Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<*156.>>

Heinrich erteilt im Königsgericht dem Grafen Ansedise und seinem Bruder Widoto, Söhnen des verstorbenen Grafen Rainbald (von Treviso), zur Tilgung der vom Vater hinterlassenen Schulden die Erlaubnis zum Verkauf von Liegenschaften, namentlich des Hofes de Porto.

(Treviso oder Venedig, 1116 März).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Stumpf Reg. –

In dem Notariatsinstrument des Notars Ardingus causidicus et notarius sacri palacii von 1117 Juni 15 (Lanfranchi-Strina, Ss. Ilario e Benedetto 59 no 18, nach notarieller Kopie von 1329 August) über den durch die beiden minderjährigen Brüder für 8000 Pfund Venezianischer Pfennige getätigten Verkauf der curia de Porto mit zugehörigen 150 massaricie an genannten Orten, unter Ausbehalt des Besitzes in ripa Mestris/de Mestre, an Abt Petrus von S. Ilario e Benedetto heißt es (handschriftliche Varianten zu den Lesungen des Druckes in eckigen Klammern): Nos quidem Ansedise comes et Widoto germani, filii comitis Rambaldi quondam, qui professi sumus ipsi infantuli ex nacione nostra lege vivere Longobardorum. … Manifeste profitemur nos qui supra Ansedise comes et Widotus germani, [quod] suprascriptus [im Druck fälschlich infra-] Rambaldus comes pater noster dimisit nobis debitum usque ad argenti denariorum bonorum Veneti[c]orum libras octo milia et plus, set minime habemus de mobilibus rebus, unde ipsum debitum sanare possimus. Pro hac causa [cum] nostris fidelibus et parentibus ad imperatorem ambulavimus et illi omne nostrum debitum patefecimus. Petivimus etiam ab eo, ut ipse propter deum et anime sue mercedem nobis licenciam et auctoritatem de sua parte tribueret ad venundandum curia[m] una[m] iuris nostri, quam habere visi sumus in comitatu Tervisiano ad locum, ubi dicitur Portum, cum hoc, quod pertinuit ad ipsam curiam a die avie eorum, [que] comitissa Gisla vocabatur, unde paternum debitum sanare possimus. Et cum nos ipsi infantuli cum parentibus et fidelibus nostris talem licenciam postulas[s]emus, tunc ipse dominus imperator per iudicum consilium, qui ibi adera[n]t, dedit eis licenciam de suis inmobilibus rebus alienandi ad sanandum paternum [debitum]; zum Petitsatz vgl. weiter unten. – Im weiteren Text ist nochmals (S. 63 Z. 32) von per licenciam ab imperatore data die Rede.

Bei dem Deperditum hat es sich fraglos um ein Placitum aus dem Königsgericht unter Heinrichs Vorsitz gehandelt, das allem Anschein nach in unmittelbarem zeitlichen Anschluss an die in D.155 ausgesprochene Begnadigung und vermutlich gleichfalls in Treviso zustandekam; aus dem ad imperatorem ambulavimus ergibt sich zwar nicht zwingend der Schluss auf einen Ortswechsel, jedoch könnte man daraus umgekehrt eine Stütze für die Annahme (vgl. Vorbemerkung zu D.155) gewinnen, dass die verzögerte Ausfertigung von D.155 ebenfalls nicht mehr am Handlungsort Treviso erfolgte, sondern erst nach der Weiterreise nach Venedig.

Es erscheint auch ziemlich sicher, dass große formale Nähe des (womöglich sogar ebenfalls von Notar Simeon verfassten) Deperditums zu dem gleichzeitigen Trevisaner Placitum D.154 bestand, wie die oben durch Petitsatz gekennzeichneten wörtlichen Übereinstimmungen mit diesem zeigen. Insbesondere scheint die Petitio wie in D.124 in direkter Rede vorgetragen gewesen zu sein; an einigen Stellen schimmert in dem sonst durchgehend subjektiv im Namen der beiden Brüder formulierten Text die objektive Formulierung der Vorlage durch (avie eorum; dedit eis licenciam de suis …). – Die Datierung des Deperditums bei Lanfranchi-Strina a.a.O. 131 not. XXXVI auf 1111 April 13 bis 1117 Juni 15 verwendet als viel zu weite Grenzen die Daten der Kaiserkrönung und der Verkaufsurkunde.

Die umfangreichen Besitzungen verteilen sich – außer 23 massaricie in villa de Porto selbst mit capella sancti Michaellis und castrum – auf insgesamt 20 weitere Orte vor allem westlich des Klosters S. Ilario, mit dem westlichsten Punkt Tombelle (com. Vigonovo) bis auf weniger als 10 km an die Tore Paduas reichend, vgl. Marzemin in Nuovo Arch. Veneto 23.1,106 und Lanfranchi-Strina a.a.O. XXXVf.; die Ortsliste bei Marzemin nennt auf der Grundlage des Druckes bei Gloria, CD Padov. 1,70 no 88 einige Orte mehr, da Gloria nicht die notarielle Kopie von 1329, sondern Abschriften in zwei Handschriften des 14. Jh. zugrunde legte, die Zusätze enthalten, durch die auch die im Text von 1329 exakt stimmige Zahl von 150 massaricie gesprengt wird: Vgl. Lanfranchi-Strina a.a.O. 65 Anm. bu (u.a. silva de Carpeneda, ohne Angabe einer mass.-Zahl) und 66 Anm. BE (Braçiole mit 5 mass. und villa de Alturis mit 10 mass., die allerdings zu Lehen ausgetan sind).

Das für den gesamten Komplex namengebende Porto wird von Marzemin a.a.O. 105 und Lanfranchi-Strina a.a.O. XXXV mit dem heutigen Porto Menai (fehlt im amtlichen Ortsverzeichnis, auf der Karte ca. 2 km sw. Mira) identifiziert, was der in DH.V.†61 vermerkten Nähe zu dem ca. 3,5 km östlich von Porto Menai gelegenen Kloster (cum portu similiter, qui est iuxta ipsum monasterium situs) entsprechen würde. Vielleicht ist das Porto aber auch nördlich des Klosters in der Nähe des ca. 3 km entfernten, an der Brenta gelegenen Oriago (com. Mira) zu suchen, wo das Kloster 8 massaricie besaß; denn in der Urkunde des Kardinallegaten Goyzo von 1143 August 31 (Lanfranchi-Strina a.a.O. 74 no 22; vgl. Vorbemerkung zu D.†61) ist die Rede von entfremdeten Zehnten u.a. de portu Orlaci (vgl. auch das Privileg P.

Alexanders III. von 1177 Oktober 5, JL 12948, Lanfranchi-Strina a.a.O. 86 no 29 mit Orliacum cum portibus, rippatibus …). – Eine Nennung dieses wichtigen Besitzes fehlt noch in der Besitzbestätigung des DLo.III.100 von 1136, es begegnet (als Interpolation?) erstmals mit obigem Zitat in dem später verfälschten DH.V.†61 und sodann – als aus D.†61 übernommener Einschub am Schluss der Besitzliste – in dem sonst völlig von DLo.III.100 abhängigen D. Heinrichs VI. von 1196 August 23 (B.-Baaken Reg. 542; Lanfranchi-Strina a.a.O. 105 no 36: cum porto similter et burgo[!], qui sunt iuxta ipsum monasterium; vgl. D.†61 Anm. br).