Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010
Stumpf Reg. –.
Über das Deperditum gibt es zwei unterschiedliche Überlieferungen: Die älteste bietet die Vicentiner Chronik des Bapt. Paiarini (al. Pagliarino. ca. 1415–1506; Abschrift des 15. Jh. in Ms. 409bis f. 9r der Biblioteca civica Bertoliana zu Vicenza), wo es (mit der Quellen- und Folio-Angabe “in Libro Magno civitatis Vinc. coperto corio [in allen Kopien dahinter nigro bzw. negro], † signo signato ab una parte .p. et ab alia M., ad c[artam] 42” am Schluss des Eintrages) unter der am Rande ausgeworfenen Jahreszahl 1122 heißt: Henricus dux[!] et imperator quintodecimo klas. octubres fuit et multis diebus stetit in civitate Vincentię in presentiaque multorum ducum, baronum et prelatorum laudavit omnia privilegia, quę a suis antecessoribus concessa fuerant civitati Vicentię. In den zahlreichen späteren Abschriften der Chronik ist die Notiz ebenfalls zumeist mit der Jahreszahl 1122 versehen (ebenda Ms. 401 p.18, 404 p. 8, 405 p.8, 406 f. 10r; die it. Fassung in Ms. 403 p. 24 und ebenso der 1663 von G. Giac. Alcaini veranstaltete Druck unter dem Titel Croniche di Vicenza di Battista Pagliarino 19 geben das Tagesdatum fälschlich mit “alli 18. [Dr.: dieciotto] di ottobre” wieder), in einigen jedoch mit dem Jahr 1120 (ebenda Ms. 402 f. 7v, 407 p.8, 409 f. 11v). – Aus der Erwähnung eines Aufenthaltes Heinrichs in Vicenza ergibt sich von vorneherein, dass es sich bei der Jahreszahl, die in der Vorlage sicher in römischen Ziffern geschrieben war, um ein als MCXXII verlesenes MCXVII gehandelt haben muss.
Unter dem Jahr 1117 findet sich denn auch eine entsprechende Notiz bei Franc. Barbarano (1591–1656), Annali della città, territorio e diocese di Vicenza von 1651 (ebenda Ms. 2875 f. 157v [alt p. 112b]; Kopie von 1829 ebenda Ms. 2874, ohne Foliierung), die überdies einen Text-Auszug mitteilt und weitere Informationen liefert: “Erico imp. viene in Italia et à Roma, et [nel ritornar in Germania = durchstrichen, fehlt in der Kopie, vgl. weiter unten] passa par Vicenza, dove dal console Maltrauerso e dal vescovo Torengo fù con gran pompa ricevuto, confermò alla città tutti li privilegii concessili da suoi antecessori, et in essa concessione cosí dice: Populum autem Vicentinum ob eius fidelitatem et devotionem, quam erga nos et imperium nostrum habet, sub tutela nostri mundiburdii [so Kop. statt marib- der Hs.] accepimus eumque ab omni molestatione tueri conabimur etc.” – Es heißt dann weiter: “Parimente confermò gli antichi privilegi del vescovado, e fece molti gentilhuomi [Kopie: gentilhuomini] cavalieri e diede loro privilegi e feudi, tra quali uno fu Ottone Sarego Vicentino … [vgl. dazu D.*207]. Quindi partito, accompagnato dal vescovo Torengo e nobili Vicentini, ando à Treviso, dove diede audienza publica et aggiusto molte differenze occorse fra i popoli di questa provinçia”.
Diese Angaben sind, mit Variationen und evtl. unter Heranziehung weiterer Quellen, mit Wiedergabe des wörtlichen Zitats (var: Vicentinorum statt Vicentinum und imperiumque statt et imperium), wiederholt bei Castellini, Storia di Vicenza 5,124; womöglich war das Deperditum in einem Prozess zwischen Vicenza und unbekanntem Gegner als Beweis eingebracht worden, und aus den Prozessakten könnte das Exzerpt stammen, wie man Castellinis dem Zitat vorangestellten Bemerkung entnehmen kann: “del quale in lode della città e del popolo Vicentino queste poche parole ci sono pervenute alle mani”. – Barbarano bietet dann nach obigem Eintrag, auf der nächsten Seite (f. 158r; p. 113a) unmittelbar anschließend, aber mit neuer Auswerfung der Jahreszahl 1117 am Kopf und mit Angabe des oben fehlenden Tagesdatums, folgenden Eintrag.: “Un altra volta[!] alli 17. di settembre ritorno à Vicenza et dimorò alcuni giorni nel palazzo di Berga[=?] et confermò li privilegii et ne concesse altri ancora”. Es ist offensichtlich, dass Barbarano über ein und denselben Vorgang mindestens zwei verschiedene Vorlagen benützte; vermutlich war der zweite Eintrag, den er auf einen vermeintlichen zweiten Aufenthalt Heinrichs bezog, die Ursache dafür, dass er im ersten Eintrag das “nel ritornare …” tilgte, den er demnach jetzt, ohne aber die Jahreszahl zu ändern, offenbar früher, vor Heinrichs Romzug von 1117, ansetzen zu sollen meinte. Gegen die Existenz des Deperditums ist angesichts des genauen Datums, das eine willkommene Bereicherung des kärglich dokumentierten Itinerars des Jahres 1117 darstellten würde, und der vermutlichen Funktion B. Torings als Intervenient kein begründeter Einwand zu erheben; wenn Heinrich bei seinem Eintreffen in Vicenza von B. Toring begrüßt wurde, besagt dies außerdem, dass dieser, der Heinrich nach Ausweis von D.202 von 1117 Juni 17 auf dem Romzug begleitet hatte (er hatte auch zur Vorbereitung des Zuges am Hofe geweilt, s. DD.198 u. 199), das Gefolge des Kaisers wohl in der Jahresmitte in der Toskana verlassen hatte.
Bei dem Maltrauerso in der Barbarano-Notiz handelt es sich um den ca. 1107–1136 amtierenden Grafen von Vicenza, Ubertus mit dem Beinamen Maltraversus, zu ihm vgl. Castagnetti, I conti di Vicenza e di Padova 45, 60ff. u. 188 (Stammtafel 2) sowie in Storia di Vicenza 2,38, 40, 45 u. 58 (App. II: Stammtafel); der päpstlich gesonnene Maltrauersus ist nur in D.173 von 1116 Mai 6 unter den viri nobiles an Heinrichs Hof nachgewiesen; seine Bezeichnung als “console” ist anachronistisch, da nach Castagnetti (I conti 105f. u. Storia 51) in Vicenza erst seit 1147 Konsuln nachgewiesen sind.
Angesichts des guten Verhältnisses B. Torings zu Heinrich bestehen ferner keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, dass er von ihm auch ein Diplom für sein Hochstift empfing, vgl. aber D.*206. – Größte Zweifel bestehen jedoch an den von Barbarano und Castellini behaupteten “Standeserhöhungen” zahlreicher “gentilhuomini”, nachdem beide sich auf die Nennung des seinerseits keineswegs zweifelsfreien (s. D.*207) konkreten Beispiels Sarego beschränken. – Schließlich ist die von beiden Autoren gebotene Nachricht, Heinrich sei von Vicenza in das ca. 60 km entfernte Treviso gezogen, für das Jahr 1117 unmöglich, da dies an dem von Castellini dafür, ohne Quellenangabe, genannten Tagesdatum des 7. Mai scheitert (a.a.O. 126f.: “Partito l’Imperatore da Vicenza, accompagnato dal Vescovo Torengo, e da molti Nobili Vicentini, passò a Trevigi, ove ai 7. di Maggio nel Palazzo d’Almerico Vescovo [benannt nach dem in DH.II.313a von 1014 genannten B. Amalricus als Erbauer?] di quella Città diede pubblica udienza ad ognuno”. Mantese, Mem. stor. della Chiesa Vicentina 1,73 nennt als Quellen für D.*205 nur Paglierini (sic), dem er mit der Datierung auf 1122 folgt, und Castellini, dessen Datierung auf 1117 er lediglich als Klammerzusatz vermerkt und dem er dort den Text des Auszugs entnimmt (vgl. auch ohne Quellenangabe Ders., La Chiesa Vicentina 40).