Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<120.>>

Heinrich bestätigt der bischöflichen Kirche zu Treviso alle Verleihungen seiner Vorgänger, insbesondere den Besitz von Santa Maria mit der Burg Asolo, des Klosters Crespignaga, der Abtei San Ilario (bei Venedig) und der Zehnten von Bladinum und Ceresaria, ferner den Hafen von Treviso, die Münze, den Markt und den Zoll, erlässt ihr das ihm zu Verona geschuldete Servitium und bestätigt ihr die Immunität.

Worms, 1114 Januar 25.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Abschrift vom Ende des 14. Jh. nach einem notariellen Transsumpt in Diplomform von 1311 September 26 mit zusätzlicher notarieller Unterfertigung von 1316 Juni 8/Oktober 6 im Libro delle renovationi de’ feudi del vescovato di Treviso (= Liber Q) f. 32r–v im bischöflichen Archiv zu Treviso (C).

Drucke: Aus C: Bresslau in NA 3,130 no 10. – Stumpf, Acta imp. 666 no 473 nach Abschrift Bethmanns. – Stumpf Reg. 3103a.

Die meisten Diplome für Treviso (s. Auflistung in It. pont. 7.1,100), von denen weniger als die Hälfte im Original erhalten ist (vgl. Marchesan, Treviso medievale 1,XI: DBer.52 von 905, DO.I.378, DO.III.225, DH.III.201b, DKo.III.67, DF.I.189; nennt fälschlich auch Heinrich V. zu 1116!), sind durch von jeweils 4 identischen Notaren beglaubigte Or.-Transsumpte von 1311 September 26 überliefert. Den Abschriften des späten 14. Jh. im Libro delle renovationi liegen offenbar Neuausfertigungen dieser Transsumpte zugrunde, die jeweils (wir können dies nur für die von uns kontrollierten DD.120–122 sagen) von dem eine 5. Unterfertigung hinzufügenden Notar Menegellus Ingoldei de Lignamine gefertigt waren; während dessen Unterfertigung bei DD.121 und 122 sich jeweils auf das Datum 1311 September 26 rückbezieht (… in millesimo et die predictis, presentibus testibus suprascriptis), nennt er für D.120, zu dem das Or.-Transsumpt von 1311 nicht erhalten ist, ein anderes Datum: … in millesimo trecentesimo sextodecimo … die Martis octavo intrante iunio …, und, unter Nennung eines weiteren Auftraggebers, … in millesimo trecentesimo XVIo … die Mercurii sexto intrante Octubre, presentibus Iacobo de la Capella, Leonardo de Libenorio, Antonio de Baono, not(ariis); zu ähnlichen Zusatzdaten in der letzten Unterfertigung vgl. aber auch die Vorbemerkungen zu DBer.52 (1316 Okt. 6), DHugo 6 (1316 Juni 18), DDH.IV.174, 230, †231 und DF.I.89 (jeweils 1316).

DD.120–122 sind zusammenfassende (D.120) bzw. Einzelwiederholungen (DD.121 und 122) zweier Vorurkunden, des DH.IV.230 von 1070 (= VU.I; einzige VU. für D.121) und des DH.III.201b von 1047 (= VU.II; einzige VU. für D.122), die der Notar Adalbert A lediglich mit neuem Protokoll und Eschatokoll sowie Intervenientenliste ausstattete (vgl. Hausmann, Reichskanzlei 66 no 55–57), der aber auch die Reinschriften besorgt hatte, wie aus der Nachahmung seines Chrismon (nicht in D.120) und Monogramms in den Abschriften aller drei Diplome, der für ihn charakteristischen Kürzung des sanctae in der Invokatio (vgl. DD.121 und 122 Anm. b) und den Hinweisen auf ursprüngliche Majuskel-Schreibung der Personennamen (vgl. Anm. p) hervorgeht.

Während der Notar für die Rekognitionszeile von D.120 die in beiden Vorurkunden verwendete Formulierung übernimmt, nur seinem Diktat entsprechend das dortige recognovi durch recognovit ersetzt, greift er in DD.121 und 122 die von ihm in der Schlussphase des 1. Italienzuges bevorzugte Formulierung (vgl. DD.72 und 74–80) wieder auf, jedoch jetzt unter Austausch des damals dort genannten Mainzers durch den Kölner Erzbischof als eigentlichen italienischen Erzkanzler (vgl. Hausmann a.a.O. 5). Die Kanzleimäßigkeit aller drei Diplome beweist zudem in der ihrem Aufbau nach regulären Datierung, in der auch der Fehler in der Angabe der Königsjahre mit VII statt richtig VIIII zum Diktat des Adalbert A gehört (s. Anm. 1), gerade der zunächst irritierende Wechsel von quarto rege in D.120 zu quinto rege in DD.121 und 122, was dem dauernd wechselnden Gebrauch des Notars entspricht: quarto hatte er zuletzt in den DD.114–118 ständig eingesetzt, war in D.119 wieder zu quinto zurückgekehrt, um dann – nach dem Doppelwechsel in unseren drei Diplomen – in DD.123 und 124 wieder zu quarto überzugehen, mit ähnlich häufigen Wechseln auch in der Folgezeit.

Die zuvor nach dem Stichtag des 13. April 1113 eigentlich seit dem D.115 fällige, aber unterbliebene Erhöhung der Kaiserjahre von II (zuletzt in D.119 vom selben Tage wie D.120!) auf richtig III wird in D.120 nachgeholt und in den folgenden Diplomen beibehalten.

Die Intervenienten von D.120 sowie der nur in DD.121 und 122 genannte B. Erlung von Würzburg (dessen Fehlen in D.120 nur ein Versehen des Kopisten?) begegnen alle in D.117, ohne Herzog Heinrich von Kärnten auch in DD.118 und 119.

Speyer als Ausstellort von DD.121 und 122 ist für das Itinerar Heinrichs V. sonst nicht belegt, passt jedoch problemlos und hat noch ein weiteres Argument für sich: Aus dem Speyerer Kapitel stammte nämlich der – womöglich mit dem in DH.IV.423 von 1091 genannten gleichnamigen kaiserlichen Kapellan identische – Trevisaner Bischof Gumpold (vgl. Schwartz, Besetzung 61f.; Gawlik, Intervenienten 80 u. 88; Grafen in Frühmal. Studien 19,407 u. 418, mit Mitteilung seines Eintrags im Speyerer Nekrolog zum 18. Sept.).

Nimmt man an, dass Gumpold sich, womöglich anläßlich seiner Teilnahme an den Mainzer Hochzeitsfeierlichkeiten vom 7. Januar 1114, zu einem Heimatbesuch in Speyer aufhielt, sich von dort aus zur Erlangung der Bestätigung der Rechte seiner Kirche persönlich zum Hof nach Worms (D.120) begeben und den Kaiser dann wieder nach Speyer (DD.121 und 122) begleitet hätte, wo er vermutlich aus dem Gefolge ausschied, da er in keinem anderen gleichzeitigen Diplom genannt wird, dann erklärt sich am leichtesten das einmalige Nebeneinander von drei fast gleichzeitigen Diplomen für denselben Empfänger, deren erstes zudem inhaltlich die beiden anderen jüngeren eigentlich überflüssig gemacht hätte. So wenig nämlich einerseits die Kanzlei jedem einzelnen der drei Diplome, vor allem angesichts des Vorliegens von Vorurkunden, die Anerkennung zu verweigern Anlass gehabt hätte, so gänzlich unvorstellbar ist es andererseits, dass alle drei zusammen seitens der Kanzlei die letzte Anerkennung gefunden haben könnten.

Erklärlich wird die vorliegende Überlieferung jedoch, wenn man, die Anwesenheit Gumpolds vorausgesetzt, eine zwischen dem 25. Januar und dem 6. Februar eingetretene Änderung der Intentionen Gumpolds annimmt: Er mag zunächst eine Gesamtbestätigung der Rechte seiner Kirche angestrebt haben, indem er in den Text des DH.III.201b (VU.II) das erstmals mit DH.IV.230 (VU.I), von wo auch die Arenga genommen ist, verliehene Veroneser Servitium einbauen ließ – oder genauer: selbst einbaute. In D.120 haben wir nämlich nach dem erhobenen Befund wohl sicher einen Empfängerentwurf zu sehen, der von Adalbert A nur überarbeitet worden war, wodurch sich auch die von DD.121/122 abweichende Formulierung der Rekognitionszeile erklärt.

Nachdem D.120 durch Adalbert A schon mit dem Eschatokoll ausgestattet war, könnte Gumpold es für tunlicher gehalten haben, sich die beiden Komplexe getrennt bestätigen zu lassen, um nicht bei Anfechtung des in VU.II enthaltenen, mit San Ilario zu Venedig streitigen Besitzes (vgl. unten) die umfassende Urkunde (D.120) insgesamt zu gefährden – eine, wie DD.†61 und *166 beweisen, berechtigte Vorsichtsmaßnahme. Wenn deshalb das D.120, das vermutlich noch nicht besiegelt war, zurückgezogen wurde, wäre der immer noch erstaunliche Tatbestand der zwei an einem und demselben Tag ausgestellten DD.121 und 122 weniger verwunderlich, da sie lediglich in getrennter Form einen mit D.120 von der Kanzlei ja schon textlich anerkannten Sachverhalt wiederholt hätten.

Bei der Herstellung von DD.121 und 122, in denen man sich vielleicht bewusst mit nur zweien der Intervenienten aus D.120 begnügte (s. oben), wurde übrigens, ungeachtet weniger Anklänge (vgl. D.121 Anm. i u. l und D.122 Anm. d’ u. e’), nicht das D.120 zugrundegelegt, sondern je unmittelbar eine der beiden Vorurkunden; anders wäre die wechselnde Vorlagenbenutzung des D.120 nicht zu entwirren gewesen, und nur so konnte das in D.120 aus VU.II nicht übernommene Rekognitionszeichen in D.122 gelangen; das bestätigt nochmals die angenommene Mitwirkung Gumpolds, der die Vorurkunden mit sich geführt haben muss.

Dass man sowohl in D.120 wie in D.122 auf das ältere DH.III.201b (VU.II) zurückgriff statt auf das jüngere, abgesehen von Arenga und Publikatio mit diesem fast wörtlich identische DH.IV.174 von 1065, hat seinen Grund wohl darin, dass man einen möglichst frühen bzw. den frühesten Beleg für den mit San Ilario strittigen Besitz verwenden wollte.

Das auf denselben Tag wie das DH.IV.230 datierte DH.IV.†231 scheidet im übrigen als mögliche Vorurkunde aus, da es nicht, wie in der dortigen Vorbemerkung vermutet, die geringfügige Verunechtung eines sonst kanzleigemäßen Diploms ist, sondern eine eindeutige Ganzfälschung ohne echte Grundlage, die lediglich eine durch die Intervenienten und das Eschatokoll von DH.IV.230 angereicherte bzw. variierte wörtliche Wiederholung des DH.IV.174 darstellt, über dessen Kontext (und das heißt auch über DD.120 und 122) hinausgehend jedoch an unpassender Stelle hinter portum … Taruisiensem (vgl. S. ■ Z. ■) die Interpolation ac ipsam civitatem atque negociatores – darin ist das Fälschungsmotiv zu sehen – einschaltet. Das Falsum DH.IV.†231 ist zweifellos jünger als 1114 und vermutlich erst kurz vor dem DKo.III.67 von 1142 (wiederholt durch das DF.I.89 von 1154) und zum Zwecke der Bestätigung durch dieses angefertigt worden; DDH.IV.230 und †231 entfallen somit auch als denkbares Vorbild für die Datierung von DD.121 und 122 auf einen Tag. – Auf die Diplome Heinrichs V. wurde übrigens bei den Nachfolgern nicht mehr Bezug genommen.

Der Umstand, dass DD.120 und 122 inhaltlich in Widerspruch stehen zu dem zuvor zugunsten von San Ilario ausgestellten und ebenfalls von Adalbert A herrührenden, jedoch nur als auf Grundlage einer echten Vorlage hergestellte spätere Fälschung erhaltenen D.†61 – wie vorher schon DH.II.†313b (s. Anm. x) und DH.IV.174 für Treviso gegen DH.II.185 und DH.IV.417 für San Ilario (DH.III.201b für Treviso steht gegen DKo.II.46 für San Ilario) –, wirft ein bezeichnendes Licht auf die mangelnden Kontrollmöglichkeiten der Reichskanzlei über ihre eigenen Produkte, die unter Heinrich V. nochmals durch die Negativ-Beispiele von D.126 zugunsten Basels gegen D.50 zugunsten von Pfäfers und von D.202 zugunsten Brixens gegen D.106 zugunsten von Disentis dokumentiert werden; die beiden anderen Beispiele sind insofern noch krasser, als in DD.126 und 202 jeweils allein das betreffende Kloster Gegenstand der Bestätigungsurkunde für den Bischof ist, während hier San Ilario (ohne Ortsbezeichnung!) und die beiden Orte Bladinum und Ceresaria Teil einer umfassenderen Bestätigung bilden.

Zum schließlichen Scheitern der zuletzt durch das DF.I.89 von 1154 geförderten Bemühungen Trevisos gegenüber den älteren Rechtstiteln San Ilarios vgl. die Vorbemerkung zu D.†61. – Zur Identifizierung des erstmals in DO.III.225 von 996 genannten Crispulinum (fehlt samt dem zuvor schon in DO.I.378 von 969 und DO.III.69 von 991 belegten Asolo in DKo.II.66 von 1026), mit dem cluniazensischen Kloster S. Giacomo di Crespignaga (com. Maser prov. Treviso) vgl. Lanfranchi-Strina, Ss. Ilario e Benedetto, Einleitung S. LIV Anm. 1.

(C.) In nomine sancte et individue trinitatis. Heinricus divina favente clemencia quartus Romanorum imperator augustus. Patrum nostrorum ortodoxorum exempla secuti, qui ecclesias dei tam rebus ad fiscum regis pertinentibus quam propriis hereditatibus honoraverunt, pensantes quoque benignum remuneratorem deum preciosaque comercia, dum temporabilibus mercamur eterna, caducis in eternum mansura, nos eas in omnibus honorare [et] sublimare ad nostram perpetuam felicitatem desideramus. Quapropter omnium sancte dei ecclesie nostrorumque fidelium tam futurorum quam presencium noverit multitudo, qualiter nos ob remedium anime nostre, interventu quoque ac peticione fidelis nostri Burcardi Monasteriensis episcopi, Otonis Bauenbergensis episcopi, Heinrici ducis Carintie, Godefridi palatini comitis, Berengarii comitis, fideli nostro Taruisiensis ecclesie episcopo Gunboldo suisque successoribus ecclesieque illis comisse per hoc nostre institucionis preceptum felicis memorie patris nostri Heinrici consuetudinem eiusque predecessorum regum videlicet et imperatorum sequentes omnia predicte ecclesie precepta cunctaque empcionis, oblacionis seu cuiuscumque rate conquisicionis munimina eidem ecclesie a nostris predecessoribus constituta et corroborata et ea, que in illis continentur descripta: ecclesias scilicet et capellas, etiam sanctam Mariam cum castello Asylo et omnibus suis pertinenciis, ac monasterium Crispulinum seu abbaciam sancti Hylaris, Bladinum quoque et Ceresariam cum ecclesiastico districtu et decimacionibus, confirmamus et in perpetuum corroboramus; portum quoque Taruisiensem cum legitima aquarum riparumve districtione, monetam publicam, negociaciones mercatorum ceteraque omnia mobilia et inmobilia, que per preceptorum vel aliorum nominum cartarum instrumenta prefate ecclesie ab omnibus deum diligentibus vel timentibus collata et confirmata esse noscuntur, cum teloneis interius exteriusque colligendis, cum prediis et utriusque sexus mancipiis et familiis diversorum vocabulorum nominibus inscriptis. Insuper etiam ob fidelem devotamque servitutem Gunboldi eiusdem sedis episcopi plenum illud servicium, quod nos Verone inde debuimus accipere, in proprium dedimus atque tradidimus, ea videlicet racione, ut predictus Gunboldus episcopus suique successores nostris quoque nostrorum[que] successorum sive regum sive imperatorum temporibus soluti et omni modo liberi huius servicii exactione ac exibicione maneant et ad suam ipsius, quam voluerint, utilitatem idem servicium potestative convertant. Si autem inminente incendii vel alicuius infortunii periculo iamdicta ecclesia cartas vel aliquas inscripciones per negligenciam per[di]dit vel perdere quandoque contigerit, per hoc nostre confirmacionis preceptum corroboramus, ut ipsas res predicte ecclesie pontifex potestative teneat, ordinet atque disponat. Precipientes itaque iubemus, ut nullus dux, marchio, comes, vicecomes aut quisquam publicus exactor massarios, libellarios, cartularios, censatos, aldiones, servos et ancillas vel cuiuscumque generis homines super ipsius ecclesie terram residentes pignorare, calumpniari aut iniuste aliquid illis agere audeat neque ad placitum publicum eos venire compellat, sed, si quid contencionis supra illos invenitur, ante ipsius ecclesie episcopum diligenti iudicio finiatur omni[um] con[tra]dicione remota. Si quis igitur hanc nostre confirmacionis paginam infringere temerario ausu presumpserit, auri libras mille compositurum se noverit, medietatem camere nostre et medietatem predicte ecclesie suisque pontificibus. Quod ut verius credatur et diligencius ab omnibus observetur, manu propria roborantes sigilli nostri inpressione iussimus insigniri.

Signum domini Heinrici quarti Romanorum imperatoris invictis(M.9.)simi. (SMP.)

Burcardus cancellarius vice Frederici archicancellarii recognovit.

Data VIII. kl. februarii, indictione VII, anno dominice incarnacionis millesimo CXIIII, regnante Heinrico quarto rege Romanorum anno septimo, imperante III; act. est Varmacie; in Christo feliciter amen.