1.
Zur erneuten Ausgabe der Papst-Kaiser-Chronik
des Martin von Troppau in den MGH
Die vorgelegte Textversion macht den Versuch, eine Ersatzfassung für das verlorene Autograph der Papst-Kaiser-Chronik des Martin von Troppau1 auf der Grundlage von Handschriften des ausgehenden 13. und des 14. Jahrhunderts zu erarbeiten. Dabei ist die „regentenbezogene Textblockzuordnung“ – ein Begriff in klassischem Deutsch für das neudeutsche Wort „Layout“ – von entscheidender Bedeutung.
Papst-Kaiser-Chroniken gestalten die Universalgeschichte in zwei parallelen Strängen mit Datierung nach Papst- und nach Kaiserjahren, um so den korrekten zeitlichen Ansatz doppelt abzusichern in einer Zeit, als die Inkarnationsära sehr in die Diskussion geraten war. Diese Gattung ist keine Erfindung des Martin von Troppau, man kennt sie zumindest seit Hugo von St. Viktor am Anfang des 12. Jahrhunderts2 und kann viele Beispiele als Vorbilder beibringen.
Martin von Troppau hat in seiner Vorrede die Form der Papst-Kaiser-Chronik ausdrücklich charakterisiert und festgelegt und damit vertikale Linien für die tabellarische Anlage dieses Typs von Weltchroniken gezogen.
Nicht verraten hat er uns, dass er offenbar auch eine horizontale Einteilung vorgenommen hat, nämlich die in Halbjahrhunderte. Diese Besonderheit ergibt sich erst aus dem Bild, das die Mehrzahl der frühen Tabellenhandschriften aufweisen. Auch diese Aufgliederung einer Universalgeschichte ist keine Erfindung Martins, sondern hat ihr Vorbild in der Metzer Weltchronik seines Konfraters Jean de Mailly OP von um 12543, die Martin vorgelegen hat und von ihm ausgeschrieben wurde. Die Einteilung einer Folio-Seite in 50 Zeilen liegt nicht unbedingt auf der Hand, da die Zeilenzahl bei diesem Blattformat erfahrungsgemäß zumeist zwischen 43 und 47 Zeilen liegt. Wir besitzen aber das Autograph Jeans de Mailly und können in diesem Fall das Werden der Tabelle in verschiedenen, mehrfach korrigierten Stadien beobachten, vgl. Paris, BnF lat. 14593, fol. 228r–262v und fol. 264r–280r.
Der Erfolg von Martins Chronik lag in ihrer tabellarischen Anlage, wie sie uns mindestens 40 frühe Handschriften seiner Chronik belegen. Das hat Ludwig Weiland 1868 nur beschränkt für seine Ausgabe in MGH SS 22 wissen können, zumal er noch gar keinen Akzent auf die Tabellenanlage des Werkes legte. Er hatte vor 145 Jahren noch nicht entfernt von so vielen Handschriften Kunde oder diese gar einsehen können wie wir heute, und die horizontale Einteilung des Geschichtswerkes entging ihm offenbar noch völlig. In diesem Punkt sind wir heute viel fundierter abgesichert. Die heutige Kenntnis der handschriftlichen Überlieferung der Papst-Kaiser-Chronik des Martin von Troppau verlangt eine neue Edition oder Erschließung des Werkes, weil der Wert und die Besonderheit der Chronik in ihrer tabellarischen Anlage begründet liegt: Diese ist eine didaktische Meisterleistung. Hier ist die Ursache zu suchen für die außerordentliche Beliebtheit der Chronik, für ihre singuläre Überlieferungsfülle.
2.
Rezensionen und Klassen der Papst-Kaiser-Chronik
Ludwig Weiland unterscheidet in seiner Ausgabe aus dem Jahre 1868 drei Rezensionen4, die beizubehalten sich durchaus empfiehlt. Die früheste, A, reicht chronologisch bis zu Papst Clemens IV. († 29. 11. 1268), der in der Papstabfolge als bereits verstorben vermeldet wird. Die zweite Rezension, B, nennt die Dauer der Sedisvakanz, die auf Papst Clemens folgte, und weiß um Gregor X. (1271–76), sie wurde wohl 1271ff. angelegt. Die dritte, C, entstand um 1277 nach dem Dreipäpstejahr 1276, das in der Chronologie formal angemessen zu verkraften war: Wenn mit jedem Papstantritt auf der linken Handschriftenseite ein neuer Textblock begann, konnte man durch Einrückung eines weiteren Blockes diesem Befund gerecht werden; drei Textblöcke nebeneinander führten aber unweigerlich zur Verwirrung. Die Handschriften der Rezension C geben daher spätestens zum Jahr 1276 die Blockeinteilung auf, oft durch den Textvermerk stilum commutavit hervorgehoben. Die strenge Tabellenform der Handschriften war damit zumindest für den Schluss des Geschichtswerkes aufgehoben; das führte dazu, dass man jetzt auch sonst mit Zusätzen großzügiger verfuhr. Wenn Handschriften der Rezension C im 9. Jahrhundert auf der Papstseite den Abschnitt über den Pontifikat der Päpstin Johanna bieten5, habe ich das C mit dem Zusatz von c gekennzeichnet, d.h. die Rezension lautet dann Cc, Rezension C mit Legende von der Päpstin Johanna, die erst in dieser Version Bestandteil der Chronik wird.
Während die Rezension A nur äußerst spärlich belegt ist, finden sich B und C in reichem Maße bei den führenden Handschriften vertreten. B bietet die Tabellenanlage streng und zuchtvoll, C gibt Zusätzen und Extravaganzen Raum und weist reichhaltige Erweiterungen und Zuwächse auf. Im Gegensatz zu Weiland, der eine A-Handschrift zur Leithandschrift erwählte, entschied ich mich, der Version B als der vermutlich ursprünglichen, da formal streng tabellarischen, im Vergleich zu A den Vorzug zu geben. Die Rezension C schied unter diesem Aspekt aus, da sie ausdrücklich stilum commutavit und durch den Umfang der Zusätze die Tabellenanlage beeinträchtigte.
Keine spätmittelalterliche Universalchronik hat eine mit Martins Werk vergleichbare handschriftliche Verbreitung und auch Benutzung erreicht6. Das ist umso erstaunlicher, als die inhaltlichen Aussagen der Chronik oft recht dürftig anmuten und wenig verarbeitet erscheinen.
Nun ist die Besonderheit von Martins Chronik, die ihr einen so überwältigenden Erfolg beschert hat, ihre Anlage als Tabelle, ihre Aufteilung in eine Papst- und eine Kaiserchronik einerseits und ihre Zerlegung in Halbjahrhunderte andererseits. Unabhängig von der Rezensionseinteilung Weilands, die auf einer vermuteten Entstehungsgeschichte basiert, habe ich nach phänomenologischen Gesichtspunkten eine Klassifizierung der Chronik in sechs Klassen vorgenommen, die über die Wiedergabe der Tabellenform der Chronik in den einzelnen Manuskripten Auskunft gibt7.
Klasse I zeigt die offenbar ursprüngliche Tabellenform – da sie unter den ältesten Manuskripten am weitaus häufigsten belegt ist –, auf der linken Seite 50 Zeilen Papstchronik, auf der rechten entsprechend 50 Zeilen Kaiserchronik. Da um 1268–1278 dreizehn Jahrhunderte darzustellen waren, beansprucht die Chronik 26 Doppelseiten, verso-recto nebeneinander, mit in der Regel einer vorangestellten recto-Seite für die Vorrede, hat also ursprünglich den Umfang von nur 27 Blatt.
Klasse II ist die Überfeinerung dieses Systems, die strenge annalistische Züge aufweist, aber nicht an das Quinquagenenschema gebunden ist. Die wenigen Belege dieser Klasse – unter 450 Handschriften sind drei bekannt – stammen sämtlich erst aus dem 14. Jahrhundert und bilden daher kaum die ursprüngliche Form.
Bei Klasse III spielen annalistische Anlage sowie Quinquagenenschma keine Rolle mehr, doch findet sich die Papstgeschichte links, die Kaisergeschichte rechts im Buch. Im Falle, dass die Seiten vertauscht sind und die Kaiserblöcke links erscheinen – im Reich mehrfach belegt! –, ist das mit b hinter der Klasse angegeben, im Normfall – nicht immer ausdrücklich vermerkt – erschiene ein a hinter der römischen Klassennummer.
In Klasse IV ist die seitenweise Zuordnung von Papst- und Kaiserordnung aufgegeben; fortlaufend werden 50 Jahre Papst- und 50 Jahre Kaisergeschichte ohne Rücksicht auf Seiteneinteilung aneinandergereiht.
In Klasse V folgen Ausschnitte aus Papst- und Kaisergeschichte wahllos durcheinander.
In Klasse VI sind Papst- und Kaiserchronik völlig getrennt nacheinander abgehandelt. Die römischen Klassenziffern sind meistens noch durch den Zusatz von a oder b unterschieden: Bei a steht die Papstabfolge, bei b die Kaiserabfolge an erster Stelle, was gleichfalls im Reich mehrfach vorkommt.
Das Klassensystem hat den Mangel der Äußerlichkeit, bietet aber dafür Einfachheit in der Anwendung. Bei den Klassen sind es I und II, die den Tabellencharakter beibehalten; III bietet allenfalls noch einen Abglanz desselben, IV–VI haben ihn ganz fallen lassen. Ich entschied mich für Klasse I als Abbild des verlorenen Autographs, weil II aufgrund der Überlieferung wohl nachträglich aus I entwickelt wurde, spärlich belegt ist und leicht überkünstelt wirkt.
Für die Auswahl einer Leithandschrift spielt natürlich das lokale Umfeld des Chronisten eine Rolle. Martin stammte aus Troppau in Mähren, war Mitte des 13. Jahrhunderts Dominikanerpater in St. Clemens in Prag und ab Mitte oder Ende der fünfziger Jahre des 13. Jahrhunderts päpstlicher Kaplan und Pönitentiar an der Kurie in Rom. 1278 wurde er zum Erzbischof von Gnesen ernannt, scheint dort aber nicht zu Lebzeiten hingelangt zu sein. Eine Spurensuche nach der Urform der Chronik in der Vaticana drängt sich nicht primär auf, weil die heutige Vaticana vorrangig auf die jüngere avignonesische Bibliothek zurückgeht. Von Beziehungen Martins an der Kurie zu seinem alten Konvent weiß man, daher hat eine Suche nach dem Autograph in Böhmen durchaus etwas für sich.
Ludwig Weiland ist diesen Weg gegangen und hat seine Edition auf der Hs. 77 der Prager Dombibliothek, heute Praha, Knihovna pražské metropolitní kapituly G.IV.2 (A), aufgebaut, denn diese weist eine nichtalltägliche Ausfertigung auf, die den Herausgeber enge Kontakte zu Martin persönlich vermuten ließ, zumal briefliche Kontakte Martins von Rom zu den Prager Dominikanern belegt sind. In der Prager Handschrift hat eine Formatierhand die einzelnen regentenbezogenen Textblöcke eröffnet und die ersten Zeilen geschrieben, dann folgt eine zweite und oft noch eine weitere für denselben Schriftblock8. Weiland leitet aus diesem Befund und späteren Besitzvermerken auf dem Manuskript die Vermutung ab, dass Martin selbst mit einigen Helfern an der Handschrift gewirkt und diese seinem alten Prager Konvent geschenkt hat.
Die sehr sorgfältige Anlage der Prager Handschrift spricht hingegen m.E. nicht für ein Arbeitsexemplar und lässt vielmehr vermuten, dass sie an einer vorhandenen Vorlage ausgerichtet ist. Die eigentliche Problematik liegt aber in der Datierung: Die Handschrift gehört nach den Grundsätzen von Walter Heinemeyer9 zum Schrifttyp Trecento I und damit ins erste Drittel des 14. Jahrhunderts und nicht ins 13. Jahrhundert. Eine ganz entsprechende Datierung nennen auch alle gängigen Kataloge, die die Handschrift verzeichnen.
Codices der Rezension A sind äußerst spärlich unter den eingesehenen ca. 450 Zeugen belegt. Wir besitzen nur eine einzige weitere, annähernd vollständige Tabellenhandschrift dieser Rezension aus dem 14. Jahrhundert aus der Universitätsbibliothek Uppsala C 69710, sonst nur Fragmente oder verderbte Mischformen von diversen Rezensionen und Klassen. Grundsätzlich unterscheidet sich Rezension A nur wenig von B, sie erhielt einige Zusätze und wurde an anderen Stellen geringfügig beschnitten.
Die vorherrschende Zahl der erhaltenen Manuskripte gehört zu etwa gleichen Teilen den Rezensionen B und C an, wobei C besonders in der späteren Zeit leicht überwiegt. Da ich durch die intensive Befassung mit der handschriftlichen Überlieferung zu der Einsicht kam, dass der wahrhaft ungeheure Erfolg von Martins Chronik auf ihrer tabellarischen Anlage beruhte, kam ich zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass die Rezension B sich als Ausgangspunkt der Studien anbot.
Die jetzt vorgelegte Textversion basiert daher auf Rezension B. Es galt, einen möglichst frühen Beleg dieser Version auszumachen. Hier bot sich der Codex Biblioteca Nazionale Centrale C(onventi) S(oppressi) F. 4.733 (B1) aus Santa Maria Novella in Florenz an. Die Eintragungen fol. 26v der Papstseite für die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts scheinen fortlaufend nach dem Tod Clemens’ IV. geschrieben zu sein, der Schreiber weiß um die Sedisvakanz; die Handschrift gehört also in die Entstehungszeit der Chronik Martins und dürfte zu den ältesten Zeugen gehören, wenn nicht gar der älteste uns verfügbare sein. Ludwig Weiland ist der Florentiner Codex nicht bekannt gewesen.
3.
Die ausgewählten fünf Handschriften
Bei dem Problem, unter 450 Manuskripten eine Auswahl zu treffen, waren Ermessensentscheidungen unvermeidlich. Ich wagte es, mich auf fünf Zeugen recht unterschiedlichen Charakters zu beschränken. Sie entstammen alle der Klasse I, da sie m.E. das entscheidende Verdienst für den Erfolg der universalhistorischen Tabelle par excellence hat. Die Weilandschen Rezensionen aber sollten alle drei einbezogen werden: an erster Stelle die Rezension B mit drei Zeugen (neben Florenz [B1] einer aus Mailand [B2] sowie einer aus der Münchener Staatsbibliothek [B3], der aus Aldersbach stammt); ferner A aus Prag, weil auf ihr Weilands Text basiert, ihre geringen Abweichungen von den B-Rezensionen aber den Eindruck nachträglicher Zusätze oder Streichungen nahelegen; schließlich die C-Rezension mit einem herausragenden Exemplar aus Hereford (C), bei dem dem in der Vorrede geäußerten Wunsch Martins Rechnung getragen ist, die Papst-Kaiser-Chronik dem Dekret bzw. hier dem Liber Extra anzufügen.
Diese ausgewählten Handschriften sind daher:
A |
Praha, Knihovna pražské metropolitní kapituly G.IV.2, Anf. 14. Jahrhundert. |
B1 |
Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale C(onventi) S(oppressi) F. 4.733 (fr. C. 1262, Santa Maria Novella); die Leithandschrift ist um 1270 geschrieben und von verwandter Hand fortgesetzt 1276 bis 1303. |
B2 |
Milano, Biblioteca Ambrosiana A 185 inf. Der Kodex ist 1272/87 geschrieben, liefert weiter auf der linken Seite Päpste bis Honorius IV. ausführlich. Hinweise auf die Heiligsprechung Ludwigs IX. bestimmen 1297 zum terminus post quem. |
B3 |
München, Bayerische Staatsbibliothek clm 2691 (Aldersbacher Kodex 161). Das Manuskript zeichnet sich durch sehr schlanke, Platz sparende Buchstaben aus; Verwerfungen sind daher gemildert. Geschrieben ist es 1272/86, vgl. Beschreibung MGH SS 22 S. 385; fol. 7; Händewechsel; im Anhang sind Vorreden der C-Version hinten angehängt. |
C |
Hereford, Cathedral Library O. VII. 7, um 1300, insulare Provenienz nicht gesichert. |
Diese Auswahl berücksichtigt provenienzmäßig Oberitalien zweifach, Deutschland, Böhmen und England je einmal. Sie gibt insofern einen Repräsentativquerschnitt wieder, als in den genannten Regionen die Zahl der strengen Tabellenhandschriften überwiegen. Wäre der Rahmen weiter gezogen worden, hätte in Italien die Ambrosiana sowie Rom und der Vatikan, in Deutschland Berlin und Dresden, auf Reichsgebiet Wien und Klosterneuburg, in Spanien Tarragona und schließlich London für englische Bibliotheken berücksichtigt werden müssen; in Frankreich hingegen bevorzugte man die Rezension C.
Detaillierte Beschreibung
der zur Texterstellung herangezogenen Handschriften
A Praha, Knihovna pražské metropolitní kapituly G.IV.2
Katalog: |
|
Provenienz: |
Altsignatur: Martiniana ... |
a) Stückbeschreibung
Berschreibstoff: |
Perg. |
Größe: |
31,5 x 22 cm |
Umfang: |
26 Bll. |
14. Jh., 1. H. (Walter Heinemeyer: „typisch Trecento I“11)
Beschriftung einspaltig, 50 Zeilen oder wenig mehr pro Seite
Verschiedene Hände wirken jeweils am gleichen Textblock. Bescheidene Rubrizierung: Rotblaue Initialen. Inschrift auf Holzdeckel 15. Jh.: Cathalogus summorum pontificum et imperatorum
b) Inhalt
fol. 1: | Istud opusculum de summis pontificibus et de imperatoribus ex diversis cronicis et gestis per fratrem Martinum domini pape penitentiarium et capellanum est compilatum. |
fol. 1v: | Anno XLII.... |
fol. 2: | Post nativitatem.... |
fol. 26v: | ... Clemens ... sedit (nach 1268, vor 1272) |
c) Klassifizierungen
Rezension A nach Weiland
Neue Klassifizierung: Ia
Weiland hält die Prager Handschrift für zumindest unter Martins Augen angefertigt12. Er merkt die verschiedenen Hände der einzelnen Textblöcke an. Die Handschrift zeichnet sich durch auffällige Kapitelzeichen aus, ähnlich der Florentiner Hs. B1. Eine Formatierhand hat das Jahresraster gut vorgearbeitet. Die Jahreszahlen mit Textblockbeginn sind unterstrichen zusammen mit dem Regentennamen, übrigens ähnlich wie in der Florentiner Handschrift, bei der es dezenter aussieht, die Unterstreichungen sind nämlich nicht miteinander verbunden.
Auf fol. 23 ist Heinrich IV. mit 49 Regierungsjahren erst bei 1084 angesetzt. In dieser Handschrift fehlt häufig das Ende eines Textblocks. Ganz offensichtlich sind aber nicht bewusst Auslassungen vorgenommen worden, noch fehlten etwa diese Textblockschlüsse in der noch unfertigen Vorlage, sondern es war einfach kein Platz mehr vorhanden für die Schlüsse längerer Textblöcke, an denen meist die zweite oder dritte Hand am Werke war. Dieses Faktum wurde daher in den textkritischen Anmerkungen mit „fehlt (Textblockende) A“ vermerkt. Auch diese Besonderheit spricht nicht für einen möglicherweise autographen Charakter der Prager Handschrift A.
B1 Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale C(onventi) S(oppressi) F. 4.733
(fr. C. 1262, Santa Maria Novella)
Katalog: | Gabriella Pomaro, Censimento dei manoscritti della Biblioteca di S. Maria Novella, Parte I.: Origini e Trecento, in: Memorie Domenicane N.S. 11 (1980) S. 398–402 |
Provenienz: | fol. 1: Conventus S. Marie Novelle de Florentia ordinis Predicatorum. |
a) Stückbeschreibung
Beschreibstoff: | Perg. |
Größe: | 36 x 24 cm |
Umfang: | 107 Bll. |
Unterschiedliche Hände wirken an nachträglich in Sammelband zusammengebundenen verschiedenen Werken:
1. fol. 1–26, dazu 28 ca. 50 Zeilen einspaltig, zuzüglich 5–10 Zeilen
2. fol. 29a–43b zwei Kol. zu 50 Zeilen
3. fol. 43va–52vb in Kolumnen
4. fol. 54–60v Kolumnen mit vielen Zusätzen
5. fol. 62–69v einspaltig, 30 Zeilen
6. fol. 70a–105a zwei Kolumnen mit bis 83 Zeilen
7. fol. 106a–107 einspaltig, Bericht von 1333
Rubrizierung: Rotblaue Initialen
Miniatur fol. 29 zu Burchard von Mte. Sion13
b) Inhalt
fol. 1: | Cronica fratris Martini penitentiarii et capellani domini pape ordinis fratrum Predicatorum de gestis summorum pontificum et imperatorum. |
fol. 1v: | Anno XLII ...(Päpste) |
fol. 2: | Post nativitatem ... (Kaiser) |
fol. 17v: | Päpstin Johanna unter AD 850 später nachgetragen von gleicher Hand mit eigener Initiale im Anschluß an Textblock zu Leo IV. |
fol. 26: | Kaiser enden mit Friedrich II. |
fol. 26v: | Clemens IV. fragm., aber mit Regierungsdaten. |
fol. 27: | leer |
fol. 27v: | 1301–1303 geplant, zuletzt mehrere verwandte Hände |
fol. 28: | Alphabet der Päpste und Kaiser |
fol. 29a–43b: | Descriptio Terre Sancte von Brocardus (= Burchard von Mte. Sion OP) |
fol. 43va–52vb: | Theologica |
fol. 53: | leer |
fol. 54–57: | Provinciale Romanum |
fol. 58: | Florentinische Chronik 1107–1247 |
fol. 58va: | Incidentia de Ystoria Scolastica |
fol. 60: | Liste der Consules und Podestàs von Florenz 1186–1267 |
fol. 60v: | Liturgica |
fol. 61: | leer |
fol. 62–69v: | Capitula contra hereticam pravitatem... Clemens papa... |
fol. 70–105: | In Iob |
fol. 106v–107: | Notizen über Erdbeben in Florenz 1333 etc. |
c) Klassifizierung
Weilandsche Klassifizierung als Rezension B, teilweise mit A-Zügen, obwohl Kaiserkapitel „Romanum imperium ...“ (Abschlusskapitel zur Kaiserchronik) fehlt.
Neue Klassifizierung: Ia
Bemerkungen zu den Händen, die den Martin-Text schreiben:
Die Haupthand wirkt nach 1268 und vor 1272; sie weiß noch nichts von Gregor X., aber vom Tod Clemens’ IV. Eine ähnliche Hand arbeitet – das zeigt die Papst-Kaiserliste fol. 28 – bis zum Jahrhundertende, ergänzt bis 1303, vielleicht aus derselben Schreibstube hervorgegangen, die auch bis 1303 an der Papst-Kaiserliste wirkt. Die Hand unterscheidet sich von der Ersthand z. B. durch die Kürzel für die Herkunft: nat. für natione bei der Ersthand, natoe. o.ä. bei der Zweithand. Fol. 17v/18: Textfortsetzung zu Karl dem Großen auf linkem Blatt, mit Reklamant angedeutet. Das sieht in allen hier herangezogenen Hss. entsprechend aus, ausgenommen B3. (Diese Handschrift hält Zeilenspiegel möglichst ein). Da bei Karl nur die Kaiserjahre zählen, aber 14 Zeilen nicht für ihn ausreichten, hat vermutlich schon das Autograph diese Abweichung aufgewiesen. Die regentenbezogene Textblockzuordnung ist gut gelungen und nur selten gestört.
B2 Milano, Biblioteca Ambrosiana A 185 inf.
Katalog: | Ambrosio M. Amelli OSB, Indice dei codici manoscritti della B. Ambrosiana, in: Rivista delle Biblioteche e degli Archivi 20 (1909) S. 142–172, hier S. 150; |
Provenienz: | nicht ersichtlich. |
a) Stückbeschreibung
Beschreibstoff: | Perg. |
Größe: | 35 x 26,5 cm |
Umfang: | 35 Bll. |
14. Jh. oder 13./14. Jh.
Beschriftung einspaltig, 50 Zeilen oder wenig mehr pro Seite
fol. 1–26v einheitlich von gleicher Hand, evtl. mal Duktuswechsel?
fol. 26v unten beginnt ähnliche Hand bis 35v, evtl. auch Duktuswechsel 29/29v und 30v/31
Rubrizierung: Rotblaue Initialen
b) Inhalt
fol. 1: | Cronica fratris Martini penitentiarii et capellani domini pape de gestis summorum pontificum et imperatorum. |
fol. 1v: | Anno XLII ... (Päpste) |
fol. 2: | Post nativitatem ...(Kaiser) |
fol. 18v: | ohne Päpstin Johanna |
fol. 26v: | .... (Clem. IV.) ... certificando (m. Regierungsdauer, Sedisvakanz nachgetragen) |
fol. 27: | Romanum imperium ... defunctus (fol. 28, 4. Zeile von unten, folgt Variante, endend „soldanus Babilonie...,“ der 30 000 Tataren „dicitur occidisse“ fol. 29) |
fol. 31–35: | Provinciale Romanum |
c) Klassifizierungen
Frühe B-Version nach Weiland.
Zusätze nicht nach 1300.
Neue Klassifizierung: Ia
Bemerkungen zu den Händen:
Schöne Schrift, nicht kursiv, Bogenverbindungen. Verschiebung von Zeilenanfängen durch Randzeiger hervorgehoben. Dennoch hat diese Handschrift sehr viele Schreib- und Flüchtigkeitsfehler.
B3 München, Bayerische Staatsbibliothek clm 2691
(Aldersbacher Kodex 161)
a) Stückbeschreibung
Beschreibstoff: | Perg. |
Größe: | 32,5 x 24 cm |
Umfang: | 58 Bll. |
Laut Katalog 14. Jh., vermutlich bald nach 1272 (Fortsetzung bis 1286), also Ende 13. Jh.
Beschriftung im Fünfzigzeilenspiegel; Reklamanten der linken zur nächsten linken, der rechten zur nächsten rechten Seite meist rot, desgleichen notae oft rot. Jahreszeilen grundsätzlich rot (in der annalistischen Spalte). Initialen der Päpste und Kaiser rot. Vier verschiedene Hände für die vier Teile der ganzen Handschrift: Hd. 1: fol. 1–32v; Hd. 2: fol. 33–45; Hd. 3: fol. 46–56v; Hand 4: fol. 58v
b) Inhalt
fol. 1: | [Martini Oppaviensis] Cronica de summis pontificibus et imperatoribus ex diversis gestis temporum per fratrem Martinum compilatum |
f. 26v: | Fortsetzung der Papstchronik nach Rezension C bis Innozenz V. |
f. 27: | Cronica Romanorum. Prologus, nach Rezension C. |
f. 31: | Wiederholung des Textes über Gregor X. bis Innozenz V. |
f. 31v: | Fortsetzung zu Johannes XXI. und Text Romanum imperium ..., Fortsetzung zu Rudolf I., endet fol. 32v mit dem Jahr 1286. |
f. 33: | Compendium cronicarum ab origine mundi ad annum 1330, nach Honorii Imago Mundi, endet fol. 45 |
f. 46–56v: | Monachi Fuerstenfeldensis cronica de gestis principum a tempore Rudolfi regis ad tempora Ludovici imperatoris14 |
f. 58v: | [versus 24 hexametri leonini facta historica ab anno 1322 ad 1356, imprimis Babenbergesia referentes]15 |
c) Klassifizierungen
Späte B-Rezension, mit Zusätzen der C-Rezension
Neue Klassifizierung: Ia
Weiland wertete die Hs. auch mehr als die zuvor behandelte Paris, BnF lat. 5019, insbesondere schätzt er chronologische Anordnung der Jahre Christi16. Die regentenbezogenen Textblöcke sind nicht nachhaltig mit dem Regierungsantrittsjahr verbunden und hervorgehoben, keine Unterstreichungen, wohl winklige Verbindungslinien, auch ist das C als Kapitelzeichen im Textblock selten. Die Zeilenzahl 50 wird selten um eine Zeile verlängert, daher ergeben sich mehr Textverwerfungen mitten auf den Seiten. Von den für die Edition herangezogenen Handschriften ist diese die variantenreichste, insofern empfiehlt sie sich nicht als Leithandschrift, auch wenn sie deutscher Provenienz ist. Zudem bietet sie unter den B-Handschriften zweifellos die jüngste Version, die schon zu C hinüberführt. Sie hält Zeilenspiegel seitenweise ein, siehe z.B. fol. 18 Textblock zu Karl den Großen.
C Hereford, Cathedral Library O. VII. 7
Katalog: | – Arthur Thomas Bannister, A Descriptive Catalogue of the Manuscripts in the Hereford Cathedral Library (Hereford 1927) S. 77–79. |
Provenienz: | Hereford Franziskanerkonvent17 |
a) Stückbeschreibung
Beschreibstoff: | Perg. |
Größe: | 41,5 x 25,5 cm |
Umfang: | 288 Bll. |
Ende 13. Jh.
Foliierung ist alt, beginnt jedoch mehrfach neu, hier ist die Bleistiftfoliierung unten rechts zugrunde gelegt. Prachthandschrift des Liber X mit Glossen und Postglossierung, d.i. glossierte Dekretalen Gregors IX: L. X., Postglossierung später als 13. Jh.. Schöne Initialen, bei jedem Buch des L. X. mit Gold belegt; die erste Initiale fol. 1 ist herausgeschnitten, sonst feine blau-rote Initialen bei allen acht Teilen, auch Martins Text fein ausgeführt. Beschriftung in zwei Kolumnen, auch bei Martin von Troppau, bis hin zur Papst-Kaiser-Tabelle, dort dann einspaltig.
Kolumnen des L. X.: 45–47 Zeilen, bei der Glossierung um ca. ein Drittel kleiner. Verschiedene Hände für die Haupttexte, die einander sehr ähnlich sind und aus einer Schreibschule stammen. Auch die Hände der Umglossierung der Nummern. 2 und 4 entsprechen der von Nr. 1. Die Nummern. 6 und 7 sind bescheidener geschrieben, weniger ornamental. Rot-Blau-Schmuck. In Nr. 3: Kolumnen, schmucklos; Nr. 1 und 2: Glossierung in ähnlicher Technik; Nr. 4 und 5 ohne Glossierung.
Zeilenzahl im Detail:
Nr. 1 und 2 haben 45 bis 47 Zeilen
Nr. 3 hat mehr Zeilen, unregelmäßig geschrieben.
Nr. 4 und 5 hat im Haupttext mehr Zeilen, da ohne Glossen
Nr. 6 und 7 sogar 73–76 Zeilen, denn es handelt sich um die Glossen zu Nr. 4 u. 5
Martin von Troppau, findet sich fol. 259–262 in Kolumnen
fol. 262 Schluß des Kardinalskapitels wie Glosse fol. 262, 59 bis 61 Zeilen, auch Glossen darunter, daher enger
fol. 262vff. Fünfzigzeilenspiegel
b) Inhalt
fol. 1–219 | Nr. 1: Glossierter und postglossierter Text des Liber Extra |
fol. 219v–227v | Nr. 2: Novae Constitutiones Lugdunenses Innocentii IV. cum glossis |
fol. 228 | Nr. 3: Tractatus de consanguinitate et eius gradibus et de arboris consanguinitatis expositione |
fol. 228v | Item de affinitate |
fol. 229/229v | leer |
fol. 230–234rb | Nr. 4: Constitutiones nove Gregorii X. (ohne Glossen, betr. De electione, „Ubi periculum ...“) |
fol. 234rb–234vb | Nr. 5: Constitutio Nicolai pape de electione |
fol. 235–248ra | Nr. 6: Commentaria cuiusdam Garsie (gen. fol. 248ra, lt. späterer Notiz Hispani) in constitutiones Gregorii X. |
fol. 248ra | Glosse ordinarie novarum constitutionum domini Gregorii pape X. a Garsia magistro (?) civilis et canonici (iuris?) professore composite 1275/76? |
fol. 248rb–258rb | Nr. 7: Commentaria cuiusdam (Anonymi) in dicta constitutione Nicolai pape de electione (m. Glossen) |
fol. 259ra | Incipit cronica fratris Martini domini pape penitentiarii et capellani Quoniam ... ad Iohannem XXI. |
fol. 259ra–262rb | Romkapitel |
fol. 262rb | Kardinalskapitel, |
fol. 262v | Anno XLII ... (Päpste) |
fol. 263 | Post nativitatem Domini ... (Kaiser) |
fol. 278v–279v | ... Post hunc Leonem Johannes Anglicus ... deformitatem |
fol. 287 | enden Päpste mit Nicolaus III. (1277–80), aber seit 1273 ist annalistische Ordnung aufgegeben, Textblöcke reichen bis 1299 (Nicolaus III. ohne Regierungsdauer) |
fol. 288 | Romanum imperium ... rex Navarre in Siciliam iuxta Trapanam in domo fratrum ordinis Carmeli est defunctus. |
c) Klassifizierungen
Rezension Cc nach Weiland
Neue Klassifizierung: Ia.
Generell hat die C-Fassung im 13. Jh. große Ähnlichkeit mit der B-Fassung und ändert sich an sich erst nach Clemens IV. In der Regel geht sie bis Johannes XXI., von dem die Regierungsdaten bekannt sind (1276/77). Verwirrung stiftet das Jahr 1276 mit drei Papstantritten18. Die Vorrede ist hier erweitert um eine Historia Romana, d.i. die Geschichte der vorchristlichen Zeit.
4.
Die Eigenheiten der vorgelegten Textfassung
Wegweisend am Werk Martins war einzig das „Layout“, eingedeutscht für das Lexikon für Theologie und Kirche als „regentenbezogene Textblockzuordnung“. Weiland hat eine für seine Zeit beachtliche Edition vorgelegt, aber ein schweres Vergehen begangen, er riss Papst- und Kaiserchronik entgegen den Anweisungen in Martins Vorrede auseinander.
Zur Wahl von B1 als Leithandschrift:
Bei der Rezension Weiland B handelt es sich um diejenige, die die Tabelle am exaktesten wiedergibt; hier sind regentenbezogene Textblockzuordnung und die Halbjahrhunderteinteilung am besten eingehalten. Erst das Dreipäpstejahr (Innozenz V., Hadrian V. und Johann XXI.) 1276 brachte die Tabellenform zum Wanken. Ein stilum obmutavit und zwar a Clemente predicto, wie es sich in der Rezension C findet, ist auch schon in B-Kodizes wie B2 und B3 hinter Clemens angedeutet, B1 kennt es nicht, denn die Aussage war nicht vor 1272 denkbar. Folglich bietet B1 die Frühform der B-Rezension, wie dies auch die diversen Händewechsel fol. 26v bezeugen.
Insgesamt war in B1 ein intelligenter Schreiber am Werk. Es dürfte sich um das offenbar älteste Manuskript handeln, das ich von ca. 450 Martins-Chroniken in der Hand hielt. Es scheint recht impulsiv geschrieben zu sein und folgt keineswegs einer besonders zuverlässigen Vorlage. Die einzelnen Textblöcke sind möglichst zusammengelassen, d.h. bei Seitenwechsel wird unter Zeile 50 innerhalb eines Textblockes weitergeschrieben; damit ersparte sich der Kopist übermäßige Verwendung von Reklamanten zur jeweils übernächsten Seite.
Die Jahreszahlen links am Rand sind oft fehlerhaft ausgezeichnet, besonders im ersten Teil der Chronik und vorrangig auf den Kaiserseiten; eine nachträgliche Kontrolle durch den Schreiber fand offensichtlich nie statt.
Randglossierung erfolgte später. Da sie meist nur auf den Inhalt des nebenstehenden Textes hinweist, wurde hier auf sie verzichtet.
Zum Schluss gebe ich noch einige Kommentare zu den Zusätzen und Zusatzhänden von B1:
– Ein Zusatz der Hauptschreiberhand – das ist bemerkenswert! – findet sich fol. 17v unten, wo es um den Bericht über die Päpstin Johanna geht. Er muss aus einer C-Rezension stammen, denn in B2 und B3 sucht man ihn vergebens. Er ist eindeutig von der Hauptschreiberhand vorgenommen, weist die charakteristische leichte Linksneigung der Haupthand auf, die typisch geringe Verwendung von Großbuchstaben und Benutzung charakteristischer Kürzel.
– Die erste Zusatzhand – genannt B1a – ist der Haupthand sehr ähnlich, bedient sich aber anderer Kürzel (fol. 26v). Sie wirkt offenbar bei den meisten Zusätzen bis 1303 (fol. 26v).
– Die nächste Zusatzhand – genannt B1b – gehört ins 14. Jahrhundert, erstellte vielleicht die Zusätze: z.B. Gedächtnistage zu den Päpsten, sowie den Zusatz fol. 27v. Diese Hand begegnet offensichtlich bereits im Text auf fol. 8 mit dem großen Eintrag über die Verfolgungen der Christen.
– Eine dritte Zusatzhand – B1c – gehört ins 15. Jahrhundert und erscheint zweimal fol. 26v.
Zur Behandlung von Schreibeigenheiten:
Die Orthographie ist natürlich vom Umfeld des jeweiligen Schreibers bestimmt. Im Mittelpunkt stehen die B-Handschriften. Die Leithandschrift B1 – das lässt sich gut an den Zusätzen beobachten – ist wenig geglättet und kaum vom Schreiber kollationiert, sonst fehlten nicht so oft einzelne Buchstaben, ganze Silben oder Kürzelzeichen. Aufschlussreich ist auch, dass hier noch gar kein Ausgleich zwischen Textblöcken und Seiten angestrebt ist, was ganz anders bei der sehr regelmäßig gearbeiteten Handschrift B2 ist und in B3 zu großen Verschiebungen führt. B1 und B2 sind italienischer Provenienz, B3 süddeutscher. Insofern ist der Buchstabenbestand der Eigennamen in B3 uns am ehesten vertraut, aber im Autograph nicht unbedingt entsprechend gehandhabt. B2 ist nach der Kanonisation Ludwigs IX. geschrieben (AD 1297).
Die Kapitelzeichen (C.) finden sich in vier Handschriften; allein in B3 fehlen diese. Sie dienen als Orientierungshilfe und wurden daher übernommen. Die Wortstellung der Leithandschrift B1 wurde in der Regel beibehalten und nur dann nach anderen Handschriften korrigiert, wenn das dem Sinnverständnis dienlich war. Umstellungen sind im textkritischen Apparat in der Regel nicht eigens angemerkt. Irrtümliche Wortdoppelungen werden in der Regel stillschweigend korrigiert. Konsonantenverdopplungen, die nicht üblich sind, werden ohne Kommentar im Text vereinfacht, nicht in den Varianten. Umgekehrt werden, falls nötig, Verdopplungen vorgenommen.
An orthographischen Vereinheitlichungen wurden folgende vorgenommen:
– u in konsonantischer Verwendung wird immer als v wiedergegeben;
– i und j werden unterschiedslos stets als i geschrieben;
– c vor e und i ist häufig wie im Italienischen durch ein h gehärtet; dies wurde kommentarlos vereinheitlicht;
– t und c sind in der Regel gemäß paläographischem Brauch der Zeit verwandt, d.h. man kann sie im 13. Jh. noch unterscheiden; deshalb wird t vor i mit nachfolgendem Vokal noch t geschrieben (Vincentius);
– h im Anlaut wurde getilgt, wenn es nur den Knacklaut andeutet, umgekehrt eingefügt, wenn es im Deutschen üblich ist (Heinricus);
– consilio wird meist concilio geschrieben und gemäß Anmerkung korrigiert.
Den Casus andeutende Effizienten der römischen Zahlen wurden in der Regel weggelassen. In Worten ausgeschriebene Zahlen wurden gemäß B1 behandelt.
Endpunkt der Ausgabe:
Die Tabellen enden 1276 wegen des Dreipäpstejahres. Die Handschriften A und B1 enden um 1270, B2 ist ebenso wie B3 weitergeführt, C in jedem Fall. Martin starb 1278, erlebte also auch für C allenfalls den Regierungsantritt von Papst Nikolaus III. Darum soll dort auch der Endpunkt für die Tabellenversion gesetzt werden.
Sonderprobleme:
Die Erweiterung der Vorrede in C müsste eigentlich in den Variantenapparat, ist aber zu umfangreich. Sie sollte als Historia Romana zwischen Vorrede und nachchristlichen Tabellen stehen. Der Text der Vorrede ist allein nach der der Handschrift C erstellt.
5.
Die Vorlagen der Chronik des Martin von Troppau
Eine eingehende neuere Untersuchung über die Vorlagen der Chronik des Martin von Troppau steht noch aus; einstweilen ist von den Vorarbeiten Ludwig Weilands auszugehen. Diese Probleme können hier daher nur gestreift werden. Doch in einigen grundlegenden Fragen haben sich da die Voraussetzungen verschoben. Der detaillierte Vorlagennachweis fehlt noch – ebenso wie eine historische Kommentierung –; hier sollen dafür nur Anhaltspunkte gegeben werden.
Eine Reihe von Bausteinen der Papst-Kaiser-Chronik des Martin von Troppau konnte Weiland nicht kennen, weil sie zu seiner Zeit noch nicht zugänglich waren. Dazu gehören vorrangig die sogenannten Chronicae Romanae, die stadtrömischen Universalgeschichten, die meist erst um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert insbesondere von Oswald Holder-Egger veröffentlicht wurden. Schaut man die Edition von Weiland an, ist man überrascht, wieviel Text hier im Normal-Druck erscheint, wo man mit Rücksicht auf bekannte Vorlagen Petit-Druck erwartet hätte: Die kleinen Weiland noch unbekannten stadtrömischen Chroniken waren faktisch das Vorbild für die Formatierung des Stoffes bei Martin von Troppau. Allerdings sind die Abhängigkeiten auch nicht ganz mühelos darzustellen, weil die beiden hauptsächlich von Martin konsultierten stadtrömischen Vorlagen, die Chronica Laurentiana und die Chronica Tiburtina, nicht mehr in der von Martin benutzten Version erhalten, sondern nur in jüngeren Überarbeitungen verfügbar sind.
Es liegt nahe, diese Chroniken besonders zu gewichten, denn Rom war das abendländische Regentenzentrum in kirchlicher und weltlicher Hinsicht. Als älteste Papst-Kaiser-Chronik gilt die Chronica quae dicitur Hugonis de Sancto Victore19; schon hier herrscht die später für die Gattung gern angewandte Vierspaltigkeit, noch auf einer Einzelseite konzipiert, die Inkarnationsjahre, Indiktionen, Papst- und Kaiserjahre vermerkt, bei Hugo bis 1126 reichend. Aus ihr schöpfen zahllose Papst-Kaiser-Kataloge der Folgezeit. Diese Werke bringen noch keine fortlaufenden Berichte und werden daher korrekter als Papst-Kaiser-Kataloge eingestuft.
Das ist bei Martin von Troppau anders, er wird als Papst-Kaiser-Chronist par excellence gefeiert, hatte aber schon Vorbilder wie z.B. das Chronicon pontificum et imperatorum Romanorum20 des Gilbertus Romanus um 1221. Hierzu gehören auch die stadtrömischen Chroniken von Tivoli und von San Lorenzo fuori le mura, deren Ableger wir heute in der erhaltenen Chronica Tiburtina21 und in der Chronica pontificum et imperatorum Sancti Bartholomaei in insula Romani22 haben. Weitere Bausteine dieser Quellen liefern die Chronica apostolorum et imperatorum Basileensia23. Ihnen hat das besondere Interesse der Martin-von-Troppau-Forschung zu gelten.
Der Tiburtina-Komplex ist derjenige, der Martin zeitlich am nächsten steht und deshalb den Vorrang verdient (das gilt für die verlorene Tiburtina; die erhaltene reicht bis 1241, aber Martin bediente sich der verlorenen, bis 1197 oder en bloc bis 1145 reichenden, während die von San Lorenzo in ihrer Urform nur bis 1129 konzipiert war, in ihrer Ableitung von Sankt Bartholomaeus allerdings bis 1256 fortgeführt ist). In Ermangelung der verlorenen Tiburtina behilft man sich mit der erhaltenen, die viele Berührungen zur Chronik Martins von Troppau aufweist: Der Grund liegt darin, dass beide auf der verlorenen Tiburtina aufbauen. Die verlorene Tiburtina aber hat vermutlich das Layout von Martins Chronik entscheidend geformt, war gewissermaßen die Formatiervorlage. Die Arbeit mit der erhaltenen Tiburtina als Ersatzvorlage ist allerdings mühsam, da diese Chronik große Mängel aufweist, die zumindest teilweise mit Nachlässigkeit des Bearbeiters zu begründen sind; so weist beispielsweise die Kaiserchronik für das 10. bis 12. Jahrhundert erschreckende Dürftigkeit auf.
Der Komplex von San Lorenzo ist nur vermittels der Papst-Kaiser-Chronik von St. Bartholomaeus in Insula zu benutzen, eine Chronik, die in der Bibliotheca Medicea Laurenziana in Florenz erhalten ist24. Der Kern dieser Chronik reicht bis 1129 und ist nicht auf der Tiber-Insel, sondern in Rom entstanden, wohl in San Lorenzo, und hat auch die Chronik von Tivoli beeinflusst. Spätere Bearbeitungen weisen auf die Tiber-Insel, Einschnitt um 1192, Weiterführung bis Mitte 13. Jahrhundert. Auch hier ist die Kaiserspalte dürftig erarbeitet; ganz offensichtlich wusste man in Rom nicht viel über deutsche Könige und Kaiser im Hohen Mittelalter zu berichten. Auch dieser römische Chronikenkomplex ist von Martin von Troppau eifrig herangezogen. Diese römischen Weltchroniken waren Weiland noch nicht bekannt.
Ergänzt werden diese Chroniken noch durch die Baseler Chroniken, verfasst von einem Deutschen aus der Diözese Basel an der Kurie unter Innozenz III. bis Gregor IX. Sie basieren auf römischen Quellen.
Aufs Ganze gesehen ist die verlorene Tiburtina die führende stadtrömische Chronik; sie wird zeitweilig von der verlorenen Laurentiana abgelöst, aber ab dem 7. Jahrhundert geht die Führung wieder an die Tiburtina über.
Weiland nennt als Vorlage für Martin von Troppau vielfach Vincenz von Beauvais. Ob er bereits mit seinem gewaltigen vierbändigen Speculum Historiale25 direkt ausgeschrieben oder in Gestalt von Florilegien indirekt benutzt wurde, bleibt offen. Für Papstgeschichte ist Vincenz nicht besonders ergiebig, eher für Herrschergeschichte; vor allem aber findet man dort große Abschnitte über Heilige, die auch bereits in den Kapitelüberschriften auftauchen: Bekanntlich gab es zu den Kapitelüberschriften bereits ein alphabetisches Register26, das auf Vincenz selbst oder seine direkten Mitarbeiter zurückgeht und für Martin – er wirkt ja nur ein bis zwei Dekaden später – eine maßgebliche Hilfe gewesen sein könnte. Im Wortlaut bleibt Martin Vincenz im allgemeinen recht nahe. Im Vorwort ist Vincenz von Martin ausdrücklich als Vorlage herausgestellt.
Richard von Cluny wird gleichfalls ausdrücklich von Martin als Vorlage benannt. Das Kardinalskapitel im Vorwort der späteren Rezensionen von Martins Chronik bezeugt diesen Einfluss. Weiland hat diesen eingehend untersucht27. Es ging u.a. um die Frage, ob Martin Isidor von Sevilla ausgeschrieben hat oder diesen nur aus Richard kannte; vorsichtshalber erwähnt Weiland in der Ausgabe immer beide Vorlagen, Martin selbst benennt Isidor von Sevilla nicht ausdrücklich. Die Fragestellung28 berührt auch das Kardinalskapitel bei Richard und bei Martin. Richard stammte wohl aus Poitiers, war Mönch in Cluny und später vielleicht in einem Priorat von Cluny in Poitiers. Er war Petrus Venerabilis eng verbunden und daher beim Schisma Viktoriner. Er starb wohl nach 1174.
Die Chronik29 ist in fünf Fassungen überliefert, aber für die ältere Zeit nicht oder nur in Fragmenten gedruckt: – A: MS Paris, BnF lat. 5014, 12. Jh.; – B: viele Handschriften, u.a. MS Paris, BnF lat. 4934, 13. Jh.; – C: reichte bis 1171; – außerdem D/E.
Die Richard von Cluny zugeschriebenen Passagen weichen bei Martin von Troppau zumeist erheblich im Wortlaut von Richard ab, so dass ich – im Gegensatz zum sehr wörtlich übernommenen Kardinalskapitel – sehr vorsichtig wäre, ob und welche Richard-Vorlage hier benutzt ist. Die beste Überlieferung ist vermutlich Rezension B, vor allem Paris, BnF Lat. 4934, das ich als Manuskript von meiner Dissertation her in Mikrofilmform (1954) noch besitze. Diese Texte sind aber auch nicht über weite Strecken ausgeschrieben, sondern nur sporadisch herangezogen worden.
Das Richards verschiedene Textversionen betreffende Handschriftenspektrum fand in der jüngeren Literatur verschiedentlich Beachtung30.
Das nächste Rätsel ist Gottfried von Viterbo31, dessen Werk Martin im Vorwort als Chronica (plur.) nennt. Die Stauferforschung bietet keine brauchbare moderne Studie über ihn32. Romanischer Herkunft, in Viterbo begütert, war er kaiserlicher Notar, Magister und Hofkaplan der Staufer. Geboren um 1125, erscheint er 1133 in der Hofschule Bamberg durch Lothar, unter Konrad III. in der Hofkapelle, dann unter Friedrich I. (identisch mit Kanzleinotar Arnold II C unter Friedr. I.) und unter Heinrich VI. (wohl dessen Lehrer). Als Diplomat ist er 1153 am Konstanzer Vertrag unter Eugen III. beteiligt, später ist er als Domkanoniker in Speyer, Lucca und Pisa bezeugt. Gestorben nach 1200.
Er verfasste offenbar fünf Geschichtswerke:
Speculum Regum (von der Sintflut bis Heinrich VI.), 1183 beendet, zwei Bücher in Versen ed. Georg Waitz in: MGH SS 22 S. 21–93;
Memoria saeculorum mit poetischem und prosaischem (= Isagoge) Teil ab Schöpfung bis Friedrich I., auszugsweise ed. Georg Waitz in: MGH SS 22 S. 94–106;
Liber universalis 1187, 2 Hss., unvollendet, unediert;
Pantheon, 1187–1190 geschrieben in Viterbo, 40 Hss. erhalten, Prosa und Poesie, in Fassung C 20, in D 30, in E 33 Particula, in späten Fassungen betreffen anfangs fünf Particula die Theologie, ab Part. VI ist die Schöpfung behandelt usw.; Fassung C, D, und E gemischt ed. Georg Waitz in: MGH SS 22 S. 107–307;
Gesta Friderici (ed. Georg Waitz in: MGH SS 22 S. 307–334) und Gesta Heinrici in 48 Vagantenstrophen 1189–1198 (ed. Georg Waitz in: MGH SS 22 S. 334–338, ob von Gottfried?).
Die Teiledition aller fünf Werke von Waitz (im gleichen Scriptores-Band 22 wie Martin, aber von Weiland noch nicht beachtet) wird diesen Details zu den verschiedenen Schriften überhaupt nicht gerecht, sie ist für den Benutzer ein Buch mit sieben Siegeln.
Martin von Troppau benutzte Gottfried nur sehr sporadisch, wie meine Überprüfung ergab. Da sind an rund zehn Stellen Anklänge angesprochen, aber ich käme im Gegensatz zu Weiland nie auf die Idee, Gottfrieds Pantheon als wesentliche Vorlage anzunehmen, weil Martin ihn im Vorwort nennt. Einzige Ausnahme ist das Geschichtchen Martins zu Konrad II. über dessen Nachfolger Heinrichs III., welcher als Findelkind Konrads Nachstellungen nur mühsam entkommt. Diese haarsträubende und eigentlich überflüssige Anekdote findet sich bei Gottfried von Viterbo33, aber in viel kürzerer Fassung. Der an sich knapp berichtende Martin hat hier Text aufgebauscht, der gar nicht in den Charakter einer Papst-Kaiser-Chronik passt. Allerdings hat Gottfried den Text auch in Verse gesetzt, und da nimmt er 64 Dreizeiler ein, das sind 192 Verszeilen für dieses bedeutende Ereignis.
Gervasius von Tilbury34 wird gleichfalls von Martin im Vorwort als Vorlage benannt. Besonders viel scheint er aber nicht ausgeschrieben worden zu sein35.
Das Chronicon36 des Benedikt von St. Andreas auf dem Monte Soracte37 ist überraschenderweise bei Martin nachzuweisen, auch mehrfach benutzt, aber von Martin selbst nicht unter den Vorlagen aufgeführt. Diese Chronik ist eine Ausnahmeerscheinung in Mittelitalien bald nach 972 und vor 1000, Zeugnis einer dunklen Zeit in barbarischem Latein; wenig universal, hat sie Seltenheitswert. Erhalten ist sie nur in einer Handschrift aus der Zeit der Entstehung, die aber wohl nicht das Autograph ist. Dieser Textzeuge ist im Anfang verstümmelt, setzt unter Julian dem Apostaten ein.
Martin von Troppau benennt das Werk eines Escodius als Vorlage seiner Chronik. Mit diesem Namen kann man nichts anfangen. Der Hinweis bezieht sich aber offenbar auf Schrifttum über die Stadt Rom und ihre Bauten, nämlich auf die Mirabilia38 und die Graphia aureae urbis Romae39.
Darüber hinaus sind benutzt der Liber Pontificalis40, Livius, Orosius41, Paulus Diaconus42, Bonizo von Sutri43, Gilbertus Romanus44 und das Dekret Gratians45.
6.
Die Fortsetzungen der Chronik Martins von Troppau
Die Fortsetzungen der Chronik Martins von Troppau sind Legion, aber hier insofern nicht von Gewicht, weil sie alle das Tabellenwerk zerfetzt und irgendwo beliebig fortgesetzt haben. Hingegen gibt es keine einzige Weiterführung des vollständigen Tabellenwerkes, sondern nur kleine Anwüchse an Einzeltextblöcken. Natürlich besitzt man zahlreiche Fortsetzungen der Papstchronik, aber schon bei der Kaiserchronik hapert es total, denn es gab kein anerkanntes römisches Kaisertum mehr nach 1250. Abhilfe schafft bisher allein die Übersicht über die Fortsetzungen zur Papst-Kaiser-Chronik Martins von Troppau und zu den Flores temporum (nach bekannten Enddaten) von Heike Johanna Mierau. Zwar sind schon ganze Dissertationen etwa über die englischen Fortsetzungen von Martin von Troppau durch Wolfgang Valentin Ikas angefertigt worden46, aber eine Tabelle für die beiden Quinquagenen des 14. Jahrhunderts ist mir bislang nicht vorgekommen. Faktisch hat die ausgeklügelte Tabelle des Martin von Troppau keine Fortsetzer gefunden.
Dieses Ergebnis verdeutlicht umso mehr, welch originelle Leistung die Papst- Kaiser-Chronik des Martin von Troppau letztlich darstellt.
7.
Die Benutzung der Chronik Martins von Troppau
Hier ist das Ergebnis gerade umgekehrt wie bei den Fortsetzungen: Es gibt nahezu kaum ein Produkt der spätmittelalterlichen Geschichtsschreibung, für das Martin von Troppau nicht zum Paten bestellt worden wäre.
Der an sich universalhistorische Charakter der Papst-Kaiser-Chronik eignete sich als Vorlage für die gesamte Chronistik. Insbesondere im gelehrten Dominikaner-Orden wurde Martins Chronik verbindliche Vorlage neben den Leistungen seiner Ordensbrüder Vincenz von Beauvais und Jean de Mailly in Metz um die Jahrhundertmitte, doch auch die Minoriten schlossen sich dieser Schule an. Unter dem Sammelnamen Martinus Minorita finden sich in Südwestdeutschland Entsprechungen, die zudem die anniversaristische Heiligengeschichtsschreibung der Legenda Aurea des Predigermönches Jacobus de Voragine aufnehmen und es zu großer Popularität unter dem Namen „Flores Temporum“ bringen. Man spricht von Chronikentyp der Martinianen.
Es gibt in der Folgezeit kaum ein historisches Werk, das nicht von Martins Chronik beeinflusst ist. Das gilt für das gesamte Spätmittelalter. Erst das Zeitalter der Reformation ließ eine primäre Orientierung an der Geschichte des Papsttums nicht mehr zu.
8.
Die Ausgaben der Chronik Martins von Troppau
Obwohl die Handschriften der Papst-Kaiser-Chronik Martins von Troppau im 15. Jh. schon weitgehend den Tabellencharakter und damit auch den eigentlichen Wert des Werkes verloren hatten, wurde das Werk doch weiter benutzt und fand daher auch immer wieder Drucker, wenn auch nicht entfernt in gleichem Maß wie Abschreiber im Mittelalter. Zudem war die Reformation einer Papstchronistik nicht sonderlich zugewandt.
Editionen:
1559 Basel, Joannes Bas. Herold apud J. Oporinum, fol., mit Marianus Scottus
1574 Antwerpen, Suffridus Petrus, 8°
1859 Prag, P. Philipp Klimeš, 8°
1868 Berlin, Ludwig Weiland für die MGH47, fol.
Übersetzungen:
zur handschriftlichen Überlieferung der deutschen Übersetzungen vgl. allgemein: http://www.handschriftencensus.de/werke/981
deutsch (mhd.): ed. San-Marte (A. Schultz) im Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 1858/5948
englisch: ed. Dan Embree, Woodbridge 199949
persisch: ed. Karl Jahn, Wien 197750
polnisch: ed Agnieszka Fabiańska und Jacek Soszyński, Kęty 200851.
9.
Literatur
a. Ausgewählte Titel der letzten dreißig Jahre:
Herman Kølln, Der Bericht über den Dänenkönig in den Wenzelsbiographien des 13. und 14. Jahrhunderts, in: Det Kongelige Danske Videnskabernes Selskab, Historisk-filosofiske Meddelelser 52,2, København 1986
Jacek Soszyński, A Survey of Medieval Manuscripts Containung the Chronicle of Martin the Pole in Polish Collections, in: Studie o Rukopisech 27 (1989/90) S. 113–133
– Kronika Marcina Polaka i jej średniowieczna tradycja rękopiśmienna w polsce, Warszawa1995
Wolfgang Valentin Ikas, Martin von Troppau (Martinus Polonus) O.P. († 1278) in England, 2002
– Fortsetzungen zur Papst- und Kaiserchronik Martins von Troppau aus England, MGH SS rer. Germ. N.S. 19, 2004
Heike Johanna Mierau, Das Reich, politische Theorien und die Heilsgeschichte, in: Zeitschr. f. Histor. Forschung 32 (2005), S. 543–573
– Die Einheit des Imperium Romanum in den Papst-Kaiser-Chroniken des Spätmittelalters, in: Histor. Zeitschrift 282 (2006) S. 281–312
b. Publikationen v. den Brincken zu Martin von Troppau und verwandten Problemen:
Studien zur lateinischen Weltchronistik bis in das Zeitalter Ottos von Freising, Phil. Diss. Münster vom 17. 5. 1956, Düsseldorf 1957
Abendländisches Mittelalter, in: Mensch und Weltgeschichte. Zur Geschichte der Universalgeschichtsschreibung. Siebentes Forschungsgespräch, Internat. Forschungszentrum f. Grundfragen der Wissenschaften Salzburg, hg. von Alexander Randa, Salzburg/München 1969, S. 41–86.
Tabula alphabetica. Von den Anfängen alphabetischer Registerarbeiten zu Geschichtswerken (Vincenz von Beauvais OP, Johannes von Hautfuney, Paulinus Minorita OFM), in: Festgabe f. Hermann Heimpel (Veröfftlgn. des Max-Planck-Instituts f. Gesch. 36, 2), Göttingen 1972, S. 900–923
Die "Nationes Christianorum Orientalium" im Verständnis der lateinischen Historiographie von der Mitte des 12. bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts (Kölner Hist. Abhh. 22), Köln 1973 (Hab.-Schr. v. 26. 1. 1972)
Beobachtungen zum Aufkommen der retrospektiven Inkarnationsära, in: Archiv f. Diplomatik 25, 1979, S. 1–20
Zur Herkunft und Gestalt der Martins-Chroniken, in: Dt. Archiv f. Erforsch. d. Mittelalters 37, 1981, S. 694–735
Hodie tot anni sunt – Große Zeiträume im Geschichtsdenken der frühen und hohen Scholastik, in: Mensura. Maß, Zahl und Zahlensymbolik im Mittelalter. Miscellanea Medievalia 16 (1983) S. 192–211
Martin von Troppau, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasser-Lexikon 6, 1985, Sp. 158–166
Studien zur Überlieferung der Chronik des Martin von Troppau (Erfahrungen mit einem massenhaft überlieferten historischen Text), in: Dt. Archiv f. Erforsch. d. Mittelalters 41, 1985, S. 460–531; Forts. s. unter 1989 und 1994
Inter spinas principum terrenorum. Annotazioni sulle summe e sui compendi storici dei Mendicanti, in: Aspetti della Letteratura Latina nel secolo XIII, Atti del primo Convegno internazionale di studi dell'Associazione per il Medioevo e l'Umanesimo latini (AMUL), Perugia 3–5 ottobre 1983 a cura di Claudio Leonardi e Giovanni Orlandi (Quaderni per il Collegamento degli Studi Medievali Umanistici nell'Università di Perugia 15), Perugia/Firenze 1985, S. 77–103
Martin von Troppau, in: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im späten Mittelalter, hg. von Hans Patze (Vortr. u. Forschgn. 31), Sigmaringen 1987, S. 155–193
Anniversaristische und chronikalische Geschichtsschreibung in den "Flores Temporum" (um 1282), in: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im späten Mittelalter, hg. von Hans Patze (Vortr. u. Forschgn. 31), Sigmaringen 1987, S. 195–214
Die Rezeption mittelalterlicher Historiographie durch den Inkunabeldruck, in: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im späten Mittelalter, hg. von Hans Patze (Vortr. u. Forschgn. 31), Sigmaringen 1987, S. 215–236
In una pagina ponendo pontifices, in alia pagina imperatores. Das Kopieren der tabellarischen Papst-Kaiser-Chronik des Martin von Troppau OP († 1278), in : Revue d'Histoire des Textes 18, 1988, S. 109–136 u. Taf. IV und V
Studien zur Überlieferung der Chronik des Martin von Troppau. Zweiter Teil, in: Dt. Archiv f. Erforschung d. Mittelalters 45, 1989, S. 551–591, vgl. zu 1985 und 1994
Geographisches Weltbild und Berichtshorizont in der Papst-Kaiser-Chronik des Martin von Troppau 0P, in: Ex Ipsis Rerum Documentis. Beiträge zur Mediävistik, Festschrift für Harald Zimmermann zum 65. Geburtstag, hg. von Klaus Herbers, Hans-Henning Kortüm und Carlo Servatius, Sigmaringen 1991, S. 91–101
Studien zur Überlieferung der Chronik des Martin von Troppau. Erste Nachträge, in: Dt. Archiv f. Erforsch. d. Mittelalters 50, 1994, S. 611–613; vgl. unter 1985 und 1989
Lücken und Lückenlosigkeit in der Geschichtspräsentation des Martin von Troppau OP († 1278), in: Leben und Wahrheit in der Geschichte. Festgabe zum 90. Geburtstag von Hans Tümmler, hg. von Herbert Hömig (Sonderschriften der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt 28) Bochum 1996, S. 1 –16
Lexikon f. Theologie und Kirche Bd. 6, 1997: Martin von Troppau, Sp. 1429
Enzyklopädie des Märchens Bd.9, 1997: Martin von Troppau, Sp. 364–367
Martin von Troppau († 1278/79), Chronicon pontificum et imperatorum, in: Volker Reinhardt (Hg.), Hauptwerke der Geschichtsschreibung (Kröners Taschenausgabe Bd. 435), Stuttgart 1997, S. 414–417
Mittelalterliche Geschichtsschreibung, in: Aufriss der Historischen Wissenschaften, hg. von Michael Maurer, Bd. 5: Mündliche Überlieferung und Geschichtsschreibung, Universal-Bibliothek Nr. 17031, Philipp Reclam jun., Stuttgart 2003, S. 188–280, ISBN 3-15-017031-1
Martin of Opava, in: The Encyclopedia of the Medieval Chronicle, hg. von Graeme Dunphy, Leiden: Brill 2010, II, S. 1085–1088, ISBN 978-09-04-184640