Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<†234.>>

Verunechtet.

Heinrich bestätigt dem Kloster Burtscheid die durch seine Großmutter Agnes <zum Nießbrauch der Mönche> erfolgte Schenkung von acht Hufen zu Sinzig, lässt im Fürstengericht der Witwe Ludwigs von Sinzig und ihren Erben angemaßte Ansprüche darauf aberkennen <und verbietet dem Abt die eigenmächtige Vergabe zu Erbrecht>.

Aachen, 1122 April 25.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Einzelabschrift des 14. Jh. (zusammen mit dem in der unteren Blatthälfte eingetragenen DH.IV.119) im Hauptstaatsarchiv zu Düsseldorf (B). – Originalvidimus des Abtes von Kornelimünster, Albert von Wachtendonck, von 1563 Mai 19 im Stadtarchiv zu Aachen (C). – Einzelabschrift des 18. Jh. in Hs. 180a f. 8r–v ebenda (D).

Drucke: Wohl aus B: Günther, CD Rheno-Mos. 1,194 no 95 (g) = Sloet, OB Gelre en Zutfen 234 no 240 = Muller-Bouman, OB sticht Utrecht 1,279 no 304 Auszug. – Aus B–D: Meuthen, Aachener Urk. 463 no 200.

Reg.: Erhard, Reg. Westf. 1,230 no 1469. – Wauters, Table chronol. 2,114. – Goerz, Mittelrhein. Reg. 1,477 no 1729. – Philippi, Osnabrücker UB 1,202 no 239. – Knipping, Kölner Reg. 2,31 no 197. – Brom, Reg. sticht Utrecht 1,61 no 298. – Pappenheim, Pappenheimer Reg. 18 no 373 (wegen angeblicher Nennung des Marschalls Heinrich Haupt). – Wampach, UB d. altluxemb. Territorien 1,505 no 354. – Keunecke, Die Münzenberger 112 no 10. – Wurzel, Reichsabtei Burtscheid 129. – Diestelkamp-Rotter, Urk.-Regesten 1,130 no 184. – Böhmer Reg. 2072. – Stumpf Reg. 3174.

Stumpf und offenbar ihm folgend Goerz, Philippi und auch noch Wampach behaupten (die Berichtigung Stumpfs S. 539 [“nur Copie …”] vernachlässigend) fälschlich die Existenz des Originals in Düsseldorf. Günthers Druck (g) geht fast überall mit B einig (vgl. bes. Anm. u und s’); seine Lesungen von Anm. h und w könnten selbständige Konjekturen sein, aber auch auf der Benützung einer unbekannten anderen Abschrift beruhen, weshalb wir in Auswahl seine Lesungen notieren.

Das verlorene Original war nach der in D gebotenen Siegelbeschreibung (Druck bei Meuthen a.a.O. 464) mit dem echten 2. Kaisersiegel versehen, wie die exakte, alle Kürzungen beibehaltende Wiedergabe der Legende (diese fehlt in der anderslautenden Siegelbeschreibung von C, s. Meuthen a.a.O.) beweist. Während der Kontext offensichtlich von einem Empfängerdiktator verfasst wurde, der dabei stellenweise das DH.IV.119 von 1064 Januar 15 (= VU.) als Vorlage benützte (unter Beibehaltung des unpassenden regalis in der Korroboratio), stammt nach Hausmann, Reichskanzlei 73 no 8 das Diktat des Eschatokolls von dem in D.†234 – und nur hier – namentlich genannten Notar Heinrich.

Diese Feststellung gilt jedoch, so wie der Text uns heute vorliegt, für alle drei Teile des Eschatokolls nur mit Einschränkungen: Die Signumzeile lautet, bei allen sonst anzutreffenden leichten Varianten, in keinem der Diplome des Notars Heinrich wie hier, sondern insbesondere mit anderer Plazierung des quarti fast immer … Heinrici quarti Romanorum imperatoris … (in D.232 fehlt quarti Romanorum, in D.236 das Romanorum). – Die geringsten Abweichungen bietet die Rekognitionszeile, die hiesige Namensnennung des Erzkanzlers begegnet in den Diplomen vor D.246, ab welchem die Rekognitionszeile stark erweitert wird, von Umstellungen abgesehen, noch in DD.229 (recognovi vice arch. Ad.) sowie 232 u. 236 (vice Ad. arch. rec.). – Bei der in ihren Einzelelementen dem Stil des Notars entsprechenden Datierung irritiert die Eröffnung mit Anno …, was in B/C möglicherweise einer durch die Kopisten verursachten Umstellung anzulasten ist; jedoch selbst wenn die vom Kopisten von D vorgenommene Voranstellung des data … Aquisgrani (vgl. Anm. e”) einen evtl. ursprünglichen Zustand wiederhergestellt hätte, bliebe die hiesige Zusammenfassung von Tages- und Ortsangabe singulär, da dem Diktat des Notars (vgl. das vorangehende D.233) nur die Vorziehung der Ortsangabe und deren Position nach dem eröffnenden Data entspräche, während die Tagesangabe als Abschluss der Datierung (ohne das Aquisgrani) ihre hiesige Stellung beibehalten müsste, vgl. dazu Thiel, Beiträge ■.

Alle diese, im einzelnen kleinen, Abweichungen erwecken in der Zusammenschau starke Zweifel daran, dass der überlieferte Text die Fassung eines von Notar Heinrich im Jahre 1122 verfassten Eschatokolls unverändert bewahrte. Dass dies in der Tat nicht der Fall ist, ergibt sich klar daraus, dass die Signumzeile nicht das damalige Monogramm Heinrichs V. enthält, sondern das aus der VU. übernommene, im Buchstabenbestand stark abweichende Königsmonogramm Heinrichs IV., vgl. dazu Anm. z’. – Dass der Notar innerhalb des von ihm herrührenden Eschatokolls dem Empfänger ausgerechnet die Einzeichnung des Monogramms überlassen hätte, kann man von vorneherein ausschließen; und selbst gesetzt diesen Fall, hätte er, der nach Hausmanns Erklärung a.a.O. 75 “die Ausfertigung zu überwachen und zu vollenden hatte”, zweifellos die Verwendung des Monogramms der VU. nicht durchgehen lassen. – Es gibt sogar einen kleinen Hinweis darauf, dass ein von Notar Heinrich gezeichnetes Monogramm (natürlich Heinrichs V.) existiert hat, da in der in D gebotenen Nachzeichnung der Rücken des gebogenen Abstriches des R am Fuß der mittleren Vertikalen eine für den Notar Heinrich charakteristische dornartige Verstärkung aufweist (in Andeutung auch in C), die den Monogrammen Heinrichs IV. fremd ist.

Es ergibt sich daher schon von der formalen Seite her der zwingende Schluss, dass die Überlieferung nicht auf dem ursprünglichen Original beruhte, sondern auf einer unter Übertragung des echten Siegels hergestellten Fälschung, für die der Fälscher zusätzlich auf die Vorurkunde zurückgriff. Womöglich aus bloßem Versehen hat er, der beide Urkunden, das erst anschließend vernichtete ursprüngliche Original von D.†234 und die VU., vor sich liegen hatte, dabei aus der VU. das falsche Monogramm übernommen. Vielleicht gehört auch die eine oder andere Übernahme aus der VU. erst zu dieser Aktion, nicht schon ins ursprüngliche Original. – Auf Nachlässigkeit des Fälschers ist es sicher auch zurückzuführen, dass das Eschatokoll des Notars Heinrich aus der echten Vorlage des D.†234 verderbt wurde.

Die Annahme nachlässiger Arbeit kann schließlich auch die Lösung eines Textproblems liefern: Die Liste der am Verfahren beteiligten principes, deren Namen zum größten Teil in dem gleichfalls in Aachen ausgestellten D.233 (vgl. auch D.235) begegnen, ist fraglos Bestandteil des ursprünglichen Originals. Es wäre nun aber erstaunlich, wenn im März/April 1122 zwei Angehörige des Hauses der Grafen von Namur am Hofe gewesen, von ihnen aber jeweils nur einer namhaft gemacht worden wäre, in D.233 Adalbertus, in D.†234 hingegen Godefridus: Es spricht alles dafür, dass in D.†234 gleichfalls Adalbertus gestanden hatte und dass der unaufmerksame Fälscher stattdessen nochmals den Namen des vorangehenden Herzogs von Löwen/Niederlothringen wiederholte.

Bei Wigerus advocatus handelt es sich um den in D.235 genannten Lütticher Domvogt. – Die von Bosl, Reichsministerialität 1,104 u. 107 vorgenommene Identifizierung des Teodericus Aquensis iudex mit dem gleichnamigen Aachener Reichsvogt weist Meuthen a.a.O. zurück, da nach Meuthen no 168 von 1135 Tiricus iudex und Tiricus advocatus auseinanderzuhalten sind und nur der iudex zu der von Bosl für den Reichsvogt beanspruchten Ministerialenfamilie von Düren gehört.

Der inhaltliche Grund für die Herstellung des unbezweifelbaren Falsum ist leicht erkennbar: In der VU. war die Schenkung zu Sinzig schlechthin an das Kloster erfolgt, das Falsum behauptet hingegen eine Zuwendung ad usus monachorum; und während dort (S. 158 Z. 32–35) dem Abt absolut freie Verfügungsgewalt jeder erdenklichen Art zugestanden war, ist ihm hier in direktem Widerspruch dazu die (erbrechtliche, als die folgenreichste) Vergabe ausdrücklich verboten bzw. an das königliche consilium gebunden.

Eine genauere Datierung des Falsum, das demnach eigenes Konventsgut voraussetzt, ist nicht möglich, da der Zeitpunkt der wohl frühestens in die Mitte oder zweite Hälfte des 12. Jh. gehörigen Trennung zwischen Abts- und Konventsgut nicht bekannt ist, vgl. Wurzel a.a.O. 22.

– Stumpf Reg. 3174a bezieht sich auf eine Urkunde B. Burchards von Cambrai von 1122 (Quix, CD Aquensis 1,18 no 27; Lacomblet, Niederrhein. UB 1,194 no 296; Wauters a.a.O. 2,117), mit der dieser interventu domini mei Heinrici quarti Romanorum imperatoris gewährt, daß an genannten Orten in parrochia Cameracensi gelegene altaria, ad prebendam canonicorum Aquensium pertinentia, in perpetuum libera a persona permanere sollen (vgl. Meyer v. Knonau, Jahrb. 7,192 Anm. 4).

(C.) In nomine sanctę et individuę trinitatis. Heinricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Notum esse volumus omnibus Christi nostrique fidelibus tam futuris quam pręsentibus, quod de octo mansis et aliquot mancipiis in loco Sinceche dicto, quę avia nostra Agnes deo dicata tradidit ecclesię sancti Iohannis in Porceto ad usus monachorum legitima possessione, nos etiam eandem traditionem in curia Aquisgrani celebrata propter quorundam inportunas et iniustas proclamationes iudicio principum confirmavimus et uxori Lodouici de Sencecha et suis hęredibus, quicquid iuris ibidem vel quoquomodo seu quamdiu sibi usurpassent, multis nobilibus terrę presentibus abiudicari fecimus et, ne ulterius absque nostro consilio abbas eiusdem loci nostram elemosinam alicui prestiterit iure hęreditario, imperiali auctoritate sanccivimus. Deinde ut nostra regalis institutio stabilis et inconvulsa permaneat, hanc cartam inde conscriptam manu propria corroborantes sigilli nostri impressione iussimus insigniri. Hęc autem sunt nomina principum, quorum consilio et iudicio hęc sunt discussa et terminata, quę subnotari fecimus: Fredericus Coloniensis archiepiscopus, Godeboldus Traiectensis episcopus, Cunradus Osnaburgensis episcopus, Arnulfus Aquensis prępositus, Hezelo decanus, Heinricus notarius imperatoris, Godefridus dux Louaniensis, Godefridus comes Namucensis, Gerardus comes de Gelre, Arnulfus comes de Los, Willelmus comes de Loceleborch, Lambertus comes de Acuto Monte et Giselbertus comes et Wigerus advocatus, Arnulfus de Elslo, Folcmarus dapifer imperatoris, Euerardus de Haga, Teodericus Aquensis iudex.

Signum domini Heinrici imperatoris Romano(M.)rum quarti invictissimi.

Bruno cancellarius recognovi vice Adelberti archicancellarii.

Anno dominicę incarnationis MCXXII, indictione XV, data est VII. kl. maii Aquisgrani.