Abschrift in der Klostergeschichte des 18. Jh. in Ms. 1787 (1008) p.
32–34 der Stadtbibliothek zu Nancy (B). – Abschrift im Chartular des
18. Jh. in Ms. 1788 (1007) p. 5–7 ebenda (C). – Abschrift des 18. Jh.
im Départementalarchiv zu Épinal, XVII H 5 (D).
Drucke: Aus B: Hugo, Ann. Praem. 1.2, prob. 539 = Calmet, Hist. de Lorraine 25, preuves 128 = Grandidier, Hist. eccl. d’Alsace 2,221 no
567 Auszug. – Posse, CD Sax. regiae 1.2,36 no
41 Auszug. – Perrin, Recherches 356 Anm. 2 Auszug (“censier” von Doncières, s. Anm. s”).
Reg.: Bréquigny, Table chronol. 2,440. – Wentzcke, Strassburger Reg. 1,302 no
394. – Dobenecker, Reg. Thur. 1,230 no
1091. – Stumpf
Reg. 3110.
Für die Textherstellung haben wir die von Hugo stammende Abschrift in
Ms. 1764 (99217) p. 44–47 der Stadtbibliothek zu Nancy vernachlässigt, da sie von C
abhängig ist. – Erkens, Trierer Kirchenprovinz 226 Anm. 116, der alle vier Überlieferungen
aufzählt, verwendet für die drei Handschriften aus Nancy deren
veralteten früheren Signaturen (oben in runden Klammern) und wertet
die modernen Signaturen (1764, 1787 u. 1788) als Datierung der
Handschriften!
Bei Erkens
ist auch D. † 293 noch – zusammen mit D.127 – ohne Beanstandung (als
Beleg für die Bestätigung des Besitzes) zitiert, ebenso bei Stüllein, Itinerar 63; zur Anerkennung von D. † 293 als echt auch noch bei Hausmann, Reichskanzlei 66 no
62 vgl. Vorbemerkung zu D.127.
Lange zuvor hatte jedoch Perrin, der a.a.O. 339ff. dem in D. † 293 und dessen Vorurkunde (unten
VL.II) enthaltenen “censier” von Doncières, dessen Vorlage er ins 11.
Jh. zurückführt (a.a.O. 361), ein umfangreiches Kapitel widmete, das
D. † 293 eindeutig als Totalfälschung
erwiesen (a.a.O. 340ff. und 353ff.), die vollständig und wörtlich von
zwei Vorlagen abhängig ist: Anfang (bis Anm. y) und Schluss (ab Anm.
bg) einschließlich der unverändert beibehaltenen Datierung basieren
auf dem DH.V.127 für Moyenmoutier (= VL.I), das demzufolge auch Büttner
in ZGO 89,384 Anm. 5 als Vorlage des gefälschten D. † 293
bezeichnete; dass ein Heinricianum für Étival – das ja ein mit D.127
identisches Diktat für die formelhaften Partien hätte gehabt haben
können – nie existierte, ergibt sich zwingend allein schon aus der
Tatsache, dass am Schluss des ersten Teiles auch die nur für
Moyenmoutier zutreffende (dort zu erfolgten Restitutionen
überleitende) Nachricht über Entfremdungen übernommen ist.
Es bliebe auch absolut unklar, welchen Inhalt dieses Heinricianum
gehabt haben sollte: Denn die ganze Dispositio ist aus dem unechten
Privileg P. Innocenz’ II. für Étival von angeblich 1140 Dezember 12
(JL 8109 = VL.II) übernommen, das seinerseits eine mit Hilfe des
echten Privilegs gleichen Datums für Moyenmoutier (JL 8108)
hergestellte Fälschung war (vgl. Perrin
a.a.O. 341 und Vorbemerkung zu D.127; s. unten Anm. z, b’, c’); für
Zitate aus VL.II (Druck: Hugo
a.a.O. prob. 540; vgl. Parisse, Bullaire 39 no
174) stützen wir uns auf die Abschrift in Ms. 1787 (1008) p. 41–44
der Stadtbibliothek Nancy, der gegenüber die sonstigen Abschriften und
Drucke eine Lücke aufweisen (vgl. Anm. x”).
Beim Einbau der Dispositio aus VL.II in den objektiven Rahmentext der
VL.I behielt der unfähige Fälscher die für ein Diplom unpassenden
Formulierungen des Privilegs mit der direkten Apostrophierung des
Empfängers unverändert bei (vgl. Z ■:
tibi tuisque; Z. ■ff.:
habetis [4x] u.
tenuistis; Z. ■:
vestrum). Daraus ergibt sich, dass man in Étival zunächst wohl nur das
Innocenz-Privileg gefälscht hatte, ehe man sich entschloss, auch ein
Diplom auf den Namen Heinrichs zu fälschen – ob gleichzeitig oder erst
mit zeitlicher Verzögerung, muss angesichts des Fehlens der Originale
offen bleiben; für Gleichzeitigkeit könnte immerhin sprechen, dass man
für die Herstellung beider Falsa auf (legalen?) Zugang zum Archiv des
knapp 5 km entfernten Nachbarklosters angewiesen war, der sich kaum
zum wiederholten Male geboten haben wird. Die Beibehaltung der Daten
des Privilegs und des Diploms für Moyenmoutier entsprang womöglich
einem Konkurrenzdenken!
Privileg und Diplom gehören zu einem größeren Komplex in Étival
fabrizierter Fälschungen, die Perrin
in seine Untersuchung einbezog und zwei verschiedenen Fälschern
zusprach, deren erster in der Mitte des 12. Jh. (S. 355 meint er
genauer auf “vor 1172” eingrenzen zu können), der andere um die Wende
vom 12. zum 13. Jh. tätig gewesen sei (vgl. a.a.O. 341ff., 347ff. u.
353ff.; Büttner
a.a.O. 381 Anm. 2 beschränkt sich demgegenüber auf die Feststellung,
dass die von Perrin
aufgezählten Fälschungen jedenfalls alle vor das 2. Viertel des 13. Jh. fallen): Zur ersten Gruppe rechnet Perrin
neben D. † 293 und dem Innocenz-Privileg noch das gleichfalls nur
kopial überlieferte Diplom von Karls III. Gemahlin Richgard von 884
Mai 1 (DRichg.1) und das als angebliches Original erhaltene DO.I. †
443 von 962 Juni 2 (das nach Perrin, der immer die Jahreszahl 963 verwendet, damals im Stadtarchiv zu St.
Dié verwahrte Pseudo-Original befindet sich, wie andere von ihm mit
diesem Lagerort erwähnte Stücke, jetzt im Dép.-Archiv zu Épinal unter
der Signatur XVII H 73); zur zweiten Gruppe rechnet er die beiden, von
ein und derselben Hand stammenden Pseudo-Originale des DF.I. † 1072
von 1177 (= Al) bzw. 1178 (= A) und die Verfälschung des Privilegs des Papstes
Lucius III. von 1182 Januar 22 (Inc.:
“Religiosam vitam eligentibus”; vgl. Meinert, Papsturkunden in Frankreich N.F. 1,349 no
198; fehlt bei Parisse
a.a.O. [s. unten]; beide Fassungen sind ungedruckt).
Die Umschreibung des Étivaler Fälschungscorpus ist damit aber noch
nicht komplett: Das von Perrin
(a.a.O. 342 Anm. 4) noch als echt bewertete Privileg P. Eugens III.
von 1147 Sept. 6 (JL 9128) liegt nur als Pseudo-Original vor
(Dép.-Archiv Épinal XVII H 3). – Dasselbe gilt für das Privileg des
Papstes Lucius III. von 1182 Jan. 22 betr. St. Gorgon (JL 14573; Inc.:
“Iusticie ratio exigit”; Ps.-Or. im Dép.-Archiv Épinal ohne Signatur); die von Parisse
a.a.O. 66 no
325 zu angeblichen kopialen Überlieferungen dieses Privilegs
gebotenen Angaben beziehen sich auf die verfälschte Fassung des obigen
Privilegs
“Religiosam vitam eligentibus” vom selben Tage!. – Schließlich liegt die Urkunde der Äbtissin
Hadwidis von Andlau von 1172 in zwei Fassungen vor: Das erhaltene
Original im Dép.-Archiv Épinal (XVII H 1) ist eine Fälschung vom Ende
des 12. Jh. (Druck: Würdtwein, Nova subsidia 10,45); die echte Fassung (Teildruck: Schoepflin, Alsatia dipl. 1,259) ist nur kopial überliefert, u.a. in Ms. 1788
(1007) p. 23–24, wo unmittelbar anschließend (p. 24–26) eine Abschrift
der verfälschten Fassung folgt.
Der ganze Fälschungskomplex bedarf einer gründlichen neuen
Untersuchung. Vorher lässt sich auch nicht beurteilen, in welchem
Umfang das Innocenz-Falsum (VL.II) von den Besitzverzeichnissen der
anderen Fälschungen abhängig ist. Soviel lässt sich aber vorab sagen,
dass die Fälschungen auf den Namen Richgards von 884, Ottos I. von 962
und Eugens III. von 1147 keiner einheitlichen Aktion angehören
dürften; dies beweisen die in frappierender Weise divergierenden
Varianten insbesondere der Ortsnamen, die wir in den Anmerkungen aus
diesen drei Urkunden (unter Verwendung ihrer Jahreszahlen als Siglen)
vollständig zitiert haben, da auf die Ortsnamenschreibungen in keiner
Überlieferung, einschließlich des D. † 293, Verlass ist.
Für die genetische Einordnung des D. † 293 und des ihm
zugrundeliegenden Innocenz-Privilegs gibt es einen sicheren
Anhaltspunkt: Es diente nämlich, wie schon von Perrin
a.a.O. 350 festgestellt, in großem Umfang dem DF.I. † 1072 von
1177/1178 (= NU.) als Vorlage, was von den Herausgebern, die auch von
Perrins Arbeit keine Kenntnis genommen haben(!), vollständig übersehen
wurde: Dies gilt zunächst für den Textbeginn (S. 408 Z. 19–31), wo
unterschiedlich große Partien übernommen sind (bes. Z. 23f. u. 28ff.).
Im weiteren Text ist in den Partien, die aus dem dort als VU.I
verwendeten Lucius-Privileg von 1182 entnommen sind und die sich
teilweise mit D. † 293 decken (S. 408 Z. 31–36 u. S. 409 Z. 2–4),
offenbar wiederholt nochmals unmittelbar auf D. † 293 zurückgegriffen
(z. B. für das
notanda in Z. 36 = hier Z.
■ annotanda; s. noch S. 409 Z. 4). Auf S. 411 in den Partien, in denen das
Lucius-Privileg gleichfalls Parallelen zu D. † 293 aufweist (Z. 3–5,
10, 16–20, 26–28, 35 u. 37; s. ferner noch S. 412 Z. 4 u. 7–10),
stammt der dort fehlende Passus Z. 29–31 wörtlich aus D. † 293. Sodann
sind der Schluss der Dispositio, die Korroboratio und der Anfang der
Sanktio (S. 412 Z. 38 – S. 413 Z.1; s. auch noch das
argenti in Z. 3; die auf S. 413 in Höhe der 1. Zeile stehende VU.-Ziffer II
gehört erst neben die 2. Zeile) fast wörtliche Übernahmen aus D. †
293.
Die Abhängigkeit des Fridericianum von D. † 293 ging ursprünglich noch
weiter: An den wenigen Stellen der angeführten Partien, an denen der
Druck des DF.I. † 1072, der allein die zweite Fassung (A1) zugrunde legte, von D. † 293 abweicht, hatte die erste Fassung (A),
deren Lesungen dort in die Anmerkungen verwiesen sind, noch mit D. †
293 übereingestimmt (vgl. dort Anm. n’–q’)! – Der Druck des DF.I. †
1072 ermöglicht nur mit Mühe, die Textgestalt der mit ihren Lesungen
allein in den Anmerkungen (nicht ganz vollständig! vgl. z.B. 409 Z.
14:
noluerit [A1],
neglexerit [A]; 409 Z. 37 u. Anm. n’: A1
und
A lesen
al; 410 Z. 21:
feodo [A1],
feudo A; 411 Z. I:
ei [A1],
vobis [A; Anm. n ist falsch]; 412 Z. I:
habet [A1],
habetis [A]) berücksichtigten Fassung A zu erkennen; ein vollständiger
Paralleldruck beider so unterschiedlichen Fassungen wäre angezeigt
gewesen, und jedenfalls hätte in der Vorbemerkung darauf aufmerksam
gemacht werden müssen, dass die Fassung A in den aus dem
Lucius-Privileg übernommenen Teilen die dortige direkte
Adressaten-Apostrophierung beibehalten hatte – damit eine genaue
Entsprechung des Verhältnisses unseres D. † 293 zum
Innocenz-Privileg(!) –, die erst in A1
in die einem Diplom gemäße objektive Formulierung der 3. pers.
umgegossen wurde (nur an einer Stelle, S. 411 Z. 31, blieb aus
Nachlässigkeit des Fälschers auch in Fassung A1
ein
in nemore vestro
[statt
… eiusdem ecclesie ö.ä.] stehen).
Vernachlässigt ist übrigens auch, dass die in der Vorbemerkung
erwähnte(!) Urkunde der Äbtissin Hadwidis von Andlau von 1172 (s.
oben) nicht nur durch den Filter des Lucius-Privilegs (vgl. S. 408 Z.
38 – S. 409 Z. 21) inhaltlich in das DF.I. † 1072 Eingang fand,
sondern stellenweise unmittelbar benutzt wurde (z.B. S. 408 Z. 38f. u.
42, S. 409 Z. 6, 8, 11, 13, 15f., 18f. u. 21). In dem in der ersten
Fassung (A) noch fehlenden, erst in der zweiten Fassung (A1) eingebauten Satz S. 409 Z. 18–22 wäre auch spätestens bei Benützung
dieser Vorurkunde ein Fehler vermieden worden: Sowohl die
Hadwidis-Urkunde als auch das Original von A1
lesen richtig
XLa
statt
LXa
(S. 409 Z. 21)!.
Schließlich hätte das ganze Eschatokoll (Unterfertigungszeilen und
Datierung, S. 413 Z. 7–12) durch Petitsatz gekennzeichnet werden
müssen, da es, bis auf gezielte Veränderungen in der Datierung,
wörtliche Nachahmung des echten DF.I.767 von 1178 darstellt. In der
Vorbemerkung zu DF.I. † 1072 ist für das Eschatokoll hingegen auf das
Vorbild des DF.I.768 verwiesen, gegen dessen Echtheit bestehende
Bedenken man “zerstreut” zu haben meint; in Wirklichkeit dürfte mit
DF.I.768 eine – weitere – Totalfälschung vorliegen, nach dem in Étival
vielfach praktizierten Schema, einem echten Stück eine Fälschung
gleichen Datums, an dem allenfalls Manipulationen vorgenommen wurden,
an die Seite zu stellen. – In unseren Anmerkungen werden beide
Fassungen der NU. berücksichtigt; wo sie voneinander abweichen, mit
Zufügung der Siglen A und A1.
Am Original von D. † 293 befand sich nach Ausweis von Anm. ci ein
Siegel, das mit seiner Legende, von der Auslassung der Devotionsformel
dei gracia abgesehen, dem 1. Kaisersiegel Heinrichs entsprach; man wird mit
Sicherheit annehmen können, dass dafür ein Abguss von dem echten
Siegel am verlorenen Original des D.127 genommen worden war. Aus der
weiteren Information über das Siegel in Anm. ci, dass es nämlich mit
Seidenfäden als Hängesiegel befestigt war, können wir nun
wahrscheinlich den Terminus post quem für die Herstellung des D. † 293
gewinnen: Vorbild für diese Besiegelungsweise, die ohnedies erst in
der Kanzlei Barbarossas ab dem Jahre 1174 zur Regel geworden war (vgl.
DDF.I. Bd. 5, Einl. S. 90), war offensichtlich das erwähnte DF.I.767
von 1178 (s. dortige Anm. s).
Das nach der Tradition im 7. Jh. gegründete Kloster war von Königin
Richgard an das von ihr im Jahre 879 oder 880 neugegründete
elsässische Kloster Andlau geschenkt worden, dessen Äbtissin Mathilde
im Jahre 1146/47 die bisherigen Kanoniker durch Prämonstratenser
ersetzte, was 1147 von P. Eugen III. bestätigt wurde; zur Geschichte
vgl. in aller Kürze Perrin
a.a.O. 339f. Anm. 1 und Felten
in Lex. d. MA 4,58. – Was die Prämonstratenser bewog, vor den
Zeitpunkt ihrer Einführung in Étival datierte Fälschungen
anzufertigen, bedarf noch der endgültigen Klärung.