Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
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Heinrich stellt aufgrund eines von Standesgenossen des Beklagten gefällten Urteils dem Konvent von Corvey ein von Escelin unter Überforderung der annona der Brüder als erbliches Lehen beanspruchtes officium zurück und bestätigt dem Propst das Recht, auf Weisung des Abtes einen Verwalter für die annona einzusetzen.

Corvey, 1107 September 30.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Abschrift aus der Mitte des 15. Jh. im Kopialbuch des Klosters Corvey im Staatsarchiv zu Münster, Fürstabtei Corvey Nr. 1439 p. 157–158 (B). – Abschriften in den Kopialbüchern des 17. Jh., ebenda Ms. I no 147 p. 136–138 (alt f. 79r–v) (C) und Ms. I no 245 p. 12–16 (D). – Abschrift des 17. Jh. in den Kollektaneen Adolf Overhams im Staatsarchiv zu Wolfenbüttel, VII B Hs. 100 Bd. 2 f. 172r–v (E). – Abschrift des 18. Jh. in Falkes Urkundensammlung ebenda, IV B Hs. 53 Bd. 1 p. 232 (alt p. 469) (F).

Drucke: Wohl aus C: Schaten, Annal. Paderborn. ed. I.1,667 (s) = Ders., Opera (Annal. Paderborn. ed. II) 1,463. – Aus B: Erhard, CD Westf. 1,138 no 178. – Wilmans-Philippi, Kaiserurk. d. Prov. Westf. 2,279 no 213. – Posse, CD Sax. regiae 1.2,11 no 13 unvollständig.

Reg.: Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,484 no 13. – Erhard, Reg. Westf. 1,218 no 1352. – Dobenecker, Reg. Thur. 1,219 no 1033. – Knipping, Kölner Reg. 2,8 no 48. – Heidingsfelder, Eichstätter Reg. 95 no 285. – Diestelkamp-Rotter, Urk.-Regesten 1,118 no 168. – Böhmer Reg. 1982. – Stumpf Reg. 3018.

Alle jüngeren Abschriften scheinen letztlich auf B zurückzugehen, wogegen auch die starke textliche Abweichung von Anm. u nicht sprechen muss, deren Verlesung durch C dann von DE übernommen wurde. Es kann aber nicht völlig ausgeschlossen werden, dass neben B eine andere, verlorene Überlieferung verfügbar war, weshalb alle Handschriften im Variantenapparat Berücksichtigung finden; namentlich die Abschrift Falkes (F), die sonst die stärksten Gemeinsamkeiten mit B aufweist (vgl. u.a. Anm. b, m, o, r [nicht jedoch Anm. p, wohl selbständige Verbesserung], u, z), lässt an zwei Stellen in der Datierung Zweifel an der unmittelbaren Abhängigkeit von B aufkommen: Das zweimalige II in B scheint schwerlich als ů (Anm. o’) und erst recht nicht als V (Anm. n’, dabei zu beachten der Hinweis auf Schatens andere Lesung) verlesbar. – Die Zufügung eines krakeligen Rekognitionszeichens hinter recognovit zusammen mit dem letztmals in der Kanzlei Ottos I. vorkommenden verbindenden et in E (Anm. m’) scheint hingegen lediglich eine Spielerei Overhams zu sein.

Auffällig ist sodann noch die abweichende Gestaltung des Monogramms in D, mit Q statt q am Kopf der mittleren Vertikalen und insbesondere dem auf der rechten Vertikalen unten aufgelegten O statt X (s. Anm. k’); die dem Ende des 17. Jh. angehörige Abschrift D ist dabei eindeutig abhängig von der Gestalt des Monogramms, wie sie Schaten (†1676) in seinem Druck (ed. I, postum 1693 erschienen; D benutzte wohl Schatens Druck-Manuskript) des D.21 (S. 668) verwendet, aber zweifellos nicht auf handschriftlicher Grundlage: Für den Druck ist, wie die bis in die kleinsten Einzelheiten identische Zeichnung beweist, einfach das für das vorangehende (S. 667) D.20 angefertigte Klischee des M.5. nochmals verwendet worden; ebenso verfuhr Schaten z.B. beim Monogramm Heinrichs III., für das er fünfmal (für DDH.III.2, 5–7 von 1039 sowie für D.155 von 1046) dasselbe Klischee verwendete. – Wahrscheinlich war sodann die Kenntnis der unterschiedlichen Belegung der unteren Hälfte der rechten Vertikalen in den ihm vorliegenden Handschriften (einschließlich des Schaten-Manuskripts, s. oben) der Grund dafür, dass Adolf Overham (†1686; E) bei seiner Zeichnung des Monogramms auf die Wiedergabe eines Buchstabens an dieser Stelle ganz verzichtete (s. Schluss von Anm. k’).

Unter Verwendung eines schlecht formulierten Empfängerkonzepts für die Dispositio verfasst von Notar Adalbert A (vgl. Hausmann, Reichskanzlei 64 no 9), dessen Diktat die Formulierungen von Protokoll, Publikatio (zu causa dei s. D.5), Interventions- und Petitionsformel, Korroboratio und Eschatokoll entsprechen, wobei das nunc et semper in der Publikatio eine einmalige Variation gegenüber dem üblichen tam futuris quam presentibus darstellt. Die Datierung entspricht in Aufbau und Formulierung ebenfalls dem Diktat des Notars, jedoch sind abweichend von dessen seit D.19 gehandhabter falscher Berechnung von Indiktion und Regierungsjahr (s. dortige Vorbemerkung) diese hier richtig angegeben, während umgekehrt das sonst richtig berechnete Ordinationsjahr um eine Einheit zu niedrig ist; es bleibt offen, ob dabei der Notar eine Vorgabe des Empfängerentwurfs übernommen hat, oder ob wir es nicht eher mit einer partiellen Verbesserung durch den Kopisten zu tun haben. – Zur Arenga vgl. die Vorbemerkung zu DH.III.362 (als zusätzlicher Beleg wäre DKo.III.74 zu nennen) sowie Weinfurter in Qu. u. Abh. 68,31, zur Pönformel Studtmann in AfU 12,319.

Bei dem für diese Zeit nur hier belegten Bischof Benedikt von Modena ist unklar, ob er mit dem für die Jahre 1085–1096/7 belegten gleichnamigen Amtsinhaber identisch ist – in diesem Falle müsste der auf Betreiben der Markgräfin Mathilde gegen den kaiserlichen Bischof Heribert eingesetzte und auf päpstlicher Seite stehende Mann später auf die kaiserliche Seite gewechselt sein – oder ob es sich um eine von diesem verschiedene Person handelt, der in der Person Dodos (belegt 1100, 1104–1134) ein päpstlicher Bischof gegenüber gestanden hätte, vgl. Schwartz, Besetzung 184. Bemerkenswert ist, dass sich nach Ausweis von D.21 Bischof Benedikt genau zu dem Zeitpunkt am königlichen Hof aufhielt, als Papst Paschal II. in Modena weilte (s. JL 6165 und 6166 von 1107 September 1 und 18), vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,61 Anm. 45. Die bei v. Uslar-Gleichen, Gesch. der Grafen von Winzenburg 45 Anm. 4 allein auf Grund der Nennung Benedikts (nach ihm “seit 1097 todt”) an der Echtheit von D.21 geäusserten Zweifel sind unbegründet (s.a. Kaminsky, Reichsabtei Corvey 110 Anm. 16).

Zum Inhalt und zur rechtshistorischen Bedeutung des Diploms, das “als sichtbares Zeichen des königlichen Wohlwollens” (Jäschke in AfD 9/10,209) gegenüber dem von Heinrich vermutlich bei einem Corveyer Aufenthalt im März 1107 eingesetzten Abt Erkenbert (1107–1128) erteilt wurde, vgl. Kaminsky a.a.O. 109ff., 146 Anm. 94, 157, 162, 171. – Inhalt des nicht näher bezeichneten officium (den in der Literatur zumeist verwendeten Begriff officium annone kennt der Text nicht) war aufgrund der Formulierung Omnem … annonam suscipiens offensichtlich die Erhebung der gesamten Gefälle des Konvents; insofern besteht nur teilweise eine Parallele (s. Kaminsky a.a.O. 147) mit einer Urkunde Abt Erkenberts von 1120 Mai 15 (Kaminsky a.a.O. 252 U.7; vgl. S. 171), wonach der Ministeriale Gottfried als officium hereditarium die Verwaltung (magistratum et dominatum) lediglich über 13 genannte Herrenhöfe beanspruchte (affirmabat), aus denen dessen Vater Reinfried († 1092) annuatim solebat ad manus prepositi reditus colligere.

Falsch interpretiert wurde bisher die Stelle annonam … extracanonice addecimatam aufgrund der in den Handschriften und Drucken gebotenen getrennten Schreibung extra canonice (nur Falke liest es als 1 Wort): Während Diestelkamp-Rotter a.a.O. 119 von den “Naturalabgaben der Mönche, die nach Kirchenrecht schon verzehntet waren”, sprechen, hätte nach Kaminsky (a.a.O. 110) Escelin “über das ihm zustehende[!] Zehntel … noch ein weiteres Zehntel … zurückbehalten” (= Wiedergabe des suscipiens?); gemeint ist jedoch, dass er bei der Erhebung der zuvor schon (von anderer Seite) widerrechtlich (extracanonice) bezehnteten annona diese zusätzlich (adhuc), dies als erbliches beneficium erklärend, mit einem nochmaligen Zehnten und einem Siebenten belastete.

Das extracanonice addecimata zielt u.E. unausgesprochen gegen den Bischof von Osnabrück und ist ein später Reflex auf die trotz des DHerm.1 von 1082 Aug. 3 (s. Jäschke in AfD 11/12, 352f.; Kaminsky a.a.O. 91) endgültige (das DLo.III.13 blieb ein blosser Empfängerentwurf, vgl. B.-Petke Reg.159), aber nicht verschmerzte Niederlage des Klosters im “Osnabrücker Zehntstreit”. Diese Bewertung deckt sich mit derjenigen des fast gleichzeitigen Güterverzeichnisses des Mönches Gottfried von ca. 1103/1107, wo eingangs von den verlorenen Osnabrücker Zehnten als his omnibus hinc vi aut fraude ablatis die Rede ist (s. Kaminsky a.a.O. 383).

Zur möglichen Identifizierung des Escelin vgl. Kaminsky a.a.O. 144 mit Anm. 82; ein Ezelin erscheint auch in der Corveyer Heberolle des 11. Jh. § II,21.23.27 (Kaminsky a.a.O. 198). Zum Amt des prepositus s. Kaminsky a.a.O. 168f. – Bei dem nur hier als solcher bezeichneten Vogt handelt es sich um den Grafen Siegfried 1. (III.) von Boyneburg aus dem Hause Northeim, der zu Anfang des Jahres noch eine Auseinandersetzung mit Heinrich V., in deren Verlauf die Boyneburg zerstört worden war (s. D. † 23), gehabt hatte und sich inzwischen mit dem König wieder ausgesöhnt haben muss (s. Kaminsky a.a.O. 111, 162).

In nomine sancte et individue trinitatis. Heinricus divina favente clemencia quintus Romanorum rex. Auctoritate sanctarum scripturarum et maxime ex diversis verbis in ewangelio didicimus, quod domum dei, que ipso testante domus oracionis vocatur, nunc hilariter dando, nunc vota persolvendo, nunc iusticiam faciendo debemus honorare atque sublimare, ut hoc modo deum creatorem nostrum hic et in futuro propicium habere mereamur, cui servire vere regnare est. Cuius rei consideracione nostram pensantes salutem et successorum nostrorum ecclesie Corbeiensi subvenire in hiis, que necessario postulavit, decrevimus. Quapropter omnibus Christi nostrique fidelibus nunc et semper notum fieri volumus, qualiter nos causa dei et beatorum martyrum Stephani, Viti et Iustini et aliorum sanctorum, ob salutem nostram nostrorumque parentum, digno interventu Fritherici Coloniensis archiepiscopi, Burchardi Mimigardefordensis episcopi, Euerhardi Eistadensis episcopi, Benedicti Mutinensis episcopi, Heremanni comitis, Godefridi comitis, Sigefridi advocati, Ludwici comitis, Wicberti et aliorum nostrorum fidelium, et precipue digna peticione venerabilis Erkenberti abbatis officium, quod quidam Escelinus sibi pro hereditario beneficio vendicabat, iudicio contubernalium suorum ei ablatum congregacioni remisimus, et nisi predictus abbas cum fratribus suis intercessisset, digna ipsum ulcione pro iniusticia ei illata punivissemus. Quam abhominabili enim iniusticia hoc, non dico beneficium, sed maleficium, sibi vendicaverit, ipsius rei agnicio probabit: Omnem quippe annonam fratrum extracanonice addecimatam suscipiens adhuc decimabat et, quod scelestius est, eciam septimabat et hoc suum beneficium nefarie affirmabat. Omnibus igitur nostris fidelibus idem iniustum et sacrilegum acclamantibus et probantibus ipsum ex toto officium congregacioni remisimus et confirmavimus, ut prepositus loci iussu et consensu abbatis, qui pro tempore fuerit, provisorem annone fratrum, quem cauciorem iudicaverit, habeat, nec ipsi abbati vel cuiquam successorum eius seu alicui potestati magne vel parve idem commutare liceat. Qui vero hec temeraverit, pro contemptu regie maiestatis fisco nostro CCCta talenta persolvat. Ut autem hec nostre pietatis concessio omni evo inconcussa permaneat, hanc cartam inde conscriptam inpressione nostri sigilli iussimus insigniri.

Signum domni Heinrici quinti regis invictissimi. (M.6.)

Adelbertus cancellarius vice Rothardi Moguntini archiepiscopi et archicancellarii recognovit.

Data II. kl. octob., indictione XV, anno dominice incarnacionis MoCoVII, regnante Heinrico Vto rege Romanorum anno II, ordinacionis eius VIIIo; actum est Corbeie; in Christo feliciter amen.