Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<177.>>

Heinrich schenkt dem Kloster San Benedetto Po den Wald von Solamme mit einem angrenzenden Teil des Waldes von Carpeneta und dem Kloster San Benedetto zu Gonzaga dortigen Grundbesitz.

Governolo, 1116 Mai 12.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original-Notariatsurkunde (ca. 41,5/44,5 b : 49/51 h) im Staatsarchiv zu Mailand (A); Rückvermerk des 12./13. Jh. (teilweise unleserlich): … de silva de Capeneta[!] et de Solamme …; 15. Jh.: Donatio facta per Henricum quartum mon. sancti Benedicti de una insula[!], que vocatur de Solamme, et de una parte iuxta eam, que dicitur silva de Carpaneta …

Faks.: Spagnesi, Wernerius tav. VI. – Teilfaks.: Schlögl, Unterfertigung Taf. XXXVII u. XXXVIII Abb. 22a–d, ferner Taf. XLV Abb. 26 nach Kopie des 12. Jh.

Drucke: Muratori, Ant. Ital. 11,601; 22,269 = Scheid, Orig. Guelf. 1,655 no 121. – Ricci, I primordi 81 no 24. – Aus A: Torelli, Reg. Mantov. 1,123 no 172 Auszug = Sissa in Civiltà Mantovana 3,341 no 1. – Spagnesi a.a.O. 63 no 7. – Rinaldi-Villani-Golinelli, CD Poliron. 290 no 95.

Reg.: Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,502 no 6. – Indices … Muratorii 87 no 791. – Ricci a.a.O. 47 no 24. – Spagnesi a.a.O. 12 no 7. – Böhmer Reg. 2053. – Stumpf Reg. 3138.

Zu den äußeren Merkmalen dieser im Stil der canusinischen Notariatsurkunden (s. Overmann, Mathilde 216ff.) verfassten Urkunde, deren eigenhändige Unterfertigung durch Heinrich außer dem Kreuz auch das schwer deutbare .R. einschließt (s. Anm. t’), vgl. Schlögl a.a.O. 164ff.; in CD Poliron. ist das Original unverständlicherweise als “copia semplice” bezeichnet und zusätzlich fälschlich behauptet, Pivec in MÖIG 51,28 bewerte D.177 als Fälschung, offensichtlich eine Verwechslung mit dem von Pivec anschließend (a.a.O. 28ff.) behandelten D.†262 (St. 3195).

Die gewählte Urkundenform, die Person des Notars Dominicus (zu ihm und seinem schlechten Latein vgl. D.168) als deren Urheber und schließlich auch der Ausstellort, die dem Kloster gehörige und diesem benachbarte Burg Governolo (s. D.173), machen aus D.177 gewissermaßen eine Empfängerausfertigung. Diese Bewertung wird dadurch untermauert, dass für das Diktat offensichtlich eine klösterliche Vorurkunde benutzt ist. Gerade angesichts der sonstigen starken Formalisierung von Notarsurkunden kann nämlich kein Zweifel daran bestehen, dass der Notar auf die – von ihm selbst geschriebene – Urkunde Mathildes für San Benedetto von 1114 Juni (Goez, Urk. Mathildes no 133 = VU.) zurückgegriffen hat, wie die durch Petitsatz gekennzeichneten Stellen zeigen. Verwiesen sei, außer auf den von dort übernommenen Wechsel von Aussteller-Singular zu Plural, nur noch auf die Verwendung einer Inskriptio, wie diese unter den von Dominicus geschriebenen Urkunden nur in diesen beiden Stücken begegnet. Eine Stelle liefert nun den eindeutigen Beweis dafür, dass die Übereinstimmungen nicht auf der Stilisierung durch den identischen Urheber, sondern auf direkter Benutzung beruhen: Während der Notar von zwei vobis-Anreden der klösterlichen Empfänger in der Vorurkunde die erste gedankenlos übernimmt (s. Anm. m’), ändert er dies an der zweiten Stelle in die auch sonst verwendete objektive Form eidem æcclesiæ (s. Anm. n’).

In D.177 präsentiert sich ein ganz einzigartiger Text, insofern nicht nur in einer einzigen Urkunde zugunsten zweier verschiedener Empfänger geurkundet wird, sondern dies in der Weise, dass jedem eine separate Dispositio gewidmet ist und erst an der Nahtstelle zwischen beiden die in der stereotypen Formulierung des Notars gehaltene Arenga (zu dieser vgl. Overmann a.a.O. 218 sowie Hessel in NA 31,468f.) geboten wird.

Die zusammenfassende Beurkundung hat ihren Rechtsgrund darin, dass der zweite Begünstigte, das canusinische Kloster Gonzaga, ein Eigenkloster von San Benedetto Po war (s. D.78 mit Anm. 15; vgl. It. pont. 5,410f.) und dessen Abt auch von Mathilde die Leitung von Gonzaga erhalten hatte (vgl. die undatierte, von Goez no 68 zu [1101?] eingereihte Urkunde Mathildes; CD Poliron. no 92 zu vor 1115 Juli 24); dementsprechend erscheint denn auch der Abt von San Benedetto Po als Empfänger einer Mathilde-Urkunde von 1110 für Gonzaga (Goez no 122): ubi nunc donnus Albericus abbas preesse videtur. Da Gonzaga deshalb vielleicht kein eigenes Archiv besaß, bedurfte es dann auch keiner gesonderten Ausfertigung des D.177 für dieses; gegen die Vermutung von Schlögl a.a.O. 164 Anm. 127, die von D.177 erhaltene gleichzeitige Nachzeichnung sei für Gonzaga bestimmt gewesen, spricht deren Überlieferung durch das Archiv von San Benedetto.

Der 1109–1123 belegte (s. CD Poliron. no 72, 74, 81, 99, 102, 105) Prior Ubert, der schon einmal im Jahre 1109, d.h. während der Amtszeit des damaligen und jetzigen Abtes Alberich (1101–1119; s. obige Urkunde von 1110), wie hier Adressat einer Urkunde Mathildes für San Benedetto Po gewesen war (Goez no 120; CD Poliron. no 74), hatte unter Alberich, der anscheinend häufig krank war (s. Spagnesi a.a.O. 65 Anm. 2), offenbar eine bedeutende Stellung und nach dessen Tod, vielleicht aber schon vorher, womöglich die eigentliche Leitung des Klosters inne (vgl. CD Poliron. 306 Anm. 4), da Alberichs Nachfolger, Abt Hermann († 1124 Nov.; vgl. CD Poliron. 326 Anm. 4) erstmals im Jahre 1123 als Empfänger des D.†262 sowie des Privilegs P. Calixts II. von 1124 Juni 1 (CD Poliron. no 108) begegnet (letzter Beleg in CD Poliron. no 110 von 1124 Juli 5; vgl. It. pont. 7.1,335 no 23); Spagnesi a.a.O. sieht in der Stellung Uberts als Prior sicher zu Recht den Grund dafür, dass das nur dem Abt zustehende preesse der Vorurkunde (s. Anm. c; vgl. auch obiges Zitat aus der Urkunde von 1110) hier durch adæssæ ersetzt ist.

Die Waldschenkung an San Benedetto muss, was Solamme angeht, einerseits unweit des Klostergebietes selbst (vgl. die Angabe der Ostgrenze: a mane sancti Benedicti), andererseits in der Nähe der abgegangenen, ebenfalls dem Kloster gehörigen Siedlung Villula gesucht werden (zu deren nicht absolut sicheren Identifizierung vgl. D.78 Anm. 17).

Einige der in D.177 genannten, nicht bestimmbaren Siedlungs- und Geländenamen begegnen in der die obige geographische Zuweisung unterstreichenden Urkunde Mathildes von 1105 Dezember 30 (Goez a.a.O. no 92; wiederholt 1109 März 17 = Goez no 112) über die Schenkung ihrer Rechte an der insula sancti Benedicti (s. DD.78 u. †262) und an Villola (anschließend an die Grenzbeschreibung der Benediktsinsel; Übereinstimmungen gesperrt): Villola habet a mane fines aggerem [Fiorentini-Mansi, Mem. de la gran contessa Matilda 215 liest argenem!] antiquum, a sera silvam, quę dicitur Castagnola, et silva Solamen et Carpeneta et sicut percurrit rivolus usque in Piscarolam, a meridie fossa Piscarola usque in Perotolam [1109: Perotolum], a septentrione fluvium Padi [zu Po-Nähe vgl. das insula des Rückvermerks!] et in parte terra sancti Benedicti.

Die silva de Carpeneta (zu dieser vgl. auch die Schiedsurkunde von 1125 Dez. 19, Spagnesi no 14 mit Anm. 1)ist etwas weiter südlich in Richtung des ca. 7 km sw. San Benedetto gelegenen Pegognaga zu suchen; vgl. das D. Heinrichs VI. von 1194 Juli 1 (B.-Baaken Reg. 357; Druck: Stumpf, Acta imp. 268 no 193): quicquid … Lotharius imperator … dedit … in curte Pigognagae ac eius confinio, videlicet omnes boscos et silvas, Carpinetam, Spinetam, Saccam de Petreta et Saccam de Tazeta [Sacca com. Pegognaga liegt halbwegs zwischen Portiolo und Pegognaga] et Secchetam (da in den konkreten Angaben, u.a. mit namentlich genannten nuncii, weit über das bestätigte DLo.III.76 von 1135 [B.-Petke Reg. 458] betr. Pigugnaga hinausgehend, muss ein Deperditum Lothars III., evtl. ein Einweisungs-Mandat, angenommen werden); zu Pegognaga und seinen Wäldern vgl. Sissa a.a.O. 322.

(SN.) Anno ab incarnatione domini millesimo C. sesto X, duo X. die ingredientæ mensæ mad., inditione nona. Sancto monasterio iusta Larionem in onorem sancti Benedicti consecrato, cui Ubertus prior adæssæ videtur. Ego quidem in dei nomine Henricus quartus dei gratia Romanorum imperator augustus dono et offero ęidem monasterio ad eius ius et proprietatem scilicet silva una, que nominatur de Solamme, et una partæ iusta eam, que dicitur silva de Carpeneta; finesque sunt ei: a mane sancti Benedicti, ab aliis lateribus, sicut vadit stradam de Uurlo, sicut vadunt campi de Sergnano et Argenem, sicut vadit Regisa, que exit de Solame et intrat in Petrosam et intrat in vallem Pudiosam et intrat in vallem Bertaldi et intrat in vallem Lameleda et intrat in Risisam de Nido Aquile et a Risisa in Riolum, ut iamdictum monasterium ab hac die inantea faciant proprietari (!) iiure (!) in usum et sumptum monachorum, qui in eadem æcclesia militant et qui militaturi sunt, usque in perpetuum, quicquid voluerint, sine omni mea et heredum meorum contraditione. Quisquis in sanctis hac in venerabilibus locis ex suis aliquid contulerit rebus, iuxta auctoris vocem in hoc seculo centuplum accipiet et insuper, quod melius est, vitam possidebit eternam. – Ideoque ego suprascriptus imperator similiter dono et offero æcclesiæ sancti Benedicti do (!) Gonzaga braida una iuris mei posita in eodem loco Gonziacha cum casa camparii super eam habente et hoc, quod tenet ex mea parte; finesque sunt ei: a mane tenet Milo – filii: Adam, Gunbo –, a meridie Petrus Cottus, a sera tenet Rotecherius de Gonziaga, de subto Albricus Cocus. Hoc, quod in hos fines inventum fuerit, in hanc car(tulam) permaneat, ut iamdictæ æcclæsiæ faciant cum superioribus et inferioribus, cum finibus et accæssionibus suarum in integrum, quicquid voluerint, proprietari (!) iure sine omni mea et heredum meorum contraditione, pro mercæde et remedio animæ mææ et comitissæ Matildis. Et insuper comprehensum est ab omni contradicentæ homine defenderæ, et si defendere non potuerimus aut si vobis exinde aliquid per quodlibet ingenium subtraere quesierimus, tunc in duplum suprascriptas res, ut supra legitur, eidem æcclesiæ restituere, sicut pro tempore fuerint meliorate aut valuerint sub exstimatione in consimilibus locis. Actum in loco Gubernule; feliciter.

Huius cartule offersionis fuerunt testes: Conradus comes et Albertus comes de Saploneta, Ardoinus de Palude, Arnaldus Aquensis prepositus, Uuarnerius iudex et Ubaldus iudex, Amedeus, Oppizo de Gonciaga, Gerardus et Rolandus, massarii, atque Paganus, Ugo et Lodoicus de Gubernule et plures alii.

+.R.

Ego Wernerius iudex affui et subscripsi.

(+) Ego Vbaldus iudex interfui et subscripsi.

(SN.) Ego Dominicus sacri palacii notarius scripsi et subscribendo complevi ex iussione suprascripti imperatoris.