesitis et inquirendis, terris etiam cultis et incultis et cum omnibus appendiciis sanctę Marię sanctoque Livdgero iusto fidelium nostrorum iudicio ratione ea reddimus atque firmamus, ut nulla persona ecclesiastica sive mundana prefatum allodium eidem ęcclesię ultra quoquomodo alienare presumat, sed pro remedio animę nostrę parentumque nostrorum inibi semper ratum et inconvulsum permaneat. Et ut hęc nostrę restitutionis digna confirmatio nullo umquam cassari possit ingenio, kartam hanc inde conscriptam manu propria firmamus et sigilli nostri impressione insigniri iussimus.

Signum domni Heinrici (M.) quarti Romanorum imperatoris augusti. (SI.F.)

Bruno cancellarius ad vicem domni Adelberti archicancellarii recognovi. Data VI. kl. iunii, anno dominicę incarnationis MCXXIIo, indictione XVa, anno autem regni domni Heinrici XXIIIo, imperii vero XIIo; actum Traiecti; in dei nomine feliciter amen.