Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<*133.>>

Heinrich schenkt dem Kloster Siegburg <bzw. der erzbischöflichen Kirche zu Köln> das von seinem Ministerialen Erlolf erhaltene Allod Hirzenach unter Vorbehalt der Vogtei.

(wohl 1114 Juni).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Stumpf Reg. –.

Das von der Hand Wibalds von Stablo stammende D.211 Konrads III. von 1149 August 24, mit dem er die von dem Siegburger Abt Kuno 1. (1105–1126) getroffene Regelung der Vogtei über die von diesem auf dem Allod errichtete und dem Kloster Siegburg unterstellte Zelle Hirzenach bestätigt und diese mit ihren Besitzungen in seinen Schutz nimmt, berichtet in der Narratio: qualiter divę memorię avus noster Heinricvs Romanorum imperator augustus huius nominis quartus susceptum ab Erlolfo quodam ministeriali suo allodium Hircenouwe nomine legaliter tradiderit deo et sanctis eius in monasterio Sigebergensi coram illustribus et idoneis testibus Brunone Treuirensi archiepiscopo, Hartwico Ratisponensi episcopo, Adelberone Metensi episcopo, Godefrido palatino comite, Bertolfo duce, Herimanno marchione, Frideberto, Embricone, Arnoldo, Reimboldo, Wigando, ministerialibus, et multis aliis consentientibus his, qui hereditario iure proximi esse videbantur, hac interposita ratione, ut eiusdem allodii non alius quam imperator umquam existeret advocatus.

Das sich hieraus – trotz des unpassenden avus (vgl. dazu unten) – ergebende Deperditum Heinrichs V. ist aufgrund der genannten fürstlichen Zeugen als absolut gleichzeitig mit Heinrichs D.132 für Hirzenach anzusehen (so schon Stumpf, Zusätze S. 539, ferner Vorbemerkung zu DKo.III.211), während Oppermann in Westd. Zs. 21,107f. die Zeugenliste mit dem Deperditum von vor 1109 (D.*46) in Zusammenhang bringen wollte (dem widerspricht schon seine eigene Feststellung a.a.O. 107, dass der hier genannte Gottfried von Calw erst im Jahre 1113 die Pfalzgrafschaft Lothringen erhielt; s. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,274).

Auch die allesamt nach Boppard gehörigen ministerialischen Zeugen sind, zumeist jeweils mehrfach, als zeitgenössich belegt: Zwei begegnen in DKo.III.47 von 1140 als Urheber von durch Konrad bestätigten Schenkungen an Hirzenach: Arnoldus de Bobarde noster ministerialis und Embrico de Burgenhouen (Bornhofen gegenüber von Boppard auf der rechten Rheinseite; Embrico sonst ebenfalls nach Boppard benannt); vgl. ferner die in D.24 aus der VU. (DH.IV.491 von 1105) übernommenen Zeugen (Fridebreht, Arnolt), außerdem Nennungen in D.†249 (Arnoldus) und in den DDLo.III.14 (Arnoldus de Bochbarden …, Wigandus), 16 (Arnoldus) und 40 (Arnoldus, Wigant, Reginboldus, Embrico), in DFI.167 von 1157 (Winandus de Bochbarten) sowie in der nach Oppermann a.a.O. 100ff. in den 30er Jahren des 12. Jh. gefälschten Urkunde EB. Hermanns III. von Köln von angeblich 1095/96 (Wisplinghoff, Urk. Siegburg 1,37 no 17: Embrico et Fridebertus de Bobarden; s. dazu Oppermann, Rhein. Urk.-Studien 1,161).

Da das Deperditum hinsichtlich der Schenkung Hirzenachs lediglich eine Wiederholung des ebenfalls verlorenen D.*46 darstellen würde, wurde die Erneuerung vielleicht deshalb erbeten, um die Bestimmung über die königliche Reservierung der Vogtei für die inzwischen auf dem Allod errichtete Zelle aufzunehmen. Warum jedoch überhaupt der Inhalt des Deperditums nicht in D.132 integriert, für Hirzenach demnach fast gleichzeitig zwei Diplome ausgestellt wurden, bleibt eine offene Frage.

Während hier, wie in D.*46, die Schenkung Hirzenachs an Siegburg allein auf Heinrich V. zurückgeführt ist, begegnet in dem älteren DKo.III.47 von 1140 zusätzlich auch Heinrich IV.: Traditus est enim isdem locus [scil. Hircenowe] ab avo nostro Heinrico quarto et a filio eius Heinrico quinto avunculo nostro, Romanorum imperatoribus, cum omnibus suis appendiciis et utilitatibus, quę inde provenire possunt, ęcclesię sancti Michaelis in monte Sigeberg sitę. Aus der hiesigen Kombination von richtigen Verwandtschaftsbezeichnungen mit falschen Kaiser-Ordinalzahlen (s. auch das nächstfolgende Zitat) resultiert offensichtlich das falsche obige avus.

Zur Erklärung ist nun von Bedeutung, dass der Text von DKo.III.47 nicht aus der Kanzlei stammt, sondern dass es sich bei diesem Diplom um ein Blankett handelt (s. dortige Vorbemerkung), auf dem der Siegburger Empfängerschreiber mit viel Mühe einen viel zu umfangreichen, so vielleicht von der Kanzlei nicht vorgesehenen und mit ihr nicht abgesprochenen mehrteiligen Text unterbrachte: Im ersten Teil, dem teilweise D.132 als Vorurkunde diente, ist die Bestätigung der dortigen Schenkung der Novalzehnten durch avunculus meus Heinricus quintus Romanorum imperator sowie der oben erwähnten Ministerialenschenkungen enthalten; es folgt, als eigene Verfügung Konrads formuliert, der Passus: Decernimus etiam, ut nullus advocatus super eandem ęcclesiam preter regiam personam existat vel quem ipse [= König] consensu et petitione Sigebergensis abbatis constituerit (letzteres ab vel vielleicht verfälschende Zutat); erst daran nahtlos anknüpfend folgt der zitierte, wieder rein narrative Passus. Die Einbeziehung Heinrichs IV. in diesen Passus geht ihrerseits zurück auf eine dem DKo.III.47 dafür weitgehend als Vorurkunde dienende (aber noch richtige Ordinalzahlen verwendende), nur durch kopiale Überlieferung des 18. Jh. erhaltene und auf 1110 Mai 4 (anno MCX, IIII. die maii) datierte Urkunde EB. Friedrichs I. von Köln (Wisplinghoff a.a.O. 52 no 25), die außerdem erklärt, nicht Siegburg selbst, sondern der Erzbischof sei der unmittelbare Empfänger der Schenkung Hirzenachs gewesen, und dieser habe es seinerseits erst nachträglich (und zwar indirekt, s. unten beato Petro) an Siegburg weitergegeben: locum, qui vocatur Hirtzenaw, inprimis ab Henrico tercio Romanorum imperatore et post haec a filio eius Henrico quarto Romanorum imperatore magnifico cum utriusque summa benevolentia impetravi et beato Petro [= Domstift Köln] et specialiter ecclesiae sancti Michaelis in monte Sigeberg sitae tradi in firmam possessionem feci, ea scilicet condicione, ut ecclesia ibidem construeretur et vita regularis, idest monastice professionis, illic institueretur, quod dei disponente clementia per Cunonem abbatem, eiusdem Siegebergensis ecclesiae strenuum administratorem, studiose adimpletum est. Traditus est autem ille idem locus a praefatis imperatoribus cum omnibus suis appendiciis, agris videlicet, vineis, terris cultis et incultis, viis et inviis, pratis, silvis, venationibus, piscationibus, molendinis et cum omnibus utilitatibus, quae inde provenire possunt.

Diese Urkunde, deren in DKo.III.47 verkürzte Pertinenzliste möglicherweise aus unserem Deperditum geschöpft ist, weist eine Reihe von Ungereimtheiten auf, die der für seine sonstige Hyperkritik bekannte O. Oppermann in Westd. Zs. 21,104ff. mit letztlich wohl nicht tragfähigen Argumenten zu erklären versucht: Gegen die Richtigkeit des Datums spricht sowohl dessen Formulierung wie die Verwendung des Kaisertitels für Heinrich V., wofür als Erklärung Oppermann entweder ein Versehen des Kopisten (so auch Semmler a.a.O. 51) oder eher eine Ansetzung der Urkunde ins Jahr 1112 annehmen möchte; vorkommende genealogische Irrtümer will Oppermann ebenfalls einem Versehen des Kopisten anlasten; die erst durch die EB.-Urkunde erfolgte zweifellos unberechtigte Einführung Heinrichs IV. will er im Hinblick auf die von ihm selbst zugestandene Tatsache, dass 1109 der Kurie nur ein Diplom Heinrichs V. vorgelegen hat (D.*46), damit erklären, dass Heinrich IV. “wahrscheinlich” schon eine mündliche Zusage gemacht habe und der EB, “als er (1110) die Tradition nachträglich verbriefte”, “deshalb beide Herrscher” nannte (ähnlich Semmler a.a.O. 51, der an ein erst von Heinrich V. beurkundetes, wahrscheinlich schon von Heinrich IV. vorgenommenes Rechtsgeschäft dachte). – Andererseits vermutet Oppermann (a.a.O. 106 und 108), zum Zweck der Bestätigung durch Konrad 1149 sei ein (unter Verwendung des Deperditums Heinrichs V.) auf den Namen Heinrichs IV. gefälschtes Spurium fabriziert worden, wobei unter dem Einfluss der EB.-Urkunde von 1110 “ohne besondere Absicht”(!) Heinrich V. durch Heinrich IV. ersetzt worden sein mag; “bei dieser Gelegenheit” könne dann auch die Änderung von V zu IIII in dem Privileg von 1109 (s. D.*46) erfolgt sein.

Gegenüber diesen allzu bemühten Erklärungsversuchen kann das Resultat einer kritischen Bewertung der fraglichen EB.-Urkunde von angeblich 1110, die noch zuletzt von Volk, Wirtschaft u. Gesellschaft a. Mittelrhein 79f. unbeanstandet referiert wird, nur lauten, dass ihr zumindest für ihre narrativen Teile keine Glaubwürdigkeit zugemessen werden kann, was dann auch für die von dort übernommenen Angaben in den Konrad-Diplomen gilt. Für eine auch nur beabsichtigte Schenkung Hirzenachs durch Heinrich IV. bleibt angesichts des späten Einsetzens von Nachrichten, nicht vor 1109, kein Spielraum (s. D.*46). Ob ein, jedenfalls gefälschtes, Deperditum auf den Namen Heinrichs IV. existiert hat, bleibt ungewiss (dies wäre auch nicht erst für das DKo.III.211 von 1149 gefälscht worden, sondern schon vor 1140, da auch in DKo.III.47 beide Heinriche genannt sind). Auf keinen Fall ist die in DH.IV.*515 (im Kopfregest mit “Unecht (?)” versehen) geäußerte Vermutung aufrecht zu erhalten, dass eine auf 1100–1105 zu datierende echte Urkunde Heinrichs IV. vorgelegen haben könne, die möglicherweise wegen dessen Bannung durch Heinrich V. erneuert worden wäre (ähnliches Argument in der Vorbemerkung des durch Heinrichs V. D.24 von 1107 wiederholten DH.IV.491 von 1105 Dez. 3).