Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<224.>>

Heinrich erklärt seine Absicht, das Kanonikerstift Georgenberg (bei Goslar) mit einem Kreuzgang auszustatten und seine wirtschaftlichen Grundlagen zu erweitern, weshalb er mit Zustimmung der Kanoniker genannten Bürgern von Goslar den dem Stift benachbarten Wald Al zur Rodung anweist, wofür sie nach drei Jahren dem Stift von jeder Hufe einen Zins von fünf Schillingen entrichten sollen.

Goslar, (1099) [1120] Januar 21.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original (ca. 45/46 b : 58,5 h) im Hauptstaatsarchiv zu Hannover (A).

Drucke: Heineccius, Antiqu. Goslar. 116 unvollständig und verfälscht, mit der Jahreszahl MCXIX = Mencken, Script. rer. Germ. praecipue Saxon. 3,1011 no 6 = Schwarz, Memoria prisc. com. Leisnicens. 176 no 6. – Meiller in Österr. Notizenblatt 2,5 aus notariellem Transsumpt des 16. Jh. (vor 1576) zu 1099 = Posse, CD Sax. regiae 1.2,51 no 59 zu 1120. – Lüntzel, Gesch. Hildesheim 1,358f. Anm. 6 Auszug aus Copionale zu 1120. – Aus A: Bode, UB d. Stadt Goslar 1,200 no 164. – Janicke, UB d. Hochst. Hildesheim 1,161 no 180, beide zu 1120.

Reg.: Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 508 no 1 und 524 no 4. – Worbs, Inv. dipl. Lusat. inf. 1,27 no 66, beide zu 1119. – Raumer, Reg. Brandenburg. 1,136 no 768. – Erhard, Reg. Westf. 1,227 no 1446. – Philippi, Osnabrücker UB 1,197 no 234. – Dobenecker, Reg. Thur. 1,240 no 1147. – Vogt, Herzogtum Lothars 53 no 55. – Engel, Ravensberger Reg. 1,165 no 99. – B.-Petke Reg. 62. – Stumpf Reg. 3162, alle zu 1120.

Verfasst und geschrieben von Notar Heinrich, vgl. Hausmann, Reichskanzlei 73 no 3; wenn a.a.O. Anm. 2 behauptet wird, das Original sei 1943 X 8 durch Kriegseinwirkung vernichtet worden, handelt es sich dabei offensichtlich um eine Verwechslung mit D. † 31, für das umgekehrt (a.a.O. 64 no 10) die Existenz des vernichteten Originals unterstellt wird.

D.224, das erste erhaltene, von Heinrichs Hand geschriebene Original (s.a. Bresslau in Textband zu Kaiserurk. in Abb. 87), das zugleich den ältesten Abdruck des 2. Kaisersiegels aufweist, verrät in Diktat und äußerer Gestaltung den noch unerfahrenen Anfänger: Im Text stören das apostrophierende invenies (Z. ■), die Unentschiedenheit zwischen monasterium, cenobium und ecclesia sowie zwischen canonici und clerici; die zweite Hälfte des Kontextes beanspruchen im wesentlichen zwei, durch die Korroboratio voneinander getrennte (zur Ursache s. unten) Listen von Namen, die beide in inadäquater Weise als testes bezeichnet sind, obwohl die erste Liste wohl die im Text nur allgemein erwähnten Intervenienten (principum nostrorum consilio) enthält, während die zweite die Namen der im Text avisierten Goslarer Pächter erfasst; nicht der Norm entsprechend ist die Einführung der Königin am Schluss der “Intervenienten”, was freilich, auch in der Formulierung, derjenigen in D.223 entspricht, wo auch die hier durch ihre Stellung ganz auffällige und einem Diplom fremde Erwähnung der beiden zeitgenössischen Pröpste (s. Anm. l) eine sachliche Parallele hat (dort vor der Korroboratio).

Optisch auffällig ist die Urkunde im Bereich des Eschatokolls, einerseits durch das Fehlen einer Signumzeile und die Stellung der Rekognitionszeile dicht unter dem Kontext (s. Anm. n), andererseits sowohl durch die Form des Monogramms, dessen überhöhte Gestalt (s. Anm. o) durch die der Gewohnheit des Notars entsprechende Belegung der Vertikalen mit Buchstaben jeweils dicht an deren oberem und unterem Ende einen fast grotesken Eindruck macht, als auch insbesondere durch dessen Stellung, da es, ca. 6 cm oberhalb der Datumzeile eingezeichnet, mit seinem oberen Ende in die letzte Kontextzeile hineinreicht (s. Anm. m).

Dieses Erscheinungsbild ist freilich durch die Genese erklärbar: Die Niederschrift hatte zunächst mit dem die 12. Zeile eröffnenden iussimus insigniri geendet, womit das Monogramm, mit einem Abstand von ca. 8 cm zur vollgeschriebenen 11. bzw. von ca. 5,5 cm zur Grundlinie der 12. Zeile, fast symmetrisch in der freien Fläche gestanden hatte; dann scheint dem Notar erst eingefallen zu sein, dass die im Text angekündigten Namen der Goslarer Pächter (s. oben) fehlten, mit denen er dann die 12. und 13. Zeile füllte (s. Anm. h), womit das Monogramm bis auf einen einfachen Zeilenabstand an den Kontext herangerückt war; in neuem Ansatz kamen dann in der – in Höhe des Kopfes des Monogramms verlaufenden – 14. Zeile die Namen der beiden Pröpste hinzu (s. Anm. l), wodurch der Abstand der darunterstehenden, schon zuvor eingetragenen Rekognitionszeile mit ca. 2,5 cm sogar unter den normalen Zeilenabstand von ca. 2,8–3 cm sank. Entweder wollte der Notar jetzt die fehlende Signumzeile nicht rangwidrig unter die Rekognitionszeile setzen, oder er hat sie einfach vergessen.

Für letzteres spricht die nur aus einer großen Konfusion des Notars erklärliche und trotz Verbesserung im Ergebnis falsche Schreibung der Jahreszahl in der Datierung (s. Anm. s; vgl. Dahlhaus in Die Salier u. das Reich 2,397 mit Anm. 201, ebenda 398 zur Bedeutung des sich aus der falschen Jahreszahl 1099 ergebenden Bezugs auf Heinrich IV. in der klösterlichen Tradition, letzteres von Ehlers in Nieders. Jahrb. 70,153 als “nicht ohne weiteres möglich” bewertet); dass vom Notar mit dem “1099” wirklich 1119, nicht etwa wegen falscher Zählung der I-Striche 1120 gemeint war, ergibt sich eindeutig aus dem Ordinalzahl-Exponenten no (für nono), und ebenso eindeutig ist die intendierte Jahreszahl 1119 ein Rechenfehler des Notars, der nicht mit einem Hinweis auf einen (kanzleifremden) Jahreswechsel nach dem Annuntiationsstil erst am 25. März (so Erhard, Janicke, Philippi, Engel) geheilt werden kann.

Die richtige Jahreszahl 1120 ergibt sich aus den Namen der “Intervenienten”, die großenteils Teilnehmer der nach der Feier des Weihnachtsfestes 1119 in Münster zu einem Friedensgespräch für den Januar 1120 nach Goslar einberufenen Reichsversammlung waren, darunter mit Herzog Lothar, (Mark-)Graf Rudolf von Stade, Pfalzgraf Friedrich von Sommerschenburg (aber auch EB. Friedrich I. von Köln; s. unten zu Stumpf Reg. 3163) die ärgsten Gegner Heinrichs, während sich, abgesehen von den kaiserlichen Gegenbischöfen von Osnabrück und Merseburg, die hier überhaupt als einzige Bischöfe genannt sind, die übrigen sächsischen Bischöfe, mit ihnen auch der zuständige, antikaiserliche Diözesanbischof Berthold I. von Hildesheim (1119–1130), von dem am 30. Oktober 1119 vom Reimser Konzil (dort erhielt Berthold I. am 31. Okt. mit JL 6771 die päpstliche Bestätigung) erneut gebannten Kaiser fernhielten (vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 7,146f.; STÜLLEIN, Itinerar 84 mit Anm. 1–3; B.-Petke Reg. 61 u. 62). – Der Georgenberger Propst Pilgrim ist nur hier belegt; zu dem von 1109–1144 (erstmals in D.43) belegten Propst Egelbert/Eilbert (von St. Simon und Judas zu Goslar) vgl. Meier, Die Domkapitel zu Goslar u. Halberstadt 410 (s. auch S. 63, 181, 191, 197).

Die formalen Unzulänglichkeiten des D.224 nähren den Verdacht, dass dem Notar auch die Darstellung des rechtlichen Sachverhalts nicht vollkommen gelungen ist. Die Tatsache der kaiserlichen Verfügung setzt voraus, dass es sich bei dem Al-Wald um Reichsgut handelte; die bisherige, auf D. † 31 gestützte Ansicht, Georgenberg sei schon seit 1108 Eigentümer des Waldes gewesen, wird durch die Neuinterpretation von D. † 31 hinfällig. Wenn trotzdem der consensus der clerici ibidem commanentes erforderlich war, müssen Rechte des Stiftes, dem ja auch durch die Rodungsmaßnahmen nicht erstmaliger Nutzen, sondern fructus aliquis utilior in Aussicht gestellt wurde, bestanden haben, wobei man wohl am ehesten an Allmendenutzung zu denken haben wird; allerdings erscheint der schon sehr früh, nach einer zinsfreien Anlaufzeit von nur drei Jahren, fällig werdende jährliche Zins von 5 Schilling pro Hufe sehr hoch (in einer Urk. B. Bernhards I. von Hildesheim von ca. 1133–37, Böhmer, Acta imp. 816 no 1129 – wo allerdings nicht von mansus, sondern wie unten 1196 von ager die Rede ist – bleibt der ager 6 Jahre zinsfrei und der Zins steigt dann vom 7. bis zum 10. Jahr von 2 über 4 und 8 Pfennige auf schließlich 1 Schilling), was kaum durch die hier und wiederholt begegnende Betonung der großen Nähe zum Stift (s. z.B. D. † 31) zu erklären ist.

Die Verfügung von 1120 muss andererseits, über die Entschädigung für den vermuteten Allmendenutzen hinaus, die Übereignung des Waldes eingeschlossen haben. Dafür spricht auch das Recht auf Rückforderung (repetitio) der Äcker (scil. bei unterbliebener Zinszahlung), wie es im Privileg P. Cölestins III. von 1196 März 7 (JL 17341; Janicke a.a.O. 1,495 no 520) mit Berufung auf eine ordinatio Heinrichs V. und unter teilweiser Benützung unseres D. (durch Petitsatz gekennzeichnet) enthalten ist (Schluss der – mit der silva Al eröffneten [s. Vorbemerkung zu D. † 31] – Besitzliste: ordinationem quoque Henrici quarti imperatoris atque bone memorie Bertoldi Ildesemensis episcopi pro annua pensione decime ac census quinque solidorum de agris omnibus silve, que Al dicitur, cultis sive incultis, vel eorundem agrorum iusta repeti[ti]one, sicut sine pravitate facta est et hactenus observata, … confirmamus). – Während hier Heinrich V. und B. Berthold I. als gemeinsam handelnd erscheinen, erfolgte die erst nach Durchführung der Rodung denkbare Zehntschenkung Bertholds, die hier gemeint ist, erst anlässlich der von diesem vorgenommenen, nach Aussage der Steterburger Annalen (MGH SS 16,204: dedicatum est monasterium sancti Georgii) im Jahre 1128 erfolgten Klosterweihe, wie sich aus einer auf 1131 Juni 12 datierten, aber erst den frühen 50er Jahren des 12. Jh. angehörenden Urkunde B. Bernhards I. (Janicke a.a.O. 1,180 no 197, S. 180 Z. 36 – 181 Z. 1; vgl. D.†31) hervorgeht: decimam quoque super agros, qui Al dicuntur, qua beatę memorię Berchtoldus episcopus noster antecessor in consecratione monasterii altare beati Georgii dotavit.

Aus dem zeitlich zu verstehenden abl. abs. canonicis ibi institutis (Z. ■) ergibt sich übrigens wohl, wie Dahlhaus a.a.O. 399 (vgl. auch Ehlers a.a.O. 155 mit Anm. 117), der D.224 als erstes Zeugnis für die Existenz eines Stiftes wertet, vermutet, dass die Kanonikergemeinschaft noch nicht lange bestand; wenn der in einer Urkunde von 1118 Nov. 13 (Bode a.a.O. 1,200 no 163) als Kanoniker von St. Simon und Judas belegte Pilgrim (s. Meier a.a.O. 181, ferner 63 u. 202) mit dem (ersten) Georgenberger Propst identisch sein sollte, ergäbe sich aus dem Datum dieser Urkunde der Terminus post quem für die Einführung der Kanoniker; in der Urkunde B. Bernhards I. heißt es im Anschluss an die zitierte Stelle, dass die consecratio chori erst durch ihn (1130–1153) erfolgte (S. 181 Z. 2f.: ceteraque, quę nos pro remedio animę nostrę eidem conferentes in consecratione chori altare beatę Marię sanctique Georgii dotavimus, scilicet …).

Zur Frage des Zeitpunktes der Ausrichtung Georgenbergs nach der Augustinerchorherrenregel (Wendehorst-Benz in Jahrb. f. fränk. Landesf. 50,39 nehmen dafür zu Unrecht schon das Jahr 1108 an), womit auch diejenige nach dem Zeitpunkt der Übernahme der Leitung des Stifts durch den Riechenberger Propst Gerhard I. (1122–1150) zusammenhängt, vertreten Goetting (in MIÖG 78,136 sowie Hildesheimer; Bischöfe 332) und Dahlhaus (a.a.O. 398f.) aus unterschiedlicher Bewertung der beiden Weihenachrichten (1128 und nach 1130) resultierende divergierende Ansichten, zu deren Klärung D.224 nichts beitragen kann.

Petke, Grafen von Wöltingerode-Wohldenberg 258 (s.a. Graf, Niederkirchenwesen 32) vermutet als wahrscheinliche Funktion des Eppo huius loci procurator die Verwaltung des Krongutes, “wie sie vor den Sachsenkriegen geübt war”; er geht auch (a.a.O. 257ff.) davon aus, dass Heinrich V., mit dem das Königtum in Goslar wieder Fuß gefasst habe, um 1105 die Vogtei über Georgenberg “in seinem Sinne unter Ausschluß einer Mitwirkung des (Hildesheimer) Ordinarius” den Grafen von Wöltingerode übertragen habe, in deren Besitz diese seit 1142 nachgewiesen sind (seit damals von ihnen an die Herren von Burgdorf als Lehen ausgetan, vgl. a.a.O. 428).

Stumpf Reg. 3163 bezieht sich auf die in celebri curia et conventu Goslariae ausgestellte (actum et … confirmatum) Urkunde EB. Friedrichs von Köln für Kl. Corvey von 1120 o.T. (Knipping, Kölner Reg. 2,26 no 172).

(C.) In nomine sancte et individue trinitatis. Heinricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Noverit omnium tam presentium quam futurorum industria, qualiter nos divinę inspirationis provocati admonitu et principum nostrorum consilio monasterium in monte sancti Georgii positum canonicis ibi institutis claustrali ambitu adornare eiusque facultates rebus necessariis decreverimus ampliare. Silvam enim quandam, quę vocatur Al, eidem monasterio adiacentem, ex clericorum ibidem commanentium consensu quibusdam civibus nostris Goslariensibus, quorum nomina in fine cartę invenies conscripta, locavimus, quatinus eorum sollerti labore exstirpata in agros redigeretur et ex[inde] prefato cenobio fructus aliquis utilior proveniret et redderetur, ea videlicet conventionis interposita lege, ut transacto triennio ex eo tempore, quo eos silvam excolendam accepisse constiterit, ex singulis mansis, cultis sive incultis, ipsi eorumque successores quinque solidorum censum predictę ęcclesię persolvi procurarent. Huic autem concessioni nostrę idoneos adhibuimus testes, quorum nomina hęc sunt: Cǒnradus Osnabrugensis episcopus, Gerardus Merseburgensis episcopus, alii quoque principes: Lutherius dux, Rǒdolfus marchio, Fridericus palatinus, Wibertus comes, Heinricus marchio, Fridericus comes, Herimannus comes, Eppo huius loci procuratus (!). Hoc etiam Mathildis regina sua corroboravit presentia. Ut autem huius concessionis auctoritas stabilis et inconvulsa permaneat, hanc cartam inde conscribi et sigilli nostri imp[re]ssione iussimus insigniri. De Goslariensibus etiam civibus hos habemus testes: Fochelinus scilicet, Heriszo, frater eius Lanfridus, Hertwardus, Sebertus, Folcmarus, Lucemannus, Ǒdelbertus, Bernardus et fratres eius, Amecho et filii eius, Brunincus et frater eius Acco, Tetelinus, Benecho, Wecelin, Benno.

Hoc autem factum est tempore Pilegrini sancti Georgii prepositi necnon etiam Egelberti prepositi.

Bruno cancellarius recognovi (M.9.) vice archicancellarii. (SI.4.)

Data autem Goslarię MXCIIIIIIIIIno (!) anno incarnationis domini, XII. kal. februarii.