Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

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Heinrich bestätigt der auf Rodungsland neu gegründeten Zelle zu Hirzenach den von EB. Bruno von Trier übertragenen Rodungszehnt des Gebietes, die von Herlold und seinem Sohn Berwich geschenkten Höfe zu Rheinbay und Bvllingesheim und die sonstigen Besitzungen.

Dollendorf, 1114 Juni 16.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original (ca. 44/44,5 b : 47,5 h) im Hauptstaatsarchiv zu Düsseldorf (A); Rückvermerk des 12. Jh. in Majuskeln: Item de Hirzenowe.

Drucke: Acta Palat. 7 (hist.),463 no 2. – Aus A: Lacomblet, Niederrhein. UB 1,179 no 276. – Posse, CD Sax. regiae 1.2,38 no 44 Auszug. – Wisplinghoff, Urk. Siegburg 1,53 no 26.

Reg.: Stälin, Wirtemberg. Gesch. 2,320. – Günther, CD Rheno-Mos. 1,197 no 97. – Goerz, Mittelrhein. Reg. 1,464 no 1669. – Fester, Reg. Baden 6 no 42. – Dobenecker, Reg. Thur. 1,231 no 1097. – Vogt, Herzogtum Lothars 155 no 26 (zu Juli 16). – B.-Petke Reg. 27. – Schorn in Ann. Niederrhein 197,75 no 4. – Parlow, Die Zähringer 136 Reg. 197. – Böhmer Reg. 2039. – Stumpf Reg. 3114.

Verfasst und geschrieben von Notar Adalbert A, vgl. Hausmann, Reichskanzlei 66 no 65; zum Diktat s. auch Hirsch in MIÖG 25,415f. (mit teilweisem Spaltendruck). Das Original ist im Archiv des Klosters Siegburg überliefert, das überhaupt die wesentlichen Urkunden seiner Zellen/Propsteien, die angesichts einer stark eingeschränkten Rechtsstellung offensichtlich keine eigenen Archive hatten, verwahrte, vgl. Wisplinghoff, Urk. Siegburg 1,IX und Ders., Ben.-Abtei Siegburg 65. – D.132 diente dem DKo.III.47 von 1140 (= NU.) u.a. für den ersten Teil der Dispositio sowie für Pönformel und Korroboratio stellenweise als Vorurkunde.

Die Geschichte der Gründung der Siegburger Zelle Hirzenach (knapp 7 km s. Boppard) ist keineswegs “einigermaßen klar”, wie Semmler, Klosterreform von Siegburg 51, vorgibt. In der bisherigen Literatur – Wagner in Ann. Niederrhein 61,37; Heyen, Fiskus Boppard 110f.; Semmler a.a.O.; Wisplinghoff, Ben.-Abtei Siegburg 82; zuletzt Volk, Wirtschaft u. Gesellschaft a. Mittelrhein 79f.; s. auch Bosl, Reichsministerialität 1,331 –, die sich auf die in ihrer Echtheit fragliche Urk. EB. Friedrichs I. von Köln von angeblich 1110 Mai 4 (Wisplinghoff, Urk. Siegburg 52 no 25) und das davon weitgehend abhängige DKo.III.211 von 1149 August 24 stützt (s. dazu D.*133), stellen sich die Vorgänge so dar: Der Ministeriale Herlold/Erlolf (zu ihm s. weiter unten) übertrug sein Allod an Heinrich IV., dieser gab es an EB. Friedrich I. (dafür gibt nur Wisplinghoff, Ben.-Abtei Siegburg 82 ein Datum an: “spätestens 1105”) und dieser dann an Siegburg weiter (Angabe bei Heyen u. Wisplinghoff a.a.O: vor 1109), worauf die Errichtung der Zelle durch Abt Kuno I. von Siegburg erfolgte, wofür Wagner a.a.O. das Jahr 1114, Semmler a.a.O. 290 vor 1110 angeben.

Heinrich IV., von dem Heyen a.a.O. 74 und 110 sogar behauptet, die Gründung sei “durch” ihn erfolgt (S. 110 wenigstens mit der Einschränkung “indirekt durch Kaiser Heinrich IV.”), hat jedoch aus der Frühgeschichte Hirzenachs auszuscheiden, wie denn auch schon Wagner a.a.O. einschränkend formuliert, Erlolf habe sein Allod in den ersten Jahren des 12. Jh. “dem Kaiser Heinrich IV. und wohl nach dessen Tode Heinrich V.” übergeben; Semmler bietet zur Auswahl: Übergabe durch Heinrich IV. unmittelbar an Siegburg bzw. (nach der EB.-Urkunde) Übergabe durch “Kaiser Heinrich IV. und Kaiser Heinrich V.” zunächst an Köln. – Gesichert ist jedoch nur, dass Heinrich V. allein vor 1109 unmittelbar an Siegburg tradierte (s. D.*46), und dass die Gründung der geistlichen Institution aufgrund der Bezeichnung als nova cella in unserem D. kurz vor 1114 erfolgte.

Die beiden curtes erscheinen nochmals in der damals 9 Höfe zählenden Besitzliste des zitierten DKo.III.211 für Hirzenach (Beie an 1., Bullingesheim an 7. Stelle). Das heute nicht mehr existierende Bvllingesheim ist vermutlich in der Nähe des knapp 1 km w. Hirzenach gelegenen anderen Ortes Rheinbay (beide heute Stadtteile des ca. 8 km nördlich gelegenen Boppard) zu suchen; zur Lokalisierung der Wüstung “bei” Boppard vgl. auch Schorn a.a.O. 86, während Hausmann (DDKo.III., Register S. 643) sie bei dem rechtsrheinischen St. Goarshausen sucht. – Die beiden Höfe dürften überdies zusammen mit Hirzenach zu einem einheitlichen Güterkomplex gehört haben; es kann nämlich kaum bezweifelt werden, dass der in unserem D. genannte Schenker der Höfe, Herloldus (bei Heyen a.a.O. 111 fälschlich mit Herbold, sein Sohn mit Bervie wiedergegeben), wie schon von Wagner a.a.O. 38 und ihm folgend von Oppermann in Westd. Zs. 21,107 Anm. 171 angenommen, mit dem Reichsministerialen Erlolfus identisch ist, auf den nach der Narratio des DKo.III.211 (s. Auszug bei D.*133) die Schenkung des Allods Hirzenach an Siegburg zurückgeht und der sechs Jahre nach der Stiftung der cella deren Vogtei erhalten haben soll. Es ist überdies in Betracht zu ziehen, dass familiäre Beziehungen (Vater-Sohn-Verhältnis?) zu dem als Kölner Ministeriale und zugleich Lehnsmann Heinrichs IV. genannten Erlolfus bestehen, dessen Reichslehen zu Eschmar (Gem. Troisdorf im Rhein-Sieg-Kreis, ca. 8 km w. Siegburg) auf Bitten EB. Annos von Köln Heinrich IV. mit seinem D.204 von 1068 an Siegburg schenkte (predium quoddam, quod Erlolfus minister suus [= EB. Annos II.] ex nostra proprietate beneficio habuit).

Obwohl eine in der älteren Literatur behauptete Identität des Erlolfus mit einem “Erlolf von Sternberg” (Ruine wenige Kilometer flussaufwärts von Boppard auf der gegenüberliegenden rechten Rheinseite) schon 1895 von Wagner a.a.O. 37 Anm. 1 (mit Lit.-Verweisen; s.a. Volk a.a.O. 80 Anm. 179) als unerweislich verworfen worden war (in der wechselhaften Geschichte der Vogtei begegnen nur kurzfristig, 1294–1310, Herren von Sternberg als Inhaber der käuflich erworbenen Vogtei, Wagner a.a.O. 42ff.), verwendet Bosl, Reichsministerialität 1,331f., nachdem er, ohne Nachweis, für “Sterrenberg” eine Nennung schon 1110 behauptete, für den Erlolf des DKo.III.211, gleichfalls ohne Nachweis, jedoch alles in fast wörtlicher Wiederholung von Mittelrhein. UB 2,CLXXVII, die Bezeichnung “Erloph[!] von Sternberg, Ministerialer Heinrichs IV.” und erklärt weiterhin, “die Vogtei hatten zunächst[!] die Sternberg, dann die Rheingrafen, die Grafen von Sponheim und schließlich wieder[!] die Sternberger” inne; ebenso verwendet Semmler a.a.O ständig (S. 51, 284 [in Anm. 13 mit Verweis auf Bosl a.a.O. 1,331f.], 287, 290, 299) die Bezeichnung Erlolf von Sternberg, den er auch – dies wohl nach dem oben Gesagten sachlich zu Recht – als Stifter/Gründer der Zelle ansieht (S. 284f., 287, 290f., 299), worauf auch seine Bestellung als Vogt (S. 287, 290f., 296: Untervogt; S. 289: Untervogt des Königs) zurückgeführt wird (S. 285: Erbvogtei). – Da unser D. ohne Narratio auskommt, muss das Fehlen einer Kennzeichnung Herlolds als denkbarer Stifter in der Dispositio nicht unbedingt gegen diese Rolle sprechen; auffälliger ist demgegenüber, dass Siegburg nicht als Eigentümer der Zelle und der Siegburger Abt nicht als Intervenient genannt wird.

Zur Identifizierung des Handlungsortes mit dem auf dem rechten Rheinufer ca. 5 km oberhalb von Bonn-Beuel gelegenen Ober- bzw. Niederdollendorf (Stadtteile von Königswinter) statt des von Stumpf angenommenen, in der Nordeifel, weitab westlich des Rheins gelegenen Dollendorf (Gem. Blankenheim Kr. Euskirchen) vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,295 Anm. 16, ebenso Stüllein, Itinerar 63 mit Anm. 6 und 7, zuletzt Hillen in Hist. Jahrb. 120,284ff. (s.a. Vorbem. zu D.336). Aus der Nennung Hz. Lothars schließt Stüllein, dass hier das sächsische Kontingent zum Reichsheer stieß, das zu Schiff zum Feldzug gegen die Friesen unterwegs gewesen sei. Für diesen zu Jahresbeginn bei Heinrichs Hochzeitsfeier zu Mainz (7. Januar), wo auch die Aussöhnung mit Lothar erfolgt war (s. B.-Petke Reg. 24), von den Reichsfürsten beschlossenen Feldzug war die secunda septimana post pentcosten (= 17. Mai) vorgesehen gewesen. – Entgegen bisheriger allgemeiner Ansicht (vgl. u.a. Meyer von Knonau a.a.O. 295ff., Stüllein a.a.O. 64f., B.-Petke Reg. 28, Parlow 137 Reg. 198) hat nach Hillen dieser Friesenzug jedoch überhaupt nicht stattgefunden, da das kaiserliche Heeresaufgebot von der Empörung EB. Friedrichs I. von Köln und seiner niederrheinischen Verbündeten überrascht wurde, weshalb sich Heinrich unverzüglich gegen die Aufrührer gewandt habe, mit dem rechtsrheinischen Deutz (s. B.-Petke Reg. 29) als erstem Angriffsziel, wofür das Gebiet des ca. 30 km südlicher gelegenen Dollendorf als “Truppensammelpunkt und Aufmarschgebiet” gedient haben konnte. Und auch später sei Heinrich nicht dazu gekommen, die unterbrochene (vgl. dazu die Formulierung der Chronik Ekkehards rec. III, ed. Schmale-Ott 312: intermissa itaque profectione) Strafexpedition gegen die Friesen wieder aufzunehmen; vielmehr löste Heinrich nach den langen Kämpfen mit den Rebellen das Heer auf (a.a.O. soluto exercitu) und kehrte an den Mittelrhein zurück (vgl. die Anonyme Kaiserchronik, ed. Schmale-Ott 264: … redit Mogontiam infecto negotio et frustrato suo suorumque labore). – Nicht zu den sächsischen Teilnehmern zählte übrigens Graf Hermann von Winzenburg (zu ihm s. D.127), mit dem Posse a.a.O. (mit Fragezeichen, im Register S. 476 eindeutig) den marchio Herimannus (= Hermann II. von Baden) identifizieren möchte (Dobenecker a.a.O. lässt die Alternative unentschieden). – Stumpf Reg. 3115 (vgl. dazu Meyer von Knonau a.a.O. in Anm. 16 und Stüllein a.a.O. in Anm. 7) bieten wir unter den “Privaten Akten” als D.336.

(C.) In nomine sanctae et individuae trinitatis. Heinricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Omnibus Christi nostrique fidelibus tam futuris quam presentibus notum fieri volumus, qualiter nos, ego videlicet Heinricvs IIIItus Romanorum imperator augustus, rogatu et petitione fidelium et principum nostrorum, Brvnonis videlicet Treuerensis archiepiscopi, Erlvngi Werceburgensis episcopi, Harthvici Ratisponensis episcopi, Adalberonis Metensis episcopi; ducum quoque: Frederici ducis, Lvtherii ducis, Bertholfi ducis, marchionis etiam Herimanni, Engelberti marchionis, Godefridi palatini comitis, hoc privilegium cuidam novę cellę Hertenowę dictę, in honore sanctę Marię et beatorum apostolorum Iohannis ęvangelistę et Bartholomei constructę, de novalis decima, quam archiepiscopus Brvno Treuerensis supradictę cellę dedit et perpetuo habendam contradidit, in quo novali eadem predicta cella sita est, de duabus etiam curtibus, quarum una vocatur Beię, altera Bvllingesheim, quas Herloldus et filius suus Bervicus eidem cellę pro salute animę suę dederunt, et prorsus de omnibus, quę iam adquisivit vel adquisitura est, fieri iussimus et sub pęna banni nostri firmiter interdicimus, ut nulla deinceps persona magna sive parva eandem ęcclesiam de beneficiis suis aliquomodo inquietare, molestare vel disvestire audeat. Si quis vero forte, quod absit, huius nostri precepti paginam infringere temptaverit, centum libras auri componat, medietatem camere nostre et medietatem supradictę ęcclesię. Ut autem hoc ab omnibus credatur et omni ęvo inviolabiliter observetur, hanc cartam inde conscriptam et manu propria corroboratam inpressione nostri sigilli insigniri iussimus.

Signum domni Heinrici quarti Romanorum imperatoris (M.9.) invictissimi. (SI.3.)

Bruno cancellarius recognovit.

Data XVI. kl. iulii, indictione VIII, anno dominicę incarnationis millesimo CXIIII, regnante Heinrico quinto rege Romanorum anno VIIII, imperante III; actum est Tollendorf; in Christo fęliciter amen.