Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<162.>>

Unter Vorsitz Heinrichs wird im Königsgericht auf Klage von Äbtissin und Vogt von Santo Stefano (in der Vorstadt von Padua) das Kloster in die durch Ubert von Fontaniva entfremdeten Güter zu Cacichognaha und in die von den consortes zu Sarmazza verwehrte Nutzung der communia und aller sonstigen Rechte restituiert und über alle Besitzungen des Klosters der Königsbann gelegt.

Im Bischofspalast zu Padua, 1116 März 18.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Originalplacitum (ca. 17,5/18,5 b : 35 h) im Staatsarchiv zu Padua (A); Rückvermerk des 13. Jh.: Carta de terra de Caciguiaga; andere Hand: n[ot]ic(ia) in qua ser i[m]perat(or) Heinricus supra Vbertvm de ....nga de terra de Caciguignaga (in beiden Vermerken nicht sicher zu entscheiden, ob Cacigui- oder Cacigni- zu lesen ist); 14. Jh.: Sermaza.

Faks.: Spagnesi, Wernerius tav. II. – Teilfaks.: Schlögl, Unterfertigung Taf. XXXIV–XXXVI Abb. 21a–h. Drucke: Orsato, Hist. di Padova 287, angeblich aus dem Original (“sentenza autentica”), tatsächlich aber aus unbekannter Kopie, zu April 15 (lässt das kl. aus und liest, wie der “Libro d’oro” von 1324 [zu diesem vgl. das Empfängerverzeichnis], der jedoch auch nicht die Vorlage war, quintodecimo aprilis). – Dondi dall’Orologio, Dissertazione 4, app. 62 no 51 “Ex Tabulario s. Stephani”, unvollständig. – Böhmer, Acta imp. 73 no 79 aus Orsato und Dondi. – Aus A: Gloria, CD Padov. 2.1,65 no 79. – Ricci, I primordi 77 no 20. – Spagnesi a.a.O. 43 no 3.

Reg.: Ricci a.a.O. 46 no 20. – Hübner, Gerichtsurk. 2,213 no 1563. – Pinton, CD Saccense 16 no 119. – Jaksch, Mon. duc. Carinthiae 3,225 no 558. – Klaar, Eppensteiner in Kärnten 67 no 92e. – Spagnesi a.a.O. 11 no 3. – Stumpf Reg. 3132.

Zum äußeren Erscheinungsbild des Eschatokolls (s. Anm. w–a’) vgl. Schlögl a.a.O. 161ff., speziell zu Heinrich als Urheber des Kreuzes samt der befremdlichen Beischrift Hec cus a.a.O. 163f. – Brunacci, der in seiner Abschrift in Ms. 581 der Bibl. del seminario vescovile zu Padua, tom. 3 f. 1721 das ganze Eschatokoll exakt nachzeichnet, liefert in einer Anmerkung zu dem Hec cus sozusagen eine Zusammenfassung der dafür in der Literatur alternativ angebotenen Deutungen (vgl. Spagnesi a.a.O. 44 Anm. b): “hec crux o hn̄ricus abbreuiat.”.

Eine Deutung als Verschreibung des eigenen Namens (Orsato druckt HENRICVS ohne Kreuz), wie sie noch Schlögl a.a.O. 164 ohne weiteres vertritt, erscheint uns völlig ausgeschlossen; die andere denkbare Interpretation, nämlich als abgebrochene, mit Hec crux (so Dondi; Böhmer mit Klammer-Ergänzung) zu eröffnende Beischrift in ähnlicher Formulierung wie in D.154 (der dortigen Formulierung entspricht die Ergänzung bei Böhmer), ist sicher die einzig richtige, bedarf aber wohl einer Erläuterung: Wäre von Anfang an eine eigenhändige Beischrift des Kaisers in etwa gleichem, in subjektive Fassung gewendetem Umfang wie in D.154 vorgesehen gewesen, hätte man ihm für deren Wortlaut sicher eine schriftliche Vorlage angefertigt; in diesem Falle aber wären weder die falsche Schreibung noch die Unvollständigkeit verständlich. Uns will vielmehr scheinen, dass der Kaiser sich spontan entschloss, nach dem Einzeichnen des Kreuzes die Feder nicht aus der Hand zu geben, und einen Schreibversuch nach Diktat des Notars unternahm; als er bei dem unter den Augen des Notars erfolgten Versuch von diesem auf die nur durch Hörfehler erklärliche Verschreibung bei cus statt crux hingewiesen worden war, wird er das ersichtlich fehlgeschlagene Bemühen gewissermaßen enttäuscht aufgegeben haben, und danach hätte sich niemand für befugt gehalten, eine Korrektur und Ergänzung des kaiserlichen Schreibversuches vorzunehmen!

In dem Vbertus infans aus dem ca. 27 km nw. Padua gelegenen Fontaniva (b. Cittadella) darf man wohl einen Sohn des in zwei in Padua ausgestellten Placita Heinrichs IV. von 1090 und 1095 (DDH.IV.415 u. 444) genannten Ubertus de F. sehen.

Die beiden Orte, an denen das Kloster Rechte geltend machte, begegnen auch in dem Privileg des Gegenpapstes Clemens III. von 1091 (JL 5332a; It. pont. 7.1,186 no 1; Gloria, CD Padov. 1,331 no 306: … in Sarmatia III mansos, et quicquit … habet in villa, que vocatur Kazuignago seu Vico Altigeri seu Vico Arzeri = Altichiero u. Vigodarzere ca. 5–6 km n. Padua). Zu deren Identifizierung vgl. Spagnesi a.a.O. 48 Anm. 21f.: Sarmazza sinistra (com. Vigonovo; auf der Karte Glorias in CD Padov. 2 als Sermazza ca. 6 km ö. Padua verzeichnet); der andere Ort, dessen Schreibung im Clemens-Privileg derjenigen der Abschrift von D.162 im Libro d’oro (Chaziuiiaga) und in den Rückvermerken (s.o.) ähnelt und der im Paduaner Zehntverzeichnis von 1297 (Studi e Testi 96,152 no 1711, dort hinter Noventa u. S. Vito und vor Meianiga, Altichiero u. Vigodarzere) mit der Schreibung Cazaviglaga (mit Stephanus-Kirche) erscheint, ist in der Nähe des ca. 5 km ö. Padua gelegenen Cadòneghe zu suchen.

Von den drei in D.162 erstmals am Hof genannten iudices sind zwei, von denen Ficker, Forschungen 3,155 ohne weitere Anhaltspunkte Herkunft aus der Mark Verona vermutet, nur kurz tätig: 1) Taruisius (in D.163: Triuisanus) lediglich in den drei in Padua ausgestellten Placita DD.162–164; 2) der während des Paduaner Aufenthaltes sonst nicht tätige Iohannes könnte, wegen dessen Herkunft aus dem ca. 20 km s. Padua gelegenen Monsélice, mit dem sonst nicht nachweisbaren (s. Spagnesi a.a.O. 98 Anm. 1) Iohannes Monsilicanus iudex des in Treviso ausgestellten D.214 von 1118 August 1 identisch sein, der dort zusammen mit den schon seit Heinrichs frühesten Placita (s. Vorbemerkung zu D.154) genannten und auch in Padua anwesenden Richtern Azo (s. DD.163 u. 164) und Aicardus (außer D.162 noch in D.164) amtiert, die in D.214 wie er mit den sonst meist weggelassenen Herkunftsnamen versehen sind.

Der dritte ist der bis in die Neuzeit als Begründer der Rechtsschule von Bologna angesehene “Irnerius”; diese Rolle, die ihm z.B. noch P. Weimar in seinem Artikel “Irnerius” in Lex. d. MA 5,663 zugesteht, unterwirft neuestens J. Fried in Festschr. Goez 171ff. einer Art “Entmytologisierung”. – Entgegen der in der Literatur bevorzugten, frühestens im späteren 12. Jh. aufgekommenen und letzlich unerklärlichen (vgl. zuletzt Fried a.a.O. 173 Anm. 13, 175 mit Anm. 21 u. 195, ferner G. Grebner ebenda 205) Namensform Irnerius verwendet er in seinen eigenhändigen Unterfertigungen stets die auch von Spagnesi im Titel seiner Monographie übernommene Schreibung Wernerius (nur in D.213 Gernerius, s. Spagnesi a.a.O. 109 Anm. 1); in dem nur als italien. Regest überlieferten D.*195, wo er (unter richtiger Wiedergabe der lat. Vorlage?) als giudice del sacro palazzo bezeichnet ist (vgl. Spagnesi 155), wird sein Name mit Guarnerio wiedergegeben. Zu seiner Benennung nach Bologna vgl. außer den weiter unten gebotenen Nachrichten noch DD.168, 173, 178.

Wernerius zählt fortan zum ständigen Gefolge Heinrichs während des ganzen 2. Italienzuges vgl. noch DD.163, 164, 168, 173, 177–179, *195, 213, 214; bei Spagnesi, für dessen Darstellung diese Urkunden die wichtigsten urkundlichen Belege liefern, fehlt davon das an entlegener Stelle als Abschrift des 18. Jh. überlieferte und bisher ungedruckte D.163.

In der ohnedies urkundenarmen Zeit zwischen D.*195 von 1116 Okt. 19 und D.214 von 1118 August 1 fehlen zwar urkundliche Erwähnungen am Hof, auf ihn zu beziehen ist womöglich jedoch der dominus Guarnerius des D.*209 von 1117. Außerdem aber war der magister Guarnerius de Bononia der einzige namentlich Genannte der plures legis periti, die im März 1118 das Volk von Rom mit rechtlichen Argumenten zur Wahl des Gegenpapstes Gregor VIII. (Burdinus) bewegten (vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 7,64ff. mit Anm. 19; die betr. Stelle aus der Historia Mediolanensis des Landolfo di S. Paolo bei Spagnesi a.a.O. 132), was ihm schließlich am 30. Oktober 1119 auf dem Konzil von Reims, zusammen mit Heinrich selbst und seinen wichtigsten Anhängern, die namentliche (Gwarnerius Bononiensis legis peritus) Exkommunikation eintrug (vgl. D.222; s. Spagnesi a.a.O. 11 u. 142). – Zur Wertung des Verhältnisses zwischen Heinrich und Wernerius vgl. Spagnesi a.a.O. 132–143. Fried in Viator 21,137 (nochmals in Festschr. Goez 187) hält für möglich, dass Wernerius, dem nach seiner Beteiligung an der Erhebung Gregors VIII. “der Boden in Italien zu heiß” geworden sein könnte, im Schutz des Kaisers nach Deutschland gekommen und erst später (spätestens 1125, vgl. unten die Urkunde vom 10. Dezember dieses Jahres) nach Italien zurückgekehrt war; für die an beiden Stellen als “stärkstes Argument” (Festschr. Goez S. 187) für diesen Aufenthalt in Deutschland geltend gemachten, auf Wernerius zurückgeführten “schwachen Spuren des gelehrten Rechts in der deutschen Kanzlei Heinrichs V.” fehlt der gesicherte Nachweis (vgl. dazu Vorbemerkung zu D.219.

Die Behauptung Hessels in NA 31,470, die Verwendung von öffentlichen Notaren durch Heinrich V., also die Beurkundungsweise in Gestalt von Placita, gehe “sicherlich” auf des Wernerius Veranlassung zurück (s. auch Meyer von Knonau a.a.O. 5 Anm. 8), die so noch bei Spagnesi a.a.O. 157 wiederkehrt, ist angesichts der Serie von Placita seit D.154 natürlich nicht haltbar. – Andererseits ist an seiner herausragenden Rolle im Königsgericht nicht zu zweifeln: Solange der seit dem D.154 regelmäßig in den Placita genannte Teuzo bei Heinrich weilt (bis D.164), führt dieser die Richterliste an, Wernerius aber wird immer wie hier an der 2. Stelle genannt (s. noch D.164; dieselbe Stellung dürfte auch für D.163 anzunehmen sein, wo seine Nennung in der Richterliste wohl nur aus Versehen fehlt und er umgekehrt, weil Teuzo nicht mitsubskribiert, die Subskribentenreihe eröffnet). Nach Teuzos Ausscheiden steht dann Wernerius, im Kontext und in den Subskriptionen, regelmäßig an der Spitze der Richterlisten, vgl. DD.168, 173, 177, 178, *195 (erster von zwei unter den presenti genannten Richtern) und 214; in D.213 (ohne Richterliste im Kontext) ist er der einzige Subskribent, und das Diplom-Konzept des D.179 trägt nach dem Kanzler seine Unterfertigung mit der Bezeichnung als iudex.

Bereits in Padua dürfte Wernerius deshalb zum Hof gestoßen sein, weil es die rechtliche Vorbereitung der Inbesitznahme des Erbes der Markgräfin Mathilde, in deren Dienst Wernerius als causidicus gestanden hatte (vgl. das Placitum Mathildes von 1113 Mai bei Spagnesi a.a.O. 36 no 2: causidici quoque Varnerius de Bononia …), zu beraten galt. Zu den Beziehungen zwischen Mathilde und Wernerius, dessen letzte Erwähnung in der Schiedsurkunde in einem Rechtsstreit mit Kl. San Zeno zu Verona von 1125 Dezember 10 ihn wieder als Rechtsbeistand für das canusinische Hauskloster San Benedetto Po zeigt (Spagnesi a.a.O. 100 no 14: … videlicet istis iudicibus adstantibus pro monasterio sancti Benedicti et placitantibus domno Warnerio et Raimundo iudicibus Bononiensibus et domno iudice Armanno Parmensi, ex parte vero sancti Zenonis de Verona Benenato et …) und dessen sonstiges Auftreten fast immer mit mathildischen Besitzungen oder Stiftungen in Zusammenhang steht, vgl. Spagnesi a.a.O. 110–131 u. 157; bei Grebner a.a.O. 202ff. (von Fried a.a.O. 173 Anm. 10 kommentarlos zitiert) wird des Wernerius “Zugehörigkeit zum Umkreis der Mathilde” bzw. seine “Zurechnung … zu Mathilde” mit unzulänglichen Argumenten in Frage gestellt.

Die Tatsache, dass in D.162 als einzigem Placitum auch der Kanzler genannt ist (in D.164 erscheint Burkhard ohne Kanzlertitel nur in der Bischofsreihe), und zwar den Richtern nachgeordnet, ist für Ficker, Forschungen 1,325 ein weiteres Indiz dafür, dass der Kanzler nicht mehr, wie noch im 11. Jh., Vorsitzender des Hofgerichts war.

Das tociusque marchię in der Titulatur Herzog Heinrichs III. von Kärnten (ebenso in D.163) bezieht sich nach Klaar a.a.O. 67 allein auf die Mark Verona.

(SN.) Die sabati, que est XV. kl. aprilis, in civitate Patauiensi, in palacio episcopali, dum in dei nomine Henricus dei gracia quintus Romanorum imperator augus (!) in iudicio resideret ad iusticias faciendas ac deliberandas, adessent cum eo Teuzo, Warnerius, Adam, Ribaldus, Eichardus, Taruisius, Iohannes, iudices, Anto, Odo, Iohannes, Martinus, Ingilfredus, iurisperiti, Burchardus dei gracia cancellarius et episcopus, Henricus Carentanę tociusque Marchię dux, Albertus comes de Martoringo, Maifredus, Albertus comes Ueronensis, Vgo comes Patauiensis, Artusius, Conradus, Lamprettus, comites, Tiso, Robertus, Siccherius, Henricus de Caldenacio, vicedominus, et Erizo frater eius, Anselmus de Costa, Oto de Saratico et alii plures viri nobiles, ibique in illorum veniens presentiam Iza licet indigna monasterii sancti Stephani habatissa una cum advocato suo Vuezilone cepit postulare deo et imperatori, ut iusticiam eis faceret de Vberto infanti de Fontaniua, qui iniuste tenebat eidem monasterio sancti Stephani in loco, qui nominatur Cacichognaha, duos mansos et plus, et consortes Sarmacię prohibebant monasterium sancti Stephani communia et omnia iura habere et uti. Tum domnus imperator, iusticię pacisque amator omniumque ecclesiarum defensor, misericordia motus, pro sancti Stephani honore et per iudicum consilium et per lignum, quod in sua tenebat manu, investituram de duobus mansis et nemore et omni iure, ipsa abatissa (ergänze davor que) reclamaverat, ad salvam querelam eidem abatisse suoque advocato dedit et, quod ipsa in Sarmacia petebat ad actenus, eam restituit. Et insuper misit bannum super abatissam suumque advocatum et super omnia bona predicti monasterii sancti Stephani, que nunc habet aut inantea legittime adquisierit, ut nullus patriarcha, archiepiscopus, episcopus, dux, marchio, comes, vicecomes, advocatus, vicedominus, gastaldius, villicus, decanus vel aliqua magna parvaque persona predictam Izam abatissam et advocatum suasque sanctemoniales et sucessores sine legali iudicio disvestire, molestare aut inquietare audeat. Quisquis hoc fregerit, sciat se compositurum centum libras auri, medietatem imperatoris camere et medietatem predicte abatisse suisque successoribus sanctemonialibus. Factum est hoc anno ab incarnacione domini nostri Iesu Christi millesimo CXVI, indictione VIIII.

+ Hec cus (!)

(S.) Ego Teuzo iudex interfui.

Ego Ribaldus iudex interfui et subscripsi.

Ego Adam iudex interfui et subscripsi.

Ego Anto advocatus interfui et subscripsi.

(SN.) Ego Obertus domni Henrici imperatoris iudex interfui et eiusdem imperatoris iussu hanc noticiam scripsi.