Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<†295.>>

Unecht.

Heinrich bestätigt dem Kloster St. Arnulf in Metz die genannten Besitzungen, erteilt für diese die Immunität und verbietet die Einsetzung von Vögten ohne Anforderung des Klosters.

Savignano, (1115) 1116 Dezember 3.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Angebliches Original (ca. 49 b : 71,5 h) aus dem 1. Viertel des 12. Jh. im Départementalarchiv zu Metz (A), mit beiliegender frz. Übers. von Ende 16./Anfang 17. Jh. (= wohl Vorlage Valladiers).

Teilfaks. (4 Schriftproben): Gawlik in DA 37, Taf. I und II.

Drucke: Valladier, L’auguste basilique de l’abbaye royale de sainct Arnoul de Mets 267 in franz. Übers. zu 1115. – (Tabouillot), Hist. de Metz 4,165 aus Or.-Transsumpt Ks. Karls IV. von 1356 Dezember 21. – Champollion Figeac, Doc. hist. inédits 2.2,8 no 5 aus Coll. Dupuy vol. 499 f. 168r–169r der Nationalbibliothek zu Paris (Abschrift von 1638). – Aus A: Gawlik a.a.O. 617ff.

Reg.: Ficker in Wilmans, Add. z. Westf. UB 92 no 116/32. – Ladewig-Müller, Konstanzer Reg. 1,85 no 698. – Wolfram in Jahrb. f. Lothring. Gesch. 2,161 no 23. – Zoepfl-Volkert, Augsburger Reg. 1,252 no 414. – Stumpf Reg. 3150.

Durch die Feststellungen Gawliks a.a.O. 605ff., bes. 612ff., die bei Kölzer, Studien 91f., 160f. u. 308 bestätigt sind, ist gesichert, dass D. †295 eine Fälschung des Abtes Berengoz von St. Maximin darstellt, der auch, zweifellos durch Investitur Heinrichs V., Abt von St. Arnulf war. Wann er diesen Abbatiat übernahm, ist nicht zu ermitteln; vgl. dazu Gawlik a.a.O. 635f. (zur unsicheren Amtszeit seines Vorgängers Odo ebenda Anm. 104) und Kölzer a.a.O. 92 Anm. 341 und 164 Anm. 36. Nachdem durch unser D. zweifelsfrei feststeht, dass er das Amt im Jahre 1116 innehatte, ist jedenfalls davon auszugehen, dass er von Heinrich spätestens vor Beginn des 2. Italienzuges die Investitur erhalten hatte; dafür, dass er das Amt schon länger innehatte (vgl. dazu noch weiter unten), spricht auch die Tatsache, dass in dem Mandat Heinrichs an EB. Bruno von Trier aus dem Jahre 1119 (D.218), jedenfalls in dessen a-Fassung, von einer erneuerten Investitur Berengoz’ in die Abtei St. Arnulf die Rede ist (reinvestiri facias; vgl. dazu Gawlik a.a.O. 636 Anm. 102).

Von der Hand des Fälscherabtes stammt aber, wie Gawlik a.a.O. 616f. nachweisen konnte (vgl. auch Kölzer a.a.O. 160 u. 308 und Müller, Am Schnittpunkt von Stadt u. Land 34ff.), auch das von ihm verfasste und bereits seit langem als Fälschung erkannte Privileg P. Leos IX. für St. Arnulf von 1049 Oktober 11 (JL †4186; Or. im Dép.-Archiv Metz Série H 5 no 1; Calmet, Hist. de Lorraine 22,305); von Wolfram a.a.O. 1,70ff. ist die Fälschung demnach zu früh in die 70er und 80er Jahre des 11. Jh. datiert. JL †4186 ist seinerseits auf jeden Fall vor D. †295 entstanden, wie die ausdrückliche Berufung auf Leo IX. für Pommerieux (s. Anm. w’) beweist, das übrigens in JL †4186 erstmals im Besitz von St. Arnulf genannt wird (s. Gawlik a.a.O. 629 no 15). Beide Falsa dürften überdies nicht in einer einzigen Aktion, sondern in einigem zeitlichen Abstand voneinander entstanden sein, da D. †295 eine beträchtliche Anzahl von Besitzungen mehr als JL †4186 nennt, wie die nicht in Petit gesetzten Partien zeigen (Objekte von Gawlik a.a.O. 627ff. no 8, 9, 16–22); ein echtes Deperditum Leos IX. für St. Arnulf hat vermutlich nicht existiert, sondern, wie die Gemeinsamkeiten zwischen JL †4186 und dem ebenfalls von Berengoz gefälschten Privileg Leos IX. von 1051 Januar 16 für St. Maximin (JL †4251; Faks. bei Kölzer Taf. 37), zeigen, dürften beide unabhängig voneinander auf ein Authenticum Leos IX. für St. Maximin zurückgehen, vgl. dazu Kölzer a.a.O. 91f. mit Anm. 334, 336 u. 342, während Müller a.a.O. 35 Anm. 127 die Möglichkeit einer Originalvorlage nicht ausschließt.

Den Text von D. †295 hat Berengoz in seiner bekannten Manier aus insgesamt 12 Vorlagen mosaikartig zusammengesetzt, wovon nur JL †4186 (= VL.IV) dem Fonds von St. Arnulf angehört, während er alle anderen seinem Maximiner “Dossier” entnahm: VL.I = DH.V.186, II = DH.V. †18, III = DH.V. †113, V = DO.I. † 442, VI = JL †4251 (s. oben), VII = DH.II. †502, VIII = DKo.II. †48, IX = DH.V. †88, X = DH.III. †391, XI = DH.III. †262, XII = DH.V.150 (vgl. die bei Gawlik a.a.O. 617ff. zum Text von D. †295 gebotenen Parallelstellen, wo D.150 fehlt, umgekehrt zusätzlich DH.II. †500, DH.III. †372B und DDH.IV. †159 [s. Anm. h] und †181 angeführt sind).

Ein auf diese geringfügige Fondsvermischung zurückzuführender, bisher übersehener grober Schnitzer führte nun dazu, dass Berengoz bei der Aufzählung der für St. Arnulf urkundenden älteren Herrscher statt der eigentlich einschlägigen, in seinem gefälschten Leo-Privileg für St. Arnulf, JL †4186 (= VL.IV), gebotenen – und unverändert in dessen Bestätigung, das echte Privileg P. Calixts II. von 1123 April 2 (Or. Metz H 5 no 3; JL 6963; Druck: Meinert, Papsturkunden in Frankr. N.F. 1,190 no 13) übernommenen – Namenliste (Karolus magnus, Lvdewicus pius, Arnulfus, Ziendiboldus, Otto, Cuonradus; s. Gawlik a.a.O. 618f.) fälschlich die Liste seiner Maximiner Fälschung DH.II. †502 (= VL.VII) übernahm; erklären lässt sich dies wohl nur so, dass Berengoz bei seiner Mosaik-Komposition nur die jeweiligen Textpassagen der Vorlagen im Auge hatte und bei dieser entscheidenden Stelle sich zu vergewissern versäumte, dass deren Vorlage im Protokoll auch den richtigen Empfänger nannte, wobei als Entschuldigung gelten kann, dass die beiden Listen bei allen Divergenzen doch teilweise deckungsgleich waren. Ein Versuch, die Herrschernamen mit erhaltenen Diplomen für St. Arnulf in Beziehung zu setzen (s. Anm. 1–7), ist demnach in D. †295 letztlich ohne adäquate textliche Basis.

Das Eschatokoll weist einige Besonderheiten auf. Dies gilt zunächst für die Datierung, die, unter Verwendung dreier Vorlagen formuliert, in ihrem Aufbau – mit Data, Tagesdatum, Inkarnationsjahr, Indiktion, Herrscherjahren, actum mit Ort, Apprekatio – vollständig dem Schema des Abtes Berengoz entspricht (vgl. Vorbemerkung zu D. †16), wobei aber hier die fälschliche Verwendung der Zahl der Ordinationsjahre für die Regierungsjahre aufgegeben ist, offensichtlich unter dem Einfluss von VL.I, aus der auch die um 1 Einheit zu niedrige, nachgetragene (s. Anm. at) Zahl XI übernommen wurde (s. Anm. 15); es verwundert dann um so mehr, dass Berengoz von dort nicht auch die Zahl der Kaiserjahre übernahm, vielmehr dafür eine Lücke ließ (s. Anm. au und 16); und noch erstaunlicher ist, dass er gegenüber VL.I sowohl die Indiktion als auch sogar das Inkarnationsjahr um 1 Einheit zu niedrig angab (s. Anm. 13 und 14), was nur durch Nachlässigkeit erklärt werden kann, da Berengoz als Teilnehmer des Italienzuges ja wissen musste, dass Heinrich im Jahre 1115 noch in Deutschland weilte.

Dies belegt auch die Angabe des exakt in das Itinerar passenden, im Kernland der mathildischen Besitzungen gelegenen (s. Gawlik a.a.O. 612) Handlungsortes Savignano sul Panaro (ca. 20 km sö. Modena in der Nähe von Vignola; vgl. Gawlik a.a.O. 623 mit Anm. 84f. und 637), den Berengoz zweifellos im Gefolge Heinrichs selbst kennengelernt hatte. Auf dieser persönlichen Kenntnis beruht schließlich auch die Möglichkeit, über die aus VL.I übernommenen, aber sicher auch auf diesen Aufenthalt beziehbaren Intervenienten hinaus zusätzlich B. Hermann von Augsburg und B. Hugo von Brixen benennen zu können (beide erwähnt in DD.185 und 202; Hermann kaum direkt aus VL.IX übernommen). All dies könnte die Vermutung nahelegen, Berengoz habe über ein zum angegebenen Datum gehöriges, dem Falsum geopfertes kanzleigemäßes Diplom für St. Arnulf (oder St. Maximin) verfügt.

Diese Möglichkeit scheitert jedoch am Wortlaut der Rekognitionszeile, die andernfalls wie in D.186 (VL.I) den deutschen Kanzler Bruno nennen und auch die dortige – seit D.109 kanzleigemäße – knappe Formulierung aufweisen müsste; D. †295 nennt jedoch nicht nur den für St. Arnulf unzuständigen italienischen Kanzler Burchard, sondern die Zeile weist auch die seit D.155 in den Diplomen für italienische Empfänger stereotype Formulierung auf, wie sie Berengoz weder in einem für St. Arnulf noch für einen anderen deutschen Empfänger bestimmten Diplom hätte antreffen können. – Uns scheint der Verdacht nicht zu gewagt, dass der Fälscherabt, der wegen seines erweislichen Interesses an der Herstellung von Urkunden wahrscheinlich auch die Nähe der Kanzlei suchte, in Italien gelegentlich dem Kanzleinotar über die Schulter schaute und sich dabei diese Formulierung notierte, die ihm sicher besser gefiel als die knappe Fassung von D.186; die in D.186 seitens des Kanzleinotars beachtete Regel, dass sich die Nennung des Kanzlers an der Nationalität des Empfängers orientierte, war ihm kaum vertraut, so dass es für ihn fast selbstverständlich gewesen sein wird, den Namen Burchards zu verwenden, den er schließlich wiederholt in Italien als Kanzler amtierend erlebt hatte.

Der Zeitpunkt der Fälschung lässt sich nicht genau festlegen. Da, anders als für D.186, für unser D. nördliches Pergament verwendet ist (s. Gawlik a.a.O. 613 Anm. 55), kann D. †295 jedenfalls erst nach der Rückkehr des Abtes nach Deutschland entstanden sein, also frühestens 1117 oder, falls Berengoz bis zum Ende des Italienzuges am Hofe blieb, im Spätsommer des Jahres 1118. Für den späteren Zeitpunkt könnte sprechen, dass der die im Jahre 1119 betriebene Neuinvestitur voraussetzende zwischenzeitliche Verlust des Abbatiats (s. oben) durch eine relativ lange Abwesenheit des Abtes verursacht gewesen sein mochte (zu anderer Erklärung vgl. unten), wonach sich dann der früheste Zeitpunkt mindestens ins Jahr 1119 – nach seiner Reinvestitur – verschieben würde; zugleich hätten wir damit einen Beleg dafür, dass Heinrichs Intervention von 1119 zum Ziel geführt hat. Den allerspätesten Zeitpunkt bildet das Privileg P. Calixts II. von 1123 April 2, das auch Gawlik a.a.O. 636f. als Terminus ad quem wertet (ebenso Kölzer a.a.O. 92 und 161 mit Datierung auf 1117/18 bis 1123 April 2); da das Calixt-Privileg den Abt Antonius als Empfänger nennt, was Gawlik und Kölzer nicht vermerkten (von ihnen seine Name vielleicht wegen Meinerts Wiedergabe der Elongata der 1. Zeile durch Kapitälchen schlicht übersehen), ergibt sich daraus zugleich, dass Berengoz seinen Metzer Abbatiat nicht bis zu seinem Tode am 23. Sept. 1125 behielt (vgl. Müller a.a.O. 33 mit Anm. 120), außerdem muss die Fälschung doch wohl einige Zeit vor dem Calixtinum angesetzt werden.

Zu den Besitzungen und den älteren Belegen für diese vgl. Gawlik a.a.O. 624ff., der (634f.) zu dem Schluss kommt, dass das Fälschungsmotiv für D. †295, wie auch für JL †4186, nicht besitzgeschichtlicher Natur war, sondern in dem aus JL †4186 übernommenen, sachlich unrichtigen Vogteipassus zu vermuten ist, der in dem Calixt-Privileg wieder fehlt, was eine Entstehung von D. †295 nach 1123 ausschließt; übrigens ist in D. †295 und JL †4186 nicht von “freier Vogtwahl” die Rede, wie es Gawlik formuliert. – In diesem Zusammenhang ist schließlich zu fragen, ob der ja auch in St. Maximin an Vogteifragen höchst interessierte Berengoz nicht gleichfalls, eventuell schon bald nach seinem (1.) Amtsantritt, gegen das bis in die Mitte des 12. Jh. bestehende Recht der Metzer Bischöfe auf Einsetzung der Klostervögte von St. Arnulf (s. Gawlik a.a.O. 635) opponiert hatte, was dann den Bischof veranlasst haben könnte, ihn seines Amtes zu entheben.

(C.) In nomine sanctę et individuę trinitatis. Heinricus divina favente clęmentia quartus Romanorum imperator augustus. Si antiquorum insignia ręgum in preceptis sive preceptorum confirmativis aeccl[es]iis dei concedendis imitati fuerimus, divinitus nos inde procul dubio remunerari confidimus. Quapropter fidelium nostrorum tam presentium scilicet quam futurorum magnitudini notum esse volumus, qualiter monasteriu[m] sancti Arnvlfi confessoris Christi preciosissimi per interventum fidelis nostri Berengozi abbatis nostrę auctoritatis privilegio decorare decrevimus, ut, cui aliud beneficium non conferimus, saltem ab aliis Christi fidelibus tradita confirmare studeamus. Precipimus igitur et hoc imperiali nostrę auctoritatis precepto firmissima lęge sancimus, ut in acclesiis (!), villis ac possessionibus, quas a predecessoribus nostris regibus vel imperatoribus, Dagoberto videlicet, Pippino, Karolo, Lǒdeuuico, Arnulfo, Zeindibuoldo vel a tribus Ottonibus atque Cuonrado proavo nostro, prefato monasterio ac fratribus inibi deo famulantibus, sicut in privilegiis eorum cernitur, collatas audivimus, nullius personę magnę vel parvę violentiam patiantur ulterius, sed ex clemęntia salvatoris nostri victum ac vestitum inde superventuris semper consequantur temporibus. Hęc sunt autem acclesię (!) ac villę, quę ad peculiaritatem pertinent abbatis ac fratrum: Mareolas scilicet et Arx ac decimatio acclesię (!) aput Iussiacum, sed et Nugarædum et Uigiacum, Floriacum et Flauiniacum, cella etiam una, quę Aulegium, et altera, quę vocatur Chisniacum, insuper vero triginta mansi cum acclesia (!) et decimatione aput Rumeliacum, Mauriuill[a et]iam et Uicum, Diuillare et Tiliacum, Pomeriolum etiam, cum quo predictum monasterium a beato Leone papa constat esse dotatum, sęd et Millanc et Keirelingun, Uualeno et Cheittingun, quod ab acclesia (!) sancti Chuniberti Colonię pro aliis illuc bonis concambio est mutatum, et quod in villa Uuilere a quodam Bezelino et Uualtero predictis fratribus est datum, vel quod in Dagenheim et Sira, Neuis et Biuera a diversis Christi fidelibus eidem loco antiquitus videtur esse collatum, sed et Buxerias et Caminetum, quod Hildigardis regina cum omni utilitate ad prefatum contulit locum, Laium etiam monasterium, quod Aeua quedam comitissa cum silva, quę vocatur Heis, et cum omni utilitate eiusdem silvę, cum ponte etiam et piscatione ad Campaniolas circa Murt fluvium ad sępedictum tradidit monasterium. Hęc igitur omnia per interventum dilectissimę coniugis nostrę Mathildis reginę necnon Burchardi Monasteriensis, Herimanni Augustensis, Ǒdalrici Constantiensis, Hugonis Brixiensis, Gerhardi Tridentinensis, Mazonis Uirdunensis, venerabilium ępiscoporum, aliorumque fidelium nostrorum ad prebendam fratrum inibi deo famulantium hac nostra imperiali preceptione tali modo d[e]legamus et confirmamus in perpetuum, ut nullus imperator aut rex, nullus ępiscopus aut dux, nullus comes aut iudex, nulla prorsus aeclesiastica sive mundana persona in eisdem bonis aliquam eis violentiam inferat vel aliquem advocatum, nisi ipsi pro qualitate temporum aut diversitate locorum petierint, in eisdem locis ponere presumat, sed, sicut reges et imperatores aliique fideles eadem bona illuc pia devotione contulerant, sic ad peculiarem prebendam eorum integra semper et inconvulsa permaneant. Et ut hoc imperiale nostrę auctoritatis preceptum maiorem firmitatem habere possit in perpetuum, cartam hanc inde conscriptam manu propria subtus firmavimus et sigilli nostri impressione insigniri iussimus.

Signum domni Heinrici (M.9.) quarti Romanorum imperatoris invictissimi.

Burchardus cancellarius et Monasteriensis episcopus recognovit.

(SI.D.)

Data III. non. decembr., anno domini millesimo CXVo, indictione VIIIa, anno regni domni Heinrici XIo, imperii vero (!); actum in Italia in castro Sauiniaco; in dei nomine feliciter amen.