Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<119.>>

Heinrich nimmt das Kloster Remiremont in seinen Schutz, verfügt die Rückgabe des diesem widerrechtlich entzogenen Besitzes in Vincey und regelt die Vogteiverhältnisse sowie die Forstrechte.

Worms, (1113) 1114 Januar 25.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Abschrift von 1385 im Chartular von Remiremont in Ms. lat. 12.866 f. 77v–78v (alt f. 11v–12v) no 13 der Nationalbibliothek zu Paris (B), ohne Eschatokoll (s. Anm. ad). – Notarielle Abschrift von 1566 Juni 7 im Départementalarchiv zu Nancy, B 876 no 2 (C). – Abschrift von 1713 in Ms. nouv. acq. franç. 3.662 f. 1r–3v (alt p. 11–16) no 1 der Nationalbibliothek zu Paris (D). – Abschrift im Chartular von 1778 p. 144–146 no 2 im Départementalarchiv zu Épinal (E). – Abschrift im Chartular von 1778/88 p. 26–27 in der Stadtbibliothek zu Remiremont (F).

Teilfaks. aus C-F: Thiel, Beiträge Abb. 1a–1d.

Drucke: Aus C bzw. davon abhängiger Abschrift: Calmet, Hist. de Lorraine 11, preuves 533; 23, Preuves 69. – Guinot, Étude sur Remiremont 405. – Aus E: Duhamel in Ann. de la Soc. d’émulation du dép. des Vosges 12.2,250; alle zu 1113. – Aus allen Handschriften: Bridot, Chartes de l’abbaye de Remiremont 1108 no 37; 2102 no 44, zu 1114.

Reg.: Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,496. – Bréquigny, Table chronol. 2,432, beide zu 1113. – Stälin, Wirtemberg. Gesch. 2,379. – Ficker in Wilmans, Add. z. Westf. UB 92 no 116/23, beide zu 1114. – Duvernoy, Ducs de Lorraine 26 no 35. – Ders. in Bull. philol. et hist. 1917,13 no 5, an beiden Stellen zu 1113 Januar 29. – Böhmer Reg. 2031 zu 1114. – Stumpf Reg. 3039a (aufgrund der Zeitstellung Druckfehler für 3093a; vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,271 Anm. 4) zu 1113 und Reg. 3103 zu 1114.

Die zahlreichen weiteren Abschriften unseres D. (vgl. das Empfängerverzeichnis) konnten unberücksichtigt bleiben, da sie alle jeweils von einer der dem Druck zugrundegelegten Handschriften, von denen C-F unmittelbar auf das in der Französischen Revolution vernichtete Original zurückgehen, abgeleitet sind. – Bei der Textwiedergabe musste hinsichtlich der Orthographie ein Kompromiss gefunden werden: Da in der ältesten Abschrift B die Buchstaben c und t fast nie sicher zu unterscheiden sind, folgen wir in der Wiedergabe der Buchstabenverbindung ti den neuzeitlichen Abschriften C-F (vgl. Anm. f), obwohl diese Schreibung dort als schematisiert zu gelten hat und sicher gelegentliche ci-Schreibung des Originals ersetzt; in einem Fall, in dem die Schreibung ci auch in D wohl den originalen Befund wiedergibt, haben wir dies übernommen (s. Anm. y”). Umgekehrt folgen wir der durchgängig vereinfachten e-Schreibung von B-D für den a-Umlaut am Wortende (vgl. Anm. z; zu Ausnahme in C s. Anm. d), weil dessen modernisierte ständige Wiedergabe durch æ in EF (auch bei hæc und, nur in F, bei sæpe, præ- sowie cœp-) keinen Schluss auf den Umfang von ę-Schreibung im Original zulässt; nur in den wenigen Fällen, in denen E und/oder F offenbar bewusst die Schreibung des Originals beibehielten, haben wir diese übernommen (vgl. Anm. ap und at für ę in F; Anm. c/d für nichtligiertes æ in EF).

Verfasst ist D.119 von Notar Adalbert A (vgl. Hausmann, Reichskanzlei 66 no 54), dem zumindest für die Narratio ein Empfängerentwurf vorgelegen haben muss; die dortige Rückprojektion von späteren Verhältnissen (“Pariage” des Klostergutes zwischen Äbtissin und lothr. Herzog als Vogt) in die Gründungszeit des Klosters war offensichtlich von der Äbtissin Gisela II., die mit der Herleitung der Vogteirechte vom König die Stellung Remiremonts als Reichskloster sichern wollte, mit Erfolg am Hofe lanciert worden, vgl. dazu Hlawitschka, Stud. z. Äbt.-Reihe 82 und Rubner in Zs. f. Agrargesch. 14,173ff., zuvor schon Büttner in ZGO 89,390f.

Wie von Hausmann a.a.O. 67 vermutet, war Adalbert A auch der Schreiber des verlorenen Originals, wie u.a. die minuziöse Nachzeichnung des Chrismon in E zeigt (s. Anm. a; vgl. auch Anm. c/d); durch die bei Adalbert A übliche Schreibung der Eigennamen mit Majuskeln erklären sich auch die Verlesungen des Erlvngi (s. Anm. o’; das b in C ist Verlesung eines gestreckten G). – Verfehlt ist jedoch der Versuch Hausmanns a.a.O 67ff., mit Hilfe von D.119 für den anonymen Notar Adalbert A den Namen Heinrich – zur Unterscheidung von dem seit 1119 tätigen Notar dieses Namens von ihm als Heinrich (I) bezeichnet – gewinnen zu wollen; die nach D zwischen Signum- und Rekognitionszeile stehende und nach E vermutlich mit einem Handmal eingeleitete (s. Anm. ak) Unterschrift Heinricus subscripsi stammte nämlich nicht vom Notar, den auch Bresslau, Handb. 21,481 als “Subscribenten” von D.119 (bei ihm “St.3039a von 1113 Jan. 25”, s. oben) angesehen hatte, sondern rührte von der Hand des Kaisers, vgl. dazu die eingehende Untersuchung des D.119 bei Thiel a.a.O. ■.

Das in der handschriftlichen Überlieferung einheitlich genannte Inkarnationsjahr 1113 (s. Anm. aq) scheitert einerseits, in Verbindung mit dem Tagesdatum, an der Nennung des Pfalzgrafen Gottfried (v. Calw), der sein Amt frühestens nach dem Tode des Pfalzgrafen Siegfried († 1113 März 9) erhalten hatte und erstmals in D.†113 von 1113 April 6 als solcher begegnet, insbesondere aber an der (erstmaligen) Intervention der Königin Mathilde, deren Vermählung mit Heinrich erst am 7. Jan. 1114 stattfand. Die einzig mögliche Korrektur zu 1114 (vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 290 Anm. 7, s. auch 271 Anm. 4) ergibt sich zwingend daraus, dass die Empfängerin, Äbtissin Gisela II. von Remiremont, schon am 21. Februar dieses Jahres, also nur wenige Wochen nach Erwirkung des D.119, gestorben ist (vgl. Hlawitschka a.a.O. 83), ferner aus dem Itinerar, da in dem gleichfalls in Worms ausgestellten D.118 von 1114 Jan. 23 ein Großteil der hiesigen Intervenienten wiederbegegnet, und schließlich aus der Tatsache, dass die falschen übrigen Jahreskennzahlen (s. Anm. 2 u. 3) ein Kennzeichen der Diplome des Adalbert A seit D.115 bilden; das in D.119 letztmals begegnende falsche 2. Kaiserjahr wird, noch während des Wormser Aufenthaltes, ab D.120 berichtigt. – Übrigens ist aus dem Befund, dass der Fehler des falschen Jahres 1113 in allen Überlieferungen anzutreffen ist, zu folgern, dass er schon im Original enthalten war und demnach auf den sich beim Inkarnationsjahr sonst kaum irrenden Notar selbst zurückgeht. D.119 diente, ohne dass es als Vorgängerdiplom erwähnt wäre, dem DKo.III.58 von 1141 (= NU.), vom Austausch der Intervenientenliste abgesehen, als vollständig und wörtlich übernommene Vorlage, wobei jedoch an ganz unpassender Stelle, mitten in den Bestimmungen über den forestarius (s. Anm. p”), ein Passus über die Testierfreiheit der zum Kloster gehörigen Geistlichen und deren sowie der klösterlichen Hintersassen Besteuerung eingeschoben ist.

Schon vorher hatte Giselas Nachfolgerin als Äbtissin, ihre Nichte Judith, bei P. Calixt II. gegen Übergriffe des Herzogs Dietrich II. von Lothringen, des Klostervogtes (und zugleich des Vaters Judiths), und seiner Untervögte eine Bestätigung von D.119 erwirkt, wobei der Papst in seinem (einfachen) Privileg von 1123 März 29 (JL 7030; Bridot a.a.O. 115 no 40), über den Wortlaut von D.119 hinausgehend, wo nur von principum consilio die Rede ist, davon spricht, Heinrichs Entscheidung sei aufgrund eines Fürstenspruches ergangen (Super quibus [scil. die auch nach D.119 schon älteren Übergriffe] Gisla bone memorie monasterii Romaricensis abbatissa apud dilectum filium nostrum imperatorem Henricum querelam deposuit et – habita causa iudicio principum et precepto eiusdem imperatoris de redditibus et possessionibus reinvestita et ab iniustis consuetudinibus liberata – scripto et sigillo imperatoris munita recessit), und anschließend, nach überleitender Schutz- und Bestätigungsformel, aus D.119 die Verfügung über Vincey (ca. 20 km nnw. Épinal) sowie die Regelung der Vogtei- und Forstrechte fast wörtlich inseriert (s. Anm. f”). – In der Bestätigung des Calixt-Privilegs durch P. Innocenz II. von 1138 Dez. 17 (JL 7923; Bridot a.a.O. 127 no 48) sind die entsprechenden Bestimmungen nur teilweise und in Paraphrase wiederholt; außer dem Calixt-Privileg scheint dort aber auch D.119 selbst noch unmittelbar benützt zu sein (vgl. Anm. x”).

Durch Petitsatz gekennzeichnet haben wir die wenigen Stellen der Narratio (zu dieser s. oben), an denen D.119 Übereinstimmungen mit dem verfälschten DH.IV.†237 von angeblich “Mantua 1070 Sept. 28” (zu diesem Datum vgl. die Bemerkungen zu Stumpf Reg. 3149a = Anhang no 5) aufweist (s. Anm. k und u); zur Wertung dieses Falsum vgl. v. Gladiss-Gawlik in DA 30,216ff., wo 222 Anm. 29 die Parallelstellen in Spaltdruck geboten werden; da der Zeitpunkt der Verfälschung(en) nicht gesichert ist, lassen wir unentschieden, ob dessen Narratio zum echten Kern zählte und dem D.119 als Vorurkunde diente. – Umgekehrt ist sicher von D.119 das in einer Überlieferung des DH.IV.†237 am Schluss der Datierung stehende Henricus subscripsi beeinflusst; vgl. dazu Gawlik a.a.O. 217 mit Anm. 9, der die gleichlautende Kaiserunterschrift unseres D. nach Hausmanns Vorgabe (s. oben) noch als “notarielle Unterfertigung” bezeichnet, außerdem angibt, sie stehe in D.119 “nach der Rekognition”, was unter den verwendeten Handschriften nur durch C gedeckt ist (vgl. Anm. ak). – Zur Vogteifrage vgl. Boshof in ZRG Kan. 66,87. Zur Regelung der Forstrechte vgl. Rubner a.a.O. 174f., ebenda 178f. zum ungewöhnlichen Ausdruck forestaritura (s. Anm. w”).

(C.) In nomine sanctae et individuae trinitatis. Heinricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Notum esse volumus omnibus Christi fidelibus tam futuris quam presentibus, quod deo devotus Romaricus, sicut ex scriptis antiquorum accepimus, in loco, qui Mons Romarici appellatur, monasterium in honore beati Petri apostoli construxerit congregationemque sanctimonialium sub sancta religione deo militantium ibidem congregaverit prediisque propriis, scilicet mansis mille et quadringentis, unde sumptus necessarios habere possent, eundem locum ad plenum ditaverit atque in regali manu tutandum commiserit, sic disponens, ut rex medietatem supradictorum mansorum in proprios usus retineret et aliam ad usus ecclesie libere concessam custodiret. Divina itaque clementia providente et antecessorum nostrorum prudentia moderante hec, ut statuta fuerant, per longa tempora integra permanserunt, donec negligentia quarundam nimis simplicium abbatissarum et invasione advocatorum paulatim decrescere ceperunt, quorum rapina et iniusta exactio in tantum creverat, ut prebende sororum fere adnichilarentur et possessiones a suis colonis denudarentur. Hac necessitate compulsa Gisla eiusdem loci abbatissa cum sororibus suis nostram sepe petiit clementiam, quatenus nostro adiutorio et nostrorum principum consilio, que male creverant, in melius corrigerentur et, que distracta fuerant, secundum antiqua statuta restituerentur. Quarum iustam petitionem amabiliter suscipientes interventu dilecte coniugis nostre Mathildis regine et venerabilium episcoporum: Erlvngi Werceburgensis episcopi, Ottonis Bavembergensis episcopi, Burchardi Monasteriensis episcopi, Alberonis Metensis episcopi, Ricuini Tullensis episcopi, et comitum: Godefridi palatini comitis, Berengarii, Fulmari comitis, Hugonis comitis, ceterorumque principum nostrorum assensum prebuimus et ob salutem anime nostre patrisque nostri predecessorumque nostrorum ad effectum perducere curavimus. Nos igitur, ut nominata ecclesia mundiburdio nostro dedita nostra speciali defensione consistere valeat et congregatio sub regulari norma sine ulla indigentia ibidem degere possit, que restituimus, paucis inferius comprehensis capitulis annotavimus: Precipimus et imperiali auctoritate statuimus, ut prebendam de Vinciaco, que iniuste diu ablata fuerat, ecclesia rehabeat et sicut in aliis prebende possessionibus ita et in ista amodo quiete possideat. Multones de omnibus curtibus ad prebendam pertinentibus rehabeat. In singulis curtibus singulos tantum advocatos iure suo contentos esse concedimus, qui a nobis bannum receperint; ne homines prebende cogantur operari in castellis, interdicimus. Precipimus, ne in Vosago sit advocatus, forestarius nec aliquis minister nisi de familia ecclesie. In singulis curtibus forestarii plures non sint, quam antiquo iure debent esse. Probationem autem eorum iniustam, que mala consuetudine inoleverat, interdicimus, ita tamen, si forestarius legitimum probamentum ostenderit, ille, cui imponitur, si devictus fuerit, bannum emendet; si vero probamentum illud suum esse negaverit vel si sine legitimo probamento a forestario accusatus fuerit, cum idoneis testibus sacramento se excuset. De medietate forestariture, que ad usus sanctimonialium pertinet, nec decima nec aliqua pars nec servicium ab aliquo subripiatur. Si quis vero, quod absit, huius nostri privilegii paginam irritam esse voluerit, sciat se compositurum mille libras auri, medietatem camere nostre et medietatem supradicte ecclesie et abbatisse et sororibus ibidem deo famulantibus. Ut autem huius nostri privilegii carta vera esse credatur et omnia, que in ea observari iussimus, ab omnibus inviolabiliter conserventur, sigilli nostri impressione eam insigniri iussimus.

Signum domini Heinrici quarti Romanorum imperatoris invictissimi. (M.9.)

(+) Heinricus subscripsi.

Bruno cancellarius recognovit. (SI.3.)

Data VIII. kl. februarii, indictione VII, anno dominicę incarnationis millesimo CXIII, regnante Heinrico quinto rege Romanorum anno VII, imperante II; actum est Warmacię; in Christo feliciter amen.