Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<118.>>

Heinrich nimmt Heinrich (von Carrara) und seine Gemahlin Adelasa, die Brüder Marsilius, Hubert und Hugolo und die Brüder Henrizo, Litolf und Gumbert mit der Burg Carrara, ihren sonstigen Besitzungen und mit dem Kloster S. Stefano (zu Carrara) in seinen Schutz und gestattet ihnen den Mühlenbau an den Flüssen ihres Gebietes.

Worms, 1114 Januar 23.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Auszüge (s. Anm. i’ und m”) des 17. Jh. in dem fragmentarischen “Breve discorso sopra la badia di Carrara” (= f. 53–56) in Cod. lat. X 386 (= 2953) f. 55v der Biblioteca Marciana zu Venedig (B). – Abschriften zweier verschiedener Ausfertigungen eines notariellen Transsumptes von 1352 Januar 9: des 14. Jh. in Cod. 38 parte 1 f. 6v–7r des Archivio storico dei Conti Papafava dei Carraresi zu Padua, mit großer italien. Unterfertigung (C1); des 15. Jh. in Cod. it. VI 279 (= 6047) f. 6v der Bibl. Marciana, unvollständig (s. Anm. u) (C2); des 15. Jh. in Cod. lat. X 381 (= 2802) f. 1 ebenda, mit kleiner lat. Unterfertigung (C3). – Abschrift des 15. Jh. des Transsumptes Ks. Karls IV. von 1348 Juni 4 (fehlt bei B.-Huber) in Cod. lat. X 381 (= 2802) f. 7rb der Bibl. Marciana (D). – Abschriften des 18. Jh. des Transsumptes Ks. Karls IV. von 1370 Juni 23 (B.-Huber Reg. 4853) in Cod. lat. X 203 (= 3771) (= Brunatii Diplomata Patavina vol V.) f. 213r–v ebenda (E1) und in Cod. ms. I/66 Scoti f. 511v–512v der Biblioteca capitolare zu Treviso (E2).

Drucke: Aus C1: Orsato, Hist. di Padova 1,285. – (Giac. Roberto Papafava), Dissertazione sopra la famiglia da Carrara 91. – Dondi dall’Orologio, Dissertazione 4, app. 56 doc. 45 “ex archivo Papafabarum” unvollständig. – Böhmer, Acta imp. 72 no 77 aus Orsato u. Dondi dall’Orologio. – Aus C1: Gloria, CD Padov. 2.1,49 no 61. – Aus C1: Muratori, SS 217.1.2 (ed. Cessi), 169; aus C3 ebenda 5; aus D ebenda 55.

Reg.: Goerz, Mittelrhein. Reg. 2,613 no 2207. – Stumpf Reg. 3102.

Die relativ junge und auszugsweise Abschrift B beruht aufgrund der Variante von Anm. o’ womöglich auf einer selbständigen Überlieferung. Alle anderen Überlieferungen gehen jedoch auf Transsumpte des 14. Jh. zurück, die ihrerseits nicht im Original erhalten, sondern nur durch ihre Inserierung in die im 14. Jh. in je zwei lateinischen und italienischen Redaktionen entstandenen “Gesta magnifica domus Carrariensis” überliefert sind; zu diesen vgl. Cessis Vorrede zu seiner Edition (zu den Transsumierungen s. a.a.O. XI). Von den fast 20 Handschriften bleiben von uns diejenigen unberücksichtigt, die direkt oder indirekt von einer der für die Textherstellung herangezogenen abhängen. Wo die Handschriften C1–3 sowie E1.2 identische Lesungen aufweisen, werden im Apparat die Siglen C und E ohne Exponenten verwendet; die Umlautschreibungen ae statt e (so alle anderen Handschriften; zu Ausnahme s. Anm. oo”) in E2 werden nicht notiert.

Verfasst ist D.118 von Notar Adalbert A, vgl. Hausmann, Reichskanzlei 66 no 53. Man gewinnt den sicheren Eindruck, dass der Impetrant, der möglicherweise zusammen mit B. Gumbold von Treviso an den Hof gekommen war (s. DD.120–122), noch in der Endphase der Beurkundung auf den Text Einfluss genommen hatte: Nur so erklärt sich wohl die Plazierung der Einbeziehung des Stephanusklosters in die Schutzverleihung erst hinter der Pertinenzliste (ungeschickt wirkt auch die fast unveränderte Wiederaufnahme des den dortigen Schluss bildenden que nunc habent … durch quas nunc habet …); insbesondere erweist sich sodann der zwischen Sanktio und Pönformel stehende Passus Et ut molendina … als nachträglicher redaktioneller Einschub. Womöglich führte der Impetrant als Vorlage für die Zusätze ältere Urkunden mit sich; in einer derselben, auf der z. T. auch die Formulierung der Sanktio basieren könnte, müsste der zuständige Bischof (von Padua) genannt gewesen sein, auf den sich das dortige, sonst unerklärliche, vel eciam ipse episcopus (so auch noch in NU. S. 142 Z. 37) in seiner rückbezüglichen Formulierung beziehen würde, wobei wiederum die rangwidrige Plazierung des Bischofs am Schluss, nach dem decanus, auffällt. Das Ganze bietet so das Bild einer sehr flüchtigen Schlussredaktion!.

Zu Zweifeln an der Echtheit geben diese redaktionellen Schwächen jedoch keinen Anlaß, da D.118 durch das DF.I.319 von 1160 Oktober 15 (= NU.; die Edition beruht auf zu schmaler handschriftlicher Basis) eine fast wörtliche Erneuerung für Marsilius und für Mahtilda eius cognata erfuhr, und zwar tum pro fideli servicio Marsilii, tum pro memoria patris eius, qui in servicio antecesoris nostri imperatoris Henrici constanter et fideliter obiit. Der Name des pater des Marsilius, an dessen Identität mit dem in D.118 genannten Marsilius trotz des Zeitabstandes von fast 47 Jahren wohl nicht zu zweifeln ist, bleibt dort ebenso ungenannt wie der Zeitpunkt seines im Dienste Heinrichs erlittenen Todes zunächst unbekannt bleibt.

Die “Gesta”, denen anscheinend keine über die Urkunden hinausgehenden Quellen verfügbar waren, können im jeweiligen Vorspann zu D.118 (Cessi a.a.O. 5 u. 167) nichts über den verwandtschaftlichen Zusammenhang der Empfänger unseres D. sagen, lediglich in der italienischen Fassung (a.a.O. 167) werden die sieben Männer fälschlich zu “septe germani” erklärt. – Aus dem Text unseres D. ergibt sich demgegenüber zwingend, dass die zwei germani-Gruppen mit je drei Namen unterschiedlicher Deszendenz gewesen sein müssen, wobei das Verhältnis beider Gruppen zu Henricus offenbleibt; wenn die lateinischen Fassungen der “Gesta” ihn zur ersten, mit Marsilius eröffneten germani-Gruppe ziehen, können sie sich dafür allenfalls auf die Abfolge stützen, treffen aber wohl das Richtige.

Die ältere Genealogie der Herren von Carrara (diese Zubenennung fehlt wie in unserem D. auch noch in der NU.) ist mangels ausreichender Quellen noch nicht in allen Einzelheiten geklärt. Aus den verstreuten Angaben, die Cessi, in Auseinandersetzung mit älteren Genealogen, in den Anmerkungen zu seiner Edition macht (a.a.O. 4 Anm. 1, 5 Anm. 2, 160 Anm. 1, 162 Anm. 1, 163 Anm. 1, 164f. Anm. 1, 167f. Anm. 1, 169f. Anm. 1; öfter mit der Einschränkung “credo”), dürfte sich ergeben, dass die sieben Männer unseres D. Enkel des zwischen 1068 und 1077 gestorbenen Litolf, eines Sohnes des Spitzenahnen Gumbert, waren; Heinrich und die drei Brüder Marsilius, Hu(m)bert und Hugolo wären Söhne von Litolfs Sohn Milo gewesen (164 Anm. 1 macht Cessi versehentlich Gumbert statt Litolfs zum Vater Milos), die drei anderen Brüder, Henrizo, Litolf und Gumbert, Söhne von Milos Bruder Artiucio. – War Milo der in DF.I.319 erwähnte Vater des Marsilius, war er jedenfalls im Jahre 1114 schon tot, so dass er sich seine Verdienste in der Zeit von Heinrichs erstem Italienzug erworben haben müsste. Im Jahre 1160 war Marsilius offenbar der einzige überlebende männliche Angehörige des Geschlechts; wenn Cessi a.a.O. 170 Anm. 1 allerdings meint, bei seiner cognata Mathilde handle es sich wahrscheinlich um die Witwe seines Onkels Artiucio, der ja jedenfalls im Jahre 1114 nicht mehr lebte, scheint dies eine sehr gewagte Annahme. – Zu dem wahrscheinlich im Jahre 1027 von Litolf von Carrara (s. oben) gegründeten Stephanuskloster vgl. It. pont 7.1,199.

In nomine sancte et individue trinitatis. Henricus divina favente clemencia quartus Romanorum imperator augustus. Omnibus Christi nostrique fidelibus tam futuris quam presentibus notum fieri volumus, qualiter nos interventu et peticione nostrorum fidelium, Burchardi Monasteriensis episcopi, Ottonis Bauembergensis episcopi, Erlungi Werceburgensis episcopi, Godefridi palatini comitis et Berengarii comitis, Henricum et uxorem suam Adelasam, Marsilium, Hubertum et Hugolonem, germanos, Henrizonem, Litolfum et Gumbertum, germanos, cum uxoribus et heredibus illorum, quos vel quas habent vel habituri sunt, et specialiter castrum quod vocatur Carraria, cum omnibus allodiis et beneficiis, libellariis, precariis et cum omnibus rebus mobilibus et immobilibus, servis et ancillis, que nunc habent vel habituri sunt, insuper eciam monasterium sancti Stephani cum omnibus rebus, quas nunc habet vel in futurum acquirere poterit, in mundiburdii nostri tuicionem suscepimus, hac videlicet condicione, ut nullus marchio, comes vel vicecomes, scultacius vel vicedominus, gastaldus vel decanus, vel eciam ipse episcopus eos deinceps molestare, inquietare, disvestire vel ad placitum trahere usquam homines super bona eorum habitantes audeat vel aliquam publicam functionem facere. Et, ut molendina in fluminibus terris illorum adiacentibus licenter edificent, firmiter precipimus. Si quis autem huius nostri mundiburdii preceptum infregerit, sciat se compositurum mille libras purissimi auri, medietatem camere nostre, medietatem predictis hominibus eorumque heredibus. Ut autem hoc verum esse credatur et ab omnibus inviolabiliter conservetur, hanc cartam manu propria corroboratam impressione nostri sigilli insigniri iussimus.

Signum domini Henrici quarti Romanorum imperatoris invictissimi. (M.9.)

Burcardus cancellarius recognovit.

Dat. X. kal. februarii, indicione VII, anno dominice incarnacionis millesimo centesimo quartodecimo, regnante Henrico quarto rege Romanorum anno septimo, imperante secundo; actum est Warmacie; in Christo feliciter amen.