Heinricus dei gratia Romanorum rex O. Babenbergensi episcopo, suo fideli karissimo, gratiam et omne bonum. Cum dei providentia et magnę pietatis eius consilio de nostro regno ubique pacificato gauderemus, advenerunt nobis nuntii ex parte G. ducis et B. comitis aliorumque fidelium nostrorum marchię Flandrensis intimantes eos diutius non posse sustinere molestias R. comitis, qui regnum nostrum invasit et ad ignominiam omnium, qui in eo sunt, sibi nostrum Cameracensem episcopatum usurpavit. Unde, quemadmodum res hortabatur, nostros principes convocatos consuluimus et ab eis sapienter re notata constituimus eorum consilio nos facturos expeditionem in Flandriam supra tam presumptuosum hostem, qui noster miles debet esse, ne diutius de inminutione et dedecore regni nostri impune superbiat. Hoc siquidem tam manifestum et tam commune regni nostri dedecus tibi fieri, si tuum honorem diligis, pensare debes cordetenus. Ut igitur fideliter hoc facias et prudenter, rogamus te sub spe remunerationis tibi gratissimę et per fidelitatem, quam nobis et regno debes, monemus, ut omni occasione destructa, sicut honor est regni atque tuus, ad expeditionem venias sciens, quod in proximo festo sanctorum omnium Tungris iuxta Leodium conveniemus parati super Flandriam equitare. Nec mireris mutatum esse adventum nostrum Radisponam, sicut intellexeras, quando nobiscum eras, quia huius rei necessitas intervenit et utiliter ad decus regni firmiter est laudata ab omnibus nostris expeditio nostra super hostes in Flandriam.
Heinrich lädt Bischof Otto von Bamberg für den auf einer Reichsversammlung beschlossenen Feldzug gegen den Grafen R(obert II.) von Flandern auf das bevorstehende Allerheiligenfest (1. November) zur Gestellung am Sammelort Tongern und begründet die Verschiebung einer in Regensburg vorgesehenen Versammlung.
(1107 Oktober).
Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010
Abschriften des 12. Jh. in den Handschriften des Codex Udalrici: Cod. 398 f. 108vb–109ra der Österreichischen Nationalbibliothek zu Wien (V1). – Cod. 611 f. 43v ebenda (V2). – Hs. 283 p. 235–236 der Stiftsbibliothek zu Zwettl (Z). – clm 4594 f. 35r no 254 der Bayerischen Staatsbibliothek zu München (M). – Unabhängig (s. unten): Cod. 1126 f. 56v–57r no 35 der Herzog-August-Bibliothek zu Wolfenbüttel (G).
Drucke: Goldast, Collectio const. imp. 31,234 zu 1102. – Gretser in Ludewig, SS rer. Bamberg. 815 no 4. – Aus V1: Eccard, Corp. hist. 2,265 no 254 = Recueil des historiens des Gaules 215,25 no 23 zu 1102 = MGH LL 2.1,64 zu 1107 Oct. Ratisbonae. – Aus V1.2ZMG: Jaffé, Mon. Bamberg. 257 no 140 zu 1107 ante Nov. = MGH Const. 1,133 no 81 = Altmann-Bernheim, Ausgew. Urk. (2. Aufl.) 170 no 83 zu 1107 vor Nov. = Bulst-Ernst, Texte 2,93 no 3 zu Herbst 1107 = Weinrich, Quellen 170 no 46 (mit deutscher Übersetzung) zu 1107 vor Nov.
Reg.: Wauters, Table chronol. 2,4 zu 1101 Oktober. – Stumpf Reg. 3019 und Zusätze S. 538 zu 1107 (vor Nov.).
Verfasst von Kanzler Adalbert, vgl. Pivec in MÖIG 46,258f. und Hausmann, Reichskanzlei 14, 15 no 1, 311; vgl. ferner D.*51. – Zur Briefsammlung der aus Erfurt stammenden Wolfenbüttler Handschrift (G), die von den uns interessierenden Texten nur noch Heinrichs Manifest gegen Adalbert (D.196) überliefert, vgl. Erdmann in ZBLG 9,17ff.; nach Erdmanns Feststellungen (a.a.O. 21f.) sind G und der Codex Udalrici (CU) voneinander unabhängig und gehen, direkt oder indirekt, auf eine verlorene ältere “Sammlung g” als gemeinsame Vorlage zurück, die in den CU vollständig, in G nur in einer Auswahl Eingang gefunden hat.
Die an sich fehlerhafte Abschrift G bietet die zweifellos richtige Lesung rex in der Intitulatio (s. Anm. c); die Ersetzung durch den imperator-Titel in den Handschriften des Cod. Udalrici, die vereinzelt Anlass dazu gab, den Brief Heinrich IV. zuzuweisen, (s. oben; Ussermann, Germ. sacra 3,57, der den Brief auf ca. Oktober 1107 datiert, sieht in dem imperator ein bloßes Versehen), ist demgegenüber offenbar eine schematische Veränderung des Cod. Udalrici, wo auch die übrigen zeitlich vor die Kaiserkrönung fallenden Heinrich-Stücke, bemerkenswerterweise mit Ausnahme des an die Römer adressierten D.64, diese imperator-Intitulatio aufweisen, vgl. noch DD.42, und 53; zu D.53 vgl. schon entsprechende Bemerkung bei Giesebrecht, Gesch. d. dt. Kaiserzeit 53,1208 Anm. 1.
Der Beschluss zum Feldzug nach Flandern durch die principes convocati erfolgte wohl auf dem vom Annalista Saxo erwähnten Goslarer Reichstag, vgl. Stüllein, Itinerar 34. Den Beginn des von Juli bis September währenden Goslarer Aufenthaltes des Hofes hatte Otto nach Ausweis seiner Intervention in dem dort ausgestellten D.20 vom 26. Juli noch erlebt, muss aufgrund von D.22 aber noch vor dem Reichstag abgereist sein, weshalb er auch unter den Intervenienten des in Corvey ausgestellten D.21 vom 30. September fehlt, nachdem er zuvor seit Anfang Mai regelmäßig genannt worden war (s. DD.17–19).- Ob der Brief unmittelbar nach dem Reichstag, also noch im September und in Goslar geschrieben wurde (so Stüllein a.a.O. 34f.; s. auch Juritsch, B. Otto I. 96: “wahrscheinlich noch im September”), oder erst später, als man sich bereits auf dem Zug nach Flandern befand (Stüllein a.a.O. 35 wertet Corvey als Etappenort), wie es auch Stumpfs Einreihung nach Reg. 3018 (= D.21) zum Ausdruck bringen soll (Wendehorst in Die Salier u. das Reich 2,245 bietet als Datierung “Corvey, September/Oktober 1107”), bleibt letztlich unentschieden; vor allem die exakte Angabe des Sammelortes für das Aufgebot spricht jedoch für einen relativ späten Termin.
In dem gut 15 km nw. Lüttich gelegenen Tongern war übrigens der Hof zum avisierten Zeitpunkt, der aber wohl keine exakte Tagesangabe sein wollte, noch nicht eingetroffen, da Heinrich noch am 2. November mit D.24 in dem ca. 100 km entfernten Köln urkundete; vgl. dazu sowie zu Hintergründen und Verlauf des Feldzuges u.a. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,66ff., Stüllein a.a.O. 35f. und Berg, England u. der Kontinent 235f. mit Anm. 139. Wenn Otto in D.24 nicht genannt wird, könnte dies seinen Grund darin haben, dass ihn sein Weg direkt nach Tongern geführt haben wird; mit v. Guttenberg, Bistum Bamberg 1,121 seine Teilnahme am Feldzug in Frage zu stellen, besteht wohl kein Grund.
Die im Brief angekündigte remuneratio sehen Juritsch a.a.O. 98 Anm. 93, Meyer von Knonau a.a.O. 253 mit Anm. 61, v. Guttenberg a.a.O. und Stüllein a.a.O. 6, sicher zu Recht, in der im Jahre 1107 erfolgten (s. D.*14), aber erst 1112 mit D.102 beurkundeten Schenkung der Burg Albewinistein. – Nach der irrigen Angabe der Anonymen Kaiserchronik (lib. III, ed. Schmale-Ott 250 Z. 11ff.; ebenso Ekkehard rec. III, ebenda 296 Z. 16ff.) hätte der abgesagte Regensburger Termin stattgefunden und wäre dort der Beschluss zum Zug gegen Flandern gefasst worden (Rex vero orientalibus redditus colloquium Ratisponę cum Baioariis habuit, in quo expeditionem versus Flandriam contra Ruotpertum instituit), s. Meyer von Knonau a.a.O. 66 Anm. 49. – Zur Arenga vgl Koch, Sacrum imperium 59 mit Anm. 230.