Abschrift aus dem Anfang des 18. Jh. in Collectanea hist. des Joh.
Dumont Frhr. v. Karlscroon, Hs. suppl. 383/32 f. 283v–284r im Haus-,
Hof- und Staatsarchiv zu Wien (B). – Abschrift des 18. Jh. in Ms. lat.
12.668 (Monasticum Bened. tom. XI) f. 274r der Nationalbibliothek zu
Paris (C). – Abschrift aus dem Ende des 18. Jh. in Hs. 61b/2 (aus St.
Blasien) f. 115r–v des Stiftsarchivs St. Paul im Lavanttal (D).
Drucke: Eichhorn, Episcopatus Curiensis, Cod. prob. 45 no
39 “ex archivo Desertinensi” (e) = Mohr, CD Cur-Raetiens 1,150 no
107. – Aus BD: Meyer-Marthaler
u. Perret, Bündner UB 1,182 no
237. Reg.: Mohr, Reg. Disentis 9 no
36. – Hidber, Schweizer. Urk.-Register 1,451 no
1575. – Goerz, Mittelrhein. Reg. 1,462 no
1654. – Ficker
in Wilmans, Add. z. Westf. UB 91 no
20. – Thommen, Urk. z. Schweizer Gesch. 1,5 no
6. – Jaeger
in Archiv f. Kunde österr. Gesch.-Quellen 15,341. – Ehlers, Metropolis 278 in no
45. – Böhmer
Reg. 2022. – Stumpf
Reg. 3089.
Im Bündner UB ist irrigerweise die Vermutung ausgesprochen, Eichhorn
könne das verlorene Original als Vorlage benützt haben. Obwohl Eichhorns Druck weitestgehend mit der Sanblasianer Abschrift D übereinstimmt
(vgl. Anm. f, l–n, p, q, t–v, y, c’, e’, i’–o’ und q’, insbesondere
aber alle Auslassungen gemäß Anm. h und m), war auch diese nicht seine
Quelle, sondern aufgrund von Varianten, in denen sein Text entweder
mit der Abschrift B (vereinzelt auch C) zusammengeht (vgl. Anm. a, b,
d, e, i, r, s, k’) oder aber sich mit keiner der erhaltenen
Abschriften deckt (s. Anm. x, r’), ist anzunehmen, dass D und Eichhorn
auf eine verlorene Abschrift als gemeinsame Vorlage zurückgehen,
weshalb Eichhorns Varianten vollständig im Apparat zitiert sind (e).
Unter Verwendung eines Empfängerentwurfs, der für die Publikatio das
DO.II.285 von 965 (= VU.I) und für die zweite Texthälfte das
DH.III.225 von 1048 November 19 (= VU.II) als Vorlagen verwendet
hatte, verfasst von Notar Adalbert A (s. Hausmann, Reichskanzlei 65 no
46), der mit D.106 den zwischenzeitlich seit D.98 tätig gewesenen
Notar Adalbert B wieder abgelöst hatte. – Angesichts der hier erstmals
begegnenden neuen und definitiven, sicher von Adalbert A geschaffenen
und bis zum Ende von Heinrichs Regierungszeit beibehaltenen Gestalt
des Monogramms dürfte Adalbert A auch der Schreiber des Originals
gewesen sein (s. auch Anm. s’); das falsche, nach der Kaiserkrönung
obsolet gewordene
X (für
rex) statt des unverzichtbaren
Q (für
quartus oder
quintus; s. Anm. g’) ist wohl am ehesten dem Kopisten der Abschrift D, nicht
dem Notar anzulasten. – Zur Erwähnung des Kapellans Arnold als
Rekognoszent vgl. Hausmann
a.a.O. 80 und Vorbemerkung zu D.100.
In der Datierung übernimmt Adalbert A die von Adalbert B seit D.99
verwendete falsche Zählung der Königsjahre mit
VI statt
VII; außerdem ließ er sich von Adalbert B auch dazu motivieren, hier und
ebenso noch in den beiden folgenden DD.107 und 108 (beide auch mit der
falschen Zahl
VI für die Königsjahre) die zuvor von ihm selbst seit D.84 aufgegebene
Nennung der Ordinationsjahre (vgl. Vorbemerkung zu D.80) wieder
aufzunehmen, um aber bald danach ab D.109 (dort gleichfalls noch die
Königsjahre mit der falschen Zahl
VI) für alle Zukunft auf diese Angabe zu verzichten.
Wenn Adalbert A hier für die Ordinationsjahre nicht die von Adalbert B
regelmäßig eingesetzte falsche, um 1 Einheit zu niedrige Zahl
XIII (s. DD. 99 † 101–104) übernimmt, sondern in DD..106–108 die um 2
Einheiten zu niedrige Zahl
XII einsetzt, so ist das sicher damit zu erklären, dass er bewusst die von
ihm selbst im Vorjahr 1111 ständig (bis D.79) verwendete, damals
ebenfalls um 2 Einheiten zu niedrige Zahl
XI aufgriff und rechnerisch ins Jahr 1112 fortschrieb.
Auf den Einfluss des Adalbert B ist es übrigens auch zurückzuführen,
dass Adalbert A unser D. mit einem, seiner eigenen Praxis fremden, für
diesen aber typischen (s. DD.98, 99, † 101, 102, 104) Signum speciale
ausstattete. Und noch eine weitere Einflussnahme des Adalbert B kann
man schließlich vermutlich darin sehen, dass Adalbert A, gleichfalls
von seinem eigenen Brauch abweichend, hier, wie jener zuletzt in den
unmittelbar vorangehenden DD.103 und 104, bei den Jahresangaben das
Inkarnationsjahr vor der Indiktion anführt, um dann aber in D.107
gleich wieder zur Angabe der Indiktion an erster Stelle
zurückzukehren.
D.106 gehört in eine Reihe von Diplomen, in denen schon vorher dem
Kloster die Reichsunmittelbarkeit bestätigt worden war, neben
DH.III.225 von 1048 Nov. 19 (VU.II) das nur noch als Regest erhaltene
DH.IV.*256 von ca. 1072. – Dieser nur auf kopialen Überlieferungen
beruhenden Reihe steht eine andere, durchwegs im Original erhaltene und teilweise auf dieselben Herrscher
zurückgehende Serie gegenüber, mit der das Kloster immer wieder der
bischöflichen Kirche von Brixen unterstellt wurde, beginnend mit dem
DH.II.424 von 1020 April 24, über DH.III.23 von 1040 Jan. 16 und das
DH.IV.5 von 1057 Febr. 4, endend mit Heinrichs V. D.202 von 1117 Juni
17. – Eine in der politischen Situation begründete Episode blieb es,
wenn im Jahre 1097 Heinrichs IV. rebellischer Sohn Kg. Konrad das
Kloster dem Hochstift Chur unterstellte (D.Konr.3); vgl. dazu Müller
in Stud. u. Mitt. 71,13ff. (mit Übersicht S. 26) und Müller-Mertens, Regnum Teutonicum 64ff.
Während unter Heinrich III. und Heinrich IV. das Diplom zugunsten des
Klosters immer demjenigen zugunsten Brixens folgte – wobei unklar
bleibt, ob sich darin jedesmal ein bewusster Widerruf der Brixener
Diplome ausdrückt, wie er in DH.III.225 ausdrücklich (ohne Erwähnung
des eigenen DH.III.23!) gegenüber dem DH.II.424 formuliert ist, oder
ob dies teilweise auf reiner Unkenntnis der Kanzlei beruhte, die
jeweils arglos die von jedem der beiden Empfänger vorgelegten
Vorurkunden erneuerte, wohingegen Büttner, Schwaben u. Schweiz 266 ein langes “Schwanken” zwischen dem
Bestreben nach unmittelbarer Verfügung über das Kloster einerseits und
Überlassung an das “mit Fragen der Paßbetreuung und -politik
wohlvertraute” Bistum Brixen im Interesse der Reichsgewalt
andererseits herauslesen wollte –, ist bei Heinrichs V. beiden
Diplomen, DD.106 und 202, die Reihenfolge umgekehrt.
Gleichwohl blieb das Kloster schließlich erfolgreich; denn während
Heinrichs D.202 das letzte Diplom für Brixen blieb, erhielt Disentis
nochmals von Lothar III. mit dessen ebenfalls nur als Regest
überliefertem D.88 die Bestätigung der Reichsunmittelbarkeit; das
undatierte, in der Vorbemerkung auf 1136 datierte DLo.III.88 möchte
B.-Petke
Reg. 109 auf Ende Dez. 1125 datieren, gleichzeitig mit dem DLo.III.5
von 1125 Dez. 28 (ebenda Reg. 108) für das mit Disentis ein
vergleichbares Geschick aufweisende (vgl. DD.50 und 126) Kloster
Pfäfers (im Rheintal ca. 15 km n. Chur bei Ragaz), da so zeitgleich
die Reichsunmittelbarkeit der beiden “durch ihre Lage, am Weg zu den
Bündner Pässen wichtigen Abteien” (Disentis/Muster ca. 55 km sw. Chur
im Tal des Vorderrhein an der Gabelung der Straßen zum Lukmanier- und
zum St. Gotthardpass) wiederhergestellt worden wäre.
Während unser D. als Vorläufer nur die beiden Diplome Heinrichs III.
und Heinrichs IV. erwähnt (s. Anm. 1 und 2), hätte Disentis nach
Aussage des DH.IV.*256, das – in der Fassung b – Heinrichs IV.
avus und
pater nennt, auch schon von Konrad II. (avus), womöglich als Gegenstück zum älteren Brixener DH.II.424, ein
entsprechendes, verlorenes Diplom erhalten gehabt.
Für Faussner, Königsurk.-Fälsch. Wibalds 120ff. “löst” sich der Widerspruch
zwischen den zwei Urkundenreihen für und gegen Disentis auf einfachste
Weise: Nach ihm gehörten einerseits die vier Diplome über die
Unterstellung des Klosters unter Brixen (DD.H.II.424, H.III.23, H.IV.5
und H.V.202, s. dortige Vorbemerkung) zu der großen Fälschungsaktion,
mit der Wibald von Stablo um 1141/42 in Abstimmung mit B. Hartmann von
Brixen (1140–64) den Gesamtbestand der älteren Brixener Königsurkunden
gefertigt hätte (vgl. Vorbemerkung zu D.86); andererseits sei es aber
zwischen Wibald und B. Hartmann “dann zum großen Krach gekommen” (wann
und warum, wird offengelassen), und Wibald habe daraufhin “in seinem
Haß auf Hartmann” die Diplome zugunsten von Disentis angefertigt,
zuerst DH.III.225 und dann DH.IV.*256, DH.V.106 und DLo.III.88,
darüberhinaus habe er das Kloster auch noch mit der Gruppe der
DDO.I.208, O.II.131 und O.III.116 ausgestattet (a.a.O. 122)! – Schon
früher waren, in erster Linie wegen des Fehlens von Originalen, die
Diplome für Disentis als unecht angesehen worden, zuletzt bei Meyer von Knonau, Jahrb. 2,224 Anm. 62 (für DH.IV.*256 [St. 2763]) und 6,259 Anm. 76
(für DH.V.106), wohingegen bereits in Vorbemerkung zu DH.III.225 der
Fälschungsverdacht als unberechtigt zurückgewiesen worden war; dessen
ungeachtet hat jüngst Vogtherr, Reichsabteien 140 Anm. 180, unter Berufing auf Meyer von Knonau, nochmals für D.106 Fälschung behauptet. – Zur Klostergeschichte vgl.
Helvetia Sacra 3.1.1,474ff.