Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<*220.>>

Heinrich schreibt an Papst Gregor VIII. mit der Ankündigung von Gesandten von einem für den 19. Oktober vorgesehenen Hoftag und dem Versprechen, Markgrafen mit Hilfstruppen zu entsenden.

(1119 wohl vor Anfang Oktober).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Stumpf Reg. –.

Ein undatierter Brief G(regors VIII.) an H(einrich) (JL 7180 zu 1120; Dr.: Odebrecht in AfU 14,256 no 30), in dem er seine desperate Lage darstellt und über mangelnde Unterstützung klagt, beginnt folgendermaßen: G. [M: A.] episcopus, servus servorum dei, dilectissimo filio H. [M: F.] Romanorum imperatori semper augusto salutem et apostolicam benedictionem. Postreme littere, quas per nostrum peditem vestri magnificentia transmisit imperii, plurimum, serenissime fili, dulcedinis habuere, sed inter duas clausulas [Pb: duobus clasii vel; Giesebr.: intus duabus clausulis] utilitatis omnino nichil, honuste quidem floribus spem maximam promittentes [spem … fehlt M, so Scheffer--B., nach Odebr. ab honuste], sed pro [fehlt MPb u. Giesebr.] maiori fructu diuturnam [Giesebr.: maiorem fructu diuturno] desperationem [M: diuturna diffidentie; Pb: divina desperatione] prebentes: Una enim nuncios afferebant [fehlt M; als Pb-Lesung gibt Scheffer--B., der im Text afferebat liest, afferebatur an; Odebr. wählt, wie Giesebr., die Lesung afferebant wegen des späteren Plurals pollicebantur] transmittendos [Pb: -do] a curia, que XIIII. [M: a. IIII.X.] k. novembris celebrari debuit, altera marchiones omnes [Pb: altera que marchionibus ohne omnes; Scheffer-B. ersetzt im Text das marchionibus durch maiores] multis cum minoribus [statt cum … liest Pb: comminationibus = Giesebr.] invitatos ad auxilium nostrum pollicebantur [MPb; Scheffer-B. im Text: pollicebatur] venturos.

Der zuletzt von Odebrecht a.a.O. 238ff. untersuchte Brief ist, in äußerst verderbter Gestalt, in drei Handschriften des zur “Aurea Gemma” des Paveser Lehrers Henricus Francigena gehörigen Briefstellers (s.a. D.*322) überliefert; vgl. Hss.-Verzeichnis bei Odebrecht a.a.O. 233f. (wir haben ober für Varianten-Zitate seine Siglen beibehalten): Vollständig nur in der Handschrift mit der zwischen 1178 und 1186 entstandenen (s. Plechl in Lex. d. MA 8,524) sog. Tegernseer Briefsammlung, clm 19411 f. 67r–v (p. 135–136) der Bayer. Staatsbibliothek zu München (M); ohne den Schluss in Abschrift des 12. Jh. in Ms. lat. 8625 f. 94r–v der Nationalbibliothek zu Paris (Pb); ohne den oben mitgeteilten Anfang in Abschrift des 19. Jh. in nouv. acq. lat. 1266 p. 179 ebenda (R; nach einer Odebrecht nicht zugänglichen Handschrift des 14. Jh., vgl. a.a.O. 234). – Unser Auszug folgt Odebrechts Druck, berücksichtigt aber für die Varianten, die er nicht vollständig verzeichnete, zusätzlich die Angaben des älteren Druckes (nach M [bei ihm T] und Pb [bei ihm B]) durch Scheffer-Boichorst in MIÖG 8,414ff. (mit einigen Nachbesserungen wiederholt bei Giesebrecht, Gesch. d. dt. Kaiserzeit 53,1270 no 15, der sich in den früheren Auflagen auf Baluze gestützt hatte).

In M sind, in Anpasung an die Entstehungszeit der Handschrift, die von Pb gebotenen Siglen für Aussteller und Empfänger durch andere ersetzt, wodurch aus dem Text ein Brief P. Alexanders III. an Friedrich I. wurde (so der älteste Druck aus M bei Pez, Thesaurus 6.1,386 no 144.I); der aus Pb geschöpfte Druck bei Baluze, Misc. 3 (ed. Mansi), 12 nennt Gregor VIII. als Aussteller.

In der gesamten älteren Literatur ist der Brief in das Jahr 1120 datiert (so auch, mit ausführlicher Inhaltsangabe, bei Meyer von Knonau, Jahrb. 7,163ff.; noch Schreiner in Festschr. Schmale 160 Anm. 13 scheint wegen seiner Berufung auf Meyer von Knonau von diesem Zeitansatz für die “flehentlichen Hilferufe” des Papstes auszugehen). – Die Datierung auf 1120 suchte Scheffer-Boichorst in seiner eingehenden Behandlung des Briefes (a.a.O. 412ff.) damit zu stützen (a.a.O. 417), dass zeitlich ungefähr zu der nach Aussage des Briefes für den 19. Oktober (S. 412 spricht er versehentlich vom 19. November) vorgesehenen curia eine nur in den Paderborner Annalen enthaltene Nachricht über einen Reichstag an Allerheiligen 1120 passe (vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 155 mit Anm. 16 und Stüllein, Itinerar 85 Anm. 8; die Ann. Patherbrunn. 138 sprechen allerdings nur von einem Fürstentag: Principes circa festum omnium sanctorum conveniunt, omnesque in concordiam cum imperatore redeunt; vgl. auch die im Cron. s. Petri Erfordens. enthaltene Nachricht über einen auf Heinrichs Wunsch von Fulda nach Worms verlegten Fürstentag, Meyer von Knonau a.a.O. 148 Anm. 4 und Stüllein a.a.O. 86 Anm. 9).

Nachdem Erdmann in einer neuen Untersuchung des Papstbriefes in QFiAB 19,258ff. Zweifel dagegen angemeldet hatte, dass Heinrich, der schon im Sommer 1119 P. Calixt II. de facto anerkannt hatte, im Jahre 1120 noch mit Gregor VIII. “wiederholt in Korrespondenz gestanden” hätte (a.a.O. 248 u. 261), schlägt Odebrecht a.a.O. 241 für die Datierung des Papstbriefes das Jahr 1119 vor, mit dem überzeugenden Hinweis darauf, dass das für die curia vorgesehene Datum des 19. Oktober fast identisch ist mit dem 18. Oktober, zu dem im Jahre 1119 P. Calixt II. zum Konzil nach Reims geladen hatte, und hält sogar für möglich, dass Heinrich in Täuschungsabsicht “das bevorstehende Konzil [auf dessen Schluss-Sitzung übrigens Gregor VIII. exkommuniziert wurde] als einen Hoftag ausgab”; dieser Verdacht gewinnt an Wahrscheinlichkeit angesichts der Tatsache, dass P. Calixt II. den 18. Oktober schon im Mai des Jahres 1119 genau terminiert hatte (vgl. Vorbemerkung zu D.222)!

Während in der früheren Literatur (s. Odebrecht a.a.O. 232 mit Anm. 1–3), die wegen der zutreffenden tatsächlichen Angaben kaum inhaltliche Einwände vorbrachte (vgl. z.B. Giesebrecht a.a.O. 1253), die Frage nach der Echtheit des Papstbriefes unentschieden geblieben war – lediglich Erdmann a.a.O. 261 hatte den Brief als “blosses Dictamen fictum” sehen und ihm unmittelbaren Quellenwert absprechen wollen – konnte Odebrecht zeigen, dass Verdächtigungen wegen seiner Überlieferung in einem Briefsteller nicht stichhaltig sind, weil er überhaupt keinen ursprünglichen Bestandteil der Francigena-Sammlung von meist fingierten Musterbriefen darstellte (a.a.O. 238ff.; aufgrund derselben Beobachtung hatte Erdmann, Ausgew. Briefe aus der Salierzeit 9 no 18 sein früheres Verdikt zurückgenommen und eine neue Untersuchung der Echtheitsfrage für nötig erklärt), und durch Diktat- und Stilvergleich ausschließen (z.B. a.a.O. 240 wegen der Verwendung des in Francigenas Elaboraten fehlenden Cursus, der für Erdmann in QFiAB 19,261 ein Argument gegen die Echtheit dargestellt hatte), dass er zur Gänze von Francigena verfasst sein könnte (a.a.O. 239f.).

Wie der (echte) Brief in Francigenas Hand gelangte, bleibt unbekannt; eine ansprechende Vermutung äußert Scheffer-Boichorst a.a.O. 416 Anm. 1, indem er, mit Hinweis auf evtl. gespannte Beziehungen Heinrichs V. zu Pavia, für möglich hält, “daß Pavia einen an Heinrich gerichteten Boten aufgegriffen hätte”.

Zu den vom Papst erwähnten zwei Briefen Heinrichs an ihn, von denen vermutlich der zweite die Zusage der Hilfe seitens der Markgrafen enthielt, müssen wohl auch noch Mandate an die Markgrafen selbst (Werner von Ancona, Konrad von Tuscien und dessen Neffen Friedrich) hinzugezählt werden, die auch – wenngleich zur Unzufriedenheit Gregors – befolgt worden sein müssen.

Wenn Odebrecht a.a.O. 241 meint, Heinrichs Brief(e) müsste(n) “zwischen Juli und Anfang Oktober 1119” geschrieben sein (für den frühesten Termin gibt es keine Anhaltspunkte), und daraus folgert, der Papstbrief müsse “entsprechend später” geschrieben sein, muss man dem entgegenhalten, dass letzterer in dieser Form überhaupt nicht mehr denkbar war, nachdem Gregor VIII. vom Ergebnis des Reimser Konzils Kunde erhalten hatte, und demzufolge spätestens vor die Oktobermitte gehört, womit auch Heinrichs Briefe kaum nach Ende des Monats September, im Hinblick auf die genaue Terminangabe für die vorgesehene curia jedoch auch sicher nicht vor der Septembermitte geschrieben sein können.