Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
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H(einrich) teilt seinem Vater (Heinrich IV.) mit, dass er seinem wiederholten Rat gemäß zu Beginn der Adventszeit in eigenen Angelegenheiten nach Saalfeld zu ziehen vorhabe, bittet ihn, dafür bei H(einrich), dem Sohn des Herzogs O(tto), sicheres Geleit für sich und sein Gefolge zu erwirken, schlägt ihm vor, selbst zur Feier des Weihnachtsfestes und zur Beratschlagung der Angelegenheiten nach Saalfeld zu kommen, und bittet ihn um rechtzeitige Instruktionen.

(vor 1100 Ende November).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Abschriften des 12. Jh. in zwei Handschriften des Codex Udalrici: Cod. 398 f. 84vb–85ra der Österreichischen Nationalbibliothek zu Wien (V). – Hs. 283 p. 177–178 der Stiftsbibliothek zu Zwettl (Z).

Drucke: Aus V: Eccard, Corp. hist. 2,203 no 183. – Aus VZ: Jaffé, Mon. Bamberg. 182 no 94 zu 1099–1100. – Stumpf Reg. –.

Schmale in ZBLG 20, 437ff. hatte mehrere Texte des Codex Udalrici, darunter auch D.1 (vgl. ferner D.152), als Fiktionen verworfen, die mit Hilfe von Versatzstücken aus einer kleinen Sammlung von kurzen Briefen und Briefexordien (überliefert in einer Wiener Handschrift vom Ende des 12. Jh.; von ihm als “Arengensammlung” bezeichnet, unten als AS zitiert) hergestellt seien. Zu D.1 vgl. S. 448f., 453f., 457 u. 460; den angeblich für D.1 verwendeten Text aus AS bietet er S. 467 no II.

Classen in DA 20,115ff. hat Schmales Thesen verworfen und konnte (S. 122 mit Anm. 28) insbesondere am Beispiel von D.1 zeigen, dass umgekehrt nur eine Abhängigkeit der Sammlung AS vom Codex Udalrici bzw. von dessen Vorlage, der von Erdmann (s. ZBLG 9,21 u. 24) erschlossenen, kurz nach 1116 entstandenen “Sammlung g” (s. Vorbemerkung zu D.22), in Betracht kommt. – Zu Zweifeln an der Echtheit des D.1 und seines sehr konkreten Inhalts besteht daher kein Anlass; auffällig ist allerdings, dass in dem mit Hoc quoque (s. Anm. w) beginnenden Schlussteil von dem vorher für den Absender regelmäßig verwendeten Singular (letztmals bei postulo, s. bei Anm. x) mitten im Satz zum bis zum Schluss beibehaltenen Plural gewechselt wird.

Für die Echtheit spricht nach unserem Dafürhalten auch die Devotionsformel dei gratia id, quod est; eine fast genau gleichlautende Formulierung findet sich zwar auch im Cod. Udalrici selbst in einem Brief EB. Siegfrieds I. von Mainz an P. Gregor VII. von 1075 Juli/August (Eccard no 133; Jaffé no 45; Stimming, Mainzer UB 1,243 no 349: id quod est dei gratia), es ist jedoch schwer vorstellbar, dass es Udalrich gewesen ist, der in Erinnerung an dieses Stück einen ursprünglichen anderen Wortlaut geändert hätte; noch weniger wahrscheinlich ist, dass die charakteristische Unterfertigung der Markgräfin Mathilde, Matilda dei gratia si quid est, das Vorbild für einen Eingriff Udalrichs abgegeben hätte, vgl. dazu Goez in DA 47,379ff. Da nach Goez (S. 389f. mit Anm. 77) gleiche oder ähnliche Devotionsformeln weiter verbreitet waren, können wir auch in D.1 durchaus Eigendiktat des Briefverfassers annehmen.

Über die sachlichen Hintergründe und den Anlass für Heinrichs Besuch in dem thüringischen Saalfeld (sö. Rudolstadt) ist nichts bekannt. Die Namenssiglen in H. filium O. ducis beziehen sich auf den Grafen Heinrich d. Fetten von Northeim, Sohn des Grafen Otto, der 1061 das Herzogtum Bayern erhalten hatte († 1083), vgl. schon Jaffé a.a.O. 183 Anm. 1; Ottos Verlust des Herzogtums im Jahre 1070 braucht der hiesigen Verwendung des dux-Titels für ihn nicht im Wege zu stehen. Aus der Erwähnung Heinrichs d. Fetten ergibt sich auch, in Verbindung mit der Angabe der bevorstehenden Adventszeit, der späteste Zeitpunkt für die Absendung des Briefes, da der Graf, dem Heinrich IV. wahrscheinlich während des Mainzer Reichstags von Weihnachten 1100 die nach der Ermordung B. Konrads von Utrecht († 1099 April 14), des Inhabers der Grafschaft Mittelfriesland, in einer Mark zusammengefassten friesischen Grafschaften übertragen hatte (vgl. DH.IV.*510), beim Versuch des Herrschaftsantritts am 10. April 1101 ums Leben kam, vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 5,120f. mit Anm. 10, der wie Jaffé den Brief auf etwa 1099 oder 1100 datiert, sowie Lange in Nieders. Jahrb. 33,86f. und Alg. Geschied. der Nederlanden 2,348. Heinrichs Gemahlin Gertrud war die Schwester des kinderlos gestorbenen Grafen Ekbert II. von Braunschweig († 1090), der zuvor die ihm wiederholt durch Ächtung entzogene Grafschaft Mittelfriesland besessen hatte (vgl. D. †258); dieser Ehe hatte zweifellos Heinrich, gratiam imperatoris adeptus (s. DH.IV.*510), die Belehnung zu verdanken.

Domino patri venerando H. dei gratia id, quod est, cum fideli orationum instantia devotissima ac semper parata servicia. Diligens caritas et affectuosa paternitatis vestrę serenitas, que in gerendis rebus meis sollicitam semper exhibet consultationem, hoc plane hortatur et suadet, ut universę consilii mei intentiones vos precipue respiciant et ad exequenda negocia mea, prout tempus et necessitas exposcit, familiariter vos invitent. Quoniam igitur ex consiliis meorum nuper inductus inchoante dominico adventu Saleuelt ire decrevi, quod et industria vestra sepe litteris, sepe vivis vocibus paterne me commonuit, commodum quam maxime duxi, ut hoc iter et universa, que honori et utilitati vestrę conveniunt, iuxta moderationem consilii vestri disponam et peragam. Nichil enim, ut verum fatear, usque adeo grave vel impedimentum mihi poterit incumbere, quod non videatur participatione consilii et favoris vestri felices exitus posse invenire. Nunc ergo ad huius negocii inceptionem hoc precor et familiariter suggero, ut favor vester apud H. filium O. ducis tutam viam mihi ceterisque, qui mecum profecturi sunt, caute provideat. Hoc quoque, venerande pater, summopere postulo, ut vos ipse in predicto loco ad nos venire et dominicam nativitatem nobiscum agere dignemini, quatinus presentia vestra ipsam sollempnitatem nobis lętam efficiat et cęteras res nostras patrociniis suis sustentet et regat. Quicquid autem paternitas vestra super hac re deliberaverit, nobis insinuare non differat, ut in tempore scire possimus, quid tandem agere vel sequi in hac re debeamus.