Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<225.>>

Heinrich erneuert der bischöflichen Kirche zu Würzburg die ihr von seinen Vorgängern übertragene, jedoch während seiner Regierungszeit entzogene richterliche Gewalt in ganz Ostfranken unter Wahrung der früheren Grenzen.

Würzburg, 1120 Mai 1.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original (ca. 45/45,5 b : 58/59 h) im Staatsarchiv zu Würzburg (A); Rückvermerk des 12. Jh.: De dignitate iudiciaria in tota orientali Francia, darunter (fast ganz abgerieben:): Anno MCXX; 13. Jh.: C.C.C.XLIII.

Drucke: Meichsner, Decis. cam. imp. 4,138 decis. 10 no 7 Auszug. – Leuckfeld, Ant. Poeldenses 253 no 2 = Lünig, Reichsarchiv 7,325 no 173. – Ludolf, Symphorem. consult. et decis. 2,515 no 3. – (Wölkern), Singularia Norimberg. 369 Anm. u aus Leuckfeld. – Aus unbekanntem Vidimus: (Schneidt), Demonstratio hist.-dipl. 73 no 1. – Aus A: Schneidt, Thes. Jur. Franconici 1,397 no 1. – Jäger, Gesch. Frankenlands 2,238. – Aus A: Mon. Boica 29.1,238 no 444. – Bresslau, Diplomata centum 102 no 71 = Bulst-Ernst, Texte 2,123 no 18.

Reg.: Georgisch, Reg. chronol.- dipl. 1,511 no 11. – Lang, Reg. Boica 1,119. – Ders., Reg. circ. Rezat. 1,38. – Mon. Boica 37,39 no 77. – Heidingsfelder, Eichstätter Reg. 100 no 306. – Zoepfl-Volkert, Augsburger Reg. 1,259 no 434. – BÖHMER Reg. 2068. – Stumpf Reg. 3164.

Hausmann, Reichskanzlei 73 no 4 weist Schrift und Diktat des D.225 dem Notar Heinrich zu, was jedoch nicht uneingeschränkt zutrifft. – Jedenfalls stammt die Vervollständigung der vom Notar begonnenen Datumzeile (s. Anm. x’) von anderer Hand, wahrscheinlich einem bischöflichen Schreiber, der sich jedoch mangels Vergleichsmaterials aus der Zeit B. Erlungs nach dem Jahre 1113 (vgl. Johanek, Frühzeit der Siegelurk. im Bistum Würzburg 313f.) nicht ermitteln lässt; auf ihn geht sicher auch die der Reichskanzlei fremde Tagesangabe nach dem kirchlichen Festkalender (s.a. D.229) zurück.

Ob die Fortsetzung der Datierung ebenfalls von Empfängerseite formuliert wurde, ist unklar (Johanek äußert sich nicht zum Datierungsusus der Würzburger bischöflichen Kanzlei); ihre Formulierung könnte aber auch vom Notar vorgegeben gewesen sein, dessen nur allmählich sich verfestigenden Praxis die Reduktion der Jahreskennzahlen auf Inkarnationsjahr und Indiktion entspricht. Der Notar wäre dann auch verantwortlich für die Angabe der falschen 12. statt der 13. Indiktion (s. Anm. 2): Es könnte sich um die gedankenlose Beibehaltung der (damals richtigen) 12. Indiktion aus dem von ihm verfassten D.223 (1119 Nov. 21) handeln; immerhin bietet er, womöglich als bloße Fortschreibung des Fehlers von D.225, auch in D.229 (1121 März 25) eine gleichfalls um 1 Einheit zu niedrige Indiktion, ehe er dann in der 1. Jahreshälfte 1122 diesen Fehler berichtigt und ab D.232 die richtige Indiktion einsetzt. – Ob aus der nachträglichen Ergänzung der Datumzeile auf uneinheitliche Datierung zu schließen ist, wagen wir trotz des äußeren Eindrucks nicht mit letzter Sicherheit zu entscheiden. – Dem Diktat des Notars Heinrich entspricht, neben der Eröffnung mit Data Wirzeburch (vgl. z.B. DD.224, 229), noch insbesondere der Verzicht auf die herkömmliche Datierungsaufteilung in Data (mit folgenden Datierungselementen) und actum (mit folgender Ortsangabe), wodurch ein mögliches – und häufig gegebenes – zeitliches Auseinanderklaffen von Handlung und Beurkundung verdeckt wird.

Damit bleibt auch in unserem Fall ungewiss, ob alle Elemente der Datierung (Ort und Daten) zugleich auf Handlung und Ausfertigung (wohl beide in Würzburg erfolgt) zu beziehen sind. Schließlich kann sogar nicht ausgeschlossen werden, dass die Handlung schon – irgendwann – im Jahre 1119 erfolgt war, wodurch sich am leichtesten die auffällige ursprüngliche Verschreibung der Jahreszahl (s. Anm. z’) erklären würde; da die Korrektur der Jahreszahl zwar offenbar sogleich, aber erst nach der Niederschrift der Fortsetzung erfolgte, ist die Tagesangabe zusammen mit der korrigierten Jahreszahl 1120 wohl auf den Termin der Ausfertigung zu beziehen. – Die Verlegung der Handlung in das Jahr 1119 hätte erhebliche Konsequenzen für die Frage, wann es zu einer Aussöhnung zwischen Heinrich und B. Erlung gekommen ist (vgl. unten); man muss jedoch gestehen, dass wie so oft auch in unserem Fall die diplomatische Methode an ihre Grenzen stößt.

Dem Notar ist vermutlich noch das Diktat vor allem der formelhaften Partien zuzusprechen. Dies gilt, zumindest vermutungsweise, für die Erweiterung der Arenga gegenüber den Vorurkunden (s. unten), mit Sicherheit für die Unterfertigungszeilen; zu identischer Rekognitionszeile vgl. DD.224, 233, 238 u. † 301; auch die Weglassung des früher selbstverständlichen domni vor Heinrici in der Signumzeile wird bei Notar Heinrich allmählich zur ständigen Regel. In der Korroboratio, die auch sonst von Standardformulierungen abweicht, fällt der ganz ungewöhnliche Abschluss mit subscripsimus auf; da dies immerhin, wenn auch in relativ großem zeitlichen Abstand, nochmals in den von dem Notar verfassten DD.267 u. 268 begegnet, dürfte auch hier Diktat des Notars vorliegen.

Es fehlen jedoch hinlängliche Anhaltspunkte dafür, den diktatmäßigen Anteil des Notars im übrigen Kontext zu ermitteln und von dem des Empfängers zu scheiden (zum Versuch in einzelnen Punkten vgl. weiter unten). Es muss jedenfalls die Existenz eines Empfängerentwurfs angenommen werden, in dem ältere Würzburger Diplome als Vorlagen verwendet waren, nämlich die DDH.II.37 und 38 von 1003 (= VUU.I u. II) und das diese zusammenfassend bestätigende DKo.II.37 von 1025 (= VU.III); wo die Lesungen der drei – weitgehend gleichlautenden – Texte übereinstimmen, ist in den Anmerkungen die zusammenfassende Sigle VUU. verwendet, im übrigen haben wir die Abhängigkeiten lediglich durch Petitsatz gekennzeichnet, ohne am Rand eine bestimmte VU.-Ziffer auszuwerfen.

Da es sich bei den Vorkunden um einfache Besitzbestätigungen handelt, die auf keinen Fall zur Erwirkung des D.225 der Kanzlei vorzulegen waren, kann ihre Verwertung nur in der bischöflichen Kanzlei erfolgt sein. Aus dem Faktum, dass man auf diese inhaltlich denkbar ungeeigneten Texte als Vorurkunden zurückgreifen musste, ergibt sich übrigens der – durch die Überlieferung gedeckte – Schluss, dass es trotz der mehrfachen Berufung auf predecessores kein älteres verlorenes Diplom über die Verleihung der dignitas iudiciaria/iudiciaria potestas an den Würzburger Bischof gegeben hat, erst recht nicht über die “unveränderten” termini a predecessoribus nostris ei prefiniti; ganz auffällig erscheint in diesem Zusammenhang auch die offenbar bewusste Vermeidung der durch die Vorurkunden eigentlich naheliegenden Begriffe scripta bzw. praecepta (s. Anm. n’ und q’) und deren Ersatz durch das unverfängliche tradicio (Z. ■).

Nur minimalste Anklänge an unser D. finden sich, trotz der thematischen Nähe, in dem DF.I.546 von 1168 Juli 10 (= NU.I; s. Anm. w und y; unsicher Anm. m’); vgl. zu diesem außer der dortigen Vorbemerkung Koch, Reichskanzlei 117ff. und die jüngste eingehende Untersuchung von Herde in Jahrb. f. fränk. Landesforsch. 56,149ff.); Kochs Behauptung (a.a.O. 119) des Bestehens von Anklängen auch in der dortigen Arenga an D.225 trifft nicht zu.

D.225 ist das “erste offizielle Schriftstück” (so Herde a.a.O. 150) in der vieldiskutierten Frage der seit dem 11. Jh. bestehenden “quasi-herzoglichen” Stellung des Bischofs von Würzburg (vgl. Auswahl der wichtigsten Literatur bei Herde a.a.O. 149f. Anm. 3), von der vorher nur wenige chronikalische Quellen zu berichten wissen (vgl. Herde a.a.O. 150 mit Anm. 5–7). – Die in D.225 äußerst zurückhaltende und unpräzise Formulierung nostris temporibus über Würzburgs zeitweiligen Verlust seiner dignitas iudiciaria, die Heinrich als den Urheber des alienata verschweigt, war nach dem Bericht der Chronik Ekkehards (rec. III, ed. Schmale-Ott 316 Z. 25ff.) eine Folge von B. Erlungs Wechsel zur antikaiserlichen Partei zu Beginn des Jahres 1116 (vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,360 und D.185 Anm. 2): Qua etiam commotione succensus imperator ducatum orientalis Francię, qui Wirziburgensi episcopio antiqua regum successione [statt concessione?] competebat, Chuonrado sororis suę filio [= der spätere Konrad III.] commisit …; falls der erst wieder in DF.I.546 – sehr zurückhaltend (vgl. Herde a.a.O. 168f.) – aufgegriffene Terminus ducatus auch im Empfängerentwurf des D.225 enthalten gewesen sein sollte, wurde er vermutlich bei dessen Überarbeitung durch den Notar eliminiert (Herde a.a.O. 158 deutet D.225 so, dass Heinrich dem Bischof den Herzogstitel verweigert habe, s.a. 164).

Die durch D.225 beurkundete Restitution setzt jedenfalls eine Aussöhnung mit B. Erlung voraus, der in seinen letzten Lebensjahren († 1121 Dez. 28 oder 30) öffentlich nicht mehr hervorgetreten war (vgl. Wendehorst, Bistum Würzburg 1,130 u. 131). – Auf Erlungs Einflussnahme dürfte es übrigens zurückzuführen sein, dass die Gerichtsgewalt in tota orientali Francia bestätigt wurde, worin eine unausgesprochene Spitze gegen Bamberg vermutet werden darf, das ja in Ostfranken lag und vom ursprünglichen Sprengel Würzburgs abgetrennt worden war, so wie später vermutlich umgekehrt B. Eberhard II. von Bamberg dafür sorgte, dass in dem DF.I.546 durch die dortige Gleichsetzung des ducatus mit dem Gebiet des ępiscopatus Würzburg die Ausdehnung der herzoglichen Gewalt des episcopus dux von Würzburg auf Bamberg verhindert wurde (vgl. Herde a.a.O. 165ff.). – Während bei dem in tota … Francia der Empfängereinfluss offensichtlich sein dürfte, ist schließlich in Betracht zu ziehen, dass auch obige Formulierung mit nostris temporibus im Empfängerentwurf gestanden hat und von Erlung mit Rücksicht auf Heinrich so vage formuliert war; genauso gut könnte es sich aber auch um das Ergebnis eines Eingriffs des Notars handeln.

(C.) In nomine sanctę et indinidue (!) trinitatis. Heinricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Si quid locis divino cultui mancipatis nostrę largitatis stabilimus munificentia, divinę pietatis nos inde credimus et minime ambigimus remunerandos magnificentia. Sic enim predecessorum nostrorum regum vel imperatorum meritis nos assotiamus, si ea, quę pro eternę vitę remuneratione ipsi locis deo dicatis contulerunt, nostrę auctoritatis consensu stabilimus et corroboramus. Unde omnium presens et futura cognoscat industria, qualiter dignitas iudiciaria in tota orientali Francia, a predecessoribus nostris regibus vel imperatoribus ad domum in honore sancti Saluatoris et sanctę dei genitricis Marię sanctique Kiliani martyris Christi in urbe Wirciburch dono tradita, nostris temporibus inde est alienata. Erlungus autem Wirceburgensis ęcclesię presul per interventum coniugis nostrę Mathildis et Herimanni Augustensis episcopi et Ǒdalrici Eistetensis episcopi et Erlolfi Wldensis abbatis et Gerhardi Merseburgensis episcopi et Godefridi comitis palatini et Beringarii comitis aliorumque fidelium nostrorum suppliciter adiit maiestatem nostram cum universo cleri, milicię, plebis eiusdem loci conventu rogans, ut honorem prefatę dignitatis regali munificentia et nostrę auctoritatis clementia ecclesię memoratę tam pro obsequio suę fidelitatis quam pro remuneratione divinę pietatis resti[t]ueremus. Cuius quidem peticioni primum pro amore Christi et sanctę dei genitricis et pretiosi martyris Kiliani, deinde pro nostrę salutis provectu satisfacientes per hoc imperialis magnificentię insigne restituimus, confirmamus et validissime corroboramus ad domum prefatam sancti Salvatoris et pretiosi martyris Kiliani predictam dignitatem cum omni potestate, non imminuens terminos a predecessoribus nostris ei prefinitos. Et huius nostrę concessionis imperiali auctoritate prefinimus, ut sine omnium contradictione maiorum sive minorum, regum vel principum, in iure dictę ęcclesię perpetuo permaneat et solus predictus ępiscopus et sui successores hanc iudiciariam potestatem potestative iuxta antecessorum nostrorum tradicionem exercendi potestatem habeat. Ut autem hęc nostrę auctoritatis restitutio et super hac re facta confirmatio a cunctis inviolabilis ultra permaneat, hanc nostrę donationis preceptionem inde conscriptam sigillo nostro signari iussimus manuque propria, ut infra videtur, subscripsimus.

Signum Heinrici quarti Romanorum imperatoris (M.9.) invictissimi. (SI.4.)

Bruno cancellarius recognovi vice archicancellarii.

Data Wirceburch, anno dominicę incarnationis MCXX, indictione XIIma, in festo Philippi et Iacobi, in ęcclesia sancti Kiliani; feliciter amen.