Original (ca. 44,5/45,5 b : 59/60 h) im Stadtarchiv zu Worms (A).
Drucke: Ludewig, Reliquiae 2,180 no
6 zu November 17 = (Wölckern), Hist. Norimberg., Prodr. 322 = (Wölckern), Singularia Norimberg. 366 = Roeder, Commentatio hist. de ortu et progressu civitatis Norimberg. 96. –
Aus A: Moritz, Reichs-Statt Worms, App. doc. 142 no
2. – Murr, Urkunden 4. – Bresslau, Diplomata centum 124 no
81. – Boos, UB d. Stadt Worms 1,52 no
61. – (Pfeiffer), Nürnberger UB 1,18 no
26 Auszug.
Reg.: Schannat, Hist. episc. Wormat. 1,348. – Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,495 no
16 zu November 17. – Roth, Gesch. des Nürnberg. Handels 1,7. – Lang, Reg. circ. Rezat. 1,37. – Erhard, Reg. Westf. 1,220 no
1381. – Scriba, Hess. Reg. 3,64 no
1020. – Arnold, Verf.-Gesch. d. Freistädte 1,194. – Goerz, Mittelrhein. Reg. 2,613 no
2206. – Böhmer-Will, Mainzer Reg. 1,246 no
26. – Fester, Reg. Baden 1,5 no
31. – Bode, UB d. Stadt Goslar 1,199 no
158. – Böhmer-Lau, CD Moenofrancofurt. 1,12 no
18. – Aronius, Reg. z. Gesch. d. Juden 99 no
215. – Rübel, Dortmunder UB Erg.-Bd. 1,28 no
59. – Reuter
im Ausst.-Kat. “Von der Reichsstadt zur Industriestadt” 79 no
3. – Hirschmann
in Beitr. z. Wirtsch.-Gesch. Nürnbergs 1,4 no
1. – Brilling-Richtering(-Aschoff, für 2. Aufl.), Westfalia Judaica 1.21,30 no
4. – Schalles-Fischer, Pfalz u. Fiskus Frankfurt 588 no
4b. – Engel, Ravensberger Reg. 1,158 no
88. – Die dt. Königspfalzen 1.3,257 no
127. – Böhmer
Reg. 2024. – Stumpf
Reg. 3091.
Unter teilweiser Benützung des im Text erwähnten DH.IV.267 von 1074
Januar 18 (= VU.; Boos
a.a.O. 53 behauptet fälschlich Übernahme nur der Arenga) verfasst und
geschrieben von Notar Adalbert A, vgl. Hausmann, Reichskanzlei 65 no
48. Im Anschluss an die Korroboratio folgt ein in zwei Ansätzen
erfolgter, knapp zweizeiliger späterer Nachtrag von anderer Hand (s.
Anm. n und q); der gesamte übrige Text einschließlich der Datumzeile
wurde vom Notar in einem Zug niedergeschrieben, der allerdings das
Tagesdatum erst nachträglich eintrug (s. Anm. w). – Aus der
Nachtragung des Tagesdatums ergibt sich, dass die Frankfurter Handlung
und die wohl gleichzeitige Herstellung der Reinschrift früher erfolgt
sein müssen.
Für die Datierung der Handlung fehlt allerdings jeder Anhaltspunkt, da
in unserer Kenntnis des Itinerars im Sommer und Herbst des Jahres 1112
mangels zusätzlicher chronikalischer Nachrichten (vgl. Stüllein, Itinerar 53f.) zwischen D.104 (Mainz, 16. Juli) und DD.106/107
(Speyer, 6. und 8. Oktober) eine Lücke klafft; wir wissen daher nicht,
auf welchem Wege der Hof nach Frankfurt gelangt war, und nicht einmal,
ob der dortige Aufenthalt vor oder nach dem Speyerer Aufenthalt vom
6./8. Oktober anzusetzen ist, wenn auch die Vermutung dafür sprechen
dürfte, dass zwischen der Frankfurter Handlung einerseits und der
endgültigen Ausfertigung durch die vermutlich gleichzeitig mit der
Nachtragung des Tagesdatums am 16. Oktober erfolgte Besiegelung
andererseits keine allzu große Zeitspanne lag; fiel die Handlung
demnach nach den 8. Oktober, hätten wir evtl. nur mit einem kurzen
Abstecher aus dem Mittelrheingebiet nach Frankfurt mit unbekanntem
Zweck (waren es Zollfragen?) zu rechnen; dabei wäre dann zu vermuten,
dass man auf dem Weg von Speyer auch über Worms zog, wo erste
Vorverhandlungen stattgefunden haben können, die aus unbekanntem Grund
erst in Frankfurt zum Abschluss gekommen wären.
Eine Beantwortung der Unklarheiten ergibt sich aber vielleicht aus dem
erwähnten Nachtrag. Bei diesem geht Bresslau
a.a.O. 187 offenbar von dessen Echtheit aus, vermutet sogar mit dem
ungeeigneten Hinweis auf den doppelten Singular in
meos et mecum, er gehe womöglich auf den unmittelbaren Befehl des Herrschers zurück
(“iussu regis forsan additum”). Die damit verbundene Unterstellung,
dass der wegen Benützung der VU. (s. unten) zweifellos von
Empfängerseite stammende Nachtrag die Anerkennung der Kanzlei gefunden
hätte und demnach vor der Besiegelung eingetragen wurde, lässt sich
aufgrund der großzügigen Raumaufteilung im Eschatokoll (s. Anm. n und
w), die eine unauffällige Unterbringung gestattete (der
Unauffälligkeit sollte wohl auch die Anknüpfung in Kleinschreibung
dienen, s. Anm. n), allein vom äußeren Befund her nicht widerlegen.
Zweifel erweckt aber einerseits, dass nicht der Notar selbst, etwa
gleichzeitig mit der Nachtragung des Tagesdatums, die Eintragung der
Ergänzung übernahm, andererseits, dass der Nachtragsschreiber in der
Absicht, den Notar als Urheber erscheinen zu lassen, dessen Schrift
nachzuahmen trachtete, was ihm allerdings nur unvollkommen gelang: So
verwendete er zwar in
digniores und
dignitatem das für den Notar typische gezopfte
g, hatte aber zuvor in
regibus ein einfaches
g geschrieben; ferner übernahm er zunächst immer dessen gerades
d, in
apud predecessores geriet ihm jedoch zweimal ein schräges
d in die Feder. – Wegen der Nachahmung eines Vorbildes ist es schwer,
einen Schriftvergleich anzustellen; es scheint nicht ausgeschlossen,
dass der Schreiber identisch ist mit dem, ebenfalls fremde
Schriftmuster nachahmenden und dadurch einen Vergleich erschwerenden
Fälscher des D. †138, der übrigens auch Schwierigkeiten mit dem
Singular und Plural (s. o.) hatte.
Es sind jedoch besonders inhaltliche Gründe, die gegen die
Kanzleimäßigkeit des Nachtrages sprechen: Die Wormser, die zweifellos
schwer daran trugen, dass durch D.90 Speyer ihnen den früheren Rang
als salischer Vorort abgelaufen hatte (vgl. dortiges
locum istum … pre ceteris sublimare proponimus), hatten sicher darauf gedrängt, dass aus der VU. auch deren
ausführliche und emphatische Narratio übernommen werde, wo ihnen
dieser Rang noch zuerkannt war (s. unten). Heinrich dürfte ihnen dies,
in der noch frischen Erinnerung an ihre Rebellion vom September des
Vorjahres (vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,213f.; Stüllein
a.a.O. 49f.; zu beachten ist das
fidem … servare debent
in der Promulgatio), rundweg abgeschlagen haben; die Versuche der
Wormser, doch noch zum Ziel zu gelangen, würden eine einleuchtende
Erklärung für die Verzögerungen in der Ausfertigung des an sich
inhaltlich unproblematischen Diploms darstellen. Der erste Teil des
Nachtrags sollte durch seinen Rückgriff auf zwei getrennte Stellen der
VU.-Narratio (S. 342 Z. 45f. und Z. 33f.) diesen Mangel durch die
Übernahme der Kernaussage
omnibus cuiuslibet urbis civibus digniores in den Nachtragstext wettmachen; der Sinn der demselben Ziel dienenden
Bestätigung der auf ewig geltenden
maxima tocius iusticię dignitas im zweiten Teil des Nachtrags (s. Anm. q) bleibt unklar.
D.108 fand in den jüngeren Herrscherdiplomen für Worms keine
Berücksichtigung. Das zwei Vorgänger-Diplome bestätigende DF.I.853 von
1184 Januar 3 nennt als Vorlage seines ersten Teiles
divę memorię Heinrici V. Romanorum imperatoris augusti constitucio, womit D. †138 von 1114 gemeint ist, für den zweiten Teil das
privilegium predecessoris et proavi
nostri Heinrici quarti divi imperatoris; in der Vorbemerkung des DF.I.853 ist letzteres wegen des
quartus imperator – wobei übersehen wurde, dass auch an der ersten Stelle eine falsche
Ordinalzahl in Verbindung mit dem Kaisertitel verwendet ist –
fälschlich auf unser D.108 bezogen und das DH.IV.267 ausdrücklich
ausgeschlossen, welches aber tatsächlich gemeint ist, zumal es ja
gänzlich unvorstellbar ist, dass Heinrich V. von Barbarossa als sein
proavus bezeichnet worden wäre.
Weil D.108 nicht benützt wurde, fehlen im Barbarossa-Diplom einige
Dinge: 1) In erster Linie die Bestimmung über das Wachtgeld (Z.■ – ■).
2) Sodann die Einbeziehung der Juden (Z. ■), die in die VU. (S. 343 Z.
4; s. unsere Anm. f) erst als eine auf D.108 beruhende Interpolation
des frühen 13. Jh. gelangten. Die in unserem D. die Konstruktion
sprengende Plazierung (daher unten in Parenthese gesetzt) legt den
zwingenden Schluss nahe, dass die Formulierung im Konzept nachträglich
eingeschoben war; gleichwohl handelte es sich vermutlich um keine
inhaltliche Erweiterung gegenüber der Vorurkunde: Während dort nämlich
schlechthin von den
habitatores die Rede ist (s. Anm. c), worunter die Juden eingeschlossen waren,
spricht unser Diplom an dieser Stelle von den Wormser
cives, weshalb jetzt die zusätzliche Erwähnung der nicht zu den Bürgern
zählenden Juden letztlich zwingend erforderlich war. Im
Barbarossa-Diplom ist übrigens prononciert wiederholt (S. 82 Z. 45; S.
83 Z. 1f., 5f., 9, 19 und 34) immer nur von den
cives die Rede.
3) Schließlich fehlt unter den Zollstätten das in unserem D. über die
VU. hinausgehende Nürnberg, stattdessen erscheinen zusätzlich Nijmegen
und Duisburg; die Erweiterungen der Zollstätten-Liste, schon in
DH.IV.267 aufgrund der dortigen Lücke (s. Anm. h) ins Auge gefasst,
spiegeln keine realen Veränderungen wider, da angesichts der
Formulierung
in omnibus locis imperiali [VU.:
regiae] potestati assignatis in der VU. und in unserem D. jeweils kein erschöpfender Katalog
intendiert war, was das Barbarossa-Diplom durch den Abschluss der
Liste mit
et in locis reliquis ad imperium spectantibus klar herausstellt.
Das D. Ottos IV. von 1208 (B.-Ficker
Reg. 248; Boos
a.a.O. 1,87 no
110), das (ohne Nennung der Juden) abwechselnd von
cives und von
habitatores spricht, hat übrigens weder D.108 noch das Barbarossa-Diplom benützt,
sondern geht nach Ausweis der Diktatabhängigkeit allein auf das
DH.IV.267 zurück, das wiederum mit falscher Ordinalzahl als
domini imperatoris Heinrici quarti autenticum privilegium bezeichnet ist; die Liste der Zollstätten ist dort selbständig – daher
ohne die Nennung Nürnbergs – um Duisburg und Kaiserswerth erweitert;
gegenüber dem DF.I.853 fehlt deshalb auch die dortige
vicissitudo, dass die Bürger der anderen Reichsstädte ihrerseits in Worms
Zollfreiheit geniessen sollen; als Neuerung enthält das Ottonianum
seinerseits das Verbot des Zweikampfs zwischen Wormsern und
Auswärtigen.
Die Identifizierung des
Angere, bei dem jedenfalls davon auszugehen ist, dass es denselben Ort wie
das in dem DKo.III.136 für Kaiserswerth unter den Zollstätten
aufgezählte
Angera (s. D. *314) meint, ist bis heute nicht unstreitig, vgl. die
Zusammenstellung der früheren Deutungen (bis 1971) bei Scholz-Babisch,, Qu. z. Gesch. d. Klevischen Rheinzollwesens 4 no
6 Anm. 1. Während letztere eine von allen abweichende Identifizierung des
Angera des DKo.III.136 (vermutlich wegen des dort folgenden
nec in Nouiomago) mit dem ca. 9 km nö. Nijmegen (auf der Südseite des Waal) gelegenen
Angeren am Nederrijn fordert (ebenso bei Flink
in Diestelkamp, Beitr. z. hochmal. Städtewesen 178: Angeren in der Betuwe), dürfte
es sich doch wohl am ehesten um das südlich von Duisburg (dieses
selbst evtl. später an die Stelle von
Angere getreten, s. oben zum D. Ottos IV.) und dicht nö. Kaiserswerth
gelegene, heute zur Stadt Düsseldorf gehörende Angermund handeln (so
Register zu DDKo.III. S. 631, Engel
a.a.O. und zuvor schon in Ravensberger Blätter 1974 no
12 [Juli], 181f.; s.a. B.-Baaken
Reg. 344); die früher überwiegende Deutung auf das westfälische Enger
w. Herford findet sich zuletzt noch in den Registern zu DDH.IV. S. 868
und zu DDF.I. 4,519 (dort und S. 550 mit der falschen Schreibung
Engern); Hirschmann
hatte es sogar mit dem, wie das vorangehende Hammerstein, im Kr.
Neuwied gelegenen Engers (die Schreibung Engers auch bei Reuter) identifiziert.
Das
salva tamen custodia civitatis besagt nach Arnold
a.a.O. 195, dass die Bürger für den Erlass des Wachtgeldes jetzt
selbst ihre Stadt für den Kaiser bewachen sollten.
– Herimannus marchio ist bei Meyer von Knonau
a.a.O. 259 mit Anm. 77, wohl wegen seiner Stellung zwischen zwei
Grafen, statt mit Markgraf Hermann II. von Baden fälschlich mit dem
Grafen Hermann von Winzenburg identifiziert, vgl. dazu Vorbemerkung zu
D.127.