Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<226.>>

Heinrich befiehlt seinem Verwandten Amadeus (III. Grafen von Savoyen), für die Vollstreckung eines am bischöflichen Hof von Lausanne gegen Ebal (I. von Grandson) zugunsten der Untertanen des Klosters Romainmôtier ergangenen Urteils zu sorgen und das unter könglichem Schutz stehende Kloster zu schirmen.

(wohl Herbst 1118 – Ende 1120).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Kopialbuch von Romainmôtier aus dem 12. Jh. f. 12r in der Kantonsbibliothek zu Lausanne (B); Randvermerk des 18. Jh.: 1125.

Faks.: Bruckner, Liber cart. mon. Roman. f. 12r.

Drucke aus B: Gingins-la-Sarra, Cart. de Romainmôtier 439. – Charri ╘re, Dynastes de Grandson no 31 S. 112 zu 1120–1125. – Kallmann in Jahrb. f. Schweiz. Gesch. 14,64 Anm. 3 zu ca. 1120. – Chapuis, Recherches sur les inst. polit. du pays de Vaud 136 Anm. 1. – Pahud, Cart. de Romainmôtier 108 no 17 zu (1114–1121), mit Angabe der Stumpf-Nr. 3201 (= D.269).

Reg.: Forel, Rég. de la Suisse Romande 1,116 no 454 2o zu ca. 1124. – Hidber, Schweizer. Urk.-Register 1,472 no 1609 zu 1120–1125. – Stumpf Reg. –.

Die von Pivec in MÖIG 46,267 vertretene These, die drei Mandate DD.226–228 seien von dem Kaplan David verfasst, womit man für ihre Entstehung als äußersten Terminus ante quem das Jahr 1120 gewänne, ist von Hausmann, Reichskanzlei 310ff. mit Recht verworfen worden. – Hausmanns eigene Zuweisung des Diktats an den Notar Heinrich (a.a.O. 74 no 29–31 mit Datierung zu 1121/24; s. auch a.a.O. 62 betr. D.227) lässt sich zwar mit dem Wortlaut der knappen Texte nicht absichern, doch spricht zumindest für ihre Kanzleimäßigkeit die an den Adressaten orientierte Verwendung unterschiedlicher Salutationes: In unserem D.226 das für italienische Adressaten gebräuchliche gratiam suam et bonam voluntatem (vgl. D.64, mit cum bona voluntate, u. D.†138 mit Vorbemerkung). In D.227 für B. Gerold von Lausanne das für deutsche, aber auch burgundisch-provençalische Adressaten übliche gratiam suam et omne bonum (vgl. DD.151 u. 185); zu dieser offensichtlich schon unter Heinrich V. verfestigten (trotz des … et omne bonum in D.68 für Parma) Diktatpraxis vgl. Opll in MIÖG 84,295f. Die Salutatio in D.228, gratiam suam et dilectionem, ist eine singuläre, vielleicht absichtliche Variation. – Träfe die von Hausmann behauptete, nicht erweisliche Zuweisung des Diktats an den Notar Heinrich zu, ergäbe sich daraus aufgrund des Beginns seiner Tätigkeit im Jahre 1119 (s. Hausmann a.a.O. 73), nach Beendigung des 2. Italienzuges, eine starke Eingrenzung der Datierung der Mandate in die Zeit nach 1118/19, vgl. dazu weiter unten. Die gesamte bisherige Literatur bietet für diese, letztlich unsicher bleibende Datierung der drei Mandate unterschiedliche, aber – mit Ausnahme Pahuds – jeweils falsche Vorschläge, indem sie ihre Entstehung überwiegend in unmittelbare Nähe zu Heinrichs Diplom für Romainmôtier, D.269 von 1124 Dezember 28, rückt (gilt auch für Hausmann, der a.a.O. 345 durch die Verwendung der Siglen St. 3200A–3200C für die bei Stumpf fehlenden Mandate diese in die Nähe von D.269/Stumpf Reg. 3201 verweist), obwohl einerseits zwischen Diplom und Mandaten kein sachlicher Zusammenhang besteht (vgl. dortige Vorbemerkung), insbesondere aber das Diplom als Petenten den Prior Artaldus nennt, eines der drei Mandate, D.227, hingegen den Prior Landericus, der vermutlich alle drei impetriert hatte, was von vorneherein eine auch nur annähernde Gleichzeitigkeit von Diplom und Mandaten ausschließt. Für eine engere zeitliche Eingrenzung versagen die Amtsdaten der drei Mandats-Adressaten (B. Gerold 1107–1129, Amadeus III. von Savoyen 1103–1148, Haimo I. von Genf 1080–1128) vollständig.

Von den übrigen konkreten Angaben der Mandate sind die dreimalige Erwähnung des undatierten iudicium sowie des außer in D.227 nicht belegten Priors Landerich zunächst nicht verwertbar. Seine richtigen, auf Landerich bezogenen Grenzdaten gründet Pahud a.a.O. 107 in Vorbemerkung zu seiner no 16 (= D.227) auf zwei Urkunden aus den Jahren 1114 und 1121: Einen sicheren Terminus post quem liefert in zweierlei Hinsicht eine Urkunde von 1114 Juni 4 (Charri ╘re a.a.O. 110 no 29); in dieser erscheint einerseits der in allen drei Mandaten genannte Ebal I. († 1130/35) aus dem Hause der Herren von Grandson (ca. 20 km nö. Romainmôtier am Neuenburger See) – nach dem Tode seines Vaters Kuno († 1114) – erstmals als selbständig handelnd (zu ihm vgl. Charri ╘re a.a.O. 34ff. sowie Tableau I mit Stammtafel); andererseits wird hier letztmals der Prior Stephanus (III.) erwähnt, der mutmaßliche unmittelbare Vorgänger des Landerich, als was ihn auch Pahud a.a.O. bezeichnet.

Nach den für den fraglichen Zeitraum nicht sehr zuverlässigen Priorenlisten bei Charri ╘re, Recherches sur le couvent de Romainmôtier 251f., der Landerich überhaupt nicht kennt, und der neuesten bei G. Hausmann in Helvetia sacra 3.2,547ff. ist als Vorgänger des Artaldus von 1124, für den es übrigens gleichfalls außer D.269 keinen weiteren Beleg gibt, der Prior Guigo verzeichnet, der als Empfänger einer Urkunde von 1121 Februar 28 (Hidber a.a.O. 1,473 no 1611) nachgewiesen ist. Bei Charri ╘re, Dynastes 36 mit Anm. 2, der zwar erstmals von der Existenz des Priors Landerich Kenntnis nimmt, ist Landerich fälschlich als Nachfolger dieses Guigo (und Vorgänger des Artaldus) bezeichnet; dieselbe Behauptung begegnet bei Hellmann, Grafen von Savoyen 37, der deshalb (a.a.O. Anm. 2) die Mandate in die Jahre 1121–1124 setzt; eine ähnliche Vorstellung hegt auch Endemann, Vogtei u. Herrschaft 16f., die als Zeitpunkt für das in den Mandaten erwähnte iudicium “um 1120” annimmt und demnach an Erwirkung der Mandate durch Landerich “wahrscheinlich kurz” vor D.269 denkt.

Gemäß der richtigen Einreihung bei G. Hausmann a.a.O. muss Landerich jedoch ein Vorgänger des Priors Guigo gewesen sein, also längstens bis Anfang 1121 amtiert haben; Hausmann schiebt zwischen Landerich und Guigo sogar noch einen nicht sicher datierbaren Prior “Humbertus, vers 1120” ein – und gibt trotzdem aus Nachlässigkeit für Landerich die Amtszeit “entre 1114 et 1125” an (= seine a.a.O. Anm. 1 für die Mandate angenommene Datierung)!

Dass Guigo Landerichs Nachfolger war, ergibt sich klar daraus, dass der unter Landerich noch hell lodernde Streit mit Ebal I. unter Guigo beigelegt worden ist; eine undatierte Urkunde (Charri ╘re a.a.O. 110 no 30, fälschlich zu 1120–1125; danach bei Chapuis a.a.O. 134 Anm. 1; älterer Druck bei Gingins in Mém. et Doc. de la Suisse Romande 1,169 no 11, ebenfalls fälschlich zu 1124) beginnt: Placitum de domno Eubolo [= Ebal I.], quod fecit in manu domni Guigonis prioris: Iniurias et depredationes faciebat domnus Eubolus in potestate sancti Petri [= Romainmôtier] multas pro calumpniis quorumdam hominum, de quibus factum fuerat iudicium in curia Lausonensi; außer Angabe des Streitgegenstandes des iudicium in curia Lausonensi (de hominibus sanctæ Mariæ [= Lausanne] et sancti Petri) wird auch dessen Urteilstenor mitgeteilt: ut, cuius æcclesiae essent matres in possessione secundum antiquas investituras, eius essent et infantes æcclesiastico iuditio; da es sowohl in der Urkunde als auch in den Mandaten um Übergriffe Ebals I. gegen die homines von Romainmôtier geht, dürfte die Identität des an beiden Stellen erwähnten iudicium sichergestellt sein.

Innerhalb des von Pahud angenommenen weiteren Zeitraums von 1114–1121, dessen Endpunkt wegen der Nennung von Landerichs Nachfolger schon im Februar 1121 (s. oben) wohl auf Ende 1120 zu verkürzen ist, muss aber nun u.E. das konkrete Ausstellungsdatum der Mandate relativ spät angesiedelt werden, will man nicht einen zu großen zeitlichen Abstand zwischen dem zu Landerichs Zeit ergangenen iudicium, das Endemann a.a.O. auf “um 1120” datieren möchte, und dem unter Prior Guigo erzielten placitum annehmen. Da man auch davon ausgehen darf, dass die Ebal I. vorgeworfenen Übergriffe nicht schon in seine Anfangszeit (1114) fielen, ist Heinrich sicher nicht schon vor seinem 2. Italienzug mit dem deswegen gegen diesen ergangenen iudicium befasst worden; und da kaum anzunehmen ist, dass er die Mandate während des Italienzuges erließ, gehören sie vermutlich, unabhängig von der Frage der Autorschaft des Notars Heinrich, frühestens in die Zeit nach der Rückkehr vom Italienzug im Herbst 1118, worauf sich unsere Datierung bezieht.

Übrigens dürften die Mandate nicht alle drei gleichzeitig entstanden sein (an dieser Annahme orientiert sich auch unsere Reihung, die von der handschriftlichen Abfolge, in der D.227 vor D.226 steht, abweicht): Das ältere scheint jedenfalls D.226 zu sein, wo nur von der Tatsache des ergangenen iudicium die Rede ist und das wie ein einfaches Exekutionsmandat wirkt; in den zwei anderen und offenbar jüngeren, evtl. auch beide gleichzeitig ergangenen Mandaten hingegen geht es darum, den zwischenzeitlich (nach D.226) offenkundig gewordenen Widerstand Ebals I. gegen die Befolgung des Urteils (exequi contempnat; vult respuere) zu brechen (nach Ausweis des erwähnten placitum musste er schließlich für die zugesagte Beachtung des iudicium Geiseln stellen).

Die zweimalige Erwähnung der kaiserlichen tuitio in DD.226 und 228 (in letzterem hervorgehoben als kausale Begründung der Proklamatio), also den Mandaten an die beiden Laien, ist wohl zwingend im Sinne eines vogteiähnlichen besonderen Schutzverhältnisses über das grundsätzlich vogtfreie Kloster zu interpretieren, vgl. dazu Endemann a.a.O. 19ff., die (a.a.O. 26) fälschlich – entgegen ihrem eigenen Hinweis auf das Vorkommen des Begriffes tuitio in D.228 (das D.226 wurde anscheinend übersehen) – behauptet, eine kaiserliche tuitio werde das erste Mal in DF.I.766 von 1178 (dort besonders betont: tamquam res fisci nostri) festgestellt (vgl. auch restriktiv Herkenrath, Reichskanzlei 1174–1180 S. 188f.). Die Bitte um tuitio scheint sogar erst unmittelbar zuvor vom Kloster ausgegangen zu sein, wenn man das quod … se inclinat wörtlich nimmt, während in D.228 (quoniam … manet) von einem Bestehen dieses Schutzverhältnisses ausgegangen ist, wodurch unsere Annahme gestützt wird, dass zwischen D.226 einerseits und DD.(227)/228 andererseits ein gewisser Zeitabstand lag. Die “Auftragung der Vogtei” an den Kaiser durch das Kloster bildet insofern eine gewisse Parallele dazu, dass im Jahre 1084 Graf Wilhelm I. von Burgund († 1087) als für seine Person vom Abt bestellter (iussione abbatis) advocatus/defensor fungierte, ohne dass sonst die Grafen von Burgund einen Vogteianspruch gehabt hätten, vgl. dazu Endemann a.a.O. 21ff. Mit DD.226 (defendere studeas) und 228 (studeas defendere und protector et auxiliator esse) hätte Heinrich die Wahrnehmung der Vogtei delegiert, in erster Linie und über den konkreten Anlass hinausgehend wohl seinem consanguineus Amadeus, während die Beauftragung Haimos von Genf vermutlich auf seiner Mitwirkung am iudicium beruhte. Die vermeintliche Erwähnung der Verwandtschaft zwischen Heinrich und Amadeus III. – des letzteren Großvater Amadeus II. († 1080) und Heinrichs Mutter Bertha waren Geschwister – in den Drucken des D.71 für Turin ist eine Interpolation Guichenons (s. dortige Anm. w). – Zur curia vgl. D.227.

[H]eynricus dei gratia Romanorum imperator augustus Amedeo consanguineo suo gratiam suam et bonam voluntatem. Iudicium, quod adversus Eblonem in curia Lausonensis episcopi pro hominibus Romani Monasterii factum est, precipimus, ut exequi facias ipsumque monasterium, quod nostre tuitioni se inclinat, modis omnibus defendere studeas.