Original einst im Staatsarchiv zu Mons (A). – Chartular des 15. Jh. f.
309r no
3 ebenda (B).
Drucke: Baudry, Annales de Saint-Ghislain, ed. Reiffenberg
in Mon. de Namur 8,337 zu 1114. – Aus A: Böhmer, Acta imp. 72 no
78 zu 1114?
Reg.: Wauters, Table chronol. 2,73 und 706 zu 1114. – Genicot, Études sur les principautés lotharing. 125 zu 1114. – Stumpf
Reg. 3098 zu 1113.
Das stellenweise fleckige Original im Staatsarchiv zu Mons wurde im 2.
Weltkrieg zerstört; uns stand ein nach einem im Staatsarchiv zu
Brüssel, wo sich das Original früher befunden hatte, verwahrten
Negativ gefertigtes Foto der Vorderseite zur Verfügung. Aus den
Abmessungen des Siegelfragments ergibt sich, dass das Foto (ca. 16 b :
18 h) um etwa ein Drittel verkleinert ist, das verlorene Original
demnach die Maße von ca. 24 b : 27 h aufwies; das fast quadratische
Blatt war zweimal senkrecht, beiderseits des mittig befestigten
Siegels (s. Anm. c), und einmal waagerecht gefaltet.
Verfasst und geschrieben von Notar Adalbert A, vgl. Hausmann, Reichskanzlei 66 no
51; die Zuweisung der Verfasserschaft an den königlichen Kaplan David
(zu ihm vgl. Hausmann
a.a.O. 83ff.) in MÖIG 46,257 durch Pivec, der selbst (a.a.O. 296) das Diktat der Datierung und die Reinschrift
dem Notar zugesteht, ist verfehlt, vgl. den Exkurs über David bei Hausmann
a.a.O. 310ff., wo allerdings auf D.115 nicht eigens eingegangen ist.
Soweit D.115 in der diplomatischen Literatur erwähnt ist, wird es als
Mandat angesprochen (s. Bresslau, Handb. 2I,66 Anm. 2; Erdmann
in AfU 16,200 Anm. 6), während Meyer von Knonau, Jahrb. 6,282 Anm. 19 den neutralen Begriff “Schreiben” verwendet.
Mit Brief und Mandat hat es gemeinsam die Devotionsformel
dei gratia und die Salutatio (zu beidem vgl. Opll
in MIÖG 84,293ff.); jedoch macht schon Erdmann
a.a.O., der unser D. als (frühesten) Beleg dafür anführt, dass erst
im 12. Jh. Datierungen in Briefen und Mandaten “ganz langsam neu
aufkommen”, darauf aufmerksam, dass unser D. im Unterschied zur
üblichen “kleinen Briefdatierung”, wofür er als Beispiel das D.217
(von 1119) nennt, die “große Diplomdatierung” aufweist. – Zu dieser
Datierungsweise passt, dass das Stück auch inhaltlich nicht reines
Mandat ist; unter diesen Begriff kann letztlich nur der konjunktivisch
formulierte (s. dazu Opll
a.a.O. 297) Schluss-Satz subsumiert werden, während der Haupttext
eine allgemeine Schutzzusage enthält; man könnte das Stück daher als
Mischform zwischen sonst erst unter Barbarossa aufkommendem “einfachen
Diplom” (gekennzeichnet u.a. durch Fehlen von Unterfertigungszeilen)
und Mandat bezeichnen. Dem entspräche auch die Ausfertigung als
littera aperta mit vorderseitig angebrachtem Siegel gegenüber der für Mandate
überwiegenden Form der
littera clausa mit Verschlußsiegel.
Gegen wen sich die Entfremdungsbefürchtungen richteten, bleibt offen.
Der Schluss-Satz, der implicite Saint-Ghislain als Reichskloster in
Anspruch nimmt, könnte auf den Bischof von Lüttich zielen, dem
Heinrich IV. in seiner großen Schenkung von 1071 (DH.IV.242) auch
Saint-Ghislain übertragen hatte (vgl. dazu zuletzt Werner
in Die Salier u. das Reich 1,426ff.; Seibert
ebenda 2,550f.). Ob hier erstmals wieder die Reichsunmittelbarkeit
des Klosters geltend gemacht wird, ist angesichts des knappen und in
dieser Hinsicht recht neutralen Textes fraglich; dafür könnte aber
immerhin die Berufung auf Konrad II. und Heinrich III. sprechen.
Aus der Formulierung des königlichen Investiturvorbehaltes darf man
wohl schließen, dass die Wahl eines neuen Abtes bevorstand; eine
Abtsvakanz folgert außerdem Berli ╘re
in Monasticon Belge 1,253 zu Recht aus der fehlenden Nennung eines
Abtes in der nur an die
congregatio gerichteten Adresse (er bezeichnet D.115 irrig als “la lettre que la
communauté adressa le 11 novembre 1114 [!] à Henri V”). Vermutlich
handelte es sich um die durch den Tod des Abtes Alard im Jahre 1112
eingetretene Vakanz, evtl. jedoch auch um diejenige nach dem Tode
seines Nachfolgers Walbert, für dessen offensichtlich kurzen Abbatiat
sichere Daten fehlen, vgl. dazu Berli ╘re
a.a.O.
In der Datierung sind sämtliche Jahreskennzahlen falsch. Dies gilt
zunächst und insbesondere für das schlicht falsche, um 1 Einheit zu
hohe Inkarnationsjahr, wiewohl der Kanzlei bei dessen Zählung nur äußerst selten Fehler unterlaufen sind; ein Metzer Aufenthalt des
Kaisers im November 1114 scheidet jedenfalls aus, weil er damals durch
die kriegerischen Auseinandersetzungen mit der um EB. Friedrich von
Köln vereinten Fürstenkoalition im Westfälischen in Anspruch genommen
war (s. Meyer von Knonau
a.a.O. 305ff.; Stüllein, Itinerar 66), weshalb Meyer von Knonau
nach dem Vorgang Stumpfs das Stück ins Jahr 1113 verlegt, in dem Heinrich nach seinem auf das
Hilfsersuchen B. Richards von Verdun hin unternommenen, etwa von Mitte
Oktober bis Anfang November dauernden Feldzug gegen den Grafen Rainald
von Bar und Mousson seinen Rückweg über Metz genommen haben wird (s. Meyer von Knonau
a.a.O. 279ff.; Stüllein
a.a.O. 59f.).
Die Beibehaltung des Inkarnationsjahres 1114, verbunden mit dem
angegebenen Tagesdatum, scheitert aber insbesondere daran, dass der
Notar die übrigen fehlerhaften Jahreskennzahlen, die in D.115
begegnen, alle in den Diplomen der ersten Monate des Jahres 1114
(D.116ff.) unverändert weiterverwendet; er hat sie also
offensichtlich, ungeachtet des Jahreswechsels, gedankenlos aus unserem
Diplom vom November 1113 hinübergeschleppt; da der Notar dann seit
März 1114 (D.124) für alle Zahlen mit einer richtigen Berechnung
aufwartet, ist es unvorstellbar, dass er im November dieses Jahres für
unser Diplom wieder die Fehler vom Jahresanfang aufgegriffen hätte,
vielmehr verweisen die gemeinsamen Fehler das D.115 in unmittelbaren
zeitlichen Zusammenhang mit D.116ff.: Die Indiktion ist hier vorzeitig
auf die – dann ab dem nächsten Diplom, D.116 von 1114 Januar 13,
richtige – Zahl 7 erhöht; vielleicht ist dies durch den relativ großen
zeitlichen Abstand zu dem letzten vom Notar stammenden D.111 von 1113
März 20 zu erklären, am einfachsten aber wohl durch die simple
Anpassung an sein falsches Inkarnationsjahr.
Die Angabe des 7. Regierungsjahres hingegen basiert offensichtlich auf
einer, den Jahreswechsel berücksichtigenden bloßen rechnerischen
Erhöhung der das ganze Jahr 1112 über verwendeten falschen Zahl 6
(vgl. Vorbemerkung zu D.106 um 1 Einheit; die falsche Zahl 7 wird in
der Folge konsequent beibehalten (DD.116–122), was darauf hinauslief,
dass durch die Unterlassung der Erhöhung zum Beginn des Jahres 1114
der Fehler noch potenziert wurde, weil jetzt eine Differenz von 2
Einheiten bestand; erst mit D.123 erfolgte eine noch unzulängliche
Erhöhung um 1 Einheit auf 8, aber dann mit dem nächstfolgenden D.124
(s. oben) treffen wir die Herstellung der richtigen Zahl 9 an, die bis
zum Jahresende 1114 verwendet wurde (zu D.127 mit dem 8.
Regierungsjahr s. dortige Vorbemerkung). Erstmals überhaupt begegnet
in unserem D. auch eine falsche Angabe der Kaiserjahre; vielleicht
wieder dadurch zu erklären, dass in einiger zeitlicher Nähe zu dessen
Epochentag (13. April) keine Beurkundungen stattgefunden hatten, man
deshalb die Erhöhung übersah und die zu Jahresbeginn richtige Zahl 2
(s. D.111) beibehielt; früher als beim Regierungsjahr fand der Notar
aber noch im Januar 1114, erstmals in D.120, zur richtigen Zählung der
Kaiserjahre zurück. Seit D.124 sind damit, wie eingangs festgestellt,
in allen Diplomen des Jahres 1114 die Jahreskennzahlen wieder stimmig,
sieht man von einigen Indiktionsangaben ab (s. Vorbemerkung zu D.143).