a.
Originalplacitum (ca. 19,5/22 b : 38,5/40 h) im Staatsarchiv zu
Venedig (A1); Rückvermerk des 12./13.Jh.:
Noticia quod fecit nobis imperator; 13.Jh.:
brivilegium domini imperatoris Henrici.
Teilfaks.: Schlögl, Unterfertigung Taf. XLI u. XLII Abb. 24a–e.
Drucke: Cornelius, Eccles. Venetae 8 (decad. 11, pars post.),215. – Aus A1: Dondi dall’Orologio, Dissertazione 4, app. 60 no
49. – Cigogna, Inscriz. Veneziane 4,295 no
2. – Gloria, CD Padov. 2.1,63 no
77 aus Brunacci, Appendice al Codice Diplomatico t. I. – Aus A2
und Kopp.: Lanfranchi, S. Giorgio Maggiore 2,248 no
110.
Reg.: Hübner, Gerichtsurk. 2,213 no
1561 (mit Angabe von St.3129). – Fees, Die Familie Ziani 271 no
12. – Stumpf
Reg. 3128.
b.
Originalplacitum (ca. 17,5/19,5 b : 30,5/34,5 h) im Staatsarchiv zu
Venedig (A2); Rückvermerk des 12./13.Jh. in Majuskeln:
Noticia imperatoris; 14.Jh.:
Aliud simile est registratum.
Faks.: Diplomi imperiali e reali tav. XIIIa. – Teilfaks.: Schlögl
a.a.O. Taf. XXXII u. XXXIII Abb. 20a–e. Drucke: Cigogna
a.a.O. 295 no
1 = Kandler, CD Istriano (ohne Seitenzählung) zweimal, zu 1106 und 1116. – Aus A2: Cipolla
in Notizie e transcr. dei diplomi imperiali e reali 26 no
13. – Aus A und Kopp.: Lanfranchi
a.a.O. 250 no
111.
Reg.: Jaksch, Mon. duc. Carinthiae 3,225 no
556. – Klaar, Eppensteiner in Kärnten 67 no
92c. – Fees
a.a.O. 271 no
13. – Stumpf
Reg. 3129.
Die beiden ersten im Original erhaltenen Placita Heinrichs V. geben
sowohl in formaler wie inhaltlicher Hinsicht einige Probleme auf.
Beide stammen von dem am meisten beschäftigten Notar
Obertus (s. noch DD.159, 162, 163, 173, 178, 215; ausgestellt außer in Venedig
noch in Padua, Governolo [alle 1116] und Montecchio [1118]), der sich
– mit Ausnahme von D.159 mit einfachem
Obertus iudex – in der Kompletionsformel regelmäßig wie hier bezeichnet, also niemals
zusätzlich den Titel
notarius verwendet (vgl. hingegen die Selbstbezeichnung aller anderen
Placita-Notare in DD.154, 164, 168, 177, 213, 214), und der umgekehrt
nie als am Verfahren beteiligter Richter erscheint. – Über seine
Herkunft ist nichts bekannt; vielleicht gehörte er zum Gefolge B.
Gebhards von Trient, da er 1124 August 7 als
Obertus domini Enrici imperatoris iudex ein Placitum des Tridentiner Elekten Altmann fertigte (Huter, Tiroler UB 1.1,69 no
150). – Aus der Anführung des Herrschernamens in der Titulatur (domni Henrici imperatoris iudex) schließt Meyer,
Felix et inclitus notarius 84 mit Anm. 393 (dort DD. 158 u. 162 als Belege zitiert), dass dies
“wohl auf eine persönliche Nomination durch den Herrscher” zurückgeht.
Der Notar arbeitete hier und anderswo nicht fehlerfrei, vgl. A1
Anm. d und A2
Anm. b und e; auf ihn dürfte in A1
auch die falsche Reihenfolge
Stephani et Georgii bei der ersten Nennung der Patrozinien zurückgehen (zur Erweiterung
des ursprünglichen Georgspatroziniums durch eine 1110 erfolgte
Übertragung von Reliquien des Erzmärtyrers Stephanus vgl. It. pont.
7.2,184); außerdem verwendet er regelmäßig für Heinrich als Kaiser die
falsche Ordinalzahl
quintus, erst spät, mit D.173, geht er, vermutlich auf Anregung des
Kanzleinotars, zu
quartus über, um aber in D.178 noch einmal zu
quintus zurückzukehren (s. auch Spagnesi, Wernerius 45 Anm. 2).
Sicher nicht dem Notar, sondern äußeren Gegebenheiten anzulasten ist
die Konfusion im Erscheinungsbild des Eschatokolls der beiden
Originale: Alle erhaltenen 11 Placita-Originale haben eine
Unterfertigung Heinrichs V. mittels Kreuz (s. Schlögl
a.a.O. 137f.), zumeist mit einer Beischrift entweder von der Hand des
Kaisers (außer A2
noch DD.162, 177, 178) oder von der Hand des mundierenden Notars
(DD.164, 168, 173, 213–215), nur A1
(evtl. auch die nur kopial überlieferten DD.159 und 163) ist ohne
Kreuzbeischrift; zur eigenhändigen Eintragung des Kreuzes in A1
und von Kreuz und Namensbeischrift in A2
durch Heinrich vgl. Schlögl
a.a.O. 157ff. (A2) und 172ff. (A1).
Während ab D.162 die kaiserliche Unterfertigung immer zwischen Kontext
und Richter-Unterschriften steht, hat sie hier, obwohl in beiden
Fällen die Unterfertigung des Kaisers eindeutig früher als die anderen
Unterschriften erfolgte (s. Schlögl
a.a.O.), diesen bevorzugten Platz eingebüßt: In A1
ließ das im linken Drittel plazierte kaiserliche Kreuz darunter so
wenig Platz, dass die drei Richter ihre Unterschriften rechts neben
das Kreuz setzten (s. Anm. o und p und Schlögl
Abb. 24a); in A2, dessen Pergament zusätzlich in der unteren rechten Ecke beschädigt
ist, nahmen das zentral eingezeichnete Kreuz und die Namensbeischrift
so viel Platz in Anspruch, dass die Richter ihre Unterschriften teils
über, teils links vor das Kreuz setzen mussten (vgl. Anm. g–k und Schlögl
Abb. 20a/b). – Da der originale Befund im Druck kaum wiederzugeben
ist und hinlänglich aus den Abbildungen hervorgeht, haben wir in
beiden Fällen das Kreuz, seinem “genetischen” Platz entsprechend, vor
die Richter-Unterschriften gesetzt (s. auch D.159). Auffällig ist die
unterschiedliche Gestaltung der beiden Kreuze durch Heinrich, in A1
mit kleinen hakigen Ansätzen an den oberen drei Enden, in A2
mit ausgeprägten Serifen an allen vier Enden, was Schlögl
a.a.O., da er beide Stücke nicht im Zusammenhang behandelt, außer
acht lässt; da Heinrich bei der absolut uneinheitlichen Gestaltung
seiner Kreuze aber beide Formen kennt (ähnlich wie in A1
noch in DD.162, 164, 173, 177, 214, mit Serifen noch in DD.168, 178,
215), ist dies wohl kein Indiz gegen die Eigenhändigkeit beider
Kreuze.
Um einen Vergleich der beiden Texte, die – gleich in doppelter Fassung
– die erste Kaiserurkunde für das 982 gestiftete Inselkloster
darstellen, zu erleichtern, haben wir in beiden Spalten die
beiderseitigen Übereinstimmungen durch Petitsatz gekennzeichnet.
Obwohl sich so partiell gewichtige Unterschiede zeigen, steht außer
Frage, dass beide sich auf eine einzige Gerichtsentscheidung zugunsten
S. Giorgios beziehen und nur eine der beiden Fassungen Geltung
erhalten und demnach die andere ersetzen sollte. – Dadurch, dass sich
die nächste Kaiserurkunde für das Kloster, das DF.I.696 von 1177,
unter ausdrücklicher Berufung auf
scripta Heinrichs V. ausschließlich auf die Fassung A1
als Vorurkunde stützt (lediglich der Terminus
possessiones S. 223 Z. 16 begegnet nur in A2), scheint der Schluss präjudiziert, dies sei die endgültige Fassung
gewesen.
Zu eindeutig sind jedoch demgegenüber die Indizien, die für A2
als die Neuausfertigung sprechen, wobei einer teilweise größeren
diktatmäßigen Nähe von A2
zu dem einen Tag jüngeren D.159 (z.B.
reclamationem ecclesiarum audiens, vgl. dortige Anm. h; Abschluss der Richterliste mit
et reliqui plures; Eröffnung der Sanktio mit
Quodsi quis hoc edictum;
ex illius iussione in der Kompletionsformel) kein zu großes Gewicht zugemessen werden
muss. Das stärkste Argument für A2
als Neuausfertigung bildet zweifellos die Tatsache, dass nur dieses
Heinrichs eigenhändige Kreuzbeischrift aufweist (s. oben).
Die Pergamente von A1
und A2
könnten übrigens angesichts ungefähr gleicher Breite (s. die
Maßangaben) von einem einzigen Stück Tierhaut stammen, wobei dasjenige
von A2
das (untere) Randstück darstellen würde (vgl. Schlögl
a.a.O. 157 mit Anm. 92!), dem die untere rechte Ecke fehlt und das
zusätzlich mehrere Löcher aufweist (s. Anm. m). Unter diesen
Voraussetzungen war es nur naheliegend, dass man von diesen beiden
verfügbaren Perg.-Stücken zuerst das gut erhaltene (für A1) verwendete und erst danach (für A2) auf das deformierte zurückgriff: Durch den dort absehbar
eingeschränkten verfügbaren Platz könnten dann auch die auffälligen
Verkürzungen gegenüber A1
in entscheidenden formalen (z.B. Wegfall der Urteilsformel) und
inhaltlichen Partien (Nichterwähnung von
arbergaria usw.) verursacht sein – die jedenfalls nicht umgekehrt als
“Extensionen” in A1
gegenüber A2
erklärt werden können.
Eine weitere formularmäßige Änderung scheint uns gleichfalls nur durch
die jüngere Entstehung von A2
erklärlich: Zur Verwendung der Formulierung
in regno Italico in A2
als Ersatz für das
in toto Romano imperio in A1
ist der Notar womöglich erst durch die Kanzlei veranlasst worden, da
nur die Fassung von A2
deren ausschließlichem Sprachgebrauch entsprach (vgl. noch DD.55, 75,
79, 157 [mit
Italię], 182 [beachte jedoch dortige Anm. b] und 212). – Die Verwendung des
Terminus
imperium Romanum als Gebietsbegriff zur Umschreibung des unter kaiserlicher
Verfügungsgewalt stehenden Reichsitalien ist Heinrichs V. Kanzlei
ebenso fremd wie derjenigen Heinrichs IV. und noch denjenigen Lothars
III. und Konrads III. Die Formulierung begegnet erst ganz selten unter
Barbarossa, außer in DF.I.696, der Nachurkunde unseres Textes (gleich
zweimal, S. 223 Z. 7 und [VU.-abhängig] Z. 17), erstmals in DF.I.641
von 1175 (für die Kreuzritter-Spitäler), DDF.I.748 und 879 von 1178
bzw. 1184 (beide für französische Empfänger) und DF.I.891 von 1185
(für Kl. Farfa). – Allerdings hätte sich Notar
Obertus dadurch nicht nachhaltig beeinflussen lassen, da in seinem nur gut
eine Woche jüngeren D.163 wieder
in toto Romano imperio auftaucht.
Letztlich ist ganz unvorstellbar, dass man bei einer sonst durchwegs
ausführlicher formulierten “Neuausfertigung” in Gestalt von A1
ausgerechnet die konkreten dispositiven Angaben, wie sie nur A2
bietet, weggelassen hätte.
Saccus bezeichnet ein größeres, als
Saccisica u.ä. bezeichnetes Reichsgutgebiet in der Umgebung des ca. 20 km sö.
Padua gelegenen Piove di Sacco (vgl. Schneider, Burg und Landgemeinde 127ff., zu den Grenzen a.a.O. 130; in DF.I.343
heißt es
comitatus de Sacco, in dem wohl nicht unverfälschten DH.IV.31 sogar
Saccus provincia); die ausdrückliche Erwähnung dortigen Besitzes von S. Giorgio, der
keinen großen Umfang gehabt haben dürfte, weshalb die Verbindung des
in Sacco mit den vorangehenden Bistums- und Grafschaftsangaben etwas
irreführend ist, erfolgte wohl in erster Linie (vgl. noch unten)
deshalb, weil die Erwerbungen des Klosters erst in jüngster Zeit
erfolgt waren: Mit zwei Urkunden, vom 4. Juni 1113 (Lanfranchi
a.a.O. 235 no
103) und vom 19. Jan. 1116 (a.a.O. 246 no
109), hatte es von einem
Ugo filius Luvoli für 12 bzw. 16 Pfund Pfennige Ländereien in der Grafschaft Treviso
infra fines Sacissicas [no
109:
in fine Sacissica] et in fundo loco [! no
109:
et in loco et fundo], qui dicitur villa Rosaria [= Rosara com. Codevigo, ca. 5 km ö. Piove] atque in villa Curte (= dies nur in no
103) gekauft. – In diesem Gebiet waren außerdem schon seit 892 (D.18
Kg. Berengars) die bischöfliche Kirche von Padua und seit 988 das
Kloster Brondolo (Lanfranchi
a.a.O. 26 no
2; vgl. auch D.214:
in finibus Sacisica) begütert.
Insbesondere aber verfügte auch das venezianische Kloster S. Zaccaria
über Besitz
in Sacco, der diesem seit dem DO.I.258 von 963 in immer gleichen
Wiederholungen bis zum DH.IV.445 von 1095 und dann nochmals, aufgrund
des DH.IV.445 als Vorurkunde, durch das DF.I.692 von 1177 bestätigt
wurde, – der aber in der Besitzliste des D.159 für S. Zaccaria fehlt!
– Vielleicht hängt die gleichzeitige Urkundenausstellung für S.
Giorgio und S. Zaccaria mit Auseinandersetzungen zwischen beiden
Klöstern um diesen Besitz zusammen, und dann war A2
mit seiner
in Sacco nennenden Dispositio, die somit den eigentlichen Grund für die
Neuausfertigung geliefert hätte, für S. Giorgio erst recht
unverzichtbar.
Die zeitliche Nähe der Placita für die beiden Klöster bietet aber
womöglich auch die Erklärung für eine weitere Diskrepanz zwischen A1
und A2, nämlich für die in A2
fehlende Nennung der 4 zusätzlichen Beisitzer von A1, wo diese freilich an ihrem Platz zwischen dem Dogen und Hz. Heinrich
als ganz unpassend eingereiht wirken. Vielleicht gehören diese 4 Leute
überhaupt nicht zu der Gerichtssitzung für S. Giorgio, sondern für S.
Zaccaria – und fehlen deshalb zurecht in A2!
Die Nennung des sonst nicht belegten B.
Petrus Michael von Adria (Suffragan von Ravenna, s. It. pont. 5,189) in D.159 für S.
Zaccaria ist wahrscheinlich durch dessen Verwandtschaft mit der
Äbtissin
Adiuta Michaelis veranlasst; diese beiden waren nun zweifellos ihrerseits verwandt mit
dem in A1
genannten späteren Dogen (1118–1130; beigesetzt in S. Giorgio)
Domenico Michiele, der demnach gut zu D.159 passen würde; immerhin ist
darauf hinzuweisen, dass zwei weitere Leute dieser Vierergruppe von A1
ohnedies, nur diesmal angemessener gegen Ende der Liste eingereiht,
in D.159 genannt sind (Berengarius Contarinus und
Petrus Gradonicus); dann wäre die Weglassung des Domenico Michiele in D.159 als ein
weiteres Versehen des Notars zu werten. – Wenn der Notar übrigens alle
drei Placita vom 11./12. März zusammen erst am 12. März (oder noch
später; A1
und A2
sind mit verschiedener Feder und Tinte geschrieben) ausfertigte, wäre
leicht vorstellbar, dass ihm seine “Imbreviaturen”, die in erster
Linie Notizen über die Namen der beteiligten Richter enthalten haben
werden, durcheinander gerieten.