Digitale Briefausgabe Ernst Kantorowicz

Inv.-Nr. 354: Ernst H. Kantorowicz an Carl Erdmann, 10.03.1931

Metadaten

Inventar-Nr.: 354
Dateiname: d19310310_kantorowicz_erdmann.xml
Empfänger: Carl Erdmann Carl Erdmann (1898-1945), dt. Historiker, 1926-1932 Assistent am Preußischen Historischen Institut in Rom, seit 1934 Mitarbeiter der MGH
Schreib-/Versandort: Berlin
Empfängerort: -
Datum des Schreibens: 10.03.1931
Datum des Poststempels: -
Korrespondenzform: Brief
Typ: Typoskript
Umfang: 1 Bl., 2 S.
Aufbewahrung: DHI Rom Archiv/R 2 Registratur 1924-1943 Nr. 12

Brieftext

Berlin, 10.3.31.
Wichmannstr.10.

Ill.mo Dottore !

Meinen herzlichsten Dank für Ihren Brief nach GasteinHofgastein (Österreich) [1] und für Ihre Auskünfte muss ich leider gleich mit einer neuen Bitte verbinden. Beiliegend ist eine schwarz-weiss Photographie aus SCHLUMBERGERGustave Schlumberger (1844-1929), frz. Historiker, Byzantinist u. Numismatiker, Byzance et croisades Gustave Schlumberger, Byzance et croisades.Pages médiévales, Paris 1927. - angeblich (und warum auch nicht?) Friedrich II.Friedrich II. von Hohenstaufen (1194-1250), Kg. v. Sizilien, röm-dt. Kg., 1220-1250 Ks. au milieu de sa cour darstellend, entnommen einem "Manuskript der Kathedrale v. SalernoSalerno, Museo Diocesano, Exultet-Rotulus" [2] . Um nähere Auskunft zu erhalten hatte ich schon vor längerer Zeit an das KathedralarchivArchivio Diocesano; Salerno in SalernoSalerno (Italien) geschrieben, und zwar in meinem besten Toscanisch, revidiert von einem quasi Petrus de VineaPetrus de Vinea (gest. 1249), ital. Jurist u. Poet; Kanzler Friedrichs II. [3] - mithin verständlich - worin ich gebeten hatte, mir doch dieses ManuskriptSalerno, Museo Diocesano, Exultet-Rotulus näher zu bezeichnen und mir zu sagen, worauf sich die Annahme, dass es ein Bild Friedrichs II.Friedrich II. von Hohenstaufen (1194-1250), Kg. v. Sizilien, röm-dt. Kg., 1220-1250 Ks. sei, wohl begründen könne. Bis heute habe ich darauf noch keine Antwort bekommen - vielleicht ist auch der Brief verloren gegangen oder unbestellbar gewesen oder bei einem Erdbeben im Interesse der Archäologen des Jahres 2930 verschüttet worden. Nun hoffe ich, dass das IstitutoPreussisches Historisches Institut in Rom; Rom mit SalernoSalerno (Italien) so gute Beziehungen unterhält, dass es mich der Notwendigkeit, selbst dorthin zu reisen, überhebt. Ich möchte |Seitenwechsel nämlich das Bild, das sonst kaum bekannt ist, gern dem (F.II)2 = F2 + 2F II + II2 [4] beigeben und da besagtes Opus maius Ernst H. Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite. Ergänzungsband. Quellennachweise und Exkurse, Berlin 1931. im April erscheinen will [5] , so ist damit auch schon gesagt, dass die salernitaner Auskunft einigermassen eilig ist [6] .

Ich wäre Ihnen also ausserordentlich dankbar, wenn Sie feststellen könnten, was das für eine Handschrift ist und wie sie heisst, die dieses Bild in sich birgt [7] . Die Schuld der Identifizierung mit Fr.II.Friedrich II. von Hohenstaufen (1194-1250), Kg. v. Sizilien, röm-dt. Kg., 1220-1250 Ks. kann ich schlimmstenfalls Mr.BertauxÉmile Bertaux (1869-1917), frz. Kunsthistoriker in die Schuhe schieben [8] . Sehr lieb aber wäre es mir, wenn ich eine neue Photographie - und zwar nicht schwarz-weiss, sondern richtig - erhalten könnte. Der Dank der Nachwelt wäre uns beiden dann gewiss.
Von hier gibt es nicht allzuviel zu berichten. Auf seiner Durchreise von KönigsbergKönigsberg (heute Kaliningrad, Russische Föderation) nach ArosaArosa (Schweiz) begegnete ich hier BaethgenFriedrich Baethgen (1890-1972), dt. Historiker, 1913 bei Karl Hampe über die "Regentschaft von Papst Innozenz III." promoviert. Nach der Habilitation (1920) bei den MGH in Berlin beschäftigt, 1924-1927 außerordentlicher Professor in Heidelberg, wo er Kantorowicz kennenlernte. 1927-1929 2. Sekretär am Preussischen Historischen Institut in Rom, 1929-1939 Ordinarius für Geschichte in Königsberg, 1939-1948 in Berlin, 1948-1959 Präsident der MGH in München., der durch seine Lehr- und sonstige Tätigkeit sehr in Anspruch genommen zu sein scheint. Die Monumentisten [9] arbeiten fleissig und ich mache den Index zu meinem oben genannten Buch Ernst H. Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite. Ergänzungsband. Quellennachweise und Exkurse, Berlin 1931. [10] . Sehr neugierig bin ich schon auf Ihren Pariser Aufsatz Carl Erdmann, Une bulle sur papyrus du pape Formose en faveur de Saint-Denis, in: Bibliothèque de l'École des Chartes 91 (1930), S. 301-306. , der ja nun bald erscheinen wird [11] . Dass Walther HoltzmannWalther Holtzmann (1891-1963), dt. Diplomatiker u. Historiker; 1930-1936 Professor an der Universität Halle-Wittenberg, 1936 Berufung nach Bonn, 1937-1963 Mitherausgeber des "Deutschen Archivs", 1953-1961 Direktor des DHI Rom nach HalleHalle/Saale berufen ist, werden Sie wohl schon wissen [12] ; FreiburgFreiburg im Breisgau ist eine ganz offene Frage, seit das badische MinisteriumBadisches Ministerium des Kultus und Unterrichts; Karlsruhe die Liste, auf der nur noch BaethgenFriedrich Baethgen (1890-1972), dt. Historiker, 1913 bei Karl Hampe über die "Regentschaft von Papst Innozenz III." promoviert. Nach der Habilitation (1920) bei den MGH in Berlin beschäftigt, 1924-1927 außerordentlicher Professor in Heidelberg, wo er Kantorowicz kennenlernte. 1927-1929 2. Sekretär am Preussischen Historischen Institut in Rom, 1929-1939 Ordinarius für Geschichte in Königsberg, 1939-1948 in Berlin, 1948-1959 Präsident der MGH in München. stand, an die Fakultät zurückgeschickt hat [13] . Nach FrankfurtFrankfurt am Main siedle ich am 1. April über, worauf ich mich doch schon sehr freue [14] .

Haben Sie im Voraus herzlichen Dank und nehmen Sie alle guten Wünsche
Ihres
Ernst Kantorowicz.

1Verfasst von: Andreas Öffner. In Hofgastein hatte Kantorowicz im Winter 1930/31 einen mehrwöchigen Skiurlaub verbracht; vgl. Grünewald, Kantorowicz und Stefan George (1982) Eckhart Grünewald, Ernst Kantorowicz und Stefan George. Beiträge zur Biographie des Historikers bis zum Jahre 1938 und seinem Jugendwerk "Kaiser Friedrich der Zweite" (Frankfurter historische Abhandlungen 25), Wiesbaden 1982. , S. 104 f. und Lerner, Kantorowicz (2020) Robert E. Lerner, Ernst Kantorowicz. Eine Biographie, Stuttgart 2020. , S. 177.

2Verfasst von: Andreas Öffner. Vgl. Schlumberger, Byzance et croisades (1927) Gustave Schlumberger, Byzance et croisades. Pages médiévales, Paris 1927. , Abb. XIX (nach S. 350) mit der Bildunterschrift "Manuscrit de la Cathèdrale de Salerne. L'Empereur Frédéric II au milieu de sa cour. (Bertaux, Hautes Etudes, C. 1567.); hier eine aktuelle Farbaufnahme.

3Verfasst von: Andreas Öffner. Es bleibt unklar, auf welchen Zeitgenossen Kantorowicz mit dem für seine Stilkunst berühmten Kanzleivorsteher Friedrichs II. anspielt.

4Verfasst von: Martina Hartmann. Mit diesem mathematischen Formelspiel ist der Ergänzungsband über Friedrich II. Ernst H. Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite. Ergänzungsband. Quellennachweise und Exkurse, Berlin 1931. gemeint.

5Verfasst von: Martina Hartmann. Tatsächlich erschien der Band im Mai/Juni 1931; vgl. Grünewald, Kantorowicz und Stefan George (1982) Eckhart Grünewald, Ernst Kantorowicz und Stefan George. Beiträge zur Biographie des Historikers bis zum Jahre 1938 und seinem Jugendwerk "Kaiser Friedrich der Zweite" (Frankfurter historische Abhandlungen 25), Wiesbaden 1982. , S. 105.

6Verfasst von: Andreas Öffner. Tatsächlich konnte Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite. Ergänzungsband (1931) Ernst H. Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite. Ergänzungsband. Quellennachweise und Exkurse, Berlin 1931. auf dem Vorsatzblatt deine Abbildung unterbringen; ebd. S. 307, Anm. 1 dankt er Carl Erdmann und Hans-Walter Klewitz für die Auskunft, dass "sowohl die Datierung wie die Zuteilung des Bildes an eine bestimmte historische Person" laut ihm nicht zugänglicher Literatur (Capone, Il Duomo di Salerno (1927/1929) Arturo Capone, Il Duomo di Salerno, 2 Bde., Salerno 1927/1929. , Bd. 1, S. 387 ff. und Bd. 2, S. 165 ff.) "umstritten" sei. Ebd. rekapituliert er noch ausführlicher die im Brief verhandelte Anfrage: "Erst nach Fertigstellung des Druckes erhielt ich, nachdem meine Anfragen in Salerno ohne Antwort geblieben waren, durch die freundliche Vermittlung des Preußischen Historischen Instituts in Rom über die Abbildung eine nähere Auskunft".

7Verfasst von: Andreas Öffner. Erdmann war 1926-1932 Assistent am Preußischen Historischen Institut in Rom; wie aus Inv.-Nr. 355Inv.-Nr. 355: Ernst H. Kantorowicz an Carl Erdmann, 28.03.1931 hervorgeht, sagte er Kantorowicz Hilfe zu. Zu den Auskünften, die dieser schließlich doch aus Salerno erhielt und die er in Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite. Ergänzungsband (1931) Ernst H. Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite. Ergänzungsband. Quellennachweise und Exkurse, Berlin 1931. , S. 308, Anm. 1 referiert, gehört u.a. die, dass "die Exultet-Rolle jetzt zerschnitten und in Albumform gebunden [ist]. Das Kaiserbild ist das 20. und gehört zu dem Gebet für den Kaiser, das den Schluß des 'Preconio pasquale' bildet". Heute werden die - wieder separierten - Blätter im Museo Diocesano in Salerno ausgestellt.

8Verfasst von: Andreas Öffner. Vgl. etwa die selbstgewisse Einschätzung bei Bertaux, L'art dans l'Italie méridionale, Bd. 1 (1904) Émile Bertaux, L'art dans l'Italie méridionale, Bd. 1, Paris 1904. , S. 231: "Ce souverain [représenté dans le rouleau de Salerne] n'est autre que Fréderic II. La miniature terminale de l'Exultet de Salerne reproduit avec une étonnante exactitude le portrait du grand empereur". Der Kantorowicz vorliegende Bilnachweis "Bertaux, Hautes Etudes, C. 1576" in Schlumberger, Byzance et croisades (1927) Gustave Schlumberger, Byzance et croisades. Pages médiévales, Paris 1927. (s.o.) dürfte sich beziehen auf den Katalog der Bildsammlung der École Pratique des Hautes Études, zu der Bertaux "nombreux clichés [...] de l'Italie méridionale" beigesteuert hatte (Millet, La collection chrétienne et byzantine des Hautes Études (1902) Gabriel Millet, La collection chrétienne et byzantine des Hautes Études, in: École pratique des hautes études, Section des sciences religieuses. Rapport sommaire sur les conférences de lexercice 1902-1903 et le programme des conférences pour l'exercice 1903-1904 (1902), S. 1-94. , S. 9 f., "C 1567" verzeichnet ebd. S. 79 als "L'empereur Frédéric II au milieu de sa cour").

9Verfasst von: Martina Hartmann. Gemeint sind die Mitarbeiter der MGHMGH: Monumenta Germaniae Historica; Berlin (1875-1935) / München (1946-) in BerlinBerlin.

10Verfasst von: Martina Hartmann. Kantorowicz arbeitete an seinem Ergänzungsband in den Räumen der MGH; vgl. dazu Lerner, Kantorowicz (2020) Robert E. Lerner, Ernst Kantorowicz. Eine Biographie, Stuttgart 2020. , S. 152 f.

11Verfasst von: Andreas Öffner. Der einzige Beitrag Erdmanns aus den 1930er-Jahren, der einen bibliographischen oder inhaltlichen Bezug zu Paris aufweist, erschien in BECh 91 (1930), S. 301-306 Carl Erdmann, Une bulle sur papyrus du pape Formose en faveur de Saint-Denis, in: Bibliothèque de l'École des Chartes 91 (1930), S. 301-306. . Der S. 241 einsetzende zweite Faszikel des Jahrgangs wurde laut Vermerk der "Imprimerie Daupeley-Gouverneur" ebd. S. 415 allerdings erst 1931 gedruckt und war im März des Jahres wohl noch nicht ausgeliefert.

12Verfasst von: Martina Hartmann. Walther Holtzmann wurde 1930 nach Halle berufen auf den Lehrstuhl, den zuvor sein Vetter Robert Holtzmann innehatte.

13Verfasst von: Andreas Öffner. Die Nachfolge Erich Caspars trat 1931 im Rahmen einer Hausberufung der noch nicht einmal 30jährige Hermann Heimpel an; vgl. etwa Rexroth, Zeitalter der Extreme (2013) Frank Rexroth, Geschichte schreiben im Zeitalter der Extreme. Die Göttinger Historiker Percy Ernst Schramm, Hermann Heimpel und Alfred Heuß, in: Sie befruchtet und ziert. Die Geschichte der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, hg. v. Christian Starck/Kurt Schönhammer, Berlin-Boston 2013, S. 265–299. , S. 268, Anm. 10 (mit weiterer Literatur) oder Lemberg, Friedrich Baethgen (2015) Joseph Lemberg, Der Historiker ohne Eigenschaften. Eine Problemgeschichte des Mediävisten Friedrich Baethgen (Campus Historische Studien 71), Frankfurt am Main-New York 2015., S. 236 und 245 (mit Blick auf die Konkurrenz Heimpel-Baethgen).

14Verfasst von: Andreas Öffner. Zu Kantorowicz' Ruf nach Frankfurt vgl. Lerner, Kantorowicz (2020) Robert E. Lerner, Ernst Kantorowicz. Eine Biographie, Stuttgart 2020. , 174-177, für seine Übersiedelung ebd. S. 179.

Abbildungen (3)

Das Copyright am Brieftext liegt bei: Ariane Phillips

Projektphase 1: Transkription (Lisa-Maria Speck/Janus Gudian) | Textauszeichnung (Lisa-Maria Speck) | Kommentar (Lisa-Maria Speck)
Projektphase 2: Textauszeichnung (Andreas Öffner) | Kommentar (Martina Hartmann/Andreas Öffner)

Zitierlink zu diesem Datensatz: https://data.mgh.de/databases/eka/eka0354

Link zur XML

zurück zum Suchformular