Angebliches Original (ca. 47/48 b: 57,5/59 h) im Stadtarchiv zu Worms
(A); Rückvermerk des 15. Jh.:
Sagt vom heubtrecht.
Faks.: Bischof Burchard 1000–1025. Tausend Jahre Romanik in Worms.
Begleitpublikation zur Ausstellung im Museum der Stadt Worms (11. März
bis 1. Oktober 2000) hg. v. G. Bönnen
unter Mitarbeit von I. Spille
S. 65.
Drucke: Ludewig, Reliquiae 2,133 no
8. – Schannat, Hist. episc. Wormat. 1,349 Auszug (aus Frid. Zornii
Chron. Worm. MS.). – Aus A: Moritz, Reichs-Statt Worms, App. doc. 144 no
3. – Bresslau, Diplomata centum 125 no
82. – Boos, UB d. Stadt Worms 1,53 no
62 = Keutgen, Urk. zur städt. Verf.-Gesch. 17 no
23 Auszug. – Bulst-Ernst, Texte 2,112 no
13. – Diestelkamp
in Elenchus font. hist. urb. 1,79 no
51 Auszug. – Weinrich, Quellen 178 no
48 mit dt. Übers. – Weidemann
in Das Reich der Salier, Katalog 499 no
2.2 in dt. Übers.
Reg.: Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,499 no
16. – Scriba, Hess. Reg. 3,65 no
1024. – Goerz, Trierer Reg. 14. – Goerz, Mittelrhein. Reg. 1,465 no
1672. – Bischof Burchard S. 64. – Böhmer
Reg. 2042. – Stumpf
Reg. 3119.
Nach Hausmann, Reichskanzlei 45, 66 no
69, 72 no
9 und 80f. handelt es sich bei D. †138 um eine Fälschung auf der
Grundlage eines echten Diploms, das nach Übertragung des inzwischen
wieder verlorenen Siegels dem Falsum geopfert wurde. Das verlorene
Original, aus dem zweifellos auch das Datum unverändert übernommen
wurde, war nach seinen Feststellungen – wie das drei Monate ältere
D.135 – eine Gemeinschaftsarbeit der beiden Notare Adalbert A und
Adalbert B gewesen.
Hausmanns Zuweisungen der jeweiligen Anteile lassen sich bestätigen, auch wenn
dies hinsichtlich der Schrift bei Notar Adalbert B nicht verifizierbar
ist, da die Schriftbesonderheiten der beiden Notare von dem Schreiber
der Fälschung nur ganz unzulänglich nachgeahmt wurden: Danach stammte
von Adalbert A nur die Schrift des Protokolls und der Signum- und
Rekognitionszeile (vgl. a.a.O. 66 no
69); für das Protokoll ergibt sich dies in erster Linie aus der
peinlich genauen Nachzeichnung des typischen Chrismon dieses Notars,
und auch für das dreifache
v in
avgvstvs (s. Anm. c) bietet z.B. D.136 eine Parallele; die Elongata der 1.
Zeile selbst, in der übrigens das kanzleigemäße
quartus vor
Romanorum ausgelassen wurde, verfehlt das Schriftmuster hingegen vollständig,
sowohl im ganzen Schriftcharakter als auch in Orthographie (hier
sc̄ę statt eines mittig durchstrichenen
SCAE, ausgeschriebenes
et statt des tiron. Kürzels) und Buchstabenformen (zumeist Minuskel-a statt Kapitalis-A, elongiertes rundes
s statt des verschleiften langen
s, das
t ohne Kopf in Gestalt einer liegenden 8 und ohne Fußverschleifung).
Ähnliche Ferne vom Schriftmuster gilt für die Unterfertigungszeilen,
wo allerdings jetzt regelmäßig Kapitalis-A verwendet ist (wie bei Adalbert A ohne Querbalken), bei dem
t von
imperatoris entspricht auch die Gestaltung des Kopfes dem Schriftmuster, es fehlt
aber ebenfalls die Fußschleife; schließlich hat auch der nachgetragene
Aufstrich des
Q (s. Anm. a’) sein Vorbild bei Adalbert A; am eindeutigsten gesichert
ist wiederum, dass – wie das Chrismon – das Monogramm des Originals
von Adalbert A gezeichnet war, was vor allem an der dornförmigen
Verstärkung in der Mitte der Abstriche von
Q und
R sowie der schneckenförmigen Einrollung des
G-Fußes erkennbar ist.
Wenn Hausmann
a.a.O. 81 die einzigartige Formulierung der Rekognitionszeile (zu ihr
s. auch Bresslau
in Textband zu Kaiserurk. in Abb. 84 und Friedmann, Worms und Speyer 162 Anm. 816), die sich vor allem in ihrem Umfang
von der vom Notar vorher und nachher (s. DD.109ff. und nochmals D.145)
verwendeten knappen Formulierung mit
Bruno cancellarius recognovit abhebt, durch “eigenmächtige Veränderungen” des Fälschers verursacht
sieht, wobei er an unbestimmt bleibende “andere Vorlagen” denkt,
scheint uns, da ein Grund für ein Abweichen des Fälschers vom Original
ganz unersichtlich ist, eine andere Erklärung und damit letztlich eine
Rückführung des Wortlautes auf das Original denkbar: Der rekognoszierende (Leiter der Hofkapelle)
Arnoldus hatte zuvor nur zwischen März und Oktober 1112 (damals noch als
einfacher Hofkaplan), und zwar wie hier ohne Titel, in Stellvertretung
des damals auch noch das Kanzleramt wahrnehmenden Erzkanzlers Adalbert
rekognosziert (s. Vorbemerkung zu D.109); es ist vorstellbar, dass
Arnold 1114 nochmals, gleichfalls in Vertretung des (vermutlich
abwesenden) Kanzlers Bruno, einmalig für die Rekognoszierung
herangezogen wurde, dass jedoch der Fälscher versehentlich (Bresslau
a.a.O. spricht von “mißbräuchlich”) ein
vice … cancellarii des Originals durch
vice … archicancellarii ersetzt hatte.
“Schrift und Diktat” des ganzen Kontextes sowie der Datierung spricht Hausmann
(a.a.O. 72 no
9) dem Notar Adalbert B zu; der direkte Nachweis für die Schrift
scheitert freilich aus dem einfachen Grunde, dass dem Fälscher auch
hier die Orientierung am Schriftvorbild vollkommen misslang (während
Adalbert B die Kopula
et immer ausschrieb, begegnet hier daneben zusätzlich & und das tiron.
Kürzel; langes
s hat hier als Verschleifung immer nur Wellenlinien um die Oberlänge,
während Adalbert B daneben in ungefähr gleicher Häufigkeit von der
Oberlänge nach links auslaufende Einzel- oder Mehrfachverschleifungen
bietet; insbesondere aber fehlt der unteren Hälfte des
g die bei Adalbert B regelmäßig anzutreffende kleine Öse, s. Hausmann
Abb. 3).
Dass aber Adalbert B der Diktator (und dann wohl auch der Schreiber)
war, ergibt sich einerseits im Kontext aus der für ihn typischen
Zeugeneinleitungsformel (s. Hausmann
a.a.O. 72f.), andererseits aus der Formulierung der Datierung mit der
für ihn charakteristischen – von Adalbert A seit D.108 endgültig
aufgegebenen – Angabe des Ordinationsjahres. Bei der Wahl der Ziffer
XIIII für dieses ist übrigens denkbar, dass der Notar Adalbert A Einfluss
genommen hat; denn die gesamten Jahreskennzahlen (Reihenfolge: Ind.,
Königs-, Ord.- und Kaiserjahre)
VII/VIII/XIIII/IIII wirken wie eine für das Jahr 1114 um jeweils 2 Ziffern erhöhte
Fortschreibung der Zahlen, die Adalbert A in den von ihm geschriebenen
DD.106–108 aus dem Jahre 1112 verwendet hatte (V/VI/XII/II) – wobei Adalbert A übrigens wie dort (vgl. Vorbemerkung zu D.106)
mit den Zahlen für das Ordinationsjahr um 2 Einheiten und für das
Regierungsjahr um 1 Einheit hinter den richtigen Zahlen zurückblieb,
wohingegen er in den zuvor von ihm allein datierten Diplomen seit
D.124 (s. dortige Vorbemerkung) immer das richtige 9. Regierungsjahr
eingesetzt hatte –, während nach der Rechnung des Adalbert B die von
diesem in DD.99 und †101–104 aus dem Jahre 1112 eingesetzte Zahl
XIII (statt richtigen
XVI) für das Ordinationsjahr hier eigentlich auf
XV erhöht sein müsste. – Auf eine Anregung des Adalbert B dürfte
schließlich auch die Einzeichnung eines – von Adalbert A sonst kaum
verwendeten – Beizeichens im Original zurückzuführen sein, das vom
Fälscher nicht ganz korrekt wiedergeben wurde (s. Anm. c’).
Sieht man von Stüllein, Itinerar 67 sowie jüngst Friedmann
a.a.O. (ohne eigene Bewertung) ab, ist Hausmanns eindeutiger Nachweis des Fälschungscharakters des D. †138 von der
gesamten seitherigen Literatur, die nach wie vor von der Echtheit
ausgeht (vgl. Schulz
in Beitr. z. hochmal. Städtewesen 81ff.; Diestelkamp
in Hist. Zs. Beiheft 7,269f.; Keilmann
in Wormsgau 14,18f.; Opll, Stadt und Reich 172ff.), nicht zur Kenntnis genommen worden, so dass
das Original auch noch im Rahmen der Salierausstellung des Jahres 1992
als echt präsentiert wurde (s. oben Weidemann). – Eine Scheidung zwischen dem echten Kern des Originals und den
Zutaten des Fälschers lässt sich mit diplomatischen Mitteln nicht
treffen, ebensowenig eine genauere Datierung der Fälschung anhand der
Schrift.
Es scheint uns aber ein Indiz für die Annahme zu geben, dass die
Fälschung nicht erst kurz vor dem DF.I.853 von 1184 Januar 3 (= NU.)
entstanden ist, das sich auf unser D. beruft (Cum igitur ad noticiam nostram perlata fuisset divę memorię Heinrici
V. Romanorum imperatoris augusti constitucio …) und dem dieses zusammen mit dem DH.IV.267 von 1074 als Vorurkunde
gedient hat (s. Vorbemerkung zu D.108); denn in der Nachlassregelung
des D. †138 geht es, trotz des das Hauptrecht nennenden Rückvermerks,
lediglich um das Buteil (vgl. dazu Arnold, Verf.-Gesch. d. Freistädte 1,195; Rodenberg
in Festgabe Zeumer
245f.; Schulz
a.a.O. 82ff. mit eingehender Interpretation; Keilmann
a.a.O. 18; s. auch Anm. o mit Verwendung des Begriffes
buvteil in der umformulierenden NU.), während erst im Barbarossa-Diplom
zusätzlich vom Hauptrecht die Rede ist (vgl. gleichfalls Anm. o);
hätte die Fälschung des D. †138 der unmittelbaren Vorbereitung des
DF.I.853 gedient, wäre das Hauptrecht sicher schon in ihm aufgenommen
worden; Opll
a.a.O. 173 meint allerdings, aber wohl zu Unrecht, “hinter der
Betonung des freien Testierrechtes könnte auch das Verbot des
‘Hauptrechtes’ stehen”.
Wegen der Umformulierungen gegenüber dem teilweise ungeschickt
formulierten D. †138 (vgl. z.B. Wechsel zwischen Aussteller-Plural und
-Singular) sind die Parallel-Passagen der NU. in den Anmerkungen in
extenso zitiert. – Der erste Teil der Dispositio enthält inhaltliche
Übereinstimmungen und z.T. wörtliche, durch Petitsatz gekennzeichnete
Anklänge zur Einleitung sowie zu c.1 und c.15 des Wormser Hofrechtes
B. Burchards I. von Worms von ca. 1023/25 (MGH Const. 1,639 no
438) (= VU.); der Inhalt von c.15 (s. Anm. h) ist durch das Buteil-Verbot von D.
†138 aufgehoben. Zum Hofrecht vgl. Rodenberg
a.a.O. 237ff. (ebenda 240 und Schulz
a.a.O. 83 zu c.15). – Zu der in der älteren Literatur vielfach
unrichtig gedeuteten Bestimmung über das Schiffszöllneramt vgl. Opll
a.a.O. 173f.