Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<145.>>

Heinrich schenkt seinem Getreuen Otto (IV.) von Wittelsbach das Allod Wilenbac.

Rüdesheim – 1115 (Oktober-)November.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original (ca. 44/46, 5 b : 50/51,5 h) im Bayerischen Hauptstaatsarchiv zu München (A).

Drucke aus A: Meiller, Mundi miraculum 275. – Ried, CD Rat. 1,176 no 187. – Mon. Boica 24,9 no 1, beide zu 1116.

Reg.: Lang, Reg. Boica 1,116 zu 1116. – Mon. Boica 29.1,235 no 442 “anno 1115 potius quam 1116”. – Gradl, Mon. Egrana 1,11 no 28. – Jaksch, Mon. duc. Carinthiae 3,225 no 553, beide zu 1115 November 1. – Heidingsfelder, Eichstätter Reg. 100 no 303, zu 1115 Ende Oktober oder Anfang November. – Zoepfl-Volkert, Augsburger Reg. 1,249 no 407, zu 1115 Mitte Oktober – Anfang November. – Lupprian in Wittelsbach u. Bayern 1/2,23 no 24, zu 1115 November 1. – Stumpf Reg. 3120, zu 1115 Nov. 1; S. 539 zu “Oct. Nov.”.

Das Perg. ist leicht fleckig und stark verschmutzt, die untere Querfalte zwischen Kontext und Signumzeile durch Mäusefraß beschädigt und eingerissen (ohne Textverlust), zwischen Signum- und Rekognitionszeile befindet sich ein vorgängiges rundes Loch.

Verfasst und geschrieben von Notar Adalbert A (vgl. Hausmann, Reichskanzlei 66 no 70 zu 1115 XI 1!), der das Diplom einschließlich des Eschatokolls in einem Zug niederschrieb, jedoch erstaunlicherweise die erste Zeile augenscheinlich nachtrug (s. Anm. a).

Die Fehler in der durch die Beschädigung der Zahl des Inkarnationsjahres zusätzlich komplizierten Datierung, mit einer zum Jahre 1116 passenden Indiktion und mit zum Jahre 1117 passenden Regierungs- und Kaiserjahren, sind nicht leicht zu erklären, vgl. dazu Ficker, Beitr. 1,201 u. 208. Jedenfalls scheidet eine um ein oder gar zwei Jahre nach der Handlung liegende Datierung der Ausfertigung aus, da sie dann während des 2. Italienzuges erfolgt sein müsste; die Handlung selbst kann schon deshalb nur 1115 erfolgt sein, weil außer B. Hermann von Augsburg (vgl. Vorbemerkung zu D.153) keiner der Intervenienten den Kaiser nach Italien begleitet hat.

Eine Erklärung könnte am ehesten in der Tatsache zu finden sein, dass der Notar anscheinend ein ganzes Jahr lang nicht geurkundet hatte (letztes von ihm stammendes Stück ist das kopiale D.137 von 1114 Sept. 13, danach noch Mitwirkung an dem verfälschten D. † 138 von 1114 Nov. 30). Obwohl der bei seinen Berechnungen selten sattelfeste Notar seit dem Frühjahr 1114 (D.124 von 1114 März 7) weitestgehend richtige Jahreskennzahlen geboten hatte, wären seine Versuche, nach seiner langen Tätigkeitspause die gültigen Zahlen zu ermitteln, wiederum verunglückt; dafür spricht, dass er auch für den Rest des Jahres 1115 teilweise falsche Zahlen lieferte: Richtig ist seit D.147 durchgängig nur das Kaiserjahr; für die beiden anderen Kennzahlen, bei denen er offenbar das Gefühl einer zu hohen Berechnung gewonnen hatte, übertrieb er dort bei der Indiktion zunächst die Reduktion von VIII auf VII (D.147), um dann in D.148 die richtige Zahl VIII zu bieten, bei der Reduktion der Regierungsjahre blieb er umgekehrt in DD.147/148 mit der Zahl XI immer noch über der richtigen X.

Die Handlung muss gegen Ende des Monats Oktober angesetzt werden, als Heinrich auf dem Weg zu dem für den 1. November angesetzten Reichstag nach Mainz in dem eine Tagesreise entfernten Rüdesheim einen Zwischenaufenthalt einlegte (s. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,336f.; dort D.145 auf Nov. 1 datiert); die Beurkundung erfolgte dann erst nachträglich, aber wohl sehr bald im Laufe des November (spätestens vor dem Wechsel von der Iden- zur Kalendenzählung am 13. Nov.), da sonst der Monatsname nicht eingetragen worden wäre; andererseits kann sie nicht noch vor dem Mainzer Aufenthalt, also in den letzten Oktobertagen angesetzt werden, da in diesem Falle vor dem Monatsnamen auch noch kal. hätte eingesetzt werden können und nur die genaue Zahl ausgespart zu werden brauchte. Die unterbliebene Nachtragung des Tagesdatums (vgl. dazu Ficker a.a.O. 2,260 u. 263) beruht vermutlich auf bloßer Nachlässigkeit, wie sie sich auch in der irregulären Befestigung des Siegels ausdrückt (s. Anm. k). Wohl auch erst zum Zeitpunkt der Ausfertigung durch die Anbringung des Siegels ist vermutlich die elongierte 1. Zeile nachgetragen worden (vgl. oben).

Der Komplex des allodium Wilenbac, dessen Name später an einer wenig südlich von Ensdorf gelegenen und bald in diesem aufgegangenen Ortschaft haftete (s. Mon. Boica 24,28f. Anm. 58 und Karte am Schluss des Bandes; zu früheren Fehlidentifikationen vgl. Zoepfl-Volkert), das aber auch das Gebiet des Klosters Ensdorf selbst eingeschlossen haben dürfte, kam bei Gründung des Klosters (Baubeginn 1121 März 23) durch Schenkung Ottos von Wittelsbach wohl als Ganzes in dessen Besitz (vgl. Vorbemerkung zu D.265), wodurch auch das Original des D.145 ins Klosterarchiv gelangte.

Der Dienst, für den Otto die Schenkung erhielt, dürfte, da er vorher in der Umgebung Heinrichs nicht nachzuweisen ist (D.145 ist überhaupt das erste ihn nennende Diplom), wohl in erster Linie mit seiner Unterstützung auf Heinrichs Romzug von 1110/1111 in Zusammenhang stehen (zur Teilnahme vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 129); immerhin scheint Ottos damalige Rolle so bedeutend gewesen zu sein, dass ihm noch knapp zehn Jahre später P. Calixt II. in einem Mandat von 1120 Juni 25 (JL 6855; Germ. pont. 1,395 no 1; Druck: Mon. Boica 10,233 no 1; vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 7,159f.) auftrug, als Sühne dafür, quod in illa regis expeditione fuerit, ein Chorherrenstift (= Indersdorf) zu errichten.

Nachdem Otto auch später kaum am Hof anzutreffen ist, auch nicht am 2. Italienzug teilnahm und erst seit 1120 wieder mehrmals dort erscheint (s. DD.229, 232, 240, 242, 246, 267, und † 300 sowie die ihn unmittelbar betreffenden DD.264/265 und 278), dürften es auch noch die seinerzeitigen Verdienste gewesen sein, die ihm hernach, vor 1120 (erste Nennung in D. † 300 und in obigem Mandat Calixts II.), die bayerische Pfalzgrafenwürde eingetragen haben; auffallend ist schließlich, dass angesichts der ganz wenigen Schenkungen Heinrichs V. an Laien (vgl. die Zusammenstellung bei Meyer von Knonau a.a.O. 7,360) Otto allein zwei Diplome empfangen konnte, außer unserem D.145 noch D.278, was alles wohl nicht damit erklärt werden kann, dass Ottos Gemahlin Heilika vermutlich eine Verwandte Heinrichs V. war (s. Vorbemerkung zu D.265).

Bei dem nicht näher umrissenen (s. v. Guttenberg in Jahrb. f. fränk. Landesforsch. 8/9, 194f.) Komitat Ottos von Harburg (Kr. Donau-Ries), eines Bruders des Eisenhofener Mitgründers Berthold von Burgeck (s. D.12; vgl. Tyroller, Genealogie Taf. 19 no 3), könnte es sich um die in D.102 von 1111 April 27 genannte Nordgau-Grafschaft eines Grafen Otto handeln (Albewinistein in pago Nortgowe, in comitatu Ottonis; s. Tyroller a.a.O.).

Das Formular von D.145 wurde später von Notar Heinrich, der das Diplom offenbar seinem Formularbehelf einverleibt hatte, für einige seiner Diplome verwendet (DD.229, 238, 255), vgl. dazu Hirsch in MÖIG 41,84 und 42,5f. sowie Hausmann in MIÖG 58,77 Formel 18a; während beide angenommen hatten, Notar Heinrich habe den Text von D.145 aus dem Archiv des Klosters Ensdorf kennengelernt, wo es vom Empfänger lediglich zur Aufbewahrung hinterlegt gewesen sei (s. auch Vorbemerkung zu DLo.III.27), korrigierte Hausmann, Reichskanzlei 77 diese Annahme angesichts der Tatsache, dass Ensdorf erst nach der ersten Verwendung des Formulars in D.229 von 1121 März 25 gegründet wurde (vgl. oben), dahingehend, dass Heinrich das Formular “wahrscheinlich aus dem in der Reichskanzlei noch vorhandenen Konzept” gewonnen habe; da dies nicht erweislich ist und mangels anderer Beispiele auch nicht sehr wahrscheinlich erscheint, könnte man eher daran denken, dass das Original im Archiv des ältesten Wittelsbacher Hausklosters Eisenhofen-Scheyern hinterlegt war, wo es der Notar hätte kennenlernen können, ehe es anläßlich der Dotation des neuen Klosters Ensdorf in dessen Besitz überging (vgl. oben; zu beachten ist ja, dass mit DD.264/265 beide Klöster gleichzeitig je ein Diplom erhielten).

(C.) In nomine sanctae et individue trinitatis. Heinricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Si dignis petitionibus fidelium nostrorum adquieverimus, si beneficiis eos frequenter sublimaverimus, pro certo scimus, quia semper illos devotiores habebimus et tranquilliori statu cursum vitę ducere poterimus. Quapropter omnibus Christi nostrique fidelibus tam futuris quam presentibus notum fieri volumus, qualiter nos Ottoni de Witilinesbac nostro fideli, qui nobis digne et laudabiliter servivit, consilio et hortatu principum nostrorum, Herimanni Augustensis episcopi, Ǒdelrici Eistetensis episcopi, Tibaldi marchionis, Engelberti marchionis, Berengarii comitis, Sigebodonis comitis aliorumque fidelium nostrorum, quoddam allodium Wilenbac nuncupatum, situm in comitatu Ottonis de Horeburc, in proprietatem dedimus et libere tenere atque possidere concessimus, cum omnibus appendiciis suis, videlicet villis, mancipiis utriusque sexus, pratis, pascuis, campis, silvis, venationibus, aquis aquarumve decursibus, piscationibus, molis, molendinis, viis et inviis, adquisitis et adquirendis, cum omni utilitate, quę inde exire vel provenire potest. In hac igitur itaque nostra largitione sive concessione statuimus statuendo nostra imperiali auctoritate sanccimus, ut nullus deinceps archiepiscopus, episcopus, dux, marchio, comes seu aliqua regni nostri magna parvaque persona predictum Ottonem de suprascripto allodio audeat inquietare, molestare vel disvestire. Si quis vero, quod non opinamur, contra hoc nostrum decretum aliquo temerario ausu ire temptaverit, auri optimi libras centum componat, medietatem scriniis nostris et medietatem prelibato Ottoni. Quod ut verius credatur et ab omnibus inviolatum permaneat, hanc cartam inde scriptam et manu propria corroboratam i[m]pressione nostri sigilli iussimus insigniri.

Signum domni Heinrici quarti Romanorum imperatoris invictissimi. (M.9.) (SI.D.)

Bruno cancellarius recognovit.

Data novemb., indictione VIIII, anno dominicę incarnationis millesimo C[XV], regnante Heinrico quinto rege Romanorum anno XII, imperante VII; actum est Rudesheim; in Christo feliciter amen.