Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<*203.>>

Heinrich bestätigt dem Kloster San Antimo die von dem Grafen Bernhard durch Salmann getätigte Schenkung seiner gesamten Besitzungen in der Toskana und im ganzen Königreich Italien.

In loco Turriccli, 1117 (wohl letztes Junidrittel).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Stumpf Reg. –.

Kurze untersucht in Adel u. Kirche 295ff. eine fragmentarische Originalinschrift im Mittelschiff-Chor der Klosterkirche von S. Antimo (Text a.a.O. 305f.; Auszüge schon bei Repetti, Dizionario 3,256), die sich in vier Teilen (I–IV) auf den vorderseitigen Stufen der Altarerhöhung befindet (beginnend mit 9 Zeilen auf der Oberseite der Erhöhung, fortgesetzt mit 3 mal 3 Zeilen auf den beiden Stufen darunter sowie auf dem Boden davor) und zu der noch eine Fortsetzung in vier umlaufenden Zeilen an einem Pfeiler links vom Altar auf der Evangelienseite gehört.

Der Stufen-Text referiert, in unterschiedlicher Intensität, den Inhalt zweier instrumenta, nach denen einerseits Bernardus comes, filius Bernardi comitis, zur Übereignung seines gesamten Besitzes (totum quod habebat aut alii per illum habebant in toto regno Italico et in tota marca Tusscie atque omnes res suas mobiles ac immobiles …) an S. Antimo den Ildibrandus filius Rustici zum Salmann bestellte (dies der bis III/Z. 3 reichende Hauptteil der Inschrift, endend mit der Erwähnung einer Abfindung[?] Bernhards: [Pretium] [= Ergänzung Kurzes, vgl. a.a.O. 298 Anm. 20] recepit prefatus Bernardus comes inde ab ecclesia sancti Antimi, sicut inter illos convenit, und abschließend mit der auf IV/Z. 1 übergreifenden Rogationsformel Bernhards), und andererseits der Salmann die Übergabe an das Kloster vornahm, was nur den Schluss von IV/Z. 1 und den Anfang von IV/Z. 2 in Anspruch nimmt, worauf mit dem Satz Huius scripti finis est in columna completum (zum dort anschließenden Text s. unten) auf die notarielle Kompletio auf dem Pfeiler, die mit der Datierung abschließt, verwiesen ist: [Z. 1] Actum in comitatu Senensi apud sanctum Petrum in Monte Sindoli – alii Sundari [= über der Zeile nachgetragene Namensvariante] – per manum Ugulini iudicis; testes … [Z. 3] … et sic utraque instrumenta a legitimis viris instituta et testificata ecclesie [Z. 4] sancti Antimi in hoc monasterio dedit. Anni ab incarnatione domini MCXVIII, indictione X.

Auf den obigen Verweis auf die Pfeiler-Inschrift folgt als Schluss der Stufeninschrift auf IV/Z. 2–3 der Hinweis auf unser Deperditum: Pro suprascripto vero negotio ista ecclesia, partim quod volendo ac nolendo expendit, partim quod frater germanus eius [scil. Bernhards] Fortisguerra nomine ab ipsa [Z. 3] violenter abstulit vel alii pro eo M libras fuerunt, absque CX libras, quas dedit pro precepto, quod imperator Henricus, voluntate Rabodonis marchionis Tuscie, fecit huic ecclesie de cunctis supradictis. In loco Turriccli est actum.

Aus dem Inkarnationsjahr MCXVIII, für das mit Kurze a.a.O. 306 Anm. 9 der in der südlichen Toskana häufiger vertretene “calculus Pisanus” mit dem 25. März des vorangehenden Jahres als Epochentag zugrundezulegen ist, ergibt sich in Verbindung mit der 10. Indiktion (Wechsel am 1. oder, nach Sieneser Indiktion, am 8. September 1117) für die Datierung der instrumenta der Zeitraum 1117 März 25 – September 1/8. Bei dem diese bestätigenden Diplom liegt der äußerste Terminus post quem wegen der verschiedenen Ausstellorte aber jedenfalls noch einige Zeit später: Zu dem in der Nähe von Asciano (ca. 20 km sö. Siena) gelegenen Monte Sindoli vgl. Repetti a.a.O. 3,256f.

Der Ausstellort des Diploms in loco Turriccli muss wegen der Mitwirkung des tuszischen Markgrafen, auf die Kurze a.a.O. 301 selbst aufmerksam macht, in der Toskana gesucht werden, weshalb das von ihm theoretisch auch in Betracht gezogene Torrice im südlichen Latium (ca. 5 km ö. Frosinone), das im Frühjahr 1118 von Heinrich belagert wurde (vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 7,73 mit Anm. 30) von vornherein ausscheidet; vieles spricht jedoch für das von ihm vermutete Torricchio in der Nähe des ca. 5 km ö. Lucca gelegenen S. Martino in Colle, wo das canusinische Kloster S. Benedetto Po (Polirone) begütert war (vgl. D.78 Anm. 22); Heinrich hätte sich damit wieder im Gebiet der Mathildischen Güter aufgehalten, deren Einnahme der 2. Italienzug in erster Linie gegolten hatte; zu Torricchio vgl. Repetti a.a.O. 5,548. – Nicht sehr wahrscheinlich, aber auch nicht auszuschließen ist das ca. 20 km nö. Florenz gelegene Turicchi com. Rufina.

Sofern eine der beiden Lokalisierungen zutrifft, müsste der Hof, der sich womöglich schon am 17. Juni im Bistum Lucca befand (s. D.202), um den 20. Juni herum das fragliche Gebiet erreicht haben, woran sich unsere Datierung orientiert. Von hier aus wäre er dann, evtl. noch im Juni, weiter nach Norden in die Emilia gezogen, wo vor Mitte Juli vermutlich die Ausstellung des D.204 erfolgte.

Zu den beteiligten Personen vgl. Kurze a.a.O. 299f. In dem Tradenten vermutet er einen in der Ardenghesca (s. und sö. Siena) begüterten Bernardus comes quondam Bernardi comitis, der zusammen mit seiner Frau Stefania in einer Urkunde von 1109 März 28 genannt wird (s. Schneider, Reg. Senense 1,56 no 150, ausgestellt in Montagutulo dell’ Ardenghesca), zu seinem Bruder Fortisguerra vgl. Kurze a.a.O. 300 mit Anm. 31. – Der wohl bald nach dem Tode der Markgräfin Mathilde von Heinrich ernannte, erstmals in einer Urkunde von 1116 Juli 21 (Gross, Lothar III. 283 no 1) belegte Markgraf Rabodo/Robodo (Ratpoto, † 1119 Sept.) gehörte vermutlich dem Heinrich politisch nahestehenden Hause der bayerischen Ratpotonen-Dietpoldinger an (vgl. Ficker, Forschungen 2,223f.; Davidsohn, Gesch. von Florenz 1,384ff.; Gross a.a.O. 36f.) und war womöglich ein bei Tyroller, Genealogie Taf. 13 no 12 nicht verzeichneter Sohn Ratpotos V. († 1099); es ist dann auch nicht ausgeschlossen, dass es sich bei seinem seit 1120 amtierenden Nachfolger, Markgraf Konrad, den man dem Hause der Grafen von Scheyern zurechnet (vgl. Scheffer-Boichorst, Zur Gesch. des XII. u. XIII. Jh. 60ff., bes. 73ff.; Davidsohn a.a.O. 387; Gross a.a.O. 37ff.; fehlt bei Tyroller a.a.O. Taf. 18), um einen 1110 genannten Bruder von Ratpotos V. Vetter, des Nordgau-Markgrafen Dietpold III. († 1146), handelte (s. Tyroller a.a.O. Taf. 13 no 19). Eine Schwierigkeit bereitet die mehrfache Nennung eines Neffen (nepos) Friedrich in Urkunden Konrads aus den Jahren 1120–1124 (Scheffer-Boichorst a.a.O. 65ff. no 3f. und 9f.); der Name Friedrich ist bei den Ratpotonen nicht vertreten, aber auch in der Scheyern-Genealogie ist der Konrad-Neffe Friedrich mit keinem der bekannten Träger dieses Namens identifizierbar; die Suche muss aber schließlich vergeblich bleiben, wenn mit nepos ein Schwestersohn gemeint ist.

D.*203 bildet mit der ausdrücklichen Erwähnung der 110 Pfund (nach Haverkamp wohl der Münze von Lucca), die für die Erlangung des preceptum aufzuwenden waren, den frühesten zahlenmäßigen Beleg für Kanzleigebühren (vgl. Haverkamp, Herrschaftsformen 2,704 Anm. 22a), wohingegen Brühl, Fodrum 1,648 erst Belege aus der Zeit Heinrichs VI. anführen konnte. – Zur inschriftlichen Überlieferung der Urkunden vgl. Müller, Urkundeninschriften 22 Anm. 5; die zugrundeliegenden Notariatsurkunden sowie das Original unseres Diploms gingen mit dem bis auf Reste untergegangenen Klosterarchiv zugrunde (s. Kurze a.a.O. 296).