Abschrift des 17. Jh. aus dem Chartular von Fruttuaria in Recueil de
Guichenon tom. 18, Ms. H. 97 f. 136r–v no
196 der Bibliothek der Faculté de médecine zu Montpellier (B).
Drucke: Guichenon, Histoire généal. de Savoye 2, preuves 664 “tirée du Cartulaire de
cette Eglise” (g) = Ragioni della sede apostolica nelle presenti
controversie colla corte di Torino 2.2 (1732), Somm. di documenti 11 no
10.
Reg.: Ragioni …, Tav. cronol. 26. – Carutti, Reg. com. Sabaudiae 92 no
253. – Ehlers, Metropolis 278 in no
45. – Böhmer
Reg. 2023. – Stumpf
Reg. 3090.
Das von Guichenon
für seinen Druck (g) verwendete, heute verlorene (s. It. pont.
6.2,148f. mit der Sigle “C”) alte Chartular von Fruttuaria war
zweifellos auch die Vorlage der Abschrift B; dies geht daraus hervor,
dass zwischen B und g nur wenige und meist geringfügige Varianten zu
verzeichnen sind (s. Anm. b, d, e, k, m, s, w, o’, u’, w’, y’, z’; wo
nur die Sigle B verwendet ist, hat g immer dieselbe Lesung), wogegen
die verschiedentlich mit der Doppelsigle Bg gekennzeichneten
Gemeinsamkeiten (s. Anm. a, f, n, h’, l’, n’, q’, t’, v’, x’, a”)
charakteristisch sind. – Das in It. pont. a.a.O. 149 mit der Sigle “E”
als im Gemeindearchiv von San Benigno Canavese befindlich erwähnte
“Repertorium antiquarum scripturarum” von 1688 war bei einem Besuch
des Archivs unauffindbar; nach der von Cipolla
in Atti della R. Accad. di Torino 26,894 gebotenen Auflistung der
Diplome enthielt die Handschrift aber auch vermutlich keine Abschrift
von D.107.
D.107 ist eine Wiederholung des – seinerseits das DH.III.338 von 1055
wiederholenden – DH.IV.220 von 1069 September 23 (= VU.I), eines der
wenigen im Original erhaltenen älteren Diplome (daneben nur noch
DDH.II.120 und H.IV.233); in den wenigen selbständigen Teilen (Proto-
und Eschatokoll sowie Intervenientenliste) ist es verfasst von Notar
Adalbert A, vgl. Hausmann, Reichskanzlei 65 no
47. Das DH.IV.220 hatte die im übrigen nur ganz partiell übernommene
Besitzliste seiner Vorurkunde (DH.III.338) um
atque cum Uillanoua, Faloa et villa, quę dicitur Airasca erweitert (S. 280 Z. 25f.), wovon
Uillanoua Faloa et auf Rasur steht (an der Oberlänge des & ein anscheinend vom getilgten
Text stehengebliebener titulus planus). – Die Herausgeber behaupten
nun fälschlich, der Text auf Rasur stamme “wohl von gleicher Hand”
(vgl. dortige Vorbemerkung und Anm. h), und “können (sich) nicht
entschließen”, auf ihrem “Verdacht einer Verunechtung” zu beharren. Es
kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei der
asyndetischen Einfügung der beiden Ortsnamen um eine Interpolation
handelt, die eindeutig von anderer (späterer) Hand stammt (man
vergleiche insbesondere die stark nach rechts umgebogenen Enden der
Oberlängen der drei
l) und für die offensichtlich unser D. die Vorlage bildete (daher in
unserem Text dafür keine Kennzeichnung einer Abhängigkeit von VU.I
durch Petitsatz). Den Terminus post quem für die Interpolation bildet
das – in der Vorbemerkung des DH.IV.220 zu knapp zitierte – Privileg
P. Paschals II. von 1110 März 13 (JL 6258; It. pont. 6,2,153 no
15; Guichenon
a.a.O. preuves 24 = Migne, PL 163,268 no
292) (= VU.II für die betr. Stelle, s. Anm. g’), das sich auf die
Bestätigung des Besitzerwerbs an beiden genannten Orten beschränkt:
Agnes siquidem comitissa, Petri marchionis [von Tuszien, † 1078] filia, quæ derelicto sæculo monasterii quietem elegit, medietatem
Villæ Novæ monasterio vestro contulit …, quam collationem nostra
petiit autoritate firmari …; idipsum de villa Faloe constituimus,
cuius medietatem unam ex oblatione Arditionis marchionis, qui per dei
gratiam in vestro monasterio conversus est, alteram vero ex venditione
fratris eius Manfredi [Dr.:
Mam-] marchionis ad vestri cœnobii ius pertinere cognovimus.
Wenn in der Vorbemerkung des DH.IV.220 in einer gewundenen Erklärung
zwar konzediert wird, dass es sich “erst um Erwerbungen aus dem Anfang
des 12. Jh.” zu handeln scheine, dann aber gesagt wird, es sei “doch
auch nicht ausgeschlossen, dass sie schon vierzig Jahre früher [also
vor 1069] gemacht waren”, scheitert dies für die Schenkung der Agnes
allein schon daran, dass diese als Petentin ja 1110 noch lebte; deren
Schenkung war womöglich der unmittelbare Anlass der Ausstellung des
Privilegs, in das dann, sicher auf Wunsch des Klosters, nur noch als
zusätzlicher Inhalt die Schenkung von Faule Aufnahme fand, die
möglicherweise ihrerseits noch nicht sehr lange zurücklag (dass sie
etwas älter war, ergibt sich aus dem
pertinere cognovimus; zum Markgrafen Arditio von Montferrat vgl. D.*319); nachdem im
Privileg nur von der Hälfte von
Villa Noua die Rede ist, bleibt unbekannt, auf wen die andere Hälfte dieses
Besitzes zurückgeht, deren Erwerb wohl vor 1110 lag, nicht erst zwischen 1110
und 1112 erfolgt sein wird. Für
Uillanoua bieten die Register zu DDH.IV. und F.I. disparate Identifizierungen:
Da einer der beiden interpolierten Orte, Faule prov. Cuneo, ca. 6 km
nö. Moretta liegt, war dies vermutlich der Grund dafür, daß im
Register zu DDH.IV. das
Uillanoua mit dem ca. 5 km sö. Moretta gelegenen Villanova Solaro identifiziert
ist; in DF.I.267 von 1159 April 17, das in seiner Besitzliste eine
leicht veränderte Reihenfolge der Ortsnamen bietet, folgen aufeinander
Serralonga et Villanoua, weshalb man im Register letzteres mit dem ca. 25 km sö. Turin
gelegenen Villanova d’Asti (prov. Asti) und
Serralonga mit dessen fraz. Serralunga identifizierte, wohingegen im
H.IV.-Register auch dieses anders, nämlich mit dem weit entfernten
Serralunga n. Masserano prov. Vercelli, identifiziert ist; ebenso gut
könnte man auch Serralunga d’Alba (prov. Cuneo, ca. 9 km sw. Alba und
ca. 35 km sö. Villanova Solaro) oder Serralunga di Crea (prov.
Alessandria, ca. 12 km sw. Casale Monferrato) in Betracht ziehen! –
D.107 hat übrigens, neben dem DH.IV.233 von 1070, dem erwähnten
DF.I.267 (= NU.) als teilweise Vorlage gedient. Als Erklärung dafür,
dass der nur kurzfristig (s. noch DD.100, †101, 106, 108), zur
Entlastung des Erzkanzlers/Kanzlers Adalbert als Rekognoszent
beschäftigte Kapellan Arnold, der nie das Kanzleramt innehatte, hier
den Titel
cancellarius führt, zieht Hausmann
a.a.O. 80 neben einer Deutung als Zutat des Kopisten, die uns das
Wahrscheinlichste zu sein scheint, in Betracht, es könnte sich um
“eine bewusste Fiktion seitens der Kanzlei” gegenüber dem
italienischen Empfänger handeln, auf den ja auch mit der Nennung EB.
Friedrichs von Köln als des zuständigen Erzkanzlers Rücksicht genommen
ist. Eigenartig ist fernerhin, dass nicht der eigentlich zu
erwartende, zudem als Intervenient genannte, B. Burkhard von Münster
rekognoszierte, der seit Ende 1110 (erstmals in D. †61) italienischer
Kanzler war (s. Hausmann
a.a.O. 54f.) und seither auch die sonstigen vor dem 2. Italienzug auf
deutschem Boden ausgestellten Diplome für italienische Empfänger
rekognosziert hatte (s. DD.118, 120–122, 137 und 148) – mit einer
einzigen weiteren Ausnahme, dem vom deutschen Kanzler Bruno
rekognoszierten D.143 für die Stadt Cremona (s. dortige Vorbemerkung).