Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<217.>>

Heinrich gibt dem populus von Piacenza als Belohnung für die bei der Wiedereroberung der Burgen Bargone und Borgo San Donnino geleistete Hilfe den Zoll bei Fiorenzuola d’Arda zu Lehen und erlässt ihm den Zoll von Borgo San Donnino, mit der Auflage, sich für die Sicherung der kaiserlichen Interessen an beiden Burgen und ihrem Territorium einzusetzen, wofür er den Piacentinern, mit der Zusage umfassender Kriegshilfe, Sicherheit für Land und Leute im Gebiet der (Mark-)Gräfin Mathilde verspricht, jedoch unter dem Vorbehalt der Wahrung der seit Mathildes Zeit bestehenden eigenen Rechte, und sichert ihnen im Kriegsfall Unterstützung seitens der kaiserlichen legati aus den beiden Burgen und deren Öffnung zu.

Aachen, (1119) April 26.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Abschrift des 13. Jh. im Registrum magnum communis Placentiae vol. I f. 11r (alt 12r) im Staatsarchiv zu Piacenza (B) = Registrum parvum f. 6r–v ebenda (C).

Drucke: Aus C: Aff@, Storia della città di Parma 3,302 no 6 zu 1194 = Nachdruck 266. – Aus BC: Corna-Ercole-Tallone, Il Registrum magnum 1,29 no 28 zu 1194. – Güterbock in Arch. stor. Lombardo N.S. 1,271 app. 1 (Sonderdruck S. 19) zu 1119 bzw. 1122 oder 1125. – Ders. in Bull. dell’Ist. stor. It. 53,32. – Falconi-Peveri, Registrum magnum 1,46 no 28 zu 1122 oder 1125. – Stumpf Reg. 4856 zu 1194 (in den Nachträgen S. 554 unter ausdrücklicher Verwerfung der Zuweisung an Heinrich V. durch Pertz in Archiv 12,692 als “irrig”)

Grundlage beider Abschriften war das notarielle Transsumpt eines älteren, nach dem Original gefertigten Transsumpts, letzteres mit der Unterfertigung: Ego Bonusdies, notarius sacri palacii, ex auctentico, nil plus vel minus quam hic l(egitur) continenti, hoc exemplum manu propria exemplavi; das erneute Transsumpt war von drei Notaren, davon der letzte der Schreiber, beglaubigt: Ego Razo Dalinda … huius exempli auctenticum vidi et legi … et subscripsi, Ego Gerardus … auctenticum huius exempli vidi et legi … et subscripsi, Ego Iohannes Carmangiarius … auctenticum huius exempli vidi et legi, in quo sic continebatur, ut in hoc l(egitur) exemplo, manu propria fideliter exemplavi (zum vollen, nicht fehlerfrei wiedergegebenen Wortlaut vgl. Falconi-Peveri in der Vorbemerkung, s. auch Scheffer-Boichorst in NA 27,112 Anm. 4). Möglicherweise durch die zweifache Transsumierung ist der Text stellenweise stark verderbt (vgl. z.B. Anm. k); und vermutlich auf den zweiten Transsumator, den Notar Carmangiarius, der in den Jahren 1198–1212 als Urheber von insgesamt 83 Einträgen im Registrum magnum nachweisbar ist (vgl. Verzeichnis der Schreiberhände bei Falconi-Peveri 1,565), geht auch die zweifellos durch die Kenntnis der Diplome Heinrichs VI. verursachte Einfügung des für die Zeit Heinrichs V. kanzleiwidrigen semper in die Intitulatio zurück (s. Anm. b; vgl. dazu Scheffer-Boichorst a.a.O. 112 und Güterbock, Bull. 33 Anm. 2): Von der Hand des Notars stammt die Eintragung dreier Diplome Heinrichs VI; bei zweien bietet er auch die diesem jeweils zustehende richtige Intitulatio (vgl. dazu Csendes, Kanzlei Heinrichs VI. 133f.), rex (B.-Baaken Reg. 117; Falconi-Peveri no 31) bzw. nach der Kaiserkrönung imperator et semper augustus (B.-Baaken Reg. 159; Falc.-Pev. no 32), bei dem dritten (B.-Baaken Reg. 158; Falc.-Pev. no 46) unterläuft ihm jedoch bezeichnenderweise derselbe Fehler der Auslassung des et vor semper wie in unserem D. (… Romanorum imperator semper augustus). – C ersetzt die B-Lesung ti jeweils durch ci, was in den Anmerkungen nicht vermerkt wird.

In dem ersten, nur wenig verbreiteten Druck seiner Regesten hatte Stumpf das D.217 noch Heinrich V. zugesprochen und es unter no 3171 in das Jahr 1122 gesetzt, ehe er es in der endgültigen Fassung mit no 4856 Heinrich VI. zuwies (vgl. Scheffer-Boichorst a.a.O. 110 Anm. 1); für die ursprüngliche Wahl des Jahres 1122 war sicher maßgebend, dass Heinrich nur einen Tag früher, mit D. †234 von 1122 April 25, gleichfalls in Aachen geurkundet hat, was übrigens auch für den April des Jahres 1125 gilt (s. D.278 von 1125 April 14, vgl. Scheffer-Boichorst a.a.O. 113 mit Anm. 3), worauf sich die Alternativ-Datierungen Güterbocks, der selbst auch der Datierung auf 1119 den Vorzug gibt (s. Arch. 259 und Bull. 35), beziehen.

Dass, abgesehen von der Ordinalzahl quartus, D.217 nicht Heinrich VI. gehören kann, ergibt sich allein schon aus der Tatsache, dass die Entstehung des ersten Transsumpts lange vor seine Zeit fällt (so auch Scheffer-Boichorst a.a.O. 112f.), da der Notar Bonusdies nach Racine, Plaisance 1,174 (ohne Belegangabe, aber auf briefliche Anfrage hin bestätigt) nur um 1160 tätig war.

Die Zurückweisung Heinrichs VI. als Aussteller des D.217 und dessen Datierung zu 1194 begründete Scheffer-Boichorst in seiner grundlegenden Darstellung a.a.O. 109ff. mit dem inhaltlichen und chronologischen Widerspruch zu der Tatsache, dass Heinrich VI. erst im Jahre 1191 (am 21. Januar als König, erneut am 5. Juni als Kaiser) die Verpfändung von Borgo San Donnino (seit 1927 Fidenza, ca. 20 km w. Parma) und des ca. 7 km südlich gelegenen Bargone an Piacenza vorgenommen hatte (vgl. MGH Const. 1,468ff. no 330–332; Falc.-Pev. no 31, 32, 46, 143 u. 183; B.-Baaken Reg. 117–119 u. 158–160; vgl. auch Falc.-Pev. no 226 = B.-Baaken Reg. 160) und diese Pfandschaft im Jahre 1197, dem Todesjahr Heinrichs VI. († Sept. 28), unverändert fortbestand.

Die Autorschaft Heinrichs V. stützte er hauptsächlich auf die Erwähnung der regina, womit nur Heinrichs V. Gemahlin Mathilde gemeint sein könne (s.a. Meyer von Knonau, Jahrb. 7,77 Anm. 39 u. 98 Anm. 3 und Güterbock, Arch. 259), während Heinrichs VI. Gemahlin Konstanze, die zusammen mit ihm vom Papst die Kaiserkrone empfangen hatte, in ihren mit dem Jahre 1195 einsetzenden Urkunden immer den Titel einer Romanorum imperatrix führte.

Aus der auf Anwesenheit der Königin in Italien schließen lassenden Art ihrer Erwähnung ergibt sich sodann zwingend das Jahr 1119 für die Ausstellung des D.217, nachdem gemäß dem Bericht Ekkehards (rec. IV, ed. Schmale-Ott 340) Heinrich, nach Erhalt der Nachricht von den beiden Synoden zu Köln vom 19. Mai und zu Fritzlar vom 28. Juli 1118, auf denen er von Kard.-B. Kuno von Preneste exkommuniziert worden war (s.a. D.185 Anm. 4), und von der Anberaumung eines auf seine Absetzung zielenden generale vel curiale colloquium nach Würzburg, sicherlich mit dem Gedanken an eine baldige Rückkehr nach Italien (s. Rössler, Mathilde 21) unter Zurücklassung seines Heeres und Mathildes (Italię suis copiis cum regina relictis, s. Stüllein, Itinerar 76 Anm. 1 und 78 Anm. 1), nach Deutschland geeilt war; als Zeitpunkt dafür ist wohl nicht erst der Monat September (so hinsichtlich der Ankunft in Deutschland Stüllein a.a.O. 76), sondern mit Schmale-Ott (a.a.O. 341 Anm. 31) noch der Monat August anzunehmen (vgl. Vorbemerkung zu D.215).

Die Königin, die während ihrer “Statthalterschaft” urkundlich zwar nur einmal, durch DMa.3 vom November 1118, in Italien nachgewiesen ist (s. Rössler a.a.O. und Meyer von Knonau a.a.O. 77 Anm. 39), befand sich ohne Zweifel auch im April 1119 noch dort (s. Meyer von Knonau a.a.O. 98 Anm. 3), da aus ihrer einzigartig emphatischen Erwähnung (Hoc etiam Mathildis Romanorum regina sua corroboravit presentia) in dem in Maastricht ausgestellten D.223 von 1119 Nov. 21 (s. Rössler a.a.O. 22) – wiederholt in D.224 von 1120 Jan. 21 (Goslar) – geschlossen werden kann, dass sie erst kurz vorher, nachdem Heinrich offensichtlich den Plan einer Rückkehr nach Italien endgültig aufgegeben hatte, wieder am Hof eingetroffen war.

Für das Jahr 1119 spricht schließlich auch, dass die als unmittelbarer Grund für die Begünstigung Piacenzas genannte Rückeroberung der beiden Burgen vermutlich kurz zuvor, während einer Belagerung Parmas durch die Piazentiner im Jahre 1118, erfolgt war, nachdem die Parmesen im Jahre 1108 Borgo San Donnino zerstört hatten (vgl. Güterbock, Arch. 271 Anm. 63 und Bull. 36 mit Anm. 2 u. 3); eine Verlegung der Rückeroberung ins Jahr 1116 (so z.B. Schneider, Burg u. Landgemeinde 214), in dem Ende Mai Heinrich in dem im Text genannten, ca. 14 km w. Fidenza gelegenen Fiorenzuola urkundete (s. D.182), ist wohl nicht in Betracht zu ziehen; dass Heinrich an dem kriegerischen Unternehmen der Rückeroberung persönlich beteiligt gewesen wäre, ist übrigens unserem Text nicht zwingend zu entnehmen! – Nachdem uns das Itinerar der letzten Monate des Jahres 1118 und der ersten des Jahres 1119 unbekannt ist, Heinrich jedoch vermutlich die ganze Zeit in Niederlothringen zubrachte (s. Stüllein a.a.O. 76ff.), ergeben sich schließlich auch von daher keine Bedenken gegen die Datierung mit dem Ausstellort Aachen. In der in der älteren Literatur strittigen Frage, wie die Anspielung auf Rechte der Markgräfin Mathilde zu verstehen sei (Holtzmann in NA 50,316 mit Anm.1, der im übrigen meint, dass die Ansprüche Mathildes wohl nicht bedeutend gewesen seien, möchte z.B. aus dem Terminus aqua bloße “Wasserrechte” herauslesen), kommt Güterbock nach erneuter eingehender Prüfung (Arch. 255ff. und Bull. 32ff.) zu dem Ergebnis, dass es sich um ein ausgedehntes Territorium handelte, das Mathilde – mit geringen Allodial-Einschlüssen – als Reichslehen innehatte und das die “contea di Piacenza” im Süden und Südosten Piacenzas zur Gänze oder zu wesentlichen Teilen umfasste und Borgo San Donnino und Bargone sowie u.a. auch Fiorenzuola einschloss.

Bei den zweimal erwähnten legati handelt es sich offenbar um in jeder der Burgen eingesetzte Verwaltungsbeamte mit militärischer Befehlsgewalt über ein Gefolge, wobei es sich nach Aussage des Schluss-Satzes um eine ständige Einrichtung gehandelt haben muss; nach einer Urkunde von ca. 1112/13 hatte Heinrich auf dem 1. Italienzug in Borgo San Donnino dafür einen Reichsministerialen namens Wolfram (Gulferamus) als Vicedominus (in vicedominatu) eingesetzt; vgl. dazu Anemüller, Gesch. d. Verf. Mailands 53 (Urk. a.a.O. 55ff.), ferner Schneider a.a.O. 214, Güterbock in Arch. 272f. mit Anm. 63 u. 70 und Bull. 34 Anm. 2, Schumann, Parma 214f. mit Anm. 29, der die Einsetzung auf das Jahr 1111 datiert, und Haverkamp in Hist. Zs. Beiheft 7,188.

D.217 liefert für Piacenza die erste Erwähnung des Konsulats, der sonst erstmals in einer Urkunde von 1126 (Falc.-Pev. no 53) belegt ist, vgl. Scheffer-Boichorst a.a.O. 113 Anm. 4, Güterbock in Arch. 272 Anm. 69 sowie Opll in MIÖG 93,33 Anm. 7 und Ders., Stadt u. Reich 377; Racine in Storia di Piacenza 2,70 u. 72 und im Vorwort zur Edition von Falconi-Poveri XIX u. XXI dagegen beharrt auf dem ersten Auftreten im Jahre 1126, an der letzten Stelle sogar mit der von Opll in MIÖG a.a.O. als unverständlich bezeichneten Behauptung, in dem von ihm auf 1122 datierten D.217 seien keine Konsuln erwähnt!

Formal ist das sich selbst preceptum nennende D.217 ohne Parallele unter den erhaltenen Produkten der Kanzlei, über deren unmittelbare Beteiligung das Diktat übrigens keine Aussage erlaubt. Inhaltlich enthält es primär Begünstigungen und Zusagen für Piacenza, denen aber als servitium bezeichnete Gegenleistungen gegenüberstehen, so dass wir es letztlich mit einem “Vertrag” zu tun haben. Diesem Sachverhalt entspricht die sicher bewusst gewählte Doppelgesichtigkeit der Form: Die Eröffnung mit einer Insriptio sowie der Verzicht auf eine Korroboratio und der Abschluss mit “kleiner Briefdatierung” (vgl. dazu Vorbemerkung zu D.115) entsprechen einem Mandat; eher einem Diplom entspricht die Verwendung einer knappen Arenga und die an die Allgemeinheit gerichtete Publikatio unter Verzicht auf mandatsgemäße direkte Apostrophierung der Adressaten/Vertragspartner, von denen nur in objektiver Form gesprochen wird; die objektive Form ermöglichte es außerdem, die kaiserlichen legati einzubeziehen, für die D.217 reinen Mandatscharakter besaß. Aus Anm. a’ kann geschlossen werden, dass D.217 wie D.115 als littera aperta besiegelt war.

H. divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus universis Placentinis maioribus et minoribus gratiam cum bona voluntate. Quia regalis honoris est sibi fideliter servientes clementer remunerare, notum omnibus esse volumus, quomodo populum Placentinum pro servicio nobis facto ac faciendo honoravimus. Quoniam enim ipsorum conscilio et auxilio castrum Bargone et Burgum Sancti Donnini recuperavimus et retinere debemus, theloneum apud Fl[or]en[tiol]am illis in benefitium concedimus et theloneum de Burgo Sancti Donnini illis remittimus, hac scilice[t ratio]ne et pacto, ut deinceps nobis eadem castra cum curtibus et reliquis ad ea pertinentibus pro viribus obtineant. Postea salvabimus et custodiemus eos et in personis et in rebus, sive in terra sive in aqua, que fuit comitisse Mathild[dis …, eo] tamen iure, quod eiusdem comitisse tempore obtinuit, nobis per omnia observato. Si autem illis contra ho[c] preceptum iniuria aut violentia fuerit illata, emendari faciemus aut, si emendatum non fuerit, adversariis ipsorum wuerram faciemus nec eis ullo modo reconciliabimus nisi ipsorum consensu et voluntate, quibus illata est violentia, aut secundum iustitiam vel consilium et peticionem consulum civitatis. Et si quis ipsis pro hoc nostro servitio wuerram aut bellum intulerit, nos ipsos omnibus modis iuvabimus et hostibus suis wuerram faciemus nec eam relinquemus nec umquam hostes ipsorum ad gratiam nostram nisi vel per iustitiam vel eorum interventu et conscilio admittemus. Insuper hoc laudavimus, ut legati nostri de predictis castris, scilicet Bargona et Burgo Sancti Donnini, Placentinis ferant auxilium contra omnes homines excepto imperatore et regina et eius certis nuntiis, ipsique Placentini in omni wuerra sua ad hec prenominata castra refugium habeant et presidium et receptaculum, quamdiu guerra facere voluerint. Et si in his legatis nostris mutacio aut defectus fuerit, quoscumque rursus ibidem restituerimus, eandem illis faciant securitatem.

Data Aquisgrani, VI. kl. maii. (+)