Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<187.>>

Heinrich bestätigt Gerhard und Wido Cani und ihren Standesgenossen die Jurisdiktion über die Bewohner des Hoflandes der Burgen Cella Monte, Frassinello Monferrato, Fubine und Cuccaro Monferrato, überlässt ihnen die kaiserliche bzw. pfalzgräfliche Gerichtsbarkeit über die dortigen Arimannen und gewährt ihnen den persönlichen Gerichtsstand vor sich oder dem Pfalzgrafen.

San Germano, 1116 (Mai 23) Juni 22.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Notarielles Transsumpt von 1322 Juni 8 (ausgestellt in Tridino in domo domini marchionis auf Bitten des Podestà von Trino, Alinerius de la Sala) im Staatsarchiv zu Turin (B).

Drucke aus B: Moriondo, Mon. Aquensia 1,45 no 33 unvollständig. – Muletti, Memorie di Saluzzo 1,419f. Auszug zu 1116 Mai 23. – Durando in Bibl. stor. subalp. 42,211 no 1 zu 1116 Mai 23.

Reg.: Moriondo a.a.O. 1,642 u. 2,318 no 42. – Savio, Indice del Moriondo, in Rivista di Alessandria 4–9,24 no 100 zu 1116 Mai 23. – Ficker in Wilmans, Add. z. Westf. UB 92 no 116/30 zu 1116 (Juni 22). – Tallone, Reg. dei march. di Saluzzo 4 no 10. – Böhmer Reg. 2055, alle zu 1116 Mai 23. – Stumpf Reg. 3142 zu 1116 (Juni 22).

Verfasst von Notar Adalbert A; Hausmann, Reichskanzlei (66) nimmt das Stück nicht zur Kenntnis. – Dabei benützte der Notar zunächst für den Textrahmen zwei nicht dem Empfänger zuzuordnende, daher von uns mit VL.-Sigle bezeichnete Textvorlagen: Einerseits das von ihm selbst verfasste und geschriebene, knapp 1 Monat ältere D.182 für Menaggio (= VL.II), andererseits aber auch, stellenweise in Gemengelage mit VL.II, unmittelbar dessen Vorurkunde, das DO.I.246 von 962 (= VL.I), u.a. für eine in D.182 fehlende Arenga sowie für die Petitio. – Da zum Zeitpunkt der Herstellung von D.187 sich das Original von DO.I.246 sicher nicht mehr in den Händen des Notars befand, wird man davon ausgehen dürfen, dass er sich davon – vielleicht wie sein Nachfolger, Notar Heinrich, für eine Formularsammlung – eine Abschrift angefertigt hatte; zu einem anderen Fall der Benützung von Vorurkunden fremder Empfänger vgl. übrigens Vorbemerkung zu D.199.

Dem Notar hat aber für die mit den beiden Vorlagen sich weiter nicht berührende Dispositio augenscheinlich noch eine, seitens der Empfänger zur Bestätigung eingereichte direkte Vorurkunde zur Verfügung gestanden; Ficker, Forschungen 2,40 schließt aus der zweimaligen Erwähnung des Pfalzgrafen, dass die erste, den Rechtsvorgängern der Cani gewährte Verleihung spätestens in den Beginn des 11. Jh. gefallen sei; vgl. dazu auch Ficker a.a.O. 1,316 mit Anm. 2. Angesichts dieser zweifellos zutreffenden Feststellung fällt die gewissermaßen anachronistische Nennung eines – anderweitig nicht nachweisbaren – Guido comes palatinus in der Zeugenliste auf; wenn diesem Mann der Titel nur im Hinblick auf dessen Verwendung im Kontext zugelegt wurde, wäre denkbar, dass der Zeuge identisch ist mit dem in D.182 (= VL.II!) genannten Wido vicecomes.

Während wir die Übereinstimmungen mit den beiden Vorlagen im Kontext durch Petitsatz gekennzeichnet haben, ist darauf bei der Datierung verzichtet, weil deren mit VL.II sich deckende Formulierung vollständig Diktat des Kanzleinotars ist, der hier übrigens bei einer der Jahreskennzahlen eine charakteristische Änderung vornahm: Nachdem er seit dem 10. Mai des Jahres, neben richtiger Zählung von Indiktion und Kaiserjahren, kurzfristig auch für die Königsjahre die richtige Zahl XI verwendet hatte (s. DD.174, 175, 182 [vgl. dazu Anm. y’], 183 u. 186), greift er in D.187 wieder auf die falsche Zahl X zurück, die er schon zu Jahresbeginn geboten hatte (s. DD.153, 155, 169), um in der Folgezeit an dieser falschen Zahl X bis zum Jahresende konsequent festzuhalten (s. noch DD.188–*191, 193, 194, 198 u. 199).

Der Handlungsort der drei DD.187–189 ist das ca. 3 km s. Casale Monferrato gelegene frühere Pasiliano, heute San Germano; diese Identifizierung schon bei Stumpf Reg. 3142 mit Verweis auf J 9624 (= JL 15084, Migne, PL 201,1278 no 161: P. Lucius III. von 1184 September 24; dort geht es um die ecclesie site in curia Casalis, darunter: in Paciliano ecclesia sancti Germani), s. auch Darmstädter, Reichsgut 256; die genannten Burgorte liegen auch alle w. und s. San Germano. Demgegenüber lokalisiert Hausmann a.a.O. 66f. no 79 u. 80 die beiden DD.188 u. 189 in das ca. 25 km nö. Mailand gelegene Basiano, anscheinend irregeführt durch einen späteren vermutungsweisen Hinweis bei Stumpf, Zusätze S. 539. Aus dem mit DD.188 u. 189 gemeinsamen Handlungsort ergibt sich auch zwingend die schon von Stumpf vorgenommene Korrektur des falschen Monatsnamens (s. Anm. x’).

Nachdem das Original des von Adalbert A verfassten D.187 womöglich auch, zumal es sich bei den Empfängern um Laien handelte, wie das ältere D.182 (= VL.II) und das nur zwei Tage jüngere D.188 ganz von ihm geschrieben war, zumindest aber die Schrift von Proto- und Eschatokoll wie in dem unmittelbar vorangehenden D.186 von seiner Hand gestammt hatte, verblüffen die gravierenden formalen Mängel der einzigen erhaltenen Überlieferung, die sicher allein dem transsumierenden Notar anzulasten sind und keinen Verdacht gegen die Echtheit des Stückes begründen können; Ficker a.a.O. 2,40 Anm. 3 hält D.187 schlechthin für unverdächtig.

Der Notar des Jahres 1322 hatte offensichtlich größte Schwierigkeiten mit der Lesung der nach dem Brauch des Kanzleinotars in Elongata geschriebenen Partien: In der 1. Zeile sind dadurch die Lesefehler von Anm. a und b zu erklären, und das falsche et semper in der Intitulatio (s. Anm. c), das er garantiert in seiner Vorlage nicht angetroffen hatte, floss ihm mutmaßlich aufgrund seiner Kenntnis zeitgenössischer Kaiserurkunden in die Feder. Die von ihm vielleicht, anders als der Wortlaut der 1. Zeile, für entbehrlich gehaltenen elongierten Unterfertigungszeilen hat er dann wohl wegen seiner Leseschwierigkeiten einfach ganz weggelassen. Das Fehlen der im Original sicher vorhanden gewesenen Zeugeneinleitungsformel (s. Anm. t’), wodurch die Zeugenliste unvermittelt an die Korroboratio anschließt, kann vollends nur durch grobe Nachlässigkeit erklärt werden; übrigens ist die Eröffnung der Zeugenliste durch den Kanzler mit einer der Formulierung der Rekognitionszeilen entsprechenden Titulatur (vgl. z.B. VL.II) sicher nicht als Rest der ausgefallenen Unterfertigungszeilen anzusehen, da dies bedeuten würde, dass die Zeugenliste selbst an unmöglichem Platz zwischen Unterfertigungen und Datierung gestanden hätte.

Dem Notar unterlief auch bei der Lesung der Kontextschrift eine beträchtliche Zahl von Fehlern (vgl. Anm. e, q–u, z, g’, h’, q’, s’, x’), darunter auch zwei leicht emendierbare Namensfehler (s. Anm. h und t’). – Kaum auf einer Verlesung beruht jedoch der Name des 2. Zeugen, Ardicio episcopus (s. Anm. v’), der freilich einer Erklärung größte Schwierigkeiten bereitet: Diesen Namen trug zwar der unmittelbare Nachfolger des als einziger Petent genannten B. Siegfried von Vercelli (1111–1117; am Hofe genannt auch in DD. 183 und 198, ferner früher in dem den ersten Beleg bildenden D.71; vgl. Schwartz, Besetzung 140), der seit 1117/18 amtierende B. Arditio aus dem Hause Bulgaro (vgl. Vorbemerkung zu D.*256), doch unter den zeitgenössischen Bischöfen begegnet niemand mit diesem oder auch nur ähnlich klingendem Namen; der wenigstens einen ebenso anlautenden Namen tragende B. Arpo von Feltre ist immer nur im östlichen Oberitalien am Hofe anzutreffen (vgl. Vorbemerkung zu D.154); man ist daher versucht, an den gerade im Jahre 1116 in engsten Beziehungen zum Hofe stehenden B. Azo von Acqui (zu ihm vgl. D.*191) zu denken, falls Azo eine Kurzform von Arditio bilden sollte.

Über die Familie der Cani liegen keine mittelalterlichen Nachrichten vor; sowohl die Tatsache der Petition durch B. Siegfried von Vercelli als auch der Umstand, dass 1322 der Podestà des je ca. 18 km sw. Vercelli und nw. Casale Monferrato gelegenen Trino am Nordufer des Po das Transsumpt erwirkte, könnte für Ansässigkeit der Familie in dieser Gegend sprechen. Zu den – wie B. Azo von Acqui(!) – dem Hause der Aleramiden angehörenden drei Markgrafen vgl. D.*191. – Zum Fodrum (de castellis) und dessen Verbindung mit Arimannen vgl. Brühl, Fodrum 1,554 mit Anm. 549; ebenda 667 Anm. 440 zur hiesigen salva-Klausel.

In nomine sancte et individue trinitatis. Henricus divina favente clemencia quartus Romanorum imperator augustus. Iustis et rationabilibus nostrorum fidelium peticionibus assensus prebentes ideo fideliores eos in nostro servicio fore minime titubamus. Proinde cunctorum fidelium sancte dei ecclesie nostrorumque, presentium videlicet ac futurorum, noverit industria Sifredum dilectissimum nostrum Vercellensem videlicet venerabilem episcopum nostram humiliter exorasse clemenciam, quatenus Girardo et Guidoni Cani suisque eiusdem honori[s] consortibus omnem honorem et districtum omnium hominum habitancium in curte castrorum Cellarum ac Fraxonelli necnon et Fibinarum atque Cucari nostra imperiali auctoritate confirmare dignaremur. Cuius peticionibus annuentes et supradictorum consortum fidelitatem intuentes prenominatum districtum et honorem, sicut superius legitur, eisdem consortibus per huius nostri precepti paginam, prout iuste et legaliter possumus, concedimus et confirmamus et de nostro iure et dominio in eorum ius et dominium omnino transfundimus et delegamus, ut omnia supradicta tam ipsi quam sui heredes habeant et teneant atque possideant. Largimur insuper et huius nostre auctoritatis precepto confirmamus, ut iamdictis consortibus omnes arimanni, qui in curte vel districtu predictorum castrorum morantur, nostra imperiali auctoritate ad eorum conveniant placitum et ita per legem et pugnam omne placitum tam ipsi quam sui heredes ante se diffiniant, quemadmodum ante nostram presenciam vel nostri comitis palatini facere debuerant, omni ratione imperiali salva existente. Precipiendo itaque iubemus, ut nullus dux, marchio, comes, vicecomes, sculdaxio, gastaldus, decanus vel quelibet regni nostri magna persona vel parva predictos consortes aut suos heredes aut supradictos arimannos inquietare vel molestare aut de suis prediis disvestire aut in personas manum mittere presumat nec adsaltum super eos facere, non fodrum tollere, non fictum querere, non mansionaticum potestative accipere audeat, sed liceat eos sub nostra defensione quiete ac pacifice vivere omnium hominum contradicione remota. Hoc eciam iubentes interdicimus, ut nec dux, marchio, episcopus vel comes supradictos consortes aut suos heredes cum aliqua violencia ad suum placitum deducere aut invitare presumat, sed si aliqua lis aut contemptio orta fuerit inter eos et quemlibet alium hominem de qualibet re, volumus, ut iuste diffiniatur ante nos vel ante nostrum comitem palatinum. Si quis autem, quod non credimus, huius nostre confirmationis et concessionis atque defensionis [paginam] auctoritate sua temerarie ausus infringere temptaverit, sciat se compositurum auri optimi libras centum, medietatem camere nostre et medietatem iamdictis consortibus suisque heredibus. Quod ut verius credatur diligenciusque ab omnibus observetur, presentem paginam manu propria roborante[s] sigilli nostri impressione inferius insigniri iussimus. Burcardus canzelarius et episcopus, Ardicio episcopus, Guido comes palatinus, Bonifacius marchio, Anselmus marchio, Raynerius marchio.

Data X. kl. iunii, indicione nona, anno dominice incarnationis MoCXVI, regnante Henrico quinto rege Romanorum anno decimo, imperante VI; actum est Paciliani; feliciter amen.