H. gratia dei rex Renaugensi advocato, servientibus ac familię. Quoniam propter dissensionem, quę temporibus patris mei facta est, multa inordinata, iniusta et noxia pene ubique perpetrata sunt, nos, quia deo protegente regnum patrum nostrorum cum pace possidemus, volumus, ut ęcclesię dei, quę nostrę ditioni ac defensioni subiacent, legitima iura sua habeant, et quę per surreptionem utilitati earum contraria facta sunt, corrigantur. Unde precipimus, ut, quicquid in tempore bellorum de monasterio Renaugia nomine beneficiorum distractum et ablatum est, Ottoni abbati et fratribus restituatur, a diebus scilicet Gerungi abbatis usque in diem, quo predictus Otto abbas ipsum locum ex nostra concessione legitime obtinuit. Hoc etiam precipimus, ne advocatus terminos iuris sui transeat nec secundos advocatos habeat, sed placitum suum secundum consuetudinem antiquam loci teneat. Si quis autem huic precepto nostro obtemperare neglexerit, sive liber sive servus, discricti iudicii nostri censuram non evadet.
Heinrich befiehlt in einem Mandat an den Vogt, die Ministerialen und die familia des Klosters Rheinau (dafür Sorge zu tragen), dass die dem Kloster in Kriegsläuften seit den Tagen des Abtes Gerung bis zum Regierungsantritt des von ihm eingesetzten Abtes Otto als Lehen entfremdeten Güter restituiert werden, und verbietet dem Vogt die Überschreitung seiner Befugnisse und die Einsetzung von Untervögten.
(wohl 1106).
Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010
Abschrift von ca. 1126/27 im Rheinauer Chartular f. 12va–b (p. 24a/b; col. 45/46) no 42 im Staatsarchiv zu Zürich (B).
Drucke aus B: Muos, De iure advocatiae mon. Rhenov. 93 no 2. – Zapf, Mon. anecd. 1,463 no 27 zu 1106. – Meyer von Knonau, Cart. von Rheinau 56 no 42. – Ders., Jahrb. 4,354 Anm. 36 und 6,292 Anm. 10 Auszug. – Escher-Schweizer, UB Zürich 1,137 no 246 zu (1106 – 13. April 1111).
Reg.: Hidber, Schweizer. Urk.-Register 1,431 no 1536 zu 1107 (1106). – Gropengiesser, Bes. des Kl. Rheinau 54 zu 1106. – Diestelkamp-Rotter, Urk.-Regesten 1,121 no 172 zu (1106 – 1111 April 13). – Stumpf Reg. –.
Während Hausmann, Reichskanzlei 64 no 4 das Diktat ohne Begründung dem Notar Adalbert A zuweist, wofür es keine Anhaltspunkte gibt, sprechen gedankliche und stilistische Übereinstimmungen mit D.22 und D.64, die Hausmann seinerseits beide dem Kanzler Adalbert zugesprochen hat (zu D.22 vgl. a.a.O. 14 und 15 no 1, zu D.64 a.a.O. 15 no 3 und 21f.), dafür, dass auch D.11 vom Kanzler verfasst sein könnte, wie schon Pivec in MÖIG 46,258f. mit Bezug auf D.22 angenommen hatte; zu dem hier wie in D.64 vorkommenden regnum patrum nostrorum vgl. Koch, Sacrum imperium 59. Auffallend ist die Fortlassung einer Salutatio, was aber möglicherweise Ausdruck der königlichen Ungnade sein sollte (vgl. dazu Erdmann in AfU 16, 102); ungewöhnlich ist auch die Ausstattung des Mandats mit einer Arenga (vgl. dazu Opll in MIÖG 84,300f.).
Durch die Verwendung des Königstitels ergibt sich als unterste Zeitgrenze das Datum von Heinrichs Kaiserkrönung 1111 April 13. Keine Anhaltspunkte für eine engere Eingrenzung bietet die Eintragsabfolge der Handschrift: Zu deren Anlage vgl. sehr knapp Meyer von Knonau, Cart. 82ff., ferner Gropengiesser a.a.O. 25, Schmid in Studien u. Vorarbeiten 252 u. 272ff., Seibert in Festschr. A. Becker 87ff.
Gegenüber der bis zum DH.IV.239 von 1071 März 26 (no 33) chronologischen Ordnung folgen die unten näher zu behandelnden Urkunden in gestörter zeitlicher Abfolge: Zunächst als no 34 das DLo.III.1 von 1125 Nov. 3 (B.-Petke Reg. 99), als no 35 das etwas ältere Privileg P. Honorius’ II. von 1125 Febr. 24 (JL 7186; Germ. pont. 2.2,23 no 1), als no 36–39 einige undatierte Papst- und Legatenmandate. Danach folgt eine Dreiergruppe von Mandaten auf den Namen Heinricus, in der unser D. (no 42) das letzte Stück bildet, ihm unmittelbar vorausgehend als no 41 Heinrichs V. D.56 und davor als no 40 das früher ebenfalls auf Heinrich V. bezogene (so noch Meyer von Knonau, Cart. 55 no 40 u. S. 82) Mandat eines Heinricus imperator, das aber in die Zeit Heinrichs III. gehört (DH.III.241, zu 1049 Juli).
Es kann jedoch keinem Zweifel unterliegen, dass D.11, das ja jedenfalls älter ist als die vorangehenden no 34–39, in die Anfänge von Heinrichs V. Regierungszeit gehört (so schon Meyer von Knonau, Cart. 57, Glitsch, Vogteigerichtsbarkeit 80 und Lechner in MIÖG 21,59). Dafür spricht einmal die Anspielung auf die anscheinend noch nicht lange zurückliegenden Wirren der Zeit Heinrichs IV. in der Arenga, besonders aber die exakte Angabe (usque in diem …) des Regierungsantritts des Abtes Otto als untere Grenze des Zeitraums der in tempore bellorum erfolgten Entfremdungen. Will man aus der Art der Nennung Heinrichs IV. in der Arenga (tempore patris mei) den Schluss ziehen, dessen Tod am 7. August 1106 sei schon eingetreten (fehlendes bone memorie müsste angesichts der Situation nicht dagegen sprechen), ergäbe dieses Datum den Terminus post quem. Denkbar wäre aber auch, dass das Mandat schon während Heinrichs Zug in die Oberrhein-Gegenden im Frühjahr 1106 (s. dazu D.*6) ausgestellt wurde; bei dieser Gelegenheit hätte Heinrich die Investitur des, wie aus dem legitime zu schließen, rechtmäßig gewählten Abtes Otto vorgenommem haben können, der damals auch D.11 erwirkt haben könnte.
Obwohl durch D.11 das Jahr 1106 als frühester Zeitpunkt des Amtsantrittes des von Heinrich eingesetzten Abtes Otto, der aus Hirsau berufen wurde und zuvor schon Abt von Blaubeuren war, feststeht, nennt die Literatur dafür überwiegend das Jahr 1105 (so Henggeler, Profeßbuch 196 mit 1105–1124 als Sedenzzeit; in Helvetia Sacra 3.1,1131 ist zurückhaltend, aber zu weit gefasst, 1106/1111 für den Regierungsbeginn angegeben); zwischen Abt Gerung, in dessen Amtszeit (nach Henggeler a.a.O. 195: 1060–1084; hingegen vermuten Meyer von Knonau, Cart. 57, Seibert a.a.O. 97 Anm. 56 und Helvetia Sacra 3.1,1130 Anm. 10 sein Todesjahr um 1090) die Entfremdungen begonnen haben sollen, und Abt Otto amtierten noch zwei weitere Äbte (vgl. Henggeler a.a.O. 196 und Helvetia Sacra 3.1,1130f.)
Bei dem nicht namentlich genannten Vogt handelt es sich zweifellos um Liutold von Weißenburg (Burgruine bei Weisweil ö. Waldshut), den Adressaten von D.56, der in drei undatierten Urkunden aus der Zeit des Abtes Otto genannt wird (UB Zürich 1,139ff. no 253–255): Nur in der Zeugenliste von no 253 mit dem Titel advocatus, der in den beiden anderen Stücken vielleicht deshalb fehlt, weil Liutold in no 254 als Tauschpartner und in no 255 als Schenker an Rheinau selbst urkundet; zur Herkunft des erst seit 1092 nachweisbaren Geschlechts der Weißenburger vgl. Maurer, Das Land zw. Schwarzwald und Randen 97 u. 156. Nachdem in der Schenkungsurkunde no 255, mit der Liutold auch seine Besitzungen in Wizinburc selbst übergibt, gesagt ist, dass er ohne Erben war (carnali legitimo herede cassatus; vermutlich war damals auch schon sein noch in no 253 genannter Bruder Notkerus tot), ging nach seinem Tod die Vogtei an die Grafen von Lenzburg über.
Über den Zeitpunkt dieses Übergangs bestehen in der Literatur falsche Vorstellungen, weil man ihn in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit Urkunden der Jahre 1125/1126 (vgl. oben) sah: Im Jahre 1125 erhielt das Kloster einerseits das erwähnte Honorius-Privileg (Empfänger: Abt Dietmar) sowie Lothars III. erstes Diplom (DLo.III.1), beide u.a. das seit dem 10. Jh. (DO.I.418 von 972 und DO.II.45 von 973; vgl. demgegenüber die unsinnigen Feststellungen bei Glitsch a.a.O. 82 und Gropengiesser a.a.O. 8) bestehende Recht der freien Vogtwahl bestätigend; zugleich ergingen in des Klosters Streit mit (dem Vogt) Rudolf von Lenzburg mehrere Mandate des Papstes, des Kardinallegaten Gerhard und des Königs (Germ. pont. 2.2,23f. no 2–5; B.-Petke Reg. 100, 107, 127).
Über die Auseinandersetzungen zwischen dem Kloster und dem Grafen, die den Anstoß zur Anlage des Chartulars von ca. 1126/27 gegeben haben, gibt es eine umfangreiche jüngere Literatur: vgl. Glitsch a.a.O. 82f.; Hedinger, Landgr. u. Vogteien im Gebiet des Kant. Schaffhausen 173; Gropengiesser a.a.O. 7ff.; Weis, Grafen von Lenzburg 137ff.; Ders. in Alemann. Jahrb. 1966/67, 157; Maurer a.a.O. 100ff.; Helvetia Sacra 3.1,1103f. Überall wird dort die durch keine direkte Quelle belegte Behauptung aufgestellt, der Übergang der Vogtei an die Lenzburger sei um 1124/25 erfolgt (nur Gropengiesser a.a.O. 7: “in den zwanziger Jahren”); dabei weiß Glitsch a.a.O. 82f. mitzuteilen, dass “der Erwerb der Vogtei gegen den Willen des Klosters” vor sich ging, Maurer a.a.O. 100 eine freie Wahl durch den Konvent “sicherlich” ausschließen möchte und Seibert a.a.O. 97f. mit Anm. 58 die Vermutung äußert, die Lenzburger hätten die Vogtei von Heinrich V. unter Verstoß gegen des Klosters Recht auf freie Vogtwahl zu Lehen erhalten.
Diese Thesen gehen offensichtlich von der Vorstellung aus, die Urkunden der Jahre 1125/26 seien durch die (vermeintlich unrechtmäßige) Aneignung der Vogtei durch den Lenzburger ausgelöst und gegen diese gerichtet gewesen; in den Mandaten, in denen vom Vogtamt überhaupt keine Rede ist und Rudolf immer nur als comes bezeichnet wird, geht es jedoch ausschließlich um die Abstellung der von Rudolf ausgehenden Bedrückungen (infestatio; gravamina ), wie sie schließlich auch bei rechtmäßigen Vögten nicht selten waren. Und keineswegs ausgemacht ist, dass die Impetration des Honorius-Privilegs und des Lothar-Diploms mit ihrer Bestätigung des Vogtwahlrechts die Rechtmäßigkeit des Erwerbs in Frage stellen sollte; das Kloster könnte viel stärker, als Waffe zur Abwehr der Übergriffe (des rechtmäßigen Vogtes), an dem in beiden Urkunden ebenfalls enthaltenen Recht zur Absetzung des Vogtes bei missbräuchlicher Amtsführung interessiert gewesen sein. Schließlich spricht direkt gegen eine erst kurzfristig erfolgte Übernahme des Vogteiamtes der in dem an Rudolf gerichteten Mandat des Papstes (Germ. pont. a.a.O. no 3) ausgesprochene Befehl, auf Klostergrund begonnenen Burgenbau einzustellen (monasterium Renaugiense multis gravaminibus infestare praesumis et in eius fundo castrum construere … inchoasti), der doch wohl erst nach Konsolidierung des Amtes vorstellbar war.
Völlig aus der Luft gegriffen ist die Behauptung Seiberts (s. oben) über eigenmächtige Einsetzung des Vogtes durch Heinrich V.: Die dafür erforderliche Nähe zu Heinrich V. hat nicht bestanden; denn Rudolf von Lenzburg ist nur bei zwei Gelegenheiten, jeweils bei Aufenthalten Heinrichs am Oberrhein, am Hofe anzutreffen, im März 1114 zu Basel (in DD.123, 125, 126) und an der Jahreswende 1124/25 zu Straßburg (in DD.†270, 273 u. 274). – Die Diplome von 1114 sind nun in unserem Zusammenhang aus zwei Gründen von besonderem Interesse: Dort wird Rudolf jeweils zusammen mit seinem Bruder Arnolf (dieser allein auch in D.124) genannt, bei dem es sich, da in D.123 an erster Stelle stehend (comes Arnolfus de Lentzburg, Růdvlfus frater eius), offenbar um den älteren Bruder handelt, so dass eine (alleinige) Übernahme der Rheinauer Vogtei durch Rudolf erst nach des Bruders Tod irgendwann nach 1114 wahrscheinlich ist; in D.125 werden zudem Übergriffe der beiden Brüder und der cives von Schwyz gegen Besitzungen des Kl. Einsiedeln gerügt, wobei sich besonders Rudolf hervorgetan haben muss (et maxime Rodvlfus), was ihn kaum bei Heinrich V. für die Rheinauer Vogtei empfohlen haben wird. Rudolf hat demnach, nach 1114 und sicher einige Zeit vor 1125, die Rheinauer Vogtei vermutlich durch rechtmäßige Wahl erhalten. – Das in D.11 ausgesprochene Verbot von Untervögten findet sich auch in dem Papstprivileg von 1125 und in DLo.III.1. – Zur Klostergeschichte vgl. Helvetia Sacra 3.1,1101ff., zum Klosterbesitz Gropengiesser a.a.O. 37ff.