Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<137.>>

Heinrich bestätigt dem seit Kaiser Otto (III.) reichsfreien Kloster Santa Maria zu Pomposa den Besitzstand, seinen Schutz und die Reichsunmittelbarkeit sowie das Recht der freien Abtwahl.

Speyer, 1114 September 13.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Einzelabschrift des späten 15. Jh. im Staatsarchiv zu Modena (B). – Auszug im Summarium von 1665 p. 14–16 ebenda (C).

Drucke aus B: Bresslau in NA 20,225 no 1 = Bellini, Le saline dell’antico delta padano 667 no 59 unvollständig.

Reg.: Wentzcke, Straßburger Reg. 1,302 no 396. – Samaritani, Reg. Pomposiae 1,155 no 436. – Ehlers, Metropolis 279 no 48. – Stumpf Reg. –.

B ist überliefert auf einem einzelnen Perg.-Doppelblatt, in dem der Text des Diploms nur das vordere Blatt bis ins obere Viertel der Rückseite füllt; da der Rest dieser Seite und die beiden leeren Seiten des zweiten Blattes vollständig liniiert sind, bildet das Doppelblatt offenbar den (mittleren) Rest einer Lage und evtl. einer ganzen verlorenen Handschrift; Vorlage dürfte wegen der teilweisen Nachahmung der Elongata durch Majuskelschrift (s. Anm. a und ab) und der Nachzeichnung des Monogramms das Original gewesen sein. – Das auf einer ebenfalls das Original benutzenden verlorenen Vorlage des 15. Jh. beruhende (s. It. pont. 5,179) Summarium endet mit der Bemerkung: Bulla extat olim cum sigillo cereo, que incipit in secunda linea: Si circa sanctorum loca etc. Data idibus septembris anno domini MCXIIII.

Wiederholung des DH.IV.450 von 1095 (= VU.; Chrysograph), in den selbständigen Teilen (Proto- und Eschatokoll) verfasst von Notar Adalbert A (vgl. Hausmann, Reichskanzlei 66 no 68). Von dem Notar hatte aber auch zur Gänze die Reinschrift des verlorenen Originals gestammt, wie die Nachahmung seiner Schrift in der textlich auf D.137 basierenden Fälschung des auf (1116) Dezember 28 datierten D. †296 für S. Vitale zu Ravenna (= NU.I) zeigt; letzteres erlaubt auch die Ergänzung des in der Kopie unvollständigen Eschatokolls einschließlich der bildhaften Zeichen (vgl. Anm. y”, ad und ae).

Zur Verwendung eines ihm vorher und nachher weithin unvertrauten Signum speciale (Beizeichen), mit dem das Original von D.137 ausgestattet war (s. Anm. ad), hatte Adalbert A sich augenscheinlich durch seinen im Herbst 1114 kurzfristig wieder tätigen Kollegen Adalbert B anregen lassen: Letzterer hatte mit D.135 von 1114 August 26, zu dem Adalbert A nur die Datierung beisteuerte, seine Tätigkeit wieder aufgenommen (s. Hausmann a.a.O. 72 no 8) und dieses mit einem Beizeichen ausgestattet, das in Form und Beigaben genau demjenigen des letzten erhaltenen Originals seiner ersten Tätigkeitsphase, des D.102 von 1112 August 27, entsprach. – Während Adalbert A das ganz von ihm geschriebene nächste Stück, D.136 von 1114 Aug. 30, seinem Brauch entsprechend noch ohne Beizeichen gelassen hatte, versah er D.137 mit einem Zeichen, das in seinen Beigaben, wie die Nachzeichnung in D.†296 zeigt, fast vollkommen dasjenige von D.135 nachahmte: Während in D.135 sich beiderseits des Zeichens je eine mit 6 Tilden gebildete senkrechte Tilden-Punkte-Reihe befindet, zählt in D.†296 die vordere Reihe 7 Tilden, und während in D.135 die rechts daneben befindlichen drei Kreuze in der Stellung 2:1 nebeneinander stehen, sind sie in D.†296 in der Stellung 1:2 untereinander gesetzt; dabei muss offenbleiben, ob diese geringen Varianten schon auf Adalbert A im Original von D.137 oder erst auf den Nachzeichner des D.†296 zurückgehen.

Die nur durch D.†296 überlieferte (s. Anm. ae), mit richtiger Nennung des italienischen Kanzlers Burchard versehene Rekognitionszeile entspricht in ihrer knappen Formulierung derjenigen, wie sie in den mit D.137 gleichzeitigen und vom deutschen Kanzler Bruno rekognoszierten Diplomen für deutsche Empfänger verwendet ist (vgl. D.136 und [neben dem D.143 für italien. Empfänger] erst wieder D.145 sowie vorher und nachher), während in den später, während des 2. Italienzuges, von Burchard rekognoszierten Diplomen durchwegs zusätzlich sein Titel als Bischof von Münster angegeben ist (vgl. DD.155, 169, 174 u.ö.; in unmittelbarer zeitlicher Nähe von D.†296 das D.194 [s.a. D.*195] sowie DD.198/199; die Kurzform wie in DD.137/†296 begegnet sonst nur einmal in D.175); die Formulierung in D †296 ist demnach ebenfalls eine getreue Übernahme aus dem Original von D.137.

Unser D. ist in DF.I.705 von 1177 (= NU.II) und in dem undatierten, wohl im späten 15. Jh. entstandenen DF.I.†1070 (= NU.III) in geringem Umfang als Vorlage benützt. – Vor dem Barbarossadiplom von 1177 war D.137 die vorerst letzte der seit Otto III. von jedem Herrscher wiederholten Bestätigungen der Reichsunmittelbarkeit Pomposas (s. Anm. 1–5); hierzu sowie zu dem Phänomen, dass parallel dazu in einer Reihe von Diplomen dem Kloster S. Salvatore zu Pavia sowie dem Erzbistum Ravenna der Besitz Pomposa bestätigt wurde, vgl. Thiel, Beiträge ■ff.

Die zweimalige Erwähnung eines Ugo marchio im Kontext (s. Z.■ und ■) begegnet so schon in den älteren Diplomen seit dem DH.III.145 von 1045 (s. noch DH.III.193 und DDH.IV.177 und 450); während die Formulierung der 1. Stelle (et ab Ugone marchione magnifice ditatam) schon genauso in DH.III.145 steht, begegnet die Formulierung der 2. Stelle (et cum omnibus, quę predictę abbatię Vgo marchio filius Vberti dedit) gleichlautend erst in DH.III.193 von 1047, wohingegen sie in DH.III.145 abweichend davon lautet: et quicquid sibi iunior Vgo marchio filius Vberti dedit. Dies schließt von vornherein Gleichzeitigkeit und erst recht Identität beider Personen aus, wie sie zuletzt im Register zu DDH.IV. S.911 in Betracht gezogen wurde. Für die Identifizierung des an der 1. Stelle genannten Hugo ist ausschlaggebend, dass er mit seiner “magnifica donatio” erst im Anschluss an Heinrichs II. Bestätigungen, deren älteste (D.312) dem Jahre 1014 angehört, verzeichnet ist; daraus ergibt sich, dass der bereits Ende 1001 gestorbene Markgraf Hugo von Tuszien (zu diesem vgl. Falce, Il marchese Ugo di Tuscia) nicht gemeint sein kann, an den z.B. Fasoli (in Benedictina 13,199 und in Monasteri in Alta Italia 182) dachte und dabei hypothetisch in Erwägung zog, dass dieser an der Wiedererrichtung des Klosters nach den Ungarneinfällen maßgeblich beteiligt gewesen sei.

Aus zeitlichen Gründen dürfte es sich viel eher um den seit ca. 1012 urkundlich genannten und zwischen 1037 und 1040 gestorbenen (s. Gabotto, Storia di Tortona 178, 182) Markgrafen Hugo aus dem Hause der Otbertiner/d’Este handeln, welchem mit ziemlicher Gewissheit auch der jüngere Vgo marchio filius Vberti angehört (vgl. Gabotto in Giornale stor. della Lvnigiana 9.1,11 und 33), vgl. dazu Vorbemerkung zu D.173; auf den Otbertiner Hugo bezieht auch Samaritani a.a.O. 68 no 7 den an 1. Stelle genannten Markgrafen des DH.III.145 (“Hugo marchio Estensis fortasse”, allerdings mit “[950 post]” viel zu früh datiert).

Bresslau a.a.O. 229 vermutet unter den zahlreichen Intervenienten einen Teil der Teilnehmer an Heinrichs Herbstfeldzug nach Westfalen (s. auch Meyer von Knonau, Jahrb. 7,305). Die unter Heinrich V. jeweils einmalige Intervention der Äbte Benno von Lorsch (dieser als Petent genannt in D.111 von 1113, vgl. Wehlt, Reichsabtei 339) und Stephan von Limburg beruht wohl auf der Lage ihrer Klöster in der Diözese Speyer, vielleicht waren sie aber auch die klösterlichen Gastgeber der Abgesandten des Klosters Pomposa gewesen. Zum Fodrum vgl. Brühl, Fodrum 539, 561, 565, 576.

In nomine sanctae et individuae trinitatis. Heinricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Si circa sanctorum loca beneficia condigna impendimus, hoc nostram imperialem maiestatem condecere credimus, insuper [et] ęterna premia nos inde adipisci confidimus. Quapropter omnium Christi nostrorumque fidelium universitatem scire volumus, qualiter nos ob amorem Christi et eius genitricis virginis Marię ac per interventum dilectę nostrę contectalis Mathildis reginę et aliorum principum nostrorum, scilicet Erlungi Werceburgensis, Cvononis Strazburgensis, Alberonis Metensis, episcoporum, Erlvlfi Fuldensis, Stephani Limburgensis, Bennonis Laurisensis, abbatum, Herimanni marchionis, Godefridi comitis palati[n]i, [Goz]mari comitis, Bertholdi comitis, ceterorumque fidelium nostrorum abbatiam sanctę Marię in Pomposia, ab antecessore nostro imperatore Ottone a Frederico Rauennatis ecclesię archiepiscopo iuxta utriusque placitum ad imperialis subiectionem proprietatis con[c]ambiatam ac postea ab Heinrico nostro altero antecessore corroboratam et ab Ugone marchione magnifice ditatam et in atavum nostrum Cuonradum imperatorem et avum nostrum Heinricum bonęque memorię patrem nostrum Heinricum imperatorem successione imperii et legali iure hereditatam, dehinc eodem iure ad nostrę dominationis manus receptam, cum omnibus suis pertinentiis, quicquid videlicet predicta abbatia per aliquod munimen cartarum vel traditionum detinet vel eidem pertinet ab ecclesia Romana et Rauennate aut ab aliqua alia, seu etiam quicquid iure proprietatis detinet aut acquirere in futuro potuerit, idest totam insulam integram, a primo latere Pado percurrente in mare, a secundo latere litus maris, a tertio vero latere Gauro; et piscariam, que vocatur Volana, cum portu integro a rivo Baderino ex utrisque partibus usque in mare; et massam, que dicitur Lacus Sanctus, cum lateribus suis et cum piscaria, que vocatur Tidini, a primo latere fundo, qui vocatur Grecule, et fundo, qui vocatur Corna Ceruina, et fluvio, qui vocatur Cisi, et canale, qui vocatur Curlo, a secundo latere valle, que vocatur Farulle, et fluvio, qui vocatur Conca Agathę, descendente in Gaurum, a tertio latere ipso Gauro, a quarto vero Pado percurrente; insuper curtem unam integram, quę vocatur Hustolatus, cum plebe sua; et aliam, que vocatur Baoria; et curtem aliam, que vocatur Ultra Canalem, cum omnibus ad monasterium sanctę Marię in Cenodochio pertinentibus; et cum omnibus, quę predictę abbatię Vgo marchio filius Vberti dedit; quicquid etiam habet aut acquirere poterit infra Padum et Atesim fluvium vel infra Padum et Sandalum et quantacunque in apostolicę sedis privilegio releguntur; verum etiam, queque habet aut acquirere poterit in civitate Rauenna et infra totum comitatum Comaclensem et Gauellensem et Ferrariensem et Mutinensem et Bononiensem et Corneliensem et Fauentinum et Liuiensem et Popiliensem et Cesenatem et Montemferetranum et Ariminensem et Pensauriensem et Fanensem et Vrbinensem et Castellanum et Perusinum et in omnibus quoque locis, cum areis, edificiis, castris, capellis, silvis, pratis, pascuis, paludibus, salictis, olivetis, vineis, montibus, vallibus, planiciebus, aquis aquarumque decursibus, piscationibus, venationibus, salinis et cum omni utilitate, quę vel nominari vel scribi potest, ab omni subiectione archiepiscoporum Rauennatum excutimus, ut regalis in perpetuum sit, nullis dominantium personis subiecta. Sintque monachi eius ab omni secularis servicii infestatione securi, nullius persone magnę vel parvę nisi nostrę de placito respondentes et ab omni angaria sive fodro tam nostro quam[que] missorum nostrorum seu omnium secularium potestatum cum suis omnibus remoti. Qui etiam de suis, qualem voluerint, abbatem eligant ab episcopo Comiaclensi consecrandum; qui si sibi pro pecunia vel aliqua humana potestate molestus esse voluerit, veniat ad archiepiscopum Rauennatem ab eo benedicendus; et si hoc in isto quod in illo invenerit, ad qualemcumque episcopum voluerit, causa consecrationis properet. Si quis autem hoc preceptum imperiale nostrum [infringere] presumpserit, componat ducentas libras auri [cocti, medietatem camerę nostrę et medietatem] prelibatę abbatię. Quod ut verius credatur, hanc paginam imperialem manu propria roboratam sigillari iussimus.

Signum domini Heinrici quarti Romanorum imperatoris invictissimi. (M.9.) [SMP.]

[ Burcardus cancellarius recognovit.]

Dat. idus septembris, indictione septima, anno dominicę incarnationis millesimo CXIIIIo, regnante Heinrico quinto rege Romanorum anno VIIIIo, imperante [IIII]; act. est Spirę; in Christo feliciter amen.