Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
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Heinrich sendet eine Botschaft an Papst Paschal II. mit Versicherung der Treue zur Kirche und der Bitte um Gewährung des königlichen (Investitur-)Rechtes.

(vor 1106 Oktober 22).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Stumpf Reg. –.

In der Vita Mathildis lib. 2 c. 17 (MGH SS 12,400f.; Muratori, SS 15,377f.; ed. Simeoni in Rer. It. SS 5.2,91f.) berichtet Donizo über die von P. Paschal II. am 22. Oktober 1106 in Guastalla abgehaltene Kirchenversammlung: (vv. 1075f.) Post obitum regis [Heinrichs IV.] pretaxatique Guiberti [Wiberts v. Ravenna; Gegenpapst Clemens III., † 1100 Sept. 8] / Ecclesiae sanctae pax caepit crescere valde … (vv. 1082–84) Tale videns tempus Pascalis papa verendus / Exiit a Roma … / Longobardiam devenit … (vv.1089–97) Iuxta tuncque Padum tenuit sinodum memoratus / Papa; suum missum direxit natus ad ipsum / Defuncti regis quaerens, ut ius sibi regni / Concedat; sedi sanctae cupit ipse fidelis / Esse velut matri, subici sibi vult quasi patri. / Regis legati pater almus verba beavit. / His aderat dictis cum multis alta Mathildis, / Quae laudans regis pia missi verba petentis, / Responsum patris cum cunctis magnificavit … (vv. 1108–1110) Tunc erat et mensis, qui scindit rura iuvencis, / Annus millenus centenus sextus habetur / Castrum Guarstallae sinodi locus extiteratque; insbesondere aus der Formulierung des Treueversprechens muss auf ein persönliches Schreiben Heinrichs geschlossen werden.

Zur Synode vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,25ff. mit Anm. 40, Minninger, Von Clermont zum Wormser Konk. 128ff. und Servatius, Paschalis II. 200ff. Zu der von Heinrich nach Guastalla entsandten deutschen Gesandtschaft, die den Papst zu einem Konzil nach Deutschland einladen sollte (vgl. die Chronik Ekkehards rec. I, ed. Schmale-Ott 204 Z. 17ff.: placuit tam regi quam primoribus ad sanctam matrem Romanam ęcclesiam tantos ac tales a partibus istis legatos transmitti …; idque inter cętera suscipiunt in mandatis, ut, si fieri possit, domni apostolici presentiam cisalpinis partibus impetrent exhiberi; vgl. auch die Anonyme Kaiserchronik lib. III, a.a.O. 244f. und Ekkehard rec. III a.a.O. 290f., wonach angeblich das kommende Weihnachtsfest und Mainz für Paschals Teilnahme an einer Reichsversammlung vorgesehen waren), gehörten außer genannten Bischöfen, darunter an erster Stelle als legatus regis und Leiter der Legation EB. Bruno von Trier (vgl. Schlechte, EB. Bruno 35), auch mehrere Laien (Ekkehard rec. I, a.a.O. 204 Z. 27f.: nonnulli etiam nobiles de latere regis laicę professionis), unter ihnen – neben Ekkehard selbst – nach der Translatio s. Modoaldi c. 11 (SS 12,295) auch ein Graf Hermann (Herimannus comes … ceterique legati regis et eius [scil. EB. Brunos] viae comites; vgl. auch Vorbemerkung zu D.20).

Erst Jungmann-Stadler gelang in ihrer Untersuchung über “Hedwig von Windberg” in ZBLG 46,235ff. (mit Stammtafeln S. 250 und 287) die richtige genealogische Zuordnung dieses Grafen Hermann, der sich im Dezember des Jahres 1104 dem jungen Heinrich V. bei seiner Flucht aus Fritzlar angeschlossen hatte (vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 5,203f. mit Anm. 15 und 6,44; s. auch Jungmann-Stadler a.a.O. 266f., mit Erwähnung seiner Nennungen unter Heinrich IV.) und der dann in der Folge (seit D. †17) durch seine Nennung in rund 30 Diplomen bis zur Mitte des Jahres 1112 (s. D.103 von 1112 Juni 16) als ständiger Begleiter Heinrichs nachgewiesen ist. – Er begegnet dort zumeist, als Kennzeichen seiner unverwechselbaren Identität, nur mit seinem comes-Titel; in zwei Diplomen der Jahre 1107 und 1108 (DD. †29 u. †39) findet sich seine Benennung nach Radlberg (Ober-, Unter-, zw. St. Pölten u. Herzogenburg; ca. 12 km s. Göttweig gelegen, weshalb Tyroller, Genealogie Taf. 9 mit “Radelberg bei Göttweig” ungefähr das Richtige trifft, wohingegen Jungmann-Stadler a.a.O.235 fälschlich von “dem bei Wien gelegenen Ratelberg” spricht; sonstige in der Literatur verwendete Schreibungen: Radelnberg, Ratelnberg); ab dem Jahre 1109 begegnet dann, mit wiederum nur vereinzelten ausdrücklichen Belegen (DD. †41, †101, 102), seine Benennung nach der vom Hochstift Hildesheim zu Lehen gehenden Winzenburg (knapp 10 km sö. Alfeld); öfters jedoch ist er mit der einfachen Angabe de Saxonia zubenannt (DD. †40 [Saxonię], 72, 74–76 [ab D.72 alle in Italien ausgestellt], 92, 100, 127 und †290; vgl. auch D.66 Anm. t).

Nach Jungmann-Stadler war Hermann I. von (Windberg-Radlberg-)Winzenburg, um den es sich in allen Nennungen handelt, ein Sohn des Grafen Meginhard von Formbach († 1066) aus dessen Ehe mit der Gräfin Mathilde, Tochter des Grafen Elli von Reinhausen und Schwester u.a. B. Udos von Hildesheim († 1114), war nach einer vermuteten ersten Ehe mit einer Ebersteinerin (a.a.O. 264) in zweiter Ehe seit ca. 1108/09 (a.a.O. 249) mit Hedwig “von Windberg” († 1162), einer Tochter des ca. 1098 gestorbenen Markgrafen Poppo II. von Krain-Istrien aus dem Hause Weimar-Orlamünde, vermählt, die nach Hermanns Tod († 1122) den Grafen Adalbert von Bogen († 1146) zum zweiten Mann nahm, und hatte aus der 1. Ehe einen in den 20er Jahren öfter genannten Sohn Konrad (a.a.O. 264) und aus der 2. Ehe mit Hedwig den Sohn Hermann (II. von Winzenburg, † 1152).

Jungmann-Stadler korrigierte damit grundlegend die von ihr (a.a.O. 262) als “eine Katastrophe für die Erforschung der Winzenburger und damit auch der Formbacher” verworfenen älteren Anschauungen, wie sie bei v. Uslar-Gleichen, Gesch. der Grafen von Winzenburg (mit Stammtafel I) vorgetragen und von der seitherigen Literatur weitestgehend übernommen worden waren (vgl. insbesondere noch Patze, Landesherrschaft 582ff., mit geringen Modifikationen): Kernfehler war, dass man auf einen Bruder Mathildes, den Grafen Hermann III. von Reinhausen, der nachweislich schon vor 1079 gestorben war (so bereits Wenskus, Sächs. Stammesadel 402 mit Anm. 3495), das allein für Hermann I. von Winzenburg überlieferte Todesjahr 1122 bezog (so z.B. noch Patze a.a.O. 592 und Stammtafel nach S. 582); Mathilde wäre auch nicht mit dem Grafen Meginhard von Formbach verheiratet gewesen, sondern mit dem, durch v. Uslar-Gleichen ebenfalls mit dem Todesjahr 1122 ausgestatteten, von ihm “erfundenen” (so Jungmann-Stadler a.a.O. 261) Grafen “Hermann von Formbach und Windberg”, aus welcher Ehe dann v. Uslar-Gleichens “Hermann I. von Winzenburg” als “Gründer des Geschlechts in Sachsen” hervorgegangen wäre, dem v. Uslar-Gleichen falsche Lebensdaten beilegte (geb. ca. 1088, gest. Ende 1137 oder im Jahre 1138). Eine Folge dieses falschen Geflechts war auch, dass B. Udo von Hildesheim nicht ein Onkel/Mutterbruder (so richtig u.a. Wenskus a.a.O.; aber auch schon Meyer von Knonau a.a.O. 6,44 u. 312 mit Anm. 40, trotz seiner Abhängigkeit von v. Uslar-Gleichen!), sondern ein Bruder Hermanns I. von Winzenburg gewesen wäre (so noch Fenske, Adelsopposition 162 mit Anm. 344, unter ausdrücklicher Ablehnung der von Wenskus vorgetragenen Argumente, und ihm folgend Goetting, Hildesheimer Bischöfe 1,296 Anm. 4 u. 305; zu Hermann und B. Udo vgl. auch D.20).

Insbesondere aber wurden die allein auf Hermann I. von Winzenburg (und nach 1122 auf einen Sohn Hermann II.) zu beziehenden Quellenbelege willkürlich auf v. Uslar-Gleichens “drei Hermanne” verteilt und dabei vorzugsweise (vor 1122) auf Hermann III. von Reinhausen bezogen (so z.B. Patze a.a.O. 590ff., der nur diesen gelten lässt und ihn mit Hermann I. von Winzenburg in eins setzt [er spricht S. 592 direkt von “Hermann III. von Winzenburg-Reinhausen”], vgl. Wenskus a.a.O. Anm. 3498).

Während die Ergebnisse Jungmann-Stadlers bei Hamann, UB Kl. Reinhausen 2f. übernommen sind (vgl. auch Schubert, Gesch. Niedersachsens 2.1,415 mit Anm. 245), wird jüngst Hermann von Schoppmeyer in Lex. d. MA 8,242, wo eine Erwähnung der Arbeit Jungmann-Stadlers fehlt, nochmals als Sohn (statt Enkels) des Grafen Elli von Reinhausen und Bruder B. Udos von Hildesheim ausgegeben. – Zur vermeintlichen Bezeichnung Hermanns I. von Winzenburg als marchio vgl. Vorbemerkung zu D.127. Zur Einbindung Hermanns in den Streit um das sog. “Weimarer Erbe” nach dem Tode des Grafen Ulrich II. von Krain-Istrien, des Onkels von Hermanns Gemahlin Hedwig, im Jahre 1112 vgl. Vorbemerkung zu D.130.

Das unbezweifelbar große Vertrauen, das Hermann gerade in Bezug auf die Verhandlungen mit dem Papst bei Heinrich genoss und das seinen Ausdruck in der Teilnahme an der Gesandtschaft nach Guastalla (vgl. dazu auch D.20) fand, bestätigte sich in seiner Teilnahme auch an den Gesandtschaften nach Châlons-sur-Marne im Frühjahr 1107 (vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 43ff. mit Anm. 20) und nach Rom Ende des Jahres 1109 (vgl. a.a.O. 105), vor allem aber in der maßgeblichen Rolle, die Hermann in den Verhandlungen von Februar-April 1111 spielte; vgl. dazu seine Nennungen in DD.65 (b), 66(b), 68/IV(a†b) und 70/V(a†b); in D.68/IV vom 4. Februar steht Hermann in der Fassung -a- an der Spitze der Eidhelfer, in der Fassung -b- gleich hinter dem Kanzler Adalbert, der in Fassung -a- erst an 5. Stelle genannt war. Die außerordentlich enge persönliche Beziehung zu Heinrich erweist sich aber vor allem darin, dass sich unter den nur fünf Geiseln, die Heinrich am 4. Februar dem Papst stellte, zwei engste Angehörige Hermanns befanden, nämlich sein nepos Chonradus, der Sohn (s. Jungmann-Stadler a.a.O. 256) seines 1097 gestorbenen Bruders Ulrich von Windberg (abg. Burg bei dem Weiler Wimberg Gem. Windorf Kr. Passau, s. Jungmann-Stadler a.a.O. 235; nach dieser Burg hatte sich Hermann nach Antritt des Erbes seines Bruders benannt, vgl. a.a.O. 262 u. 267 Anm. 110), und sein eigener ungenannter filius, worunter der Sohn Konrad aus seiner 1. Ehe verstanden werden muss, nicht der damals erst wenige Jahre alte Hermann II.

Der Bitte um das Investiturrecht (vgl. dazu die Beschlüsse von Guastalla in Const. 1,564 no 395) und der Einladung an Paschal II. war ebensowenig Erfolg beschieden wie einem womöglich in Guastalla vorgetragenen weiteren Anliegen Heinrichs (vgl. dazu D. *2).