Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<188.>>

Heinrich nimmt auf Bitten städtischer Abgesandter das Domstift Santa Maria zu Pisa in seinen Schutz und erteilt ihm die Immunität.

1116 Juni 24.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Notarielles Transsumpt des 1. Viertels des 12. Jh. in Diplomform im Domkapitelsarchiv zu Pisa, Perg. no 353 (B). – Notarielles Transsumpt von B aus der 2. Hälfte des 12. Jh. ebenda, Perg. no 354 (C). – Zweites Insert im Or.-Diplom Ks. Heinrichs VII. von 1313 Mai 19 im Staatsarchiv zu Pisa (Böhmer 2.1 Reg. 536; Druck mit teilweise verkürzter Wiedergabe der Inserte bei Ughelli, It. sacra 13,530 und 23,446, an beiden Stellen D.188 irrig mit octavo kalendas iunii = Mai 25, obwohl das Or. iulii liest, s. Anm. g”) (D). – Abschrift des 17. Jh. nach notariellem Transsumpt des 12. Jh. in cod. Barb. lat. 3222 f.617r–v der Vatikanischen Bibliothek (E).

Drucke aus verlorenem notariellen Transsumpt des 12. Jh.: Ughelli, It. sacra 13,432 (uI); 23,376 (uII). – Tronci, Memorie istor. di Pisa 54 mit VIII. kal. iunii (s. Anm. g”) (t) = Ders., Annali Pisani 11,86; 21,211 = Montazio, Annali di Pisa 1,218. – Aus B: Tirelli Carli, Carte dell’ arch. capit. di Pisa 4,176 no 79 zu 1116 Juni 24, obwohl im Druck VII Kalendas iulii (= Juni 25; s. Anm. e”).

Reg.: Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,503 no 10. – Stumpf Reg. 3143.

Hausmann, Reichskanzlei 66 no 79 behauptet fälschlich die Existenz des Originals von D.188 im Kapitelsarchiv zu Pisa, dessen Schrift er sogar dem Notar Adalbert A zuweisen zu können glaubte, wohingegen die gesamte Literatur seit Ughelli nur notarielle Kopien kennt. Misslich ist, dass auch das von Tirelli Carli benützte Transsumpt B bei einem Besuch des Archivs im Jahre 1986, bei dem auch vergeblich nach dem Original gesucht wurde, unauffindbar war und eine diesbezügliche erneute schriftliche Anfrage noch in jüngerer Zeit ergebnislos blieb. – Da der Text bei Tirelli Carli die Lesungen von C unberücksichtigt lässt, demnach offenbar ausschließlich auf B beruht, haben wir ihren Text als Spiegelung dieser Überlieferung gewertet, verwenden aber bei Variantenangaben die Sigle B mit Klammereinschluß (B).

Das ganzflächig von Stockflecken übersäte, stellenweise rissige und durch Moder und Mäusefraß beschädigte Transsumpt B war von den drei Notaren Gerardus, Ildebrandus und Ugo unterfertigt (Wortlaut bei Tirelli Carli a.a.O. 177; der erste ist durch exemplavi als der Schreiber ausgewiesen), die nach Tirelli Carlis Vorbemerkung in den 20er Jahren des 12. Jh. tätig waren. – Dieses Transsumpt unter Einschluss der notariellen Unterfertigungen war Gegenstand (exemplar, unde hoc exemplar tractum est, … exemplavi; s. auch Anm. a) einer Erneuerung durch das Transsumpt C, das der in den Jahren 1154–1190 in Pisa nachweisbare (s. Vorbemerkung zu DKo.III.32) Uguicio, notarius sacri Lateranensis palatii, schrieb, indem er die B-Unterfertigungen nur um seine Schluss-Unterfertigung erweiterte.

Äußerlich ahmen, soweit an C ablesbar, die Transsumpte durch Verwendung von Elongata für die 1. Zeile und für die mit weitem Abstand zu Kontext und Datumzeile sowie untereinander eingetragenen Unterfertigungszeilen mit dem rechts daneben in ungefährer Originalgröße eingezeichneten Monogramm das Originaldiplom nach, während für die Kontextschrift offensichtlich gleichzeitige Papstprivilegien das Muster abgaben.

Die älteren Drucke sowie die Abschrift E benützten keines dieser beiden Transsumpte, sondern unabhängig voneinander ein verlorenes weiteres Transsumpt, das von vier Notaren unterfertigt war, außer von dem als erster genannten Bonus, sacri Lateranensis palatii iudex, noch von den drei Notaren des Transsumptes B; da es auch von demselben, hier am Schluss unterfertigenden Notar Gerardus geschrieben war (exemplavi), kann es als ungefähr gleichzeitig mit B gelten. – Dieses verlorene Transsumpt hat außerdem in zwei Exemplaren vorgelegen: Tronci verwendete nach seiner Aussage (zuerst Memorie 53f.) ein von den vier Notaren unterfertigtes Exemplar “nell’ archivio delle Reformagioni di Firenze” und bemerkt gleichzeitig: “di cui ancora n’è un’ esemplare autentico nell’ Archivio del Capitolo di Pisa”; letzteres (nicht B, wie Tirelli Carli erklärt), “è tabulario Pisano”, war die Vorlage Ughellis, bei dem wohl nur aus Versehen die Unterfertigung des Ildebrandus fehlt, aber ebenso für die alle 4 Notare nennende Abschrift E; diese kann deswegen sowie wegen der Nachzeichnung des Monogramms (s. Anm. a”) nicht aus Ughelli geschöpft haben, andererseits kann E wegen Anm. b” nicht als Vorlage Ughellis gedient haben; zum Nachweis der Benützung eines gemeinsamen Exemplars durch E und Ughelli vgl. z.B. Anm. w, y, a’, i’, t’, x’, zu beider Übereinstimmungen mit Tronci vgl. besonders Anm. s, t, y, d’, e’, h’, y’ und l”. – Angesichts der Überlieferungslage sind die Druckvarianten Ughellis, der übrigens in ed.II (= uII) vereinzelt Verbesserungen gegenüber ed.I (= uI) bietet (s. Anm. v, y, a’, c”), und Troncis (= t) im Textapparat vollständig berücksichtigt. – Das Diplom Heinrichs VII. enthält in chronologischer Folge außer D.188 noch DH.IV.404, DH.V.189, DKo.III.32, DF.I.730 und eine undatierte Urkunde Hz. Welfs (VI.).

Das Diktat des Kontextes, bei dem das Fehlen einer Publikatio auffällt, stammte offenbar von einem Empfängerdiktator, der auch das gleichzeitige D.189 verfasste, wie u.a. die Übereinstimmungen in der Sanktio, ferner die Verwendung des Verbs deferre (Z. ■, dort in der Arenga) und des Attributs sacrosancta (s. Anm. s) für die Pisaner Domkirche zeigen. – Von Notar Adalbert A verfasst sind Protokoll und Eschatokoll (vgl. Hausmann a.a.O.) einschließlich der seinem Stil entsprechenden Datierung; diese Teile dürften im Original auch von ihm geschrieben gewesen sein.

Unklar bleibt überdies, ob der Notar den Empfängerentwurf stellenweise überarbeitete; als Hinweis auf Kanzleibeteiligung ist die Verwendung des Begriffes status imperii (Z. ■) jedenfalls nicht geeignet, da die von Koch, Sacrum imperium 143 Anm. 260 vermerkten Parallelstellen in DD.36 und 47 auf Vorurkunden Heinrichs II. bzw. (für D.36) auf das Anfang des 12. Jh. gefälschte D.Kar. †229 zurückgehen, und in dem ebenda notierten D.87 (a.a.O. mit St.3069 statt 3068 versehen) ist nicht von status imperii, sondern von imperii et regni stabilitas (s. dazu a.a.O. Anm. 259) die Rede, doch auch diese Stelle ist aus einem Diplom Heinrichs IV. entlehnt; der kurze Passus unseres D. diente übrigens dem DKo.III.191 (S.348 Z.31) als Vorurkunde. – Da das Fehlen des Handlungsortes in der Datierung (s. Anm. o”) kaum auf eine Auslassung des Kopisten zurückzuführen ist, sondern auf eine im Original gelassene und später nicht ausgefüllte Lücke, würde dies bedeuten, dass die Handlung nicht wie bei DD.187 und 189 in San Germano stattfand, sondern etwas früher an anderem Ort. – Zu den drei Pisaner Abgesandten vgl. D.189.

In nomine sancte et individuę trinitatis. Henricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Quod et aliis ecclesiis intuitu religionis nonnumquam impartiri solemus, hoc pręcipue et Pisanam ecclesiam a nobis impetrare non rennuimus. Unde legatorum Pisanę civitatis, hoc est Petri consulis, clarissimi viri, item Petri vicecomitis nostri atque Tiebaldi iurisconsulti, nostri fidelis, postulationi benignitatis aures accomodantes prędictam sacrosanctam ecclesiam virginis et dei genitricis Marię in nostram defensionem recipimus eique publicarum functionum inmunitatem pia devotione deferimus, quo magis valeat libere divinis ministeriis invigilare divinisque pręceptis obsecundare. Pręcipientes ergo pręcipimus, ut ne ullus vel dux vel marchio seu iudex publicus vel aliqua publica persona ingredi audeat in ecclesias aut villas, loca vel agros seu quaslibet possessiones, quas sub imperio nostro supradicta Pisana ecclesia iam nunc possidet vel habet vel in futurum possidebit vel habebit, neque ad causas audiendas nec ad freda exigenda aut mansiones vel paratas ibi faciendas aut fideiiussores aut homines ipsius ecclesię constringendos, sed nec pręstationes ullas aut illicitas exactiones a quoquam hominum ibidem requirendas aliquo tempore concedimus, sed liceat his, qui vel nunc in eadem venerabili ecclesia divinis ministeriis insistunt vel in futurum in eorum locum succedunt, omnes prędictas ordine res quieto possidere eoque liberius tam pro nobis quam pro totius imperii statu divinam misericordiam exorare. Si quis autem hoc nostrę serenitatis pręceptum contempnere vel in aliquo violare pręsumpserit, sciat se pęnali centum librarum optimi auri obligatione constringi, cuius dimidium nobis, dimidium pręfatę venerandę ecclesię inferant. Ne autem super his omnibus aliqua suboriatur ambiguitas, sigilli nostri impressione pręsens instrumentum iussimus signari.

Signum domni Henrici quarti Romanorum imperatoris invictissimi. (M.9.)

Burcardus cancellarius et Monasteriensis episcopus recognovit.

Data VIII. kal. iulii, indictione VIIII, anno dominicę incarnationis millesimo CXVI, regnante Henrico quinto rege Romanorum anno X, imperante VI; actum est; in Christo feliciter amen.