Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<223.>>

Heinrich verleiht dem Kollegiatstift St. Michael zu Antwerpen auf Bitten Herzog Gottfrieds (I. von Niederlothringen) den Zehnt zwischen Zantvliet und Olmeremuthen, wovon der Propst ein Viertel für sich behalten darf und den Rest den Kanonikern zuweisen soll.

Maastricht, 1119 November 21.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Abschrift des 13. Jh. in den Diplomata capituli f. 1v im Stadtarchiv zu Antwerpen (B). – Notarielles Vidimus von 1490 August 23 im Kathedralarchiv zu Antwerpen (C).

Drucke: Miraeus, De collegiis canonic. 168 mit der Jahreszahl MCXXIIX (= 1128). – Ders., Cod. donationum piarum 260 c. 81 zu 1125. – Ders., Donat. Belg. 91 c. 40 zu 1119 = Ders., Not. eccl. Belg. 303 Auszug. – Foppens, Hist. episc. Antverp. 18 no 4. – Miraeus-Foppens, Opera 1,83 c. 74. – Brosius, Juliae … annal. 1,7 Auszug aus Miraeus, Cod. don. und Not. eccl. – Diercxsens, Antverpia 11,93 Auszug; 21,111 vollständig aus C. – Bondam, Charterb. van Gelderland 1.1,169 no 21 aus Miraeus, Cod. don. und Miraeus-Foppens a.a.O.

Reg.: Du Chesne, Hist. généal. de Dreux …, preuves (Luxembourg et Limbourg) 55. – Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,509 no 13. – Bréquigny, Table chronol. 2,478. – Erhard, Reg. Westf. 1,227 no 1442. – Wolters, CD Lossensis 36 no 60. – Wauters, Table chronol. 2,99. – Philippi, Osnabrücker UB 1,197 no 233. – Prims, Geschied. van Antwerpen 2.4,28 no 4. – Coenen, Limburg. Oork. 1,123 no 262. – Böhmer Reg. 2067. – Stumpf Reg. 3161.

Da alle übrigen Abschriften von B oder C abhängen, bleiben eventuelle Varianten unberücksichtigt. Die Vorlage der beiden ältesten Drucke von Miraeus (1615 und 1624) ist nicht bekannt; obwohl Miraeus in Donat. Belg. (1629) in den Adnotationes S. 92 erwähnt, dass er die richtige Jahreszahl 1119 ex autographo gewonnen habe, hat das Original seinen neuen Druck weiter nicht beeinflusst, da die Fehler seines Erstdruckes (1615) in all seinen eigenen sowie den insgesamt von einem seiner Werke abhängigen anderen Drucken wiederkehren; nachdem die jüngeren Drucke mit vereinzelten, offenbar willkürlichen kleineren Varianten keinen selbständigen Wert haben (s. bes. Anm. g’), beschränken wir uns darauf, einige wenige, auch in den Nachdrucken beibehaltene Lesarten des Erstdruckes (m) zu verzeichnen (Vgl. Anm. a, b, l, o, f’-h’). – Nachdem Miraeus-Foppens (1723) in einem Randvermerk zur Jahreszahl 1119 nochmals auf das Original Bezug nimmt (Sic habetur in originali, quod vidi), Diercxsens (1773) jedoch nur noch auf das Vidimus von 1490 (= C) zurückgreifen kann, muss das Original, das nach Aussage des Inventars des Kathedralarchivs von 1498 unter der Signatur “Capsa 1 Dominorum no 1(1)” verwahrt wurde, in der Zwischenzeit verloren gegangen sein.

Verfasst von Notar Heinrich (vgl. Hausmann, Reichskanzlei 73 no 2), dessen Diktat, neben u.a. dem Begriff testes idonei in der Zeugeneinleitungsformel, insbesondere die – in der Folgezeit noch stärker verkürzte – Datierung entspricht, in der er sich konsequent mit der Indiktion als einziger zusätzlicher Jahreskennzahl begnügte, während der Notar Adalbert A bis zuletzt (s. D.202) immer auch Regierungs- und Kaiserjahre angegeben hatte, vgl. dazu Thiel, Beiträge ■.

D.223 als erstes mit Sicherheit dem neuen Notar zuweisbares Diplom weist einige Besonderheiten auf, die womöglich einer gewissen Unerfahrenheit zugeschrieben werden können: Ob die sonst nur in Briefen und Mandaten verwendete Devotionsformel dei gratia (ab D.224 richtig divina favente clementia), wie sie alle Abschriften und Drucke bieten, wirklich auf das Original zurückgeht, wagen wir nicht zu entscheiden, da das Vidimus von 1490, das von einem schlechten Erhaltungszustand spricht (littere … adeo sunt vetustate seu minius debita cura consumpte), als Grundlage für den Insert-Text durchaus auch eine vorhandene Abschrift (etwa B) verwendet haben könnte. – Kanzleiunüblich war auch der Doppeltitel dux et marchio für Herzog Gottfried I., der nach Kienast, Herzogstitel 328 und 333 mit Anm. 155.2 nur hier begegnet. Ungewöhnlich ist jedenfalls die im Anschluss an die Zeugenliste in zwei selbständigen Sätzen erfolgte Nennung der Königin und des Propstes, was auch, hinsichtlich der Königin, im wenig jüngeren D.224 eine Parallele hat – zur emphatischen Form der Erwähnung Mathildes in beiden DD. vgl. Vorbemerkung zu D.217. Während die Königin bei ihren relativ seltenen Nennungen (s. Jäschke, Königinnen 163 und Leyser in Anglo-Norman Studies 13,229 Anm. 15) jeweils die – hier fehlende (dies vielleicht ursächlich für den Befund) – Intervenientenliste eröffnet, wie es auch ab D.225 der Praxis des Notars Heinrich entspricht, wäre die Nennung des Propstes in einer hier ebenfalls fehlenden Petitionsformel (vgl. … et obnixe petente) zu erwarten gewesen.

Wie Hausmann a.a.O. 77f. nachweisen konnte, hat der Notar für die (doppelte) Arenga und die Korroboratio die durch den Liber aureus des Klosters Prüm überlieferten DLo.I.87 von 845 Januar 1 (= VL.I) und DLo.II.11 von 859 Januar 18 (= VL.II) als Diktatvorlagen verwendet, womit D.223 den ersten Nachweis der Benützung des von ihm geschaffenen und im Laufe seiner Kanzleitätigkeit erweiterten Formularbehelfs darstellt; vgl. zu diesem Hausmann in MIÖG 58, 68ff., wo bei der Aufzählung der herangezogenen Fonds (a.a.O. 86) derjenige des Klosters Prüm noch fehlt.

Die Zehntverleihung wird, unter jeweiliger Berufung auf D.223 und unter Beibehaltung der hier festgelegten Aufteilung, durch DLo.III.69 von 1135 Januar 1 (B.-Petke Reg. 421 = NU.I) und DF.I.170 von 1157 Juni 3 (= NU.II) bestätigt; in der Vorbemerkung zu DF.I.170, in dem auf eine an sich angezeigte Kennzeichnung der Vorurkunden-Abhängigkeit (S. 290 Z. 18–20, 23, 26f.) verzichtet ist, wird fälschlich lediglich von gewissen Anklängen an D.223 und DLo.III.69 gesprochen, jedoch ist, wie Anm. m, o, q und z zeigen, tatsächlich nur unser D., und zwar als wirkliche Vorurkunde benützt; in DF.I.170 ist auch (S. 290 Z. 19) über unser D. hinausgehend erklärt, dass Heinrich den Zehnt pro remedio anime contulit. – Beide Nachurkunden sind übrigens zugunsten des Antwerpener Marienstifts ausgestellt, nachdem im Jahre 1124 die Kanoniker des Kollegiatstifts bei St. Michael ihre Kirche zugunsten von Prämonstratensern verlassen hatten und an die Marienkirche übergesiedelt waren; vgl. dazu Goetschalckx, De abdij van S.-Michiel 29f., De Moreau, Histoire de l’Église en Belgique 21,288f. und 22,423f., B.-Petke a.a.O.

Für den Aufenthalt Heinrichs in Niederlothringen liefert D.223 mit Maastricht (so richtig Hausmann, Reichskanzlei 73 no 2, während er a.a.O. 77 versehentlich von Aachen spricht) die einzige urkundlich gesicherte Station. Der Kaiser, der vermutlich in seinem Lager in Brévilly ca. 7 km nö. Mouzon, dem für das nicht zustandegekommene Zusammentreffen mit Papst Calixt II. am 24. Oktober vorgesehenen Ort, den Abschluss des mit seiner erneuten Bannung endenden Konzils von Reims (26.–30. Oktober) abgewartet hatte (s. D.222), hat zweifellos auf seinem Marsch entlang der Maas nach Norden in Lüttich Aufenthalt genommen, wo er in den Streit zweier Bewerber um den dortigen Bischofsstuhl eingriff (vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 7,141ff.; Stüllein, Itinerar 81f.).

Während nun Stumpf a.a.O. Maastricht (ohne Klammern) eindeutig als Ausstellort von D.223 kennzeichnet und nur zusätzlich auf die Gesta abb. Trudon. lib. 11 c.7 (MGH SS 10,300, wo von den Konsequenzen dessen gesprochen wird, quando Traiectum sive Leodium imperator venisset) hinweist, liefern Meyer von Knonau (a.a.O. 143 Anm. 49) und ihm folgend Stüllein (a.a.O. 82 mit Anm. 11), die den Text von D.223 selbst offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen und andererseits Stumpfs Angabe nur als eine auf der zitierten Stelle beruhende Vermutung gewertet haben, ausführliche und verfehlte Erörterungen über den denkbaren Ausstellort.

Zu den Zeugen vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 142f. B. Konrad von Osnabrück, bisher Dompropst von Hildesheim, war erst kurz zuvor, nach dem Reimser Konzil, von Heinrich als Gegenbischof gegen den vom Domkapitel gewählten früheren Dompropst Diethard (B. 1119–1137) eingesetzt worden und ist, weil er sich in seinem Bistum nicht durchsetzen konnte, bis 1122 vorwiegend am kaiserlichen Hof anzutreffen (s. noch DD.224, † 234, 238, † 301; vgl. Löffler, Westfäl. Bischöfe 51ff.). Auch der nach dem Tode B. Albuins von Merseburg († 1112 Oktober 23) nach fast einjähriger Vakanz im Sommer 1113 in Anwesenheit Heinrichs gewählte (s. Stüllein a.a.O. 58) B. Gerhard, der im Herbst 1115 für abgesetzt erklärt worden war, hat sich nach der 1119 erfolgten endgültigen päpstlichen Bestätigung seines Gegenkandidaten Arnold (1117–1126) hauptsächlich am Hof aufgehalten, wo er noch in DD.219, 224 und *225 – hinter Abt Erlolf von Fulda! – erwähnt wird (vgl. Benz, Stellung der Bischöfe 29ff., 39). Bei dem comes Gerhardus dürfte es sich um Gerhard III. von Geldern handeln, obwohl Schiffer, Grafen von Geldern 32 mit Anm. 60 auch den gleichnamigen Grafen von Jülich, einen Verwandten des kaiserlichen B.-Kandidaten Alexander von Lüttich, für möglich hält. Hermannus Piscis hatte Heinrich auf dem 2. Italienzug begleitet und wird gegen dessen Ende in D.215 von 1118 Aug.17 genannt, war aber vorher schon in D.Ma.2 von 1117 (H. Pisis) in der Umgebung der Königin Mathilde anzutreffen, begegnet dann später noch einmal in D.260 von 1123. Mit dem ebendort und zuvor schon in D. † 29 sowie hernach in DD.261, 279 u. † 281 genannten Stephan von Oizy ist vielleicht der Schlußzeuge Stephanus zu identifizieren.

In nomine sancte et individue trinitatis. Henricus dei gratia quartus Romanorum imperator augustus. Dum utilitatibus sancte dei ecclesie pio favore consulimus, antecessorum nostrorum statuta non solum confirmamus, verum etiam augmentare curamus, idque ad profectum totius imperii a deo nobis collati congruere haudquaquam diffidimus. Dignum est etiam, ut celsitudo regalis principum peticionibus eo libentius faveat, quo promptius eos in sua perseverare perspicit fidelitate. Omnibus igitur tam presentibus quam futuris notum esse volumus nos consilio et petitione fidelis nostri Godefridi videlicet ducis et marchionis concessisse ecclesie sancti Michaelis archangeli, que est sita in burgo, qui dicitur Anduerp, omnem decimam, que continetur a terminis Zantfliten usque Olmeremuthen, ita ut quartam eiusdem decime partem ecclesie prepositus sibi retineat et reliquas in usus fratrum conferat. Huius autem nostre traditionis testes idoneos subscripsimus, quorum nomina hec sunt: Cunradus Osnaburgensis episcopus, Burchardus Cameracensis episcopus, Gerardus Mersemburgensis episcopus; alii quoque principes: Arnolfus comes de Los, Teodericus comes, Gerardus comes, Paganus comes, Otto de Mares, Wilhelmus comes, Hermannus Piscis, Stephanus. Hoc etiam Mathildis Romanorum regina sua corroboravit presentia. Huius autem karte traditio facta est presente eiusdem ecclesie preposito Hildewino et obnixe petente. Et ut hoc nostre auctoritatis preceptum per futura tempora firmum et inviolabilem obtineat vigorem, manu nostra subter firmavimus et sigilli nostri impressione iussimus insigniri.

Signum domni Henrici quarti Romanorum imperatoris invictissimi.

Bruno cancellarius recognovit.

Data XI. kl. decembris, anno dominice incarnationis millesimo centesimo XVIIII, indictione XII, regnante Henrico quinto rege Romanorum, imperatore quarto; actum est apud Traiectum; in Christo feliciter amen.