Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<*128.>>

Heinrich bestätigt erneut die Freiheiten des Klosters Pfäfers.

(Straßburg, wohl 1114 letztes Märzdrittel).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Stumpf Reg. –.

In c. 1 der über Vorgänge der Jahre 1114–1116 berichtenden, von einem den Ereignissen zeitlich nahestehenden Autor verfassten “Narratio de libertate ecclesiae Fabariensis” (Abschrift vom Ende des 14. Jh. im Liber aureus des Kl. Pfäfers im Stiftsarchiv St. Gallen, Abt. Pfäfers Hs. 2 f. 33r; Druck Bethmanns in MGH SS 12,410) lautet im Anschluss an den Bericht, dass B. Rudolf von Basel sich von Heinrich V. das Kloster Pfäfers hatte übertragen lassen (s. D.126 von 1114 März 10) und daraufhin von Abt (Gerold) von Pfäfers das servicium verlangt hatte, was dieser jedoch ablehnte – (… Rudolfus episcopus Basiliensis fraude dyabolica deceptus et infectus anxie die noctuque invasionem Fabariensis loci meditatur; et causa, que apta fieri tanto sceleri posset, sedulo querebatur. Causa tandem reperta, ut videbatur, regem predictum [scil. Heinrich V.] adiit ac castrum suum scilicet Rapeltsten tradidit pro advocacia, et sic infeodatur. Et post hoc statim legatos suos cum litteris regalibus [= D.3109] abbati Fabariensi [Hs.: -sii], viro per omnia laudabili, ut exitus rei probat, direxit, in quibus eum ad suum servicium venire quantocius precepit. At ibi [Hs.: ubi] litteris perlectis abbas sic fertur dedisse responsum: “Ego quidem servicium non recuso subire, quod fraterno caritatis exigitur amore; locum vero, quem liberum ex regalium testificacione preceptorum regendum dei gracia suscepi, nullatenus debeo aliene subicere servituti”. At nunctii episcopi remeavere cum indignacione ad propria) – die Fortführung: Et abbas cum fratre Wicrammo regem predictum adiit et litteris regalibus ac papalibus coram ipso evidentissime ostendit talem ac tantam libertatem sui monasterii nullo modo posse nec debere infringere. Et rex audiens constanciam ac probitatem et litterarum strennuitatem suorum antecessorum denuo ipsi prefato abbati ac monasterio suo [das o aus i verb.] omnes libertates eorum confirmavit et roboravit necnon litteras regias predicto monasterio Fabariensi desuper tradidit; vgl. auch Auszug bei Meyer von Knonau, Jahrb. 6,315f. Anm. 44 und bei Stüllein, Itinerar 62f. Anm. 5 zu 1114 nach März 10 (Straßburg); Reg.: Meyer-Marthaler u. Perret, Bündner UB 1,189 no 250; Perret, UB südl. St. Gallen 1,145 no 147, beide zu 1114 nach März 10.

Als B. Rudolf das Kloster nicht freigab, wurde Pfäfers nach Darstellung der Narratio in Rom aktiv, zunächst durch die Entsendung des erwähnten frater Wicrammus, der ein Mandat P. Paschals II. an B. Rudolf von etwa Juni/Juli 1114 erwirkte (Narratio a.a.O. 411 c. 2; Perret a.a.O. 145 no 148; JL 6383; Germ. pont. 2.2,113 no 6), hernach mit zusätzlicher persönlicher Anwesenheit Abt Gerolds und zweier bischöflicher legati mit dem Ergebnis eines weiteren Mandats an B. Rudolf, das einen Verhandlungstermin für den 21. März 1115 anberaumte (Narratio a.a.O. 411 in c. 3; Perret a.a.O. 146 no 149; JL 6416; Germ. pont. 2.2,113 no 7); aufgrund der Beweiserhebung (Narratio a.a.O. 413 c. 8), bei der das Kloster undecim [regalia] precepta vorgelegt haben soll, während die bischöflichen Abgesandten nihil simile habebant, erging am 16. April 1115 ein nochmaliges päpstliches Mandat an B. Rudolf (Narratio a.a.O.; Perret a.a.O. 147 no 150; JL 6452; Germ. pont. 2.2,114 no 8) sowie an den für Pfäfers zuständigen (quod in eius parochia situm est; ca. 15 km n. Chur) B. Wido von Chur (Perret a.a.O. 147 no 151;JL 6382; Germ. pont. 2.2,92 no 23 und 114 no 9); da nichts verfing, entsandte um die Jahreswende 1115/1116 das Kloster nochmals Boten nach Rom, neben Wicramus noch den Mönch Hugo, die das Privileg P. Paschals II. für Abt Gerold von 1116 Januar 29 mitbrachten (Narratio a.a.O. 413 c. 10; Perret a.a.O. 148 no 152; JL 6504; Germ. pont. 2.2,114 no 10). – Zum Bericht s. auch Meyer von Knonau a.a.O. 315f. Anm. 44 (ferner 349 Anm. 5 u. 363) und Seibert in Die Salier u. das Reich 2,564f.; ferner Meyer-Marthaler in Festschr. Th. Mayer (1954) 1,199, ebenda 183ff. zu dem vom Papst in den Streit eingeschalteten (s. oben) B. Wido von Chur, der in allen Diplomen des Basler Aufenthaltes vom März 1114 (DD.123–126) als Zeuge bzw. Intervenient (D.126: rogatu et consilio!) genannt ist.

Offenbar angesichts der Tatsache, dass sich trotz der sonstigen guten Überlieferung der Diplome für Pfäfers (vgl. D.50 Anm. 1–5) von dem Deperditum keine weitere Spur erhalten hat, sind einem Späteren (wohl nicht, wie Bethmann a.a.O. Anm. a annimmt, der Schreiber der Narratio-Abschrift im Liber aureus selbst; vielleicht aber im 17. Jh. der ebenda Anm. 4 genannte Stöcklin) Zweifel gekommen, ob das Kloster tatsächlich von Heinrich V. ein zweites Diplom erhalten hat, die Erwähnung nicht vielmehr auf das erhaltene D.50 von 1110 zu beziehen sei (s. auch Meyer von Knonau a.a.O. 120 Anm. 15), weswegen er die in der Eröffnung der Narratio (Anno ab incarnacione domini MoCoXIIIIo regnante Heinrico Romanorum rege …) gebotene Jahreszahl durch Rasur der unteren Hälfte des X in MoCoVIIII änderte (eine Änderung in wünschbares MoCoX wagte er wohl nicht). Solche Zweifel könnten sich auch darauf stützen, dass die Feststellung der Narratio, die bischöfliche Seite habe keine Titel zum Nachweis ihrer Ansprüche auf Pfäfers vorlegen können, sich schlecht mit der Existenz der echten DH.IV.443 von 1095 und DH.V.126 für Basel verträgt.

Es spricht jedoch alles dafür, dass man es angesichts der politischen Lage sowohl auf bischöflicher als auch auf klösterlicher Seite nicht für opportun hielt, damals in Rom Diplome der beiden letzten Salier vorzulegen. Eine kleine, aber verräterische Variante spricht nämlich dafür, dass auch das Kloster nicht, wie es eigentlich nahegelegen hätte, das DH.V.50 vorlegte; der für die Streitfrage relevante dortige Kernsatz (s. D.50 Anm. c’), der wörtlich in das Privileg von 1116 (JL 6504; Druck: Pflugk-Harttung, Acta 1,111 no 127) Eingang fand (in verkürzter Form auch schon in das Mandat von 1115 April 16, JL 6452: abbacia illius monasterii Fabariensis libera sit, nec alicui regum vel imperatorum liceat eam vel res eius alienare), schöpft aufgrund des eam (auf abbatia bezogen) nicht aus D.50, das eum (auf monasterium bezogen) liest (s. dortige Anm. f’), sondern – da auch eine Vorlage des gleichfalls noch eam lesenden DH.IV.194 aus obigen Gründen wohl auszuschließen ist – aus dem unproblematischen DH.III.56 von 1040.

Der chronologische Ablauf der Narratio-Darstellung erlaubt – wenn man sie nicht überhaupt in Frage stellen will – keinen anderen Schluss, als dass Pfäfers nach dem D.126 für Basel tatsächlich ein neues Diplom erhielt, das außer der Erneuerung des D.50 auch einen Widerruf des D.126 enthalten haben müsste; verwunderlich bleibt immerhin, dass das DKo.III.20 von 1139 nur das D.50 (s. dortige Vorbemerkung) als Vorurkunde kennt.

Wenn nun B. Rudolf zur Durchsetzung seines Anspruchs unverzüglich nach Erhalt des D.126 legati in das in Luftlinie reichlich 160 km entfernte Pfäfers entsandt hatte und andererseits Abt Gerold umgehend zur Erlangung von D.*128 an den kaiserlichen Hof zog, kann er diesen jedenfalls nicht mehr in dem, von ihm vermutlich auch gemiedenen, Basel angetroffen haben, das Perret a.a.O. alternativ zu Straßburg als Ausstellort des Deperditums in Betracht zieht, weshalb wir dieses zum Ende des Straßburger Aufenthaltes, dessen Dauer wir nicht kennen, einordnen (vgl. auch Stüllein a.a.O. 62f. Anm. 5).

Übrigens hat es nicht noch eine weitere Aktivität Heinrichs V. zugunsten von Pfäfers gegeben; denn bei der als angebliches Vidimus von 1656 erhaltenen Urkunde des Swicardus de Aspero Monte (Aspermont Gem. Trimmis Kt. Graubünden; ein Swicherus de Aspermont wird genannt in DF.I.566 von 1170) von 1120, mit der dieser dem Kloster 100 Mark Goldes patrimonii mei schenkt und erklärt: Hoc meum votum audiens prestantissimus Heinricus imperator huius executionem mandavit et approbavit (Mohr, CD Cur-Rätiens 1,223 no 156), handelt es sich nach Meyer-Marthaler u. Perret, Bündner UB 1,202 no 269* und Perret, UB südl. St. Gallen 1,150 no 153 um eine Fälschung von der Hand Karl Widmers (Stiftsarchiv St. Gallen, Abt. Pfäfers Hs. 17 p. 133).