Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<204.>>

Heinrich bestätigt dem Kanonikerstift Santa Maria zu Carpi seine Besitzungen und Zehnten.

1117 (erste Julihälfte).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Weitgehend zerstörtes Original (ca. 41,5 b : 52 h) im Archiv des Ente Comunale di Assistenza zu Mailand (A); Rückvermerk des 15./16. Jh.: MCXVIII; 17./18. Jh.: Privilegio concesso alla chiesa della Madonna di Carpi.

Ungedruckt.

Reg.: Guaitoli, Bibliogr. stor. Carpigiana 32 no 55 zu 1111–1125. – Stumpf Reg. –.

Von der Existenz eines Diploms Heinrichs V. für Carpi wusste man bis zum Ende des 18. Jh. (vgl. erste Nennung im Jahre 1707 bei Maggi, Mem. histor. di Carpi 62) nur durch die Erwähnung in einem Diplom Ks. Friedrichs III. von 1470 über die Belehnung der Fürsten Pio di Carpi mit dem castrum Carpi, auf das sich auch das Regest Guaitolis (1882/83) beruft (Auszug des Diploms von 1470 April 15 und einer Erneuerung von 1488 Dezember 13 bei Sammarini in Mem. stor. e doc. di Carpi 4,213f. no 5 und 6). Das von Sammarini (a.a.O. 94) noch 1888 für verloren gehaltene Original unseres D. wurde wenig später zusammen mit demjenigen des DH.II.304bis von 1014 (vgl. dortige Vorbemerkung) von Achille Ratti von der Ambrosiana in Mailand, dem späteren Papst Pius XI. (1922–1939), im Archiv der oben genannten Institution (damals “Congregazione di Carità”) aufgefunden, wohin aus dem Archiv der Fürsten Pio ein Großteil des Archivs des Kollegiatstifts Carpi gelangt war (vgl. It. pont. 5,403).

Das Pergament des Originals hat durch Feuchtigkeitseinfluss schwerste Schäden erlitten: Die vermoderten seitlichen Ränder, insbesondere der rechte, sind stellenweise abgebröckelt, das Blatt ist an den beiden Längsfalten auseinandergerissen, die durch die ursprüngliche Faltung und spätere Umfaltung verursachten insgesamt fünf Querfalten sind ebenfalls durchgerissen oder eingerissen, an den Riss-Stellen sind in unterschiedlichem Umfang zusätzliche Pergamentverluste eingetreten. Insbesondere aber ist durch die ganze Fläche bedeckende Moder- und Stockflecken die Schrift fast vollständig ausgelöscht, so dass in mehr als der Hälfte (Z. 3/4 und Z. 8–13) der insgesamt 14 Zeilen des Kontextes (Z. 2–15) überhaupt nichts mehr und in den übrigen Zeilen nur noch Reste, oft geringfügigster Art, zu entziffern sind; auch eine Untersuchung mittels Quarzlampe, zu der sich gelegentlich der Verbringung des Originals für konservierende Maßnahmen in das Institut für Buchrestaurierung der Bayer. Staatsbibliothek in München im Jahre 1985 Gelegenheit ergab, förderte kaum mehr zu Tage, als mit bloßem Auge erkennbar ist. Immerhin erlauben die wenigen Reste, namentlich in den Elongata-Zeilen, die sichere Feststellung, dass das Original von Notar Adalbert A geschrieben war, dessen Hand hier letztmals begegnet (s. Vorbemerkung zu D.†208, von dem auch das Diktat zumindest von Proto- und Eschatokoll stammt, während der Kontext eine weitestgehende Wiederholung des DH.II.304bis (= VU.) ist. – Im gleichfalls stark beschädigten Original der VU. waren die Textverluste ursprünglich wesentlich geringer als in unserem D.; zwar ist vieles von dem, was Ratti in der VU. noch hatte lesen können (vgl. bes. die vielen dortigen Stellen mit dem Anm.-Buchstaben g), heute durch die Anwendung chemischer Tinkturen (durch Ratti?) endgültig ausgelöscht, doch hatte Bresslau eine von Ratti (vor oder während der Tinkturbehandlung) gefertigte Abschrift zur Verfügung. Eine solche Abschrift Rattis auch unseres D. hat sich nicht ermitteln lassen, hat vielleicht auch nie existiert, da dieser die Textidentität mit der VU. erkannt haben wird und möglicherweise deswegen sowohl auf eine Abschriftnahme als auch auf den – jedenfalls nicht erkennbaren – Einsatz von Tinkturen verzichtete.

Bei der Textwiedergabe haben wir angesichts des großen Umfangs der Textlücken darauf verzichtet, diese Lücken mit Hilfe der VU., die bei der Ergänzung von Wortresten wichtige Hilfe leistete, vollständig zu füllen, zumal damit der falsche Eindruck vermittelt würde, der Notar habe die VU. wortwörtlich übernommen, während es in den erhaltenen Teilen und auch in der Abschätzung des Umfangs der Lücken eine Anzahl von Hinweisen auf Änderungen gegenüber der VU. gibt (vgl. Anm. b–d, f, h, k, m, r, v); wir haben uns daher im wesentlichen darauf beschränkt, jeweils nur am Anfang und Ende einer Lücke die für den Sinnzusammenhang nützlich scheinenden betreffenden Wörter der VU. aufzunehmen, verweisen im übrigen die VU.-Texte in die Anmerkungen. Außerdem schien es angezeigt, keinen fortlaufenden Text zu bieten, sondern den Druck an den Einzelzeilen der Vorlage zu orientieren.

Die Datierung unseres D. könnte durch Kehr, PU. in Italien 3,248 unproblematisch erscheinen, da er in seinem dortigen Bericht über das Mailänder “Archivio della Congregazione di Carità” (s. oben) unter insgesamt 7 Diplomen – von DO.I.339 bis zum D.Rudolfs B.-Redlich Reg. 2229 – auch “Heinrich V. 1118 X 17” aufführt. Auffällig ist an dieser exakten Angabe, deren Herkunft jedoch als völlig unerfindlich bewertet werden muss, zunächst, dass Kehr, der zu den sechs anderen Stücken (mit Ausnahme des D. Rudolfs, dies aber mit der B.-Redlich-Nummer) jeweils die Art der Überlieferung notiert, zu demjenigen Heinrichs V. nichts derartiges bemerkt. Während schließlich die Jahresangabe 1118, die Kehr in It. pont. 5,402 wiederholt, auch durch den späten Rückvermerk des Originals (s. oben) gedeckt zu sein scheint, ist hingegen das komplette Datum Kehrs gänzlich unmöglich, weil der in der Rekognitionszeile genannte B. Burchard von Münster schon 1118 März 19 gestorben war (s. Vorbemerkung zu D.202).

Die erhaltenen Spuren in der Datierung des Originals liefern ausreichend gesicherte Anhaltspunkte für einen anderen Zeitansatz: Der eindeutig lesbaren Zahl VII für die Kaiserjahre entspricht die mit ziemlicher Sicherheit mit CXVII endende Zahl der Inkarnationsjahre, auf die offenbar nur der Schlusspunkt folgt, der von dem Schreiber des Rückvermerks als weitere I verlesen sein könnte. Aus dem erhaltenen Rest iu für den Anfang des Monatsnamens ergeben sich, je nachdem, ob der Name Juni oder Juli lautete und ob für die Tagesbezeichnung Kalenden, Nonen oder Iden verwendet waren, als äußerste Grenzen der 16. Mai (XVII. kal. iun.) und der 15. Juli (id. iul.).

Dieser zweimonatige Zeitrahmen lässt sich jedoch beträchtlich einengen: Unterstellt man, dass der durch Zerstörung des Namens unbekannte Handlungsort und der mit diesem vielleicht identische Ort der Ausstellung in relativer Nähe zum Empfänger (Carpi liegt ca. 15 km n. Modena und gut 40 km s. Mantua) gesucht werden können, müsste sich der Hof damals schon in der Emilia befunden haben, wo er sich jedenfalls im Frühherbst 1117 aufgehalten hat, wie aus dem in der Nähe von Reggio ausgefertigten Placitum der Königin von 1117 September 20 (DMa.1) geschlossen werden kann. Nachdem der Hof aber gegen Ende Juni offensichtlich noch im Gebiet von Lucca geweilt hatte (s. D.*203), kann er nach Überschreiten des Apennin frühestens in der ersten Juliwoche die Emilia erreicht haben. – Sollte wider Erwarten wenigstens Kehrs Tagesangabe, allerdings auf das Jahr 1117 bezogen, ernstzunehmen sein, wäre diese wenigstens mit der für den Rest des Jahres 1117 (bis 1118 April 12) gültigen Zahl VII für die Kaiserjahre in Einklang stehend.

(C.) In nomine sanctae et individuae trinitatis. Heinricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus.

S[i loca div]ino [c]ul[tui mancipata a]ccumula[mus b]en[e]fi[ciis.... ], ill[ud] nobis prodes[se conf]idim[u]s. [....... devo]tio [noverit]

[In der 3. Zeile ist nichts lesbar]

[..................]s [p]l[e]b[is.......]

[......... tam] de terris quam de de[cimis...... pertin]enti[bus precepti sui aut]ori[tate]

[firmavit..... pet]ierunt [n]ostram [celsitudinem.........] confirmare [dignaremur].

[..... pro nostre anime] remedio, pro[ut] iuste [et] l[egaliter possumus,......] eandem canonicam, secundum quod prius f[uit,...... ] confirmamus ac perhenniter stabilimus [et tam ter]ras quam d[ecimas]

[In der 8.–13. Zeile ist nichts lesbar]

[...... conat]us fuerit, sc[iat se co]mpo[siturum.......]

[...... infe]rius [robor]antes [.......].

[Signum domni Heinrici qu]ar[ti] Roma[norum imper]atoris (M.9.) [invictissimi].

[Burcha]rdus canc[ella]rius [et episcopus] Mo[na]st[eriensis reco]gno[vit]. (SI.D.)

Da[ta.....] iu[…, indictione X, anno] dominice i[ncarnation]is millesimo.C.XVII., [r]egnante Heinrico quinto rege [Romanorum anno XI, im]perante VII; [actum........; in Christo feliciter a]m[e]n.