Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<155.>>

Heinrich nimmt die Brüder Ansedisius und Wido, Söhne des Grafen Rainbald von Treviso, unter Vergebung dessen, was ihr Vater und sie sich gegen Kaiser Heinrich (IV.) und ihn hatten zuschulden kommen lassen, wieder in seine Gnade auf, verzichtet auf die gegen sie angestrengte Klage und restituiert und bestätigt ihnen die unter kaiserlichen Bann genommenen väterlichen Besitzungen.

Treviso – 1116 (erste Hälfte März).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Abschrift des 18. Jh. in Ms. 1060 (Doglioni) p. 68 in der Stadtbibliothek zu Treviso (B). – Abschrift des 18. Jh. in Sammlung der Kaiserurkunden für die Grafen Collalto p. 24–25 no 12 im Staatsarchiv zu Modena (C).

Drucke: Muratori, Ant. Ital. 12,39 unvollständig (s. Anm. e”) “ex archivo praestantissimi viri Antonii Rambaldi comitis de Collalto” (m); 24,67. – Vinciguerra Conte di Collalto etc. (Deduktionsschrift von 1814) 16 unvollständig (s. Anm. z”) (v).

Reg.: Sansovino, Origine delle famiglie illustri d’Italia (ed.I) 3; (ed.II) 4. – Ficker in Wilmans, Add. z. Westf. UB 92 no 116/27. – Indices … Muratorii 87 no 788. – Lizier, Note intorno alla storia di Treviso 83. – Jaksch, Mon. duc. Carinthiae 3,225 no 555. – Huter, Tiroler UB 1.1,67 no 145. – KLAAR, Eppensteiner in Kärnten 67 no 92b. – Böhmer Reg. 2046. – Stumpf Reg. 3127; alle zu 1116 März.

Das nach Ottenthal in MIÖG 1,615 im Archiv der Grafen Collalto auf deren Schloss San Salvatore (com. Susegana) bei Conegliano (ca. 20 km n. Treviso) verwahrt gewesene Original von D.155 ging bei der Zerstörung des Schlosses im 1. Weltkrieg zusammen mit den dortigen Kopialbüchern des 17. und 18. Jh., von denen zwei auch Abschriften von D.155 enthielten (vgl. Ottenthal S. 616), verloren. Innerhalb des früher in Pirnitz, jetzt im Staatsarchiv zu Brünn verwahrten Familienarchivs der Fürsten Collalto (vgl. Hlav╡cek-Hledikov╡, Nichtbohemikale mittelalterl. Urk. 9ff.) findet sich nach freundlicher Auskunft der Archivdirektion keine Abschrift unseres D.

Weder die beiden Abschriften noch die Drucke haben das Original benützt, gehen aber angesichts zahlreicher übereinstimmender Lesungen (vgl. z.B. Anm. c, g, i’, p’, x’) anscheinend auf eine gemeinsame abschriftliche Vorlage zurück. Einen unzulänglichen Ersatz für das verlorene Original bieten handschriftliche Korrekturen, die eine Hand des 19. Jh. in dem von uns benützten Exemplar der Deduktionsschrift von 1814 in der Stadtbibliothek zu Treviso anhand des Originals (Randvermerk: “raffrontato coll’originale con bolla”) eintrug; wichtig ist diese Überlieferung vor allem durch die Ergänzung des im Druck unvollständigen Eschatokolls (s. Anm. x” und z”); in einigen Fällen scheinen uns die sonst sicher zutreffenden (vgl. bes. Anm. e), jedoch nicht jeden Fehler des Druckes behebenden (vgl. z.B. Anm. w”) Korrekturen zumindest fraglich (vgl. Anm. b, r, w, e’, aa).

Verfasst von Notar Adalbert A (vgl. Hausmann, Reichskanzlei 66 no 74, mit dem unzutreffenden Hinweis auf ein vorhandenes Original), wohl aufgrund eines Empfängerentwurfes unter ziemlich freier Verwendung des DH.IV.288 von 1077 für den Grafen Rainbald (= VU.I); von den zahlreichen älteren Diplomen für die Grafen (beginnend mit dem D.138 Berengars I. von 922 = VU. für DO.I.257 von 963) ist außerdem in geringem Umfang das DO.III.293 von 998 (= VU.II) sowie wenigstens an einer Stelle (vgl. noch Anm. b” und d”) das eine Wiederholung des DO.III.381 von 1000 darstellende DKo.II.277 von 1038 (= VU.III) benützt.

Die in B bzw. dessen verlorener Vorlage (da in B im laufenden Text) vorgenommene Einfügung des Cenetensis episcopus an der Spitze der bischöflichen Intervenienten (vgl. Anm. i) ist vermutlich durch VU.I verursacht, wo unter den Grafschaften, in denen die gräfliche Begüterung lag, neben Treviso, Padua und Vicenza auch Ceneda (aufgegangen in Vittorio Veneto) genannt ist; man bezweckte damit wohl zugleich, auch den für den Collalto-Sitz San Salvatore (ca. 10 km s. Vittorio Veneto) zuständigen Ordinarius unter den Intervenienten zu haben. Ein Bischof von Ceneda, dessen Name für das Jahr 1116 unbekannt ist, wird übrigens nie in der Umgebung Heinrichs genannt.

Worin das, frühestens nach der erneuten Güterbestätigung durch Heinrich IV. von 1077 (s. oben) zu datierende Vergehen gegen Heinrich IV. und Heinrich V. bestanden haben soll, an dem die minderjährigen Söhne (vgl. infantuli in D. *156) entgegen dem Wortlaut unseres D. kaum beteiligt gewesen sein können, ist unbekannt; in D.155 sieht Ficker, Forschungen 1,201 das früheste Zeugnis für die Anwendung des später üblichen Reichsbannverfahrens bei mit kaiserlicher Ungnade verbundener Güterkonfiskation. Die hier ausgesprochene Restitution bildete die rechtliche Voraussetzung für die in einem gesondert beurkundeten Gerichtsakt durch D.*156 ausgesprochene Genehmigung zu Güterveräußerungen, die angesichts der auf den Brüdern lastenden schweren Schulden aller Wahrscheinlichkeit nach von diesen wohl unverzüglich, also gleichzeitig mit D.155, erwirkt worden sein dürfte. – Die Handlung gehört zu dem durch D.154 mit weitgehend identischen Zeugen belegten Trevisaner Aufenthalt, in dessen Verlauf auch die Niederschrift erfolgt sein wird, während die unterbliebene Nachtragung des Tagesdatums (s. Anm. af) auf verzögerte Ausfertigung schließen lässt, die möglicherweise erst nach Verlassen Trevisos während des Aufenthalts in Venedig erfolgte (vgl. auch Bemerkungen in D.*156).

In nomine sanctę et individuę trinitatis. Henricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Omnibus Christi nostrique fidelibus tam futuris quam pręsentibus notum fieri volumus, qualiter nos ob interventu dilectę contectalis nostrę Mathildis reginę et aliorum principum nostrorum, episcoporum: Geueardi Tridentini episcopi, Gumboldi Taruisiensis episcopi, Turingi Vicentini episcopi, Rainaldi Belumnensis episcopi, Arponis Feltrensis episcopi, ducum quoque: Henrici ducis de Carinthia, Henrici fratris Welfonis ducis, necnon et comitum: Henrici comitis, Alberti comitis de Verona, Ansedisio et Widoni fratribus, filiis Rainbaldi Taruisiensis comitis, gratiam nostram reddidimus et, quicquid pater eorum vel ipsi erga patrem nostrum beatę memorię imperatorem Henricum vel erga nos deliquerunt, eis condonavimus et omnem querimoniam, quam super eos usque nunc habuimus, eis remisimus. Insuper omnia bona, quę pater eorum, dum vixit, habuit et tenuit, quę etiam sub banno nostro posita vel aliquo modo deventa fuerunt, per hoc nostrum pręceptum reddidimus et eis tenendum, possidendum et, quicquid deinceps inde voluerint, faciendum concessimus cum omnibus appenditiis sive pertinentiis suis, castris, turribus, villis, ecclesiis et utriusque sexus familię (!), terris, massaritiis, silvis, venationibus, pratis, pascuis, aquis, piscationibus, acquisitis et acquirendis, cum omnibus etiam finibus et terminis eorum et cum omni utilitate, quę inde ulterius exire vel pervenire poterit. Pręcipimus itaque, ut nullus episcopus, dux, marchio, comes, vicecomes, sculdasius, gastaldio aut aliqua regni nostri magna sive parva persona predictos fratres de predictis bonis audeat molestare, inquietare vel disvestire. Si quis vero, quod absit, aliquo temerario ausu huius nostri pręcepti paginam violare temptaverit, auri libras centum componat, medietatem camerę nostrę et medietatem supradictis fratribus vel eorum heredibus. Et ut hoc verius credatur et ab omnibus inviolabiliter omni tempore observetur, hoc scriptum inde factum et manu propria corroboratum impressione nostri sigilli iussimus insigniri.

Signum domni Henrici (M.9.) quarti Romanorum imperatoris invictissimi.

Burchardus cancellarius et Monasteriensis episcopus recognovit.

Data, indictione VIIII, anno dominicę incarnationis millesimo CXVI, regnante Henrico quinto rege Romanorum anno X, imperante V; actum est Taruisii; in Christo feliciter amen.