Handschriftliche Überlieferung ist verloren.
Drucke: Schoepflin, Alsatia dipl. 1,193 no
245 “Ex chartulario membran. civit. Argent. num. 73” (s). – Würdtwein, Nova subsidia 7,30 no
14 “Ex libro salico summi capituli Argentinensis fol. 12 et ex
Chartulario membranaceo civitatis Argentinensis num. 73” (w) = Grandidier, Hist. eccl. d’Alsace 2,234 no
582 mit gleicher Quellenangabe wie w zu “mense septembri” (g). – Strobel, Vaterländ. Gesch. d. Els. 1,347 Anm. 3 aus w (ohne Zeugenliste und
Eschatokoll), mit dt. Überss. (mit Zeugenliste). – Wiegand, UB d. Stadt Strassburg 1,59 no
74 aus gw = Keutgen, Urk. zur städt. Verf.-Gesch. (ed. I.II) 13 no
19. Reg.: Trouillat, Mon. de Bâle 1,230. – Rochholz
in Argovia 16, 12 no
18. – Wentzcke, Straßburger Reg. 1,305 no
404 (zu Sept./Okt.) – Heidingsfelder, Eichstätter Reg. 160 no
305 (zu Sept./Okt.) – Kocher, Solothurner UB 1,31 no
31 (zu Sept./Okt.) – Böhmer
Reg. 2066. – Stumpf
Reg. 3159.
Die beiden den Drucken zugrundeliegenden, von Grandidier
in Hist. de l’église de Strasbourg 1,83 und 2,39 beschriebenen
Handschriften – das im Jahre 1347 im Auftrag des Domdekans angelegte
Chartular des Domkapitels (oben als “liber salicus” bezeichnet) und
das 1357 auf Befehl des damaligen Bischofs angelegte “chartularium
membranaceum civitatis Argentinensis” – waren nach Wiegand
a.a.O., Einl. XIV schon damals (1879) im Straßburger Stadt- bzw.
Départementalarchiv nicht mehr aufzufinden. Das Archivinventar des
Straßburger Domkapitels von 1787 (Ms. lat. 10.934 der Pariser
Nationalbibliothek) zitiert p. 13 die Abschrift im verlorenen
Chartular von 1347 mit der mit Würdtweins und Grandidiers Angabe übereinstimmenden fol.-Zahl
XIIb, der am Rande stehenden Jahreszahl
1108 (s. Anm. u’) und der, womöglich auf den ursprünglichen Rückvermerk des
Originals zurückgehenden Inhaltsangabe:
Decretum Heinrici IV. imp. super vino bannali (episcopi), a quo
absolvitur civitas Argent.; in fine: “Hoc ego primo[!] cancellarius recognovi vice archicanc. Adelberti Mogunt.”
Nach Hausmann, Reichskanzlei 73 no
1 stammt das Diktat, auf der Grundlage eines Empfängerkonzepts, von
dem nach Heinrichs V. Rückkehr aus Italien als einzige Kanzleikraft
beschäftigten neuen Notar Heinrich, für dessen Tätigkeit damit D.219
den frühesten Nachweis liefern würde. Auf diesen, der in unserem D.
noch jede Beherrschung der kanzleigemäßen Formen vermissen ließe, geht
aber innerhalb der formelhaften Partien neben dem Protokoll, wo das
Fehlen einer Devotionsformel in der Intitulatio auffällt, und der
eventuell von ihm verfassten Arenga allenfalls – mit Vorbehalt – die
Rekognitionszeile zurück, in der übrigens der Kanzler Bruno nach
Heinrichs Rückkehr vom Italienzug erstmals wieder am Hofe genannt wird
(s. Hausmann
a.a.O. 47):
Stärkstes Indiz für Diktat des Notars ist die subjektive Formulierung
recognovi, wobei es sich offenbar um eine von ihm eingeführte und in der Folge
konsequent (mit Ausnahme von D.223) beibehaltene Neuerung handelt,
nachdem sein Vorgänger Adalbert A bis zum Schluss seiner Tätigkeit
(D.202; s. auch D.212) ebenso regelmäßig die objektive Form
recognovit verwendet hatte; der Wechsel zur subjektiven Formulierung war
vielleicht auch die Ursache für die einmalige, ab D.223 aufgegebene
pronominale Eröffnung mit
Hoc ego; auch die Stellung des
archicancellarii vor dem Namen des Erzkanzlers, die vereinzelt auch noch später
begegnet (vgl. DD.229 u. 246), braucht angesichts der bei diesem Notar
wenig standardisierten Formulierung der Rekognitionszeile, in der auch
das Verb, das bevorzugt – wie hier – vor dem
vice steht, ans Ende der Zeile wechseln kann (z.B. DD.223, 232, 236), nicht
zu verwundern. – Erstaunlich ist allerdings die namentliche Nennung
des am Hofe geächteten Erzkanzlers Adalbert, auf welche die Kanzlei
(wie vorher schon) seit dem D.153 von 1116 Febr. 14 konsequent
verzichtet hatte, woran sich Notar Heinrich dann auch in den von ihm
verfassten (und geschriebenen) DD.223–225 orientierte (vgl. dazu
Vorbemerkung zu D.147).
Die mangelnde Erfahrung des Notars – wenn er denn am Diktat beteiligt
war (s. noch weiter unten) – verriete sich vor allem darin, dass er
ursprünglich die Unterfertigungszeilen an dem ihnen gebührenden Platz
zwischen Kontext und Datierung vergessen hatte; dass er sich dann am
Schluss der Urkunde mit der zweifellos nachgetragenen, in gewisser Weise schon durch die Nennung
des Kanzlers in der Zeugenliste antizipierten Rekognitionszeile
begnügte, mag aus seiner Scheu herrühren, die gleichfalls fehlende
Signumzeile an ganz unpassender Stelle erst hier zu plazieren, ihr
Fehlen ist wohl kaum den Kopisten anzulasten. – Der von Empfängerseite
gelieferte Kontext scheint seitens des Notars nur eine geringfügige
Überarbeitung erfahren zu haben; als seinen Beitrag wird man die
Einfügung des
communi principum consilio ansehen dürfen, ebenso die Pönformel, vor allem aber die
Zeugeneinleitungsformel mit dem für den Notar charakteristischen
Begriff der
testes idonei.
Der Empfängerdiktator hat höchstwahrscheinlich dem Straßburger
Domkapitel angehört, da in einer Reihe von diesem bzw. einem seiner
Mitglieder oder zu seinen Gunsten ausgestellter Urkunden seit Beginn
des 12. Jh. wiederholt die hiesige Korroboratio sowie Einzelformeln
innerhalb und am Schluss der Zeugenliste begegnen, was wir durch
Petitsatz der Übereinstimmungen kennzeichnen, wobei zur Vermeidung der
üblichen Siglen für die Begriffe Vorurkunde (VU.) bzw. Vorlage (VL.)
die Sigle E(mpfänger) verwendet wird: Urkunde des Straßburger
Kanonikers Burchard zugunsten des Domstifts von 1100 Dezember 29 (Wiegand
no
63 = E.I), Urkunde B. Kunos für das Domstift von 1105 (Wiegand
no
65; Wentzcke
Reg. 376 = E.II), Urkunde des Laien Otto von Bruchkirchen für das
Domstift von 1116 (Wiegand
no
69; Wentzcke
Reg. 399 = E.III), Urkunde B. Kunos für das Domstift von 1119 (Wiegand
no
73; Wentzcke
Reg. 403 = E.IV).
Rösch
kommt in seiner Untersuchung der bischöflichen Kanzlei 1082/84 – 1162
in MIÖG 85,285ff., da er (a.a.O. 290ff.) nur die insgesamt acht
Urkunden B. Kunos (davon sämtliche erhaltenen fünf Originale der Jahre
1105 und 1116–1119 für das Domkapitel!) untersucht und die
nichtbischöflichen E.I und E.III nicht zur Kenntnis nimmt, zum
gegenteiligen Urteil, es handle sich um ein, womöglich auf einem
“Formular(behelf) zur Herstellung bischöflicher Schriftstücke”
beruhendes Diktat der Kanzlei Bischof Kunos, das man (angeblich) “nur
in Bischofsurkunden” finde; das in einem Anhang (a.a.O. 315) von ihm
aus Wentzcke
Reg. 376 (= E.II) und Reg. 403 (= E.IV) gewonnene “Formular I” krankt
übrigens an der Auslassung zweier, in beiden Vorlagen enthaltener
Stellen (s. Anm. t und r’).
Für das Domkapitel als Heimat des Diktators spricht schließlich auch Röschs eigene Vermutung (a.a.O. 293), dass alle fünf Originale “wohl von
Mitgliedern des Domkapitels” geschrieben wurden. Ein weiteres Indiz
ist innerhalb des sonst diktatmäßig nicht kontrollierbaren Kontextes
ein rhetorisches Element, das auch in dem auf Empfängerdiktat
beruhenden D.239 für das Domkapitel wiederkehrt, nämlich die
steigernde Variatio, die durch das Wiederaufgreifen des vorangehenden
finiten Verbs durch dessen abl. gerundii im folgenden Satzglied
erzielt wird: hier
… absolvimus, absolvendo condonavimus, condonando firmavimus, in D.239
… condolentes statuimus, statuendo precepimus, precipiendo
firmavimus. Auf den Empfänger geht schließlich auch die dreiteilige, aber – sieht
man von der zusammenfassenden Klausel von Anm. l’ ab – ungegliederte
Zeugenliste zurück; diese ist in ihrem größeren zweiten und dritten
Teil ein exaktes Spiegelbild der Zeugenlisten der gleichzeitigen
domkapitelschen (und bischöflichen) Privaturkunden, was –
ausnahmsweise – durch Petitsatz-Kennzeichnung der Übereinstimmungen
mit E.III von 1116, die gegenüber E.IV von 1119 einige Namen mehr
bietet (s. Anm. 3, 4, 9), verdeutlicht werden soll; bei der durch den
Burggrafen Siegfried (s. Anm. 6) eröffneten Schlussgruppe der
Laienzeugen handelt es sich wohl durchwegs um die städtische
Oberschicht bildende bischöfliche Ministerialen, vgl. dazu Klewitz, Gesch. d. Ministerialität im Elsaß 32ff. mit Auflistung 71ff.
Die eröffnende, bis zum Straßburger Vogt Heinrich reichende Gruppe ist
gegenüber den lokalen Zeugen eine spezielle Erweiterung des Diploms,
welche die im Kontext angesprochenen
principes wohl in ihrer Funktion als Intervenienten (consilio), nicht eigentlich als Zeugen, festhalten soll. – Die Anwesenheit
dieser Fürsten erklärt sich zweifellos aus ihrer Teilnahme an den in
Straßburg mit päpstlichen Unterhändlern geführten vorbereitenden
Verhandlungen für das Reimser Konzil; unter den an dessen Schlusstag
am 30. Oktober von P. Calixt II. zusammen mit Heinrich V.
exkommunizierten Leuten, darunter auch der unten erwähnte
Irnerius/Wernerus von Bologna (vgl. Liste bei Holtzmann
in NA 50,318f.; Nachdr.: Ders., Beitr. z. Reichs- u. Papstgesch. des hohen MA 137), befanden sich
denn auch vier von ihnen (die Bischöfe von Straßburg u. Eichstätt, Hz.
Friedrich von Schwaben und der lothr. Pfalzgraf Gottfried).
Stüllein, Itinerar 79f. mit Anm. 3 u. 4, der die Straßburger Verhandlungen auf
ca. Sept. 25 datiert, nimmt wohl zu Recht an, dass Heinrich danach
noch einige Zeit (unsicher, ob wirklich “das erste Oktoberdrittel”) in
Straßburg verbrachte, ehe er sich auf den Weg nach Reims machte, auf
dem es in der Oktobermitte zwischen Metz und Verdun nochmals zu einem
Zusammentreffen mit päpstlichen Unterhändern kam (s. Vorbem. zu
D.222), und reiht deshalb D.219 zu Anfang Okt. ein, also nach den
erwähnten Straßburger Verhandlungen; da jedoch das Itinerar der Monate
Juli-September und somit der Zeitpunkt von Heinrichs Ankunft in
Straßburg nicht bekannt ist, kann D.219 auch in den Tagen vorher entstanden sein.
Während schon von Grandidier
und dann seit Wentzcke
das D.219 diesem Straßburger Herbstaufenthalt zugeordnet wurde,
datierte Meyer von Knonau, Jahrb. 7,97f. es ohne Begründung auf das Frühjahr 1119 und vermutete
mithin einen zweimaligen Aufenthalt Heinrichs in Straßburg in diesem
Jahr. Dies wird von Scherer, Straßb. Bischöfe 166 mit Anm. 161 mit dem Hinweis aufgegriffen, dass
im Herbst aufgrund des scheinbar bevorstehenden Friedensschlusses mit
dem Papst für den Kaiser keine Veranlassung mehr bestanden hätte, die
Bürger der Stadt zu Lasten des seiner Ansicht nach auf päpstlicher
Seite stehenden Bischofs zu privilegieren. Scherers Einschätzung der Haltung B. Kunos und die daraus gefolgerte
Datierung ist von Holtzmann
a.a.O. 303 mit Anm. 2 (Nachdr. S. 124f. mit Anm. 9) berichtigt
worden. Ein Straßburger Aufenthalt im Frühjahr 1119 ist für Heinrich,
der Ende April in Aachen weilte (vgl. D.217), jedenfalls nicht
nachweisbar.
Zum
bannus de vino vgl. den entsprechenden Artikel (Wiegand
a.a.O. 470 no
616 art. 55) in dem um 1131 entstandenen (s. Klewitz
a.a.O. 36) ersten Straßburger Stadtrecht. Die Beschränkung der
Erhebungsfrist auf 6 Wochen hatte Bestand, die Höhe der Abgabe war
sogar von zwei auf einen Eimer reduziert worden, wie aus einer Urkunde
B. Heinrichs vom Februar 1252 hervorgeht (Wiegand
a.a.O. 273 no
359):
in civitate nostra Argentinensi de vino bannus dabatur, videlicet
omni anno a vesperis pasche usque ad sex ebdomadas de qualibet carrata
vini una ama, que a cauponibus ibidem medio tempore vendebatur; vgl. noch a.a.O. no
360 und 361, ferner no
471 von 1261 (ungelt von deme wine).
D.219 diente für das Eschatokoll des oben erwähnten, von
Empfängerseite verfassten D.239 als teilweise Vorlage (vgl. dortige
Vorbemerkung). – Außerdem aber hatte der Notar Heinrich, was denn doch
den sichersten Beweis für seine Beteiligung darstellt, das D.219 dem
für seine eigene Arbeit angelegten und von Beginn seiner Tätigkeit an
benützten (s. D.223) Formularbehelf einverleibt, dem er dann die
Arenga (s. Hausmann
in MIÖG 58,78 Formel 20) für das durch das DKo.III.55 von 1140 (=
NU.) bekannte Deperditum D.*256 von 1123 entnahm; vgl. dortige
Vorbemerkung sowie DKo.III.55. – Alle Beobachtungen zusammengenommen,
wird man übrigens feststellen müssen, dass die von Wiegand
konstatierten “ungewöhnlichen Formen” des Erstlingswerkes des Notars
Heinrich keine Grundlage für sein Urteil liefern, dass die
“Authentizität … beanstandet werden … müss (e)”.
Für das hiesige Vorkommen des – im Empfängertext (!) und in negativer
Bedeutung (dampnum vero et ius consuetudinarium, non autem legitimum, et iugum …
inique … impositum) verwendeten – Ausdruckes
ius consuetudinarium, nach ihm “geradezu eine Wortprägung der Bologneser Juristen”, möchte Fried
in Viator 21,136ff. mit Anm. 189 und 193f. evtl. den Bologneser
Juristen Irnerius/Wernerius (zu ihm vgl. D.162), einen engen
Vertrauten Heinrichs V., den im Jahre 1119 gleichfalls die
Exkommunikation durch P. Calixt II. getroffen hatte (s. oben) und der
womöglich mit Heinrich aus Italien nach Deutschland gekommen sei,
verantwortlich machen. Zur Stützung dieser gewagten Annahme verweist
er vornehmlich auf einen angeblichen nochmaligen “Beleg … aus einer
Urkunde Heinrichs V.” in D.252 (St. 3189) von 1123 März 5 für Kl.
Wigoldesberg; diesen Hinweis nimmt er jedoch neuerdings in Festschr. Goez
(2001) 187 Anm. 76 ohne weitere Erklärung (“ist … zu streichen”),
aber völlig zu Recht zurück, da das nur ähnlich klingende, in der
Vogteibestimmung enthaltene dortige
… consuetudinariam iusticiam et legem … (ebenso in anderen, von Fried
nicht erwähnten Diplomen, nämlich schon in D.54 für Kl. Gottesaue von
1110, ferner noch in D.264 für Kl. Scheyern und in D. † 270 für Kl.
Engelberg, beide von 1124 [letzteres ohne
et legem]) als wörtliche Übernahme auf die Vorurkunde, das DH.IV.280 von 1075
Oktober 9 (S. 360 Z. 41) für Kl. Hirsau, zurückgeht (von dort auch in
DH.IV.†393 für Kl. Reinhardsbrunn S. 520 Z. 20, ohne
et legem)! – Für die in D.219 (vom Empfängerdiktator!) gewählte Formulierung
des “Gewohnheitsrechtes” bedurfte es jedenfalls, wenn überhaupt,
keines Bologneser Vorbildes.