Originalplacitum (ca. 16/17 b : 56,5/58 h) im erzbischöflichen Archiv
zu Ferrara (A); Rückvermerk des 13. Jh.:
Car. Melarie.
Teilfaks.: Spagnesi, Wernerius tav. VII. – Schlögl, Unterfertigung Taf. XXXIX u. XL Abb. 23a–c.
Dr. aus A: Muratori, Ant. Ital. 12,945, 26,330 zu 1117 = Ricci, I primordi 85 no
28 zu 1117 Mai 15. – Spagnesi
a.a.O. 68 no
8. – Marzola, Le carte Ferraresi 1,254 no
91 zu 1117 Mai 12.
Reg.: Visi, Notizie stor. di Mantova 2,239f. zu 1116. – Hübner, Gerichtsurk. 2,214 no
1568 zu 1117 Mai 13. – Indices … Muratorii
37 no
792 zu 1117 (1116) Mai (13). – Ricci
a.a.O. 48 no
28 zu 1117 Mai 15. – Spagnesi
a.a.O. 12 no
8. – Franceschini, Giurid. episc. e comunità rurali altopolesane 66. – Stumpf
Reg. 3139 zu 1116 Mai (13).
Das schmale Pergamentblatt hat eine stark geschweifte Form mit
konkavem linken und konvexem rechten Rand, die untere linke Ecke ist
rund zugeschnitten. Für die ganze Urkunde einschließlich des
Eschatokolls wurde eine sehr ähnliche und womöglich überall
identische, sehr helle gelblichbraune Tinte verwendet; in der 1. Zeile
der Unterfertigung des
Obertus wirkt die Tinte etwas kräftiger, erscheint in der 2. Zeile aber wieder
völlig identisch mit der des Kontextes; wenn die Kreuzbeischrift sowie
die Unterschriften Werners und Ubalds im Ton geringfügig differieren,
erklärt sich dies wohl aus der Verwendung von Federn jeweils
unterschiedlicher Breite.
Zur eigenhändigen Eintragung von Kreuz und Beischrift (s. Anm. s und
u) durch den Kaiser vgl. Schlögl
a.a.O. 168ff. sowie das Merkmalsprotokoll 12 (S. 256f.). Bei der
Deutung des
.R. in der Beischrift (s. Anm. t) gibt Schlögl
(ebenso Marzola) der Auflösung
R(ex) den Vorzug gegenüber
R(omanorum), offensichtlich in Analogie zu dem
.R. von D.177, das dort aber nicht in einen Beischrift-Text eingebunden
ist. Es kann jedoch kein Zweifel an der auch von Muratori
und Spagnesi
gewählten Lesung
R(omanorum) bestehen, denn dies allein entspricht dem herkömmlichen Wortlaut der
Kaiserunterschriften, wie ein Blick auf Schlögls eigene Tabelle 1 (S. 210ff.) zeigt (vgl. als ältestes Beispiel no
8 = O.III. von 998, ferner no
9, 14, 19–23, 31–33, 35, 36), und erscheint auch in der Unterschrift
Heinrichs V. in D.168.
Mit der Fehldeutung des
.R. hängt vermutlich ursächlich ein anderes Missverständnis zusammen: Schlögl
(a.a.O. 171 u. 213) war offensichtlich der Auffassung, die Beischrift
sei in der Reihenfolge, wie sie sich im Original präsentiert (imPerator Aūḡ. † .H. dei gracia .R.), unter “Auseinanderreißen des Titels” zu Pergament gebracht worden.
Der Kaiser hat jedoch mit Sicherheit, wie das sowohl bei
Unterschriften als auch bei notariellen Beischriften allgemein üblich
ist, mit seiner Unterschrift rechts neben dem Kreuz begonnen;
angesichts des extrem schmalen Pergamentblattes, verbunden mit der
Position des Kreuzes in der Mitte des Schriftblockes, wie es sonst nur
noch in D.214 begegnet (vgl. Schlögl
a.a.O. 168), während es sonst am Zeilenbeginn steht, sowie der sehr
großen Schrift konnte Heinrich hier jedoch nur den ersten Teil
.H. bis
.R. unterbringen, wonach bis zum rechten Rand nur noch 1,5 cm freiblieben,
wich dann für die Fortsetzung, für die auch darunter in einer neuen
Zeile Platz vorhanden gewesen wäre, auf den freien Zeilenbeginn links
vor dem Kreuz aus.
Im Druck haben wir uns dafür entschieden, statt die Beischrift der
Intention gemäß mit dem Kreuz zu eröffnen, wie es Muratori
(und Ricci) tut – mit richtiger Umstellung der beiden Beischrift-Teile und
Eröffnung mit
Heinricus –, die Mittelposition des Kreuzes beizubehalten und nur die Stellung
der beiderseitigen Teile der Beischriftzeile auszuwechseln, wohingegen Spagnesi
und Marzola
den Befund der Vorlage unverändert übernehmen. – Im übrigen ist Schlögls
Vermutung (a.a.O. 171 Anm. 144) zuzustimmen, dass die trotz etwa
doppelter Größe der Buchstaben entfernte Ähnlichkeit der Beischrift
mit der Schrift des Notars Obertus sich am einfachsten mit der Annahme
erklärt, dass der Kaiser einen vom Notar vorgelegten Text – der ohne
Zweifel die von uns hergestellte richtige Reihenfolge aufwies –
nachzeichnete. – Für Stumpf, der nur Muratoris Druck mit der von den meisten Späteren (s. noch Goez, Urk. Mathildes no
45 mit 1117 Mai 2 nach Marzola) übernommenen falschen Jahreszahl 1117 kannte, ergab sich das
richtige Datum aus dem Itinerar des Kaisers (s. D.173ff.) in
Verbindung mit der Wochentagsangabe des Textes.
Zur Geschichte der
curtis Melara vgl. Franceschini
a.a.O. 56ff., s. auch Spagnesi
a.a.O. 69f. Anm. 2f. Deren Besitz wird dem Kloster San Salvatore zu
Pavia seit dem DO.II.281 von 982 (Neudruck nach dem Original bei Colombo
in Bibl. della soc. stor. subalp. 130 no
1:
cortis Melaria) in den Diplomen bis zum DH.IV.291 von 1077, dann erst wieder in
DO.IV von 1210 April 27 (B.-Ficker
Reg. 389; vgl. DF.I.*1134) regelmäßig bestätigt; in den
Papstprivilegien für San Salvatore erscheint die ausdrückliche Nennung
Melaras, nach vorherigen pauschalen Besitzbestätigungen, erstmals in
dem Privileg P. Eugens III. von 1145 April 22 (JL 8738; It. pont.
6.1,206 no
12) innerhalb der Enumeratio, wobei dann auch drei zugehörige Kirchen
genannt werden. Die in unserem Text erst sehr spät genannte
cella sancti Stephani (Z. ■) hat ihre terminologische Entsprechung erst in dem Privileg P.
Urbans III. von 1186 Mai 17 (JL 15612; It. pont. 6.1,207 no
15):
curtem Melarie cum plebe sancti Michaelis et cella sancti Stephani et
capella sancti Martini et omnibus pertinentiis (zu den Patrozinien s. Franceschini
a.a.O. 59f.).
Gegen Übergriffe der canusinischen Ministerialen aus dem ca. 5 km w.
Melara gelegenen Révere war die Markgräfin Mathilde, bei deren
Erwähnung im Text das nackte
comitissa ohne einen Zusatz wie etwa
bone memorie verwundert, bereits in einem Placitum von 1106 Januar 9 vorgegangen (Goez
a.a.O. no
93; Teilfaks. bei Steffens, Lat. Pal. Taf. 164a, Vollfaks. Taf. 278; vgl. Spagnesi
a.a.O. 70 Anm. 3 und Franceschini
a.a.O. 65f.), an dem auch von den in D.178 genannten Personen Ubald
als einziger Richter und Sasso von Bianello mitgewirkt hatten; auf
Klage des
frater Liutharius, prior curtis Melarię, ex parte domni Iohannis
sancti Saluatoris de Papia venerabilis abbatis (eine eindeutige Formulierung gegenüber dem leicht irritierenden
Wibertus prior de curte Melara sancti Saluatoris unseres Textes), hatte sie auf Gewohnheitsrecht (iuste ac usualiter absque omni redditu) sich stützende Ansprüche der
homines nostri de Réveri auf Schweinetrieb, Eichel- und sonstige Weiderechte
per totam silvam curtis Melarie zurückgewiesen; die dortige Grenzbeschreibung der
silva berührt sich übrigens nur in einigen Punkten mit der umfangreichen
Beschreibung des
fundus Melara in einer der drei Urkunden der Kaiserin Adelheid für San
Salvatore von 999 (Colombo
a.a.O. 31 no
3; s. Franceschini
a.a.O. 56).
Zur dem Kaiser brieflich vorgetragenen Klage der
consules von Pavia wegen Übergriffen des kaiserlichen
missus Sigefridus auf drei Höfe von San Salvatore, darunter Melara, vgl. D.*322 (s. auch Spagnesi
a.a.O. 70 Anm. 3). – Zu einigen der in D.178 genannten Personen vgl. Spagnesi
a.a.O. 69 Anm. 1. Den unterfertigenden kaiserlichen
iudex Obertus hält Goez
für identisch mit dem
Obertus iudex, der eine Urkunde der Markgräfin Mathilde von 1095 (a.a.O. no
43) fertigte.