Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<215.>>

Unter Vorsitz Heinrichs ergeht im Königsgericht auf Klage von Abt und Vogt des Klosters San Felice (zu Vicenza) gegen Rudolf de Aimo wegen der Entfremdung dreier Mansen zu Lisiera Versäumnisurteil und wird nach Investitur des Klosters über diese sowie über Abt und Vogt der Königsbann gelegt.

Montecchio Maggiore, 1118 August 17.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Originalplacitum (ca. 16,5/17 b : 34/36 h) im Staatsarchiv zu Vicenza (A); Rückvermerk des 12. Jh.: Noticia de Liseria; 14. Jh.: Sentencia de Liseria, andere Hand: pro monasterio sancti Felicis.

Teilfaks.: Schlögl, Unterfertigung Taf. XXX u. XXXI Abb. 19a–f.

Drucke aus A: Castellini, Storia di Vicenza 5,147 no 16 (mit quinto Kal. [= August 28] statt XVI. kl.) = Ficker, Forschungen 4,141 no 96 zu 1118 August 28.

Reg.: Hübner, Gerichtsurk. 2,215 no 1573 zu 1118 August 28. – Stumpf Reg. 3158a zu 1118 August 21.

Zum formalen Erscheinungsbild des teilweise durch Flecken verunstalteten Originals, insbesondere zu den verwendeten Tinten vgl. Schlögl a.a.O. 154ff., mit in einem wichtigen Punkt unrichtigem Befund. – Es begegnen drei verschiedene Tinten: Für den Kontext hat der nach dem Mai 1116 (s. D.178) erstmals wieder für Heinrich tätige Notar Otbertus eine hellbraune Tinte verwendet, deren sich auch der als einziger der beiden iudices subskribierende Azo für seine Unterschrift bediente (s. Anm. m). – Mit einer anderen, ein wenig helleren Tinte und mit etwas veränderter Schreibrichtung schrieb der Notar sowohl die Kreuzbeischrift (s. Anm. l) als auch unterhalb der Azo-Unterschrift seine Kompletionsformel.

Aus diesen Unterschieden ist mit Schlögl auf einen gewissen Zeitablauf zwischen Textniederschrift und Kompletio zu schließen; es ist denkbar, dass letztere erst nach der im Text erwähnten Investitur eingetragen wurde, die womöglich durch Abgesandte des Gerichts an Ort und Stelle in dem ca. 5 km nö. Vicenza an der Straße nach Treviso gelegenen Lisiera (com. Bolzano Vicentino), das der Hof wahrscheinlich auf dem Weg von Treviso (s. D.214 vom 1. August) nach Vicenza berührt hatte, vorgenommen wurde.

Eine dritte, von den beiden anderen sich deutlich unterscheidende sattbraune Tinte findet sich bei dem die kaiserliche Unterfertigung darstellenden, im Vergleich zu Heinrichs anderen Placita (vgl. Schlögl a.a.O. 214 Tabelle 3) relativ kleinen Kreuz. Wwährend freilich Schlögl a.a.O. 155 lediglich davon spricht, dass das Kreuz “etwas dunkler ausfiel”, was er mit einer in einem “Doppelzug” zum Ausdruck kommenden “unterschiedlichen Deckung des Pergaments durch die Tinte” erklären möchte, ist in Wirklichkeit das Kreuz als Ganzes zunächst mit der für Kontext und Azo-Unterschrift verwendeten hellen Tinte gezeichnet gewesen und nachträglich, ebenfalls zur Gänze, mit dunkler Tinte nachgezogen worden, wobei sich aber die Strichführung nicht überall vollkommen deckte und dadurch stellenweise die helle Tinte sichtbar blieb. Wäre nun die erste Zeichnung des Kreuzes mit der hellen Tinte durch die Hand des Kaisers erfolgt gewesen, wäre es ganz unvorstellbar, dass ein anderer sich unterstanden hätte, es nachzuziehen (vgl. dazu D.213!), wozu auch nicht der geringste Anlass bestand, vielmehr ist davon auszugehen, dass es der Notar war, der das Kreuz – entweder aus Versehen oder als Vorzeichnung für den Kaiser – zeichnete, was auch seine Kleinheit erklären würde; dass das Kreuz absolut gleichzeitig mit der Kontextniederschrift eingetragen wurde, ergibt sich zwingend daraus, dass es schon vorhanden war, als Azo mit identischer Tinte seine Unterschrift vornahm, da dieser mit seiner in einem Abstand von nur ca. 2,5 cm zum Kontext zu hoch angesetzten Zeile nur durch deren nach unten hängende Fortführung dem Kreuz ausweichen konnte (vgl. Anm. k sowie Schlögl a.a.O.).

Niemand anderes als der Kaiser ist es demnach gewesen, der dann das Kreuz mit der dunklen Tinte nachzog, und erst damit war die Voraussetzung dafür gegeben, dass der Notar, mit inzwischen vielleicht verdünnter Tinte, die Kreuzbeischrift, deren Wortlaut sich übrigens fast wörtlich mit derjenigen des ebenfalls von Obertus geschriebenen D.173 deckt (vgl. Schlögl a.a.O. 138; s. schon Bresslau, Handb. 22.1,182f. Anm. 6), und die Kompletionsformel eintragen konnte.

Durch die Lesung des Originals (s. Anm. a), deren Absicherung Schlögl a.a.O. 208f. einen nicht in allen Einzelheiten zutreffenden eigenen Exkurs widmet, erledigt sich die Aporie, die Bresslau in NA 20,230 Anm. 1 angesichts der Tatsache empfand, dass die Wochentagsangabe feria VII/Sonnabend zu keinem der drei verschiedenen in der Literatur anzutreffenden Daten passt, dem auf Castellinis Druck basierenden 28. August (= Mittwoch), dem von Winkelmann in NA 5,12 nach einer damals in der Stadtbibliothek zu Vicenza verwahrten Kopie des 18. Jh. gebotenen 19. August (= Montag; s. Anm. a) und dem in seiner Herleitung unerklärlichen 21. August (= Mittwoch) Stumpfs; vgl. auch Meyer von Knonau, Jahrb. 7,77 Anm. 38, der wie die seitherige Literatur dem 28. August den Vorzug gibt.

Beim Handlungsort dürfte es sich mit Schrod, Reichsstrassen 83 (vgl. auch Stumpf a.a.O. und Bresslau a.a.O.) um das ca. 12 km sw. Vicenza an der Straße nach Verona gelegene Montecchio Maggiore handeln; wenn Schlögl a.a.O. 154 Anm. 86 daneben auch das unbedeutende, ca. 12 km n. Vicenza liegende Montecchio Precalcino in Betracht ziehen möchte, spricht gegen diese Möglichkeit, dass der mit D.215 letztmals in Italien urkundende Kaiser sich offenbar schon auf der Rückkehr nach Deutschland befand, die ihn zweifellos auf der herkömmlichen Route über Verona zum Brenner führte.

Die neue frühe Datierung unsers D. lässt zudem als wahrscheinlich erscheinen, dass Heinrich, dem die Zurücklassung seiner Truppen sowie seiner Gemahlin (vgl. Meyer von Knonau a.a.O. mit Anm. 39) Eilmärsche erlaubte, nicht erst im September 1117, wie bisher durchwegs angenommen (vgl. Lit.-Hinweise bei Schlögl a.a.O. 208), sondern schon vor Ende August wieder in Deutschland war.

Von den Gerichtsbeisitzern gehörte ein Teil zum Gefolge Heinrichs, nämlich die beiden am Anfang genannten Herren (zu Hermann Piscis vgl. Vorbemerkung zu D.223; zu Conradus Sporlinus vgl. DD.112 und 136) sowie der erste iudex, Azo von Ferrara (zu ihm vgl. Vorbemerkung zu D.154), während die übrigen wohl alle aus der Region stammten, darunter der zweite iudex Albert aus Vicenza und der aus dem ca. 15 km sö. Vicenza gelegenen Montegalda stammende nobilis Vbertus. – Auffallend ist, dass hier die Richter noch als Urteilssprecher fungieren (s. iudicibus … interrogatis, ut … sentenciam proferrent und pronunciaverunt), vgl. dazu Ficker, Forschungen 3,288ff. mit 469.

– In seinem Reisebericht über La Cava in Archiv 12,528f. erwähnt Bethmann unter den Handschriften des Klosters (a.a.O. 529) “Isidori etymologiae, darin das Monogramm und Datum Heinrichs V von 1118, siehe den Katalog p. 57”. – Zu dem w. Salerno gelegenen, ca. 1025 gegründeten Kloster ad Cavam (Abbadia della Trinità di Cava, com. Cava de’ Tirreni prov. Salerno) vgl. It. pont. 8,309ff., Girgensohn in Lex. d. MA 2,1588. Das Kloster Cava selbst wird man mit Sicherheit als Empfänger eines D. Heinrichs V. ausschließen dürfen; doch gehörten zu der rasch auf rund 300 Klöster angewachsenen Kongregation von Cava neben überwiegend süditalienischen Klöstern auch eine Reihe von Klöstern in Mittel- und Oberitalien (vgl. It. pont. a.a.O. 312), unter diesen zwei im Jahre 1118 von Heinrich mit Diplomen bedachte, außer Farfa (s. D.212) gerade auch S. Felice e Fortunato zu Vicenza; ohne an ein Deperditum für unbekannten Empfänger denken zu müssen, könnte eines dieser beiden Diplome die Vorlage für den Eintrag in der Isidor-Hs. geliefert haben. – Da das “Datum” der Bethmann-Notiz vermutlich besagt, dass die Handschrift zusammen mit dem Monogramm die ganze Datumzeile enthielt, wäre eine Beurteilung der Vorlagen-Frage leicht möglich; doch blieben die freundlicherweise von prof. Vitolo-Neapel unternommenen Versuche einer Verifizierung der Angabe Bethmanns leider erfolglos: In der vermutlich gemeinten Isidor-Handschrift (cod. 2 der Klosterbibliothek) ließ sich die Eintragung nicht finden; wegen des von Bethmann genannten “Katalogs”, worunter sicher nicht das von ihm (a.a.O. 528) erwähnte 6-bändige Archivinventar von 1717 (s. It. pont a.a.O. 313) zu verstehen ist, wurde ergebnislos der Hss.-Katalog von De Rozan, Lettera su de’libri e manoscritti preziosi … (1799; s. It. pont. a.a.O.) durchgesehen.

(SN.) Dum in dei nomine feria VII, que est XVI. kl. septembris, in episcopatu Uicentino, in loco Monticlo, scilicet in domo Tethelgardi, Heinricus dei gratia IIII. Romanorum imperator augustus in iudicio resideret ad iusticias faciendas ac deliberandas, adsistentibus coram eo fidelibus suis Hermanno Pisce, Conrado Sporlino, Azone Ferrariensi, Alberto Uicentino, iudicibus, Teutaldo, Vberto de Monte Chalda, Leua Asinos pluribusque aliis nobilibus viris presentibus, ibi in illorum veniens presentiam Petrus dei gratia monasterii sancti Felicis abbas unacum Parulfo advocato suo querimoniam deo dominoque imperatori fecit, ut iusticiam faceret [de] Rodulfo de Aimo, qui iniuste tres mansos in Liséra prefate æcclesię sancti Felicis tenebat. Ideoque, quod Rodulfus citatus venire ad iusticiam faciendam sprevit nec aliquem, qui pro eo responderet, mittere voluit, tunc iudicibus ab imperatoro (!) interrogatis, ut exinde sententiam proferrent, iudices autem predictos mansos monasterio sancti Felicis restituendos esse pronunciaverunt. Dominus vero imperator per iudicum consilium et per lignum, quod in manu tenebat, predictorum mansorum investituram prefato abbati suoque advocato Parulfo dedit et insuper suum bannum super predictum abbatem suumque advocatum et nominatim super prenominatam terram misit, ut nulla magna parvave persona eos vel monasterium sine legali iudicio de predictis mansis disvestire vel inquietare audeat. Qui vero hoc fregerit, centum libras auri se compositurum agnoscat, dimidium imperatoris camere et dimidium prefato abbati suisve successoribus. Actum est hoc anno dommi nostri Iesu Christi millesimo CXVIII, indictione XI.

+ Hoc signo crucis imperator hanc noticiam confirmavit.

Ego Azo iudex sacri palacii subscripsi.

(SN.) Ego Obertus domini Heinrici imperatoris iudex [i]nterfui et per eiusdem imperatoris preceptum hanc noticiam scripsi.