Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<213.>>

Heinrich erteilt dem von der (Mark-)Gräfin Mathilde dotierten Spital (San Michele zu Bombiana) am Reno seinen Bann und gewährt Immunität für alle Besitzungen.

Bombiana, 1118 Juni 21.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original (ca. 37/37,5 b : 30/32 h) im Bestand Fonte Taona im Staatsarchiv zu Pistoia (A); Rückvermerk des 14. Jh.: De Reno; 18. Jh.: Pertinet ad Taonam abb(atiam).

Faks.: Spagnesi, Wernerius tav. VIII. – Teilfaks.: Schlögl, Unterfertigung Taf. XXIX Abb. 18.

Drucke: Lami, Deliciae eruditorum 2,193. – Muratori, Ant. Ital. 3,579 aus Or. “in archivo Pistoriensis abbatiae sancti Michaelis in Furcule monachorum Vallis Umbrosae” = Scheid, Orig. Guelf. 1,658 no 124. – Lami, Mon. Florent. 4,59. – Fioravanti, Mem. stor. di Pistoja app. 28. – Rena e Camici, Serie degli duchi e marchesi di Toscana 4.2,103 no 32. – Savioli, Annali Bolognesi 1.2,163 no 102 aus Muratori. – Ricci, I primordi 89 no 31. – Spagnesi a.a.O. 92 no 12.

Reg.: Ricci a.a.O. 49 no 31. – Indices … Muratorii 87 no 796. – Cecchini Bianchi in Bull. stor. Pistoiese 69,103 no 21. – Spagnesi a.a.O. 12 no 12. – Böhmer Reg. 2065. – Stumpf Reg. 3158.

D.213 bildet in seiner Textgestalt eine ungeschickte Mischung (Muratori a.a.O. spricht von “charta informis”) aus Diplom (vgl. die Selbstbezeichung preceptum) und Notariatsinstrument; vgl. dazu sowie zum Äußeren insgesamt und zu Heinrichs eigenhändiger Kreuz-Unterfertigung Schlögl a.a.O. 152ff.; vgl. auch Hessel in NA 31,468ff.

In dieser formalen Unentschiedenheit, für die angesichts der sonst durchgängig objektiven Formulierung das (scriniis) nostris in der Sanktio ein schlagender Beweis ist, spiegelt sich letztlich die Tatsache, dass Heinrich hier nicht in erster Linie als Kaiser (mit der Erteilung des bannus), sondern als Privaterbe Mathildes urkundet, wie es Muratori a.a.O. formuliert (“ab Henrico IV. augusto non tamquam imperatore, sed tamquam eiusdem Mathildis herede, ut is contendebat, subscripta”). – Die Urkunde hat auch nichts mit einem Placitum gemeinsam, da die Bannerteilung, die sonst vielfach der einzige Inhalt von Heinrichs Placita bildet, offensichtlich nicht im Rahmen einer Gerichtsverhandlung erfolgte, weil dies andernfalls gesagt wäre und auch die Gerichtsbeisitzer hätten genannt sein und unterschrieben haben müssen.

Dass außer dem unterfertigenden Notar zusätzlich allein noch der Bologneser Jurist Wernerius/Irnerius (zu ihm vgl. D.162) – in der auffälligen Schreiform Gernerius (vgl. unten) – unterschreibt, bewertet Besta, L’Opera di Irnerio 1,66 Anm. 3 sicher zutreffend als deutlichen Ausdruck dessen, dass Heinrich sich – wie von Anfang an – die rechtskundige Zuständigkeit des Wernerius “nella causa dell’ eredità matildina” zunutze machte; vgl. dazu auch Vorbemerkung zu D.179a. Es ist jedenfalls auffällig, dass Wernerius, der sich zuvor im Jahre 1116 ständig im kaiserlichen Gefolge befunden hatte, nach langer Pause (zuletzt in D.*195 von 1116 Oktober 19; vgl. aber noch D.*209 von 1117) als Mitwirkender an einer Urkunde Heinrichs erstmals hier wieder auftaucht; wir wissen von ihm für das Jahr 1118 sonst nur, dass er am 8. März in Rom die Wahl des Gegenpapstes Gregor VIII. (Burdinus) propagiert hatte (s. Meyer von Knonau, Jahrb. 7,64ff. mit Anm. 19; vgl. den entsprechenden Text aus der Historia Mediolanensis des Landulf bei Spagnesi a.a.O. 132f.).

Die Niederschrift erfolgte in mehreren Ansätzen: Zuerst schrieb der sonst nicht bekannte Notar Girardus mit kräftigbrauner Tinte den mit der Datierung abschließenden Kontext; danach zeichnete der Kaiser im linken Viertel der zunächst leer gebliebenen unteren Hälfte des Blattes mit sehr blasser Tinte sein Kreuz ein (s. Anm. o), und wahrscheinlich gleichzeitig, da anscheinend dieselbe Tinte verwendend, schrieb Gernerius seine genau mittig unter dem Kreuz plazierte Unterschrift; erst danach trug der Notar im Anschluss an den Kontext mit ähnlich blassbrauner Tinte die dreizeilige Zeugenliste ein, deren beiden letzten Zeilen dem von unten hereinragenden oberen Teil des Kreuzstammes ausweichen mussten (in der 2. Zeile etwa 9 mm Abstand zwischen nepos eius et und Ubertinus, in der 3. Zeile sogar ca. 35 mm Abstand zwischen Gislizone und de Gazo); ganz zuletzt, aber wahrscheinlich gleichzeitig mit der Zeugenliste und mit derselben Tinte wie diese trug der Notar unterhalb der Unterschrift des Gernerius seine Unterfertigung ein, in die er als Ersatz für die aus Platzgründen beim Kreuz fehlende Beischrift die Feststellung über dessen Eintragung durch den Kaiser – bemerkenswerterweise in Vergangenheitsform – integrierte; vgl. Schlögl a.a.O. 153f.

Eigenartig ist das “scheckige” Bild, das heute die Tinte der Zeugenliste und der Unterfertigung bietet; denn deren Schrift wurde wegen ihrer Blässe zur Verdeutlichung nachträglich mit einer Tinte, die noch etwas kräftiger war als die des Kontextes, nachgezogen, wodurch die ursprüngliche blasse Tinte nur noch in Resten erkennbar ist: Einerseits dort, wo eine Anwendung der neuen dunkleren Tinte überhaupt unterblieb, nämlich bei dem übergeschriebenen runden ersten s von Sassolo (s. Anm. m) und bei dem Kürzungspunkt über dem h von h(oc) und dem unteren Teil des h-Bogens (s. Anm. u); andererseits arbeitete der Schreiber beim Nachziehen zunächst sorgfältig, so dass die alte Tinte ganz verdeckt wurde, aber etwa ab Ubertus de Bibiano am Ende der ersten Zeile der Zeugenliste wurde er nachlässiger, so dass er nicht mehr immer exakt die Konturen der ersten Schrift traf, innerhalb der Zeugenliste besonders deutlich bei dem ersten o von Sassolo (s. oben), dem g von Gislizone und dem tiron. et hinter Gazo, das sogar 3–4 mm rechts neben das blasse ursprüngliche et gesetzt ist (s. Anm. n), in der Unterfertigung bei den drei g von ego Girardus und singnum.

Da die ebenfalls mit blasserer Tinte geschriebene Unterschrift des Gernerius nicht nachgezogen ist, geht das Nachziehen sicher auf den Notar Girardus selbst zurück, da ein Späterer wohl auch die blässliche Unterschrift des Gernerius nachgezogen hätte, während sich Girardus nur für die von seiner Hand stammenden Partien als dazu befugt ansehen musste; aus diesem Grund unterblieb erst recht ein Nachziehen der Kreuz-Konturen. – In seiner Besprechung der Arbeit Spagnesis in ZGR Rom. 28,493ff. geht G. Dolazelek ausführlich (S. 494f.) auf die Unterschriftsform Gernerius ein und kommt, neben paläographischen Gründen, wegen der regelmäßigen Schreibung Wernerius in allen sonstigen Unterschriften (vgl. DD.164, 168, 173 u.ö., nochmals in D.214) zu dem Schluss, “daß die Unterschrift Gernerius wahrscheinlich nicht von Irnerius stammt”, wohingegen für G. Grebner in Festschr. Goez (2001) 204 die Unterschrift des Wernerius “nicht anzuzweifeln” ist, wofür auch die von ihr (S. 202ff.) als Besonderheit des Wernerius (vgl. dazu noch DD.164, 168, 173, 177–179; s. auch das Grebner unbekannte D.163) herausgestellte Verwendung von affui statt des von dessen Richterkollegen verwendeten interfui spricht.

In dem DLo.III.104 von 1136 (B.-Petke Reg. 529), mit welchem dem Kloster Fonte Taona (heute Badia à Taona ca. 12 km nö. Pistoia, seit 1073/76 zur Kongregation von Vallombrosa gehörig; vgl. Rückvermerk und Provenienzangabe Muratoris) u.a. das von Mathilde geschenkte (entsprechende Urkunde fehlt) Hospiz bestätigt wird, ist die Lageangabe, von der Mitteilung des Patroziniums abgesehen, nicht genauer als in unserem D.: hospicium scilicet sancti Michaelis [iuxta] Renum positum; die genauere Lage in oder bei dem Ausstellort Bombiana (com. Gaggio Montano prov. Bologna, ca. 30 km n. Pistoia im oberen Reno-Tal) ergibt sich aus der zwar nicht unverdächtigen, aber hinsichtlich dieser Angabe sicher zuverlässigen Urkunde Mathildes von 1098 August 9 (Goez, Urk. Mathildes no 49); sie schenkt an das – (wohl von ihr gegründete und) dem Hl. Stuhl unterstellte (ut ospitale fiant sub iugum sancti Petri, cuius est proprietas) – ospitale, quod est constructum ad onorem dei et beati Michaelis archangeli, situm in locum Bumbiano, ubi dicitur plano de la Curte [= die curtis marchionis unseres D.], prope Reno, insbesondere idem locum et Plano, ubi edificatum est; vgl. dazu auch Schneider in QFiAB 22,43 mit Anm. 1 und Spagnesi a.a.O. 93f. Anm. 1, ebenda Anm. 4/5 zu einigen der Zeugen.

Auf einer Verwechslung mit D.213 beruht, angesichts des gleichen Tagesdatums und des Überlieferungsfonds des Originals (s. oben), offensichtlich folgender handschriftliche Vermerk im Stumpf-Handexemplar der MGH-Bibliothek (Einlegeblatt vor S. 267): “alt 3155. Juni 21 ..... nimmt das S. Salvatorkloster zu Fontana-Taonis in seinen Schutz … Ex cat. Font. Taon. I im arch. dipl. Florenz nach Bethmann Mitth.”. Zu Fonte Taona vgl. It. pont. 3,133f.

(SN.) In nomine domini dei eterni. Henricus dei gratia Romanus (!) imperator augusstus (!) inperiali clementia, precibus Teuzi venerabilis presbyteri commotus, preceptum, quod apellant bannum, emisit super domo venerabili, hoc est ospitali, quę constructa est iuxsta (!) Renum in curte marchionis, ut in omnibus rebus, quas comitissa Matildis eidem venerabili domui largita erat, vel in futurum ei possint adquiri, ab omni iniuria permaneret inlesa atque inviolata. Nec vero quisquam hominum plublicarum fuctionum (!) exactor aliquid ab ea petere vel percipere audeat, nisi hoc imperator ipse nominatim iubeat. Quodsi qua forte persona publica seu privata contra precepti presentis tenorem aliquid iniurię iamdicte domui intulerit vel aliquid ab ea publicę fuctionis (!) nomine tentaverit exigere, centum librarum auri optimi pene sit obnoxius, cuius dimidium quidem nostris scriniis, dimidium vero iamdicte venerabili domui persolvat. Actum in loco Bombiano, anno ab incarnatione domini nostri Iesu Christi millesimo centesimo octavo decimo, XI. kalendas iulii, indicione XI; feliciter.

Interfuerunt testes: Coruolus de Ferignano et Serafinellus filius eius et Ugizone filius Raineri et Ubertus de Bibiano et Ubertinus nepos eius et Ubertinus de Siuiliana et Brunettus et Iocus de eodem loco et M(er)lus de Casstilione et Sassolo et Gislizone de Gazo et alii quamplures ibi interfuerunt.

+

Ego Gernerius iudex affui et subscripsi.

(SN.) Ego Girardus iudex et notarius interfui et per iussio[nem] suprascripti Henrici inperatoris, qui suprascriptum singnum crucis fecit, hoc scripsi.